Dieses Manuskript stimmt nicht unbedingt mit dem Wortlaut der Sendung überein. Es darf nur zur Presse- und Hörerinformation verwendet und nicht vervielfältigt werden, auch nicht in Auszügen. Eine Verwendung des Manuskripts für Lehrzwecke sowie seine Vervielfältigung und Weitergabe als Lehrmaterial sind nur mit Zustimmung der Autorin/des Autors zulässig. hr2-kultur | Camino – Religionen auf dem Weg Atmo: (Harfenmusik) O-Ton (Haliti): Wolken! Wolken sind ja ein ganz besonderes Thema für uns Flieger und Fliegerinnen. Die Wolken sind eigentlich unsere Freunde. Aber sie können auch schon mal zur Bedrohung werden. Die Wolken, die man so an einem schönen, blauen Sommerhimmel sieht, die Cumuluswolken, die Schäfchen-wolken, das sind eigentlich auch die Wolken, die wir am meisten lieben. O-Ton (Broadfoot): Was mich fasziniert mit Wolken, ist die freie Bewegung von einem zum Teil auch massives Ding, eine Mischung aus Macht und Leichtigkeit. O-Ton (Essen): Die Wolken sind weit weg, sie sind über uns, sie sind unfassbar, gleichzeitig formieren sich wunderschöne Gebilde aus ihnen, also ich könnte stunden-lang in den Himmel hineinschauen und finde das einfach faszinierend. Atmo: (mittelstarker Wind) Sprecherin: Sie sind weiß, grau oder schwarz. Sie schweben am Himmel – scheinbar leicht, doch in Wahrheit tonnenschwer. Keine ist wie die andere, und jede verändert rasend schnell ihre Gestalt. Wolken sind flüchtige Gebilde, sie halten niemals still und 2 ziehen immer weiter. Trotzdem sind sie ein beliebtes Motiv bei Malern. Auch Dichter versuchen seit Jahrhunderten, sie festzuhalten und in Worte zu fassen. Meteorologen werden ebenfalls nicht müde, in den Himmel zu gucken. Sie lesen an den Wolken ab, wie sich das Wetter in den nächsten Stunden entwickeln wird. Für viele Menschen sind Wolken ein Faszinosum. Sie legen sich ins Gras, betrachten das unendliche Schauspiel am Himmel und lassen ihre Gedanken aufsteigen und davon-fliegen. Andere Menschen haben keinen Blick für Wolken. O-Ton (Broadfoot): Also wenn ich das Thema anspreche mit manchen Freunden, dann fangen sie an zu gähnen und finden das überhaupt nicht interessant. Also es gibt Leute, die, Wolken sind für sie einfach eine Selbstverständlichkeit, und sie sehen nicht die Schönheit, die unterschiedlichen Formen, die sie haben, nehmen sie einfach, glaube ich, nicht so wahr. Oder sie denken, das sind Spinner. Sprecherin: Robert Broadfoot ist gebürtiger Engländer und lebt seit etlichen Jahren in Deutschland. Am liebsten betrachtet er die Wolken, wenn er auf der Terrasse seines Ferienhauses sitzt, in Missunde an der Schlei in Schleswig-Holstein. O-Ton (Broadfoot): Da hat man mit blauem Himmel nicht so viel immer zu tun. Aber da gibt es immer sehr schön viele Wetterveränderungen, die über den Kopf dann vorbei fliegen. Aber was interessant ist dabei, beim Cumulus, da müssen Sie Geduld haben. Sprecherin: Cumulus bedeutet "Haufen". Die Deutschen sagen lieber "Schäfchenwolke". Atmo: (leiser Wind) Zitator: Eine schmale, weiße Eine sanfte, leise 3 Wolke weht im Blauen hin. Senke deinen Blick und fühle Selig sie mit weißer Kühle Dir durch blaue Träume ziehn. Hermann Hesse O-Ton (Broadfoot): Wolken existieren in einem anderen Zeitraum als der Mensch, und wir sind meistens nicht geduldig genug, um sie zu beobachten. Aber ein Cumulus existiert für meistens nicht mehr als 15 Minuten. Man muss einfach etwas lange gucken, und man wird sehen, dass auch eine relativ große Cumulus nach 15 Minuten verschwindet. Und wenn man sehr lange zuschaut, sieht man auch manchmal eine Cumulus, der hervorkommt. Aus der Luft. Das ist auch interessant, das gibt es auch. Sprecherin: Robert Broadfoot ist Mitglied Nummer 19.398 der Cloud Appreciation Society, einer Organisation von bekennenden Wolkenfans. Gegründet wurde sie 2004 von einem Engländer. Heute hat die Gesellschaft weltweit über 35.000 Mitglieder. Viele von ihnen fotografieren Wolken und schicken die Bilder ein. Auf der Homepage der Cloud Appreciation Society kann man sie sich ansehen, fein säuberlich nach Wolkenkategorien sortiert. Einmal im Monat wird die Wolke des Monats gekürt. O-Ton (Broadfoot): Das ist das Schöne dabei, dass es wirklich so absolut harmlos ist, was man da macht. Harmloser könnte es kaum sein. Ernsthafte Ziele hat man nicht, nur andere zu überzeugen und von Wolken zu begeistern, das steht sogar auf der MembershipKarte, dass wir versuchen müssen, alle zu überzeugen über die Schönheit von Wolken. Zitator: O schau, sie schweben wieder Wie leise Melodien Vergessener schöner Lieder 4 Am blauen Himmel hin! [...] Ich liebe die Weißen, Losen Wie Sonne, Meer und Wind, Weil sie der Heimatlosen Schwestern und Engel sind. Hermann Hesse O-Ton (Haliti): Wenn man so nah an den Wolken vorbei fliegt, da muss ich schon gestehen, habe ich manchmal das Gefühl, ich würde gerne das Fenster aufmachen und so ein bisschen was von dieser, ja, Zuckerwatte, weil so sieht es ja ganz oft aus, wenn die Wolke so schön weiß ist, so ganz sauber aussieht und so einladend, dann habe ich das Gefühl, ich möchte gerne mal in die Wolke reinfassen, und irgendwie hätte ich auch das Gefühl, ich kriege da so ein Stückchen Zuckerwatte rausgebrochen. Ist natürlich Quatsch, aber einladend sind sie schon. Sprecherin: Ruth Haliti ist Hobby-Pilotin und hat ebenfalls ein Faible für Wolken. Und fürs Abheben. O-Ton (Haliti): Früher bin ich auch nach der Arbeit gerne mal einfach nur kurz zum Flughafen gefahren, habe das Hangartor geöffnet, die Maschine raus-gezogen, das zaubert schon alleine ein Lächeln aufs Gesicht, dann habe ich mich langsam reingesetzt und mich auf den Flug gefreut, bin auf die Landebahn, und dann einfach abgehoben, eine Runde übers Sauerland geflogen, das sieht wunderschön aus von oben, und dann war auch der ganze Berufsstress oder der ganze private Stress oder wie auch immer, dahin. Weil über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Atmo: (startendes Leichtflugzeug) O-Ton (Haliti): Über den Wolken, ei ei ei, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen, und dann ... – und genauso ist es auch. Man geht in die Luft, man geht 5 über die Wolken, unter die Wolken, aber auf jeden Fall, man fühlt sich frei. Und man verliert wirklich den Bezug zum Hier und Jetzt, und alles löst sich irgendwie in Wohlgefallen auf. Zitator: Und immer wieder, wenn ich mich müde gesehn an der Menschen Gesichtern, so vielen Spiegeln unendlicher Torheit, hob ich das Aug über die Häuser und Bäume empor zu euch, ihr ewigen Gedanken des Himmels. Christian Morgenstern Atmo: (leiser Wind) Sprecherin: Was ist das für ein Ort – dieser Himmel, an dem sich unaufhörlich neue Wolken bilden, und wo alles Irdische im Unbedeutenden verschwindet? O-Ton (Haliti): Wenn ich an Himmel, an Gott, an Wolken denke, ich glaube, da verfalle ich sogar wieder in meine Kindheit. Ich bin auf einem sehr, sehr kleinen Dorf groß geworden, wohnte unmittelbar an der Kirche, war natürlich auch schon als Mädchen sogar eine kleine Messdienerin, und mich hat es eigentlich immer fasziniert, die Wolke, ich finde sie auf so, so vielen Bildern in der Kirche wieder. Man hat das Gefühl, dass diese Wolke, die zwischen Himmel und Erde ist, ein Verbindungsglied zwischen Himmel und Erde darstellt. Sprecherin: Wolken verbinden den Himmel mit der Erde. Man könnte es aber auch genau andersherum ausdrücken: Wolken trennen den Himmel von der Erde. O-Ton (Essen): Und das hat etwas damit zu tun, dass die Erde als Wohnstatt der Menschen gilt und der Tiere, und alles 6 was da auf Erden ist, und dass der Himmel oder die Himmel, je nach Weltbild, Wohnort der Götter ist oder auch Gottes ist. Sprecherin: erklärt Georg Essen, Professor für Katholische Theologie. Nach der christlichen Religion ist es den Menschen möglich, nach dem Tod in eine andere Sphäre zu wechseln. So wie es Jesus getan hat, der Sohn Gottes. Einmal im Jahr gedenken die Christen seiner Himmelfahrt. O-Ton (Essen): Eine der berühmtesten, und wie ich finde, schönste Darstellung ist, dass Jesus in den Himmel schwebt, eine Wolke, man sieht Jesus nicht, sondern nur noch die Füße, die gewissermaßen unter den Wolken hinweg noch schauen, insofern spielen Wolken eine große Rolle. Sprecherin: Nach dem Neuen Testament entschwand Jesus vierzig Tage, nachdem er von den Toten auferstanden war, in den Himmel. Seitdem ist er bei Gott. Oder, wie es im Glaubensbekenntnis heißt: Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Sehen kann man ihn dort nicht. Das heißt: Er ist für die Menschen da, aber er entzieht sich ihren Blicken, erklärt der Theologe. O-Ton (Essen): Dann brauchen wir Symbole, in denen die Anwesenheit Gottes in einer Weise dargestellt wird, dass er doch der ganz andere, der uns Entzogene ist. Und die Wolke ist eines der Bilder, in denen das tatsächlich gut ist, und wenn man in den Himmel guckt, oder wenn man sogar mit dem Flugzeug fliegt, man fliegt da durch, und dann hat man diese Wattebäuschchen oder wie auch immer, und gleichzeitig ist da ja nichts, was wir greifen können. Und insofern ist das ein sehr naheliegendes Bild. Atmo: (Nieselregen) Zitator: 7 Denkt an Regen, denkt an Schatten: beides gegeben umsonst und mit freundlichem Schweigen. Ich lobe die Wolken. Günter Kunert Sprecherin: Wolken versperren den freien Blick in den Himmel. Sonnenanbeter und Sterngucker sind deshalb nicht gut auf sie zu sprechen. Doch einen wolkenlosen Himmel gibt es in unseren Breitengraden nur selten. Zum Glück, könnte man sagen, denn schließlich brauchen wir Regen. Die Wolken sind ein besonders schöner Teil des Wasserkreislaufs. Der englische Apotheker Luke Howard gilt als Begründer der Wolkenkunde. Er definierte im Jahr 1802 zunächst vier Grundkategorien: Stratus (Schichtwolken), Cumulus (Haufenwolken), Cirrus (Schleierwolken) und Nimbus (Regenwolken). In der Folgezeit wurden diese Kategorien immer weiter aus-differenziert. Was allen Wolkentypen gemeinsam ist: Sie bestehen aus Wassertropfen oder Eiskristallen, die unterschiedlich stark Licht reflektieren. Das macht ihren enormen ästhetischen Reiz aus. O-Ton (Haliti): Mit einem kleinen Flugzeug können Sie sich entscheiden, bleibe ich unter der Wolke, und dann kann es Ihnen auch schon mal passieren, dass Sie in die so genannten Luftlöcher, die es ja gar nicht gibt, fallen, und dass es dann ein bisschen unruhig ist. Wenn man darauf keine Lust hat, dann steigt man zwischen den Wolken auf, fliegt über den Wolken und sieht dieses wunderbare Wolkenmeer unter sich, das aussieht, als hätte gerade irgend-jemand die Wattebäuschchen aus der Tüte entlassen, und fliegt dann auch ganz ruhig über den Wolken. Sprecherin: Ruth Haliti, die übrigens einen Sicherheitsgurt als Gürtel trägt, nimmt häufig einen Fotoapparat mit in die Luft und macht Schnappschüsse von besonderen Wolkenformationen. 8 O-Ton (Haliti): Oder Sie fliegen zwischen zwei Wolkenschichten. Auch das ist spannend, dann haben Sie Wolken unter dem Flugzeug und Wolken über dem Flugzeug, dann ist vielleicht von rechts oben so ein schöner Sonneneinstrahlungswinkel da, und der macht das Ganze wieder, ja, so so unglaublich attraktiv, weil so, ah, so furchterregend auf der einen Seite, und auf der anderen Seite so unglaublich schön, weil dieses helle, gleißende Licht sich in den Wolken bricht. Atmo: (Auslöser Fotoapparat) O-Ton (Essen): Es gibt von einem Religionswissenschaftler die Beschreibung, was ist Religion, es ist das Faszinosum et Tremendum, es ist das Faszinierende, aber es ist auch das Furchterregende. Also beides wird in Religion hinein projiziert und gleichzeitig ist es ja so, und zwar einfach als menschliche Beschreibung, sowohl das, was wirklich uns Menschen fasziniert, als auch das, was uns fürchten lässt, ist ja etwas, was nicht in unserer Verfügungs-macht liegt. Sprecherin: Auf Wolken scheint das zuzutreffen. Der Gründer der Cloud Appreciaton Society hat inzwischen eine Anleitung zum Betrachten von Wolken verfasst, den "Cloudspotter's Guide". Das Buch hielt sich wochenlang in den britischen Bestsellerlisten. Ist es womöglich eine Bibel für Wolkenfreunde? Eine englische Sonntagszeitung erklärte das Wolkengucken jedenfalls kurzerhand zur neuen Religion. Robert Broadfoot ist seit 2009 im Wolken-club. O-Ton (Broadfoot): Für mich sind Sachen wie Wolken und Sterne oder Bergen einfach ein Ausdruck der Natur und der Kräfte der Natur, die für mich eigentlich stärker sind als eine Gottheit. Oder sonst was. Ich finde die Ewigkeit von der Natur, wie die Natur sich entwickelt und sich wehrt auch gegen den Mensch manchmal, dass das viel inspirierender und 9 beeindruckender ist als Glauben an Gott. Für mich zumindest. Sprecherin: Auch der Vorstellung, dass Engel auf den Wolken sitzen, kann der Engländer nichts abgewinnen. O-Ton (Broadfoot): Aber es gibt Wolken, die aussehen wie Engel. Es gibt Wolken, die aussehen wie Hunde, und da gibt es sogar ein Buch drüber. Mit den schrägsten Formen überhaupt, so Bären und Kamele, Albert Einstein ist schon mal gesehen worden, und meistens sehen die Leute dasselbe. Das ist auch interessant, es ist nicht immer rein subjektiv. Die Leute, man braucht nur das Ding zu zeigen und sagen, was sieht man da, man sagt, ach guck mal, da ist ein Affe, oder weiß ich nicht, oder eine träumende Elefant oder was auch immer. Atmo: (mittelstarker Wind) Sprecherin: Nach alten hinduistischen und buddhistischen Sagen sind Cumuluswolken und Elefanten miteinander verwandt. Kein Wunder, dass manche Menschen Elefanten am Himmel sehen! Der Pilotin Ruth Haliti ist allerdings noch keiner begegnet. Sie rechnet eher mit anderen Erscheinungen am Himmel. O-Ton (Haliti): Und ob Sie es glauben oder nicht, wenn ich so manches Mal durch die Luft fliege, überlege ich mir, wo diese ganzen Daten und diese ganzen Funkgeschichten denn wohl irgendwie unterwegs sein könnten, und wenn es dann so ein bisschen anfängt im Funkgerät zu rauschen, dann frage ich mich manchmal schon, ob ich gerade durch eine Apple- oder eine androide Cloud fliege. Und wenn man überlegt, welche Datenströme heutzutage eigentlich also durch diese Atmosphäre schwirren, ja, dann haben wir vielleicht schon mal das eine oder andere Bit oder Byte bei uns auf den Flügeln sitzen gehabt. Wer weiß. Sprecherin: 10 Inzwischen ist immer häufiger von der Himmelfahrt unserer Daten die Rede. Hintergrund ist das zunehmende Cloud-Computing. O-Ton (Alpsancar): Was ist eine Cloud? Sprecherin: Suzana Alpsancar, Philosophin mit Schwerpunkt Technik O-Ton (Alpsancar): Was man so kennt, wenn man überhaupt mit Computern umgeht, man hat dann ein Bildschirm, eine Tastatur, vielleicht hat man auch noch so ein Tower, also sozusagen so ein Gehäuse, wo dann Festplatten drin sind und diese ganzen Verkabelungen und Schaltflächen und Chips und so was, damit das alles funktioniert, und bei diesem Cloud-Computing ist es eigentlich so, dass man die Hardware, also sozusagen den Speicherplatz, dass man den nicht mehr zuhause bei sich haben muss, sondern man kann das sozusagen über das Internet bei irgendwem anders ablegen. Wie ein Outsourcen von Speicherplatz. O-Ton (Essen): Ich würde mich allerdings als Theologe strikt weigern, diese Daten-Cloud irgendwie mit Religion in Verbindung zu bringen. Sprecherin: sagt Georg Essen. Vorläufig. Zitator: Das Internet ist unser neuer Gott, und er wohnt in den Wolken. Sprecherin: meint der österreichische Schriftsteller Franzobel. Atmo: (elektronisches Zischeln) O-Ton (Alpsancar): 11 Ich glaube ganz prinzipiell, dass uns vor allem die Computertechnik wahnsinnig fasziniert, ja, warum eigentlich? Das hat irgendwie so etwas Magisches. Also es verzaubert uns so als Endnutzer, glaube ich, vermutlich weil es diese ganzen Freiheiten mit sich bringt und diese Loslösung von Orten oder dann auch von Materialitäten und dieses Vernetztsein und sozusagen also so ein bisschen sich gegen alte Raumüblichkeiten aufzulehnen, und dafür ist die Wolke vielleicht auch ein ganz gutes Symbol, eben weil sie so abhebt von diesen ganzen Nötigungen, was unser irdisches Dasein so mit sich bringt. Atmo: (startendes Leichtflugzeug) Zitator: In der nordischen Mythologie entstammen Wolken dem Hirn von Riesen. Ist es zu weit hergeholt, diese Riesen mit den gegenwärtigen Großrechnern zu vergleichen, die schier unglaubliche Datenmengen in sich speichern? Ist es nicht eine beunruhigende Vorstellung, sich all die Informationen in die Wolken über uns zu denken? Da kann uns dann wirklich der Himmel auf den Kopf fallen. Franzobel O-Ton (Alpsancar): Das Gewitzte an diesen ganzen Daten ist ja, dass die nicht zerstörbar sind. Irgendwie ist dann doch wieder alles rekonstruierbar oder zu einem gewissen Teil, oder auch, was einmal im Internet ist, das kann man nicht mehr löschen, man kann es vielleicht zerschießen, aber dann ist es sozusagen immer nur eine Kopie, die zerschossen wird und dann hat man immer noch die hundert anderen. Sprecherin: Unsere Daten leben also ewig weiter, sagt die Technikphilosophin Suzana Alspsancar. Der Theologe Georg Essen räumt inzwischen ein, dass das Thema Cloud-Computing doch religiös aufgeladen sein könnte. O-Ton (Essen): 12 Und natürlich als Allerletztes, Daten-Clouding, ist natürlich völlig klar, an einem Ort, den wir überhaupt nicht mehr imaginieren können, findet sich plötzlich das gesamte Wissen der Welt. Das gesamte Wissen der Welt bezeichnet man traditioneller Weise als Allwissenheit, und nur Gott ist allwissend. Insofern ist es da wieder relativ naheliegend, dass wir zu religiöser Sprache neigen, um dieses Merkwürdige zwischen dem Faszinierenden und Furchterregenden zu beschreiben. Zitator: Eingehüllt in graue Wolken Schlafen jetzt die großen Götter, Und ich höre, wie sie schnarchen, Und wir haben wildes Wetter. Heinrich Heine Atmo: (Sturm) O-Ton (Broadfoot): Mein Lieblingswetter? Ich glaube, ein annähernder Sturm. Wo die Wolken sich aufbauen und strömen auf einen zu, und dann entwickelt sich eine Sturmwolke mit Amboss und so weiter, das sind immer die spannendsten Wetterlagen. Atmo: (Donner) O-Ton (Haliti): Die Wolken sehen viel, viel freundlicher von weitem aus, als sie innen sein können. Und in der Gewitterwolke, da ist eine richtige Party. Da sind auffliegende Luftströmungen, abfliegende Luftströmungen, da ist Hagel drin, da werden Sie also so schnell, selbst mit einem Flugzeug, was relativ viel wiegt, einfach nur noch durch die Gegend geflogen. Und Sie sind passiv. Und wenn Sie Pech haben, beschlagen Ihnen die Hagelkörner die Flügel. Deswegen, die Wolken können Freunde sein, aber manchmal auch Bedrohung für die Piloten. Sprecherin: Auch Datenwolken wirken harmloser auf uns, als sie es tatsächlich sind. Vordergründig enthalten sie ein 13 großes Freiheitsversprechen, sagt die Technikphilosophin Suzana Alpsancar. Andererseits gibt jeder Nutzer, der seine Daten in eine Wolke auslagert, die Kontrolle darüber ab. Denn die DatenClouds liegen komplett in der Hand von Unternehmen, und auch dort drohen manchmal Turbulenzen. O-Ton (Alpsancar): Ja, wenn die gehackt werden, hat man ein Problem, ne. Oder wenn die das verkaufen, wenn es da irgendwelche rechtlichen Schlupflöcher gibt, hat man auch ein Problem und wenn die pleite gehen, hat man auch ein Problem, wenn deren Server ausfallen, dann hat man dann auch erst einmal ein Problem, aber gut, das ist halt so. Also wenn man irgendwie etwas kauft oder was nutzt oder was mietet, dann lässt man sich da auch drauf ein und macht sich dann in gewisser Weise abhängig davon. Das hat natürlich alles immer seinen Preis, aber der Preis ist ja irgendwie gerade beim Cloud-Computing genauso ungreifbar wie eben die Cloud selber, und deswegen ist es, glaube ich, ganz schwer, auch sich davon ein Bild zu machen. Was vielleicht mögliche Risiken sind, die man da eingeht. O-Ton (Broadfoot): Oh, ich liebe blauen Himmel, so wie eigentlich jeder andere, ich kann gerne auch am Strand liegen, aber wenn da was, ein bisschen was los ist im Himmel, das ist doch schöner, finde ich. Zitator: Der blaue Himmel ist blau. Damit ist alles gesagt über den blauen Himmel. Hans Magnus Enzensberger O-Ton (Broadfoot): Das Schöne mit Wolken ist, viele Leute fahren so gern zum Meer und das ist für sie was Besonderes, aber in Deutschland ist es oft zwei, drei Stunden Fahrt, bevor man das überhaupt so richtig beobachten kann. Das ist etwas schwierig, aber der Himmel ist über uns die ganze Zeit. Und die Wolken auch. Und das ist, was da oben ist, ist ein Fluidum. Das ist 14 ein Fluss von Luft. Und Wolken sind eigentlich in vielen Fällen wie Wellenkämme. Der Himmel ist eigentlich so wie ein großes Meer. Und das hat man überall. Man braucht nur nach oben zu schauen. O-Ton (Haliti): Und in meiner kindlichen Fantasie sehe ich eigentlich auch meine 93-jährige Oma lächelnd auf einer dieser Wattewolken sitzen, auf die Erde hinunter schauend, uns begleitend, und ja, ich weiß nicht, da habe ich so eine kindliche Vorstellung, die ich aber gar nicht quitt werden möchte. Es ist einfach schön, wenn man sich vorstellt, dass diese Wolken eben, also insbesondere diese Cumuluswolken, so auch diese Geborgenheit irgendwie ausstrahlen. Sprecherin: Die Pilotin Ruth Haliti kann sich sogar vorstellen, dass Engel auf den Wolken sitzen und lächelnd auf die Welt herabschauen. Vermutlich hat jeder Mensch seine eigenen Ideen, welche Wesen sich in und über den Wolken befinden. Phantasie anregend sind die flüchtigen Himmelsgemälde auf jeden Fall – sonst hätten nicht so viele Künstler zum Pinsel oder Textblock gegriffen, um sie zu verewigen. Und einige Menschen denken beim Betrachten der Wolken womöglich an ihre eigene Himmelfahrt. O-Ton (Essen): Ach, wenn Sie mich so fragen, ich würde gerne in den Himmel kommen. Und ich habe da auch sehr anthropomorphe, also sehr menschliche Vorstellungen. Ich stelle mir wirklich den Himmel vor als ein Ort voller Leben, wo ich allen Menschen wieder begegne, die mir lieb sind, ich hoffe auch, in versöhnter Weise mit den Menschen, die mir nicht lieb sind, wo es auch eine Schuldgeschichte gibt, und ich habe ja einen ganz besonderen Wunsch, dass ich auch meinen Hund dort wiedersehen werde. Meine Studenten lachen dann immer so, aber ich kann mir das nicht anders vorstellen, als dass der Himmel der Ort ist, an dem alles dort ist, was uns wichtig ist. O-Ton (Broadfoot): Auf jeden Fall in den Himmel. Aber Flammen sind auch, kann man auch gerne angucken. Kann auch 15 beängstigend sein oder kontemplativ, aber nein, also wenn schon, dann in den Himmel. In den Wolken. O-Ton (Haliti): Ich glaube, für uns ist die Vorstellung so als fliegende Zunft die einzige, dass wir in den Himmel kommen und dass wir jeder unsere eigene, kleine Wolke haben, und dass wir uns vielleicht auch auf den Wolken treffen und uns erzählen von den schönen Flügen und von den schönen Wolken und von den schönen Erlebnisse, die wir hatten in der Luft, nein, wir Pilotinnen sind Wolken- und Himmelskinder. Und ich glaube, wir möchten alle in den Himmel. Atmo: (Harfenmusik) *** Zitate (1) Hermann Hesse: Die leise Wolke. In: Die Wolken. Gedichte. Hg. Andrea Wüstner. Reclam, Stuttgart, 2008. (2) aus Hermann Hesse: Weiße Wolken. In: Die Wolken. Gedichte. Hg. Andrea Wüstner. Reclam, Stuttgart, 2008. (3) aus Christian Morgenstern: An die Wolken. In: Die Wolken. Gedichte. Hg. Andrea Wüstner. Reclam, Stuttgart, 2008. (4) aus Günter Kunert: Beziehung zu Wolken. In: Die Wolken. Gedichte. Hg. Andrea Wüstner. Reclam, Stuttgart, 2008. (5) + (6) Aus Franzobel: Speck der Welt und Riesenhirn. Eine kleine Wolkologie. In: Wolken. Welt des Flüchtigen. Hg. Tobias G. Natter und Franz Smola. Hatje Cantz, Ostfildern / Leopold Museum, Wien, 2013, S. 82 – 89. (7) aus Heinrich Heine: Eingehüllt in graue Wolken. In: Die Wolken. Gedichte. Hg. Andrea Wüstner. Reclam, Stuttgart, 2008. (8) aus Hans Magnus Enzensberger: Die Geschichte der Wolken. 99 Meditationen. Suhrkamp, Berlin, 2003.
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