KURZTRIP Neue Reize im Training erhöhen die Leistung, neue Touren zu entdecken, den Spaß am Sport. TOUR zeigt die schönsten Strecken DIE INSEL Klaus Störtebeker war Pirat und Abenteurer – und nach einer Legende, ein Sohn Rügens. Wer Deutschlands größte Insel per Rennrad entern will, muss ebenfalls Abenteuerlust mitbringen, denn es ist nicht so leicht, geeignete Straßen zu finden. Wir haben für Sie den Schatz gehoben 118 T O U R 9/2004 TE X T: S V E N B R E M E R ; F OTO S : R A L F N I E M Z I G A uch wenn die Straße mit dem glatten Asphalt noch so lockt – mal eben schnell abbiegen funktioniert meist nicht auf Rügen. Schon nach ein paar hundert Metern kann es vorbei sein mit der Herrlichkeit. Plötzlich tut sich die deutsche „Hölle des Nordens“ auf, mittelalterliches Kopfsteinpflaster, für schmale Pneus erbarmungsloser als die Pavés bei Paris-Roubaix. Auf die bange Frage an den Einheimischen „wie geht’s hier weiter?“, nimmt der alte Mann, der in seinem Bauerngarten sitzt, ganz langsam die Pfeife aus dem Mund, grinst, kratzt sich am Bart und antwortet: „Tja, mein Jung, erst mal beschissen. Aber da hinten wird’s wieder besser.“ Den TOUR-Reporter kostet seine Neugier zwei Plattfüße und eine Art Schütteltrauma. Doch es hat sich gelohnt: Auf den zwei Touren führen nur noch ein paar kleine, unvermeidbare Zwischenstücke über Kopfsteinpflaster. Rügen ist ungefähr so breit wie lang, und sieht aus wie ein Pfannkuchen, von dem sich das Meer an vielen Stellen ein Stück abgebissen hat. Überall stößt der Radler ans Wasser, auch deshalb ist die Streckenwahl nicht ganz einfach. Manchmal hilft eine Fähre über einen Meeresarm, ein anderes Mal wartet ein Ruderboot auf Fahrgäste und befördert auch Radler ans andere Ufer der flachen Boddenlandschaft im Südosten. Entlang der Ostküste, wo lichte Kiefernwälder hinter Badestränden wachsen, reihen sich die mondänen Seebädern des 19. Jahrhunderts Binz, Göhren und Sellin. Dort ist längst westlicher Komfort eingezogen, während sich in den stillen Weilern auf der Halbinsel Wittow ganz im Norden noch viel vom sozialistischen Osten er- halten hat. Am spektakulärsten ist der Nordosten: Im Nationalpark der Halbinsel Jasmund leuchten weiß die Kreidefelsen über dem Meer. Immer wieder führen Rügens Straßen durch herrliche Alleen. Radfahrer können viele Kilometer überdacht zurücklegen, geschützt vor Sonne, Wind und Regen. Matthias Scheibe vom Rüganer Radsportverein „Tour d’Allée Rügen“ ist stolz auf die rund 250 Kilometer Alleen der Insel. Er setzt sich für deren Erhalt ein, die Ausbesserung der Straßen und den Ausbau der Radwege: „Es wurde schon einiges für die Radfahrer getan“, sagt Scheibe, „für manche Maßnahmen fehlte aber bislang leider das nötige Geld.“ Scheibe organisiert auch in diesem Jahr, am 9. Oktober, wieder die traditionelle RTF „Rund um den Jasmunder Bodden“. Seit Jahren ein echtes Happening, bei dem frühere Radidole wie Täve Schur, Rudi Altig und Olaf Ludwig Lenker an Lenker fahren mit den Cracks von heute – vergangenes Jahr kamen Steffen Wesemann, Robert Bartko und Jens Heppner. Rund tausend Teilnehmer sind es insgesamt, etwa 200 von ihnen wagen sich an die große, 106-Kilometer-Runde. „Eine traumhafte Strecke“, findet Hans Michalsky, 1972 und 1976 Olympiateilnehmer auf der Bahn und Wahl-Rüganer, „besonders im Oktober, wenn sich die Wälder herbstlich kleiden.“ Klaus Störtebeker, so sagt die Legende, war ein norddeutscher Robin Hood. Einer, der es den Reichen nahm, um es den Armen zu geben. Ein Likedeeler, wie man im Norden sagt, ein Gleichteiler. Vielleicht würde er sich ja als Pirat der Landstraße dafür einsetzen, dass die Rennrad-tauglichen Straßen gleichmäßiger über die ganze Insel verteilt werden. Vielleicht – aber dann wäre es vorbei mit dem Abenteuer. Rügens Wahrzeichen sind mit dem Rad tabu – die Kreide-Klippen erreicht man nur zu Fuß. auch Rennradlern ihre schönsten Seiten: feine Sandstrände, lichtes Land, schattige Alleen, dörflichen Charme und brandende See INFOS Sonst zeigt die Insel Mit der Bahn bis Bergen oder Binz. Mit dem Auto von Rostock auf der A 20 bis Tribsees. Landstraße bis Stralsund; ab 2005 führt die Autobahn bis dorthin Mai bis September. Besonders schön ist Rügen in Herbst und Frühling; Juli und August ist die Insel überlaufen Natur: Kreidefelsen und die Nordspitze Kap Arkona. Architektur: Seebäder mit ihren denkmalgeschützten Villen und Seebrücken sowie die am Reißbrett entworfene Residenzstadt Putbus. Krasser Gegensatz: das Nazi-Bauwerk für „Kraft durch Freude“-Urlaube in Prora – acht sechsgeschossige Gebäude, jeweils fast 600 Meter lang, teils verfallen, teils museal genutzt. Festival: Störtebeker-Festspiele in Ralswiek von Mai bis September, Telefon 0 3838/ 3 11 00; www.stoertebeker.de Über die Insel weht der Duft von Räucherfisch, aber auch frischer Fisch wird aufgetischt. Außerdem gibt es bodenständige Kost wie „Himmel und Erde“ (Kartoffeln und Äpfel) mit Brat- oder Blutwurst. Der Herbst ist die Zeit der Eintöpfe und Kohlgerichte In Seebädern kann Kaffee 3 Euro kosten, überteuert ist die Insel jedoch nicht. Bier (0,33 Liter) gibt’s für 2,30 Euro, Fisch oder Gulasch schon ab 7 bis 9 Euro Bergen: H. Richter, Königstr. 18, Telefon 0 38 38/25 44 83; Wiek: Frank Jonack, Hauptstraße 17,Telefon 03 83 91/7 00 45 Putbus: Ringhotel Wreecher Hof. Sieben reetgedeckte Häuser, viel Ruhe, Doppelzimmer ab 90 Euro. Telefon 03 83 01/8 50; www.wreecher-hof.de Ostseebad Sellin: Cliff-Hotel. Das Ferienparadies der DDR-Bonzen ist heute Viersterne-PlusHotel. Zimmer mit Doppelbett ab 104 Euro. Telefon 03 83 03/82 14; www.cliff-hotel.de Tourismusverband Rügen, Am Markt 4, 18528 Bergen, Telefon 0 38 38/8 07 70, www.ruegen.de. Weitere Infos: www.tda-ruegen.de (Radsportverein Tour d’Allée Rügen); www.ruegen-aktuell.de „Radwanderkarte Rügen und Hiddensee“ 1 : 75 000. Nordland Kartenverlag, ISBN 3-928397-06-0; 5,50 Euro T O U R 9/2004 119 TOU R I SM U SZ E NTRA LE RÜG E N (3); LO GOS: A LE XA N DE R EYLE RT in Deutschland und Umgebung. Was Sie dazu brauchen? Zwei Tage Zeit, diesmal für Rügen Putbus – Lancken-Granitz – Moritzdorf – Sellin– Binz – Prora – Sassnitz – Hagen – Nardevitz – Sagard – Lietzow – Ralswiek – Patzig – Bergen – Putbus bergig hügelig Von Putbus auf der Deutschen Alleenstraße Richtung Göhren und Binz. In Vilmnitz über Kopfsteinpflaster, nach rund zehn Kilometern rechts abbiegen Richtung Seedorf. KM Dort (km 13) über die Brücke weiter bis Moritzdorf 91 (km 15), wo man mit dem Ruderboot (zwei Euro) übersetzt. Auf einer kleinen Straße links zur Hauptstraße. Dort links auf einen Radweg abbiegen oder alternativ rechts METER 460 zur Südostspitze Rügens, einem lohnenden Abstecher (22 Kilometer hin und zurück) über Middelhagen, Lobbe und Thiessow nach Klein-Zicker und wieder zurück. METER 144 Durch Baabe Richtung Sellin, wo man bei Kilometer 19 wieder auf die Deutsche Alleenstraße Richtung Bergen biegt. Dem Radweg folgen, nach drei Kilometern in MAX 8% Lancken-Granitz rechts abbiegen Richtung Binz. Dort (km 26,5) zuerst auf der Hauptstraße Richtung Sassnitz, dann am Ortsausgang rechts nach Prora, parallel zur Hauptstraße. Entlang des Kraft-durch-Freude-Bunkers in Prora, teils durch Wald, teils direkt am Meer entlang. Vor Neu Mukran führt der Radweg wieder auf die Hauptstraße (km 37). In Sassnitz die B 96 überqueren Richtung Bahnhof. Hinter den Schienen links halten. Der Landstraße Richtung Hagen folgen, zunächst auf dem Radweg, dann ein paar hundert Meter über Kopfsteinpflaster bis zur Landstraße (km 44,5) Richtung Hagen, die kurz mit acht Prozent ansteigt. Nach Hagen hinab ins kopfsteingepflasterte Nardevitz (km 52). An der T-Kreuzung in Baldereck (km 56) links und über Sagard zur B 96 Richtung Bergen; der Radweg führt zum Teil parallel zur Straße, teils etwas abseits von ihr. In Lietzow (km 66,5) über den Damm zwischen Kleinem und Großem Jasmunder Bodden, nach knapp vier Kilometern rechts nach Ralswiek. Dort links halten, über Gnies, Patzig und Thesenvitz (km 77) zur Hauptstraße Bergen – Gingst. Links nach Bergen; hinterm Ort, an der großen Kreuzung, links auf die B 196 (km 82) und geradeaus Richtung Kasnevitz. Über die Hügelgräber von Krakow (km 83,5) sowie durch Neu- und Alt-Güstelitz (km 91) der Straße nach Puttbus folgen. Gaststätte Zur Mühle, Dorfstraße in Patzig, Telefon 0 38 38/3 13 44 Zeitreise zum Jugendstil: Eis und Sturmfluten zerstörten das Original von 1906, seit 1998 steht die Selliner Seebrücke wieder 120 T O U R 9/2004 flach KM 000 METER 000 METER 000 MAX 0% Ø 0% STRECKENPROFIL TOURSTECKBRIEF SEEBÄDER UND KREIDEFELSEN CHRISTIAN ROLLE; HOLZKIRCHEN ROUTEN KURZTRIP Länge Höhenmeter höchster Punkt maximale Steigung durchschnittl. Steigung Raststätte REGIO-INFOS Bahn-/ Bus-Anreise ALLEEN UND WINDLAND Putbus – Kasnevitz – Garz – Samtens – Dreschvitz – Gingst – Wittower Fähre – Wiek – Putgarten – Altenkirchen – Juliusruh – Glowe – Sagard – Lietzow – Bergen – Putbus Von Putbus auf der Deutschen Alleenstraße bis Garz. Kurz hinterm Ort (km 10) rechts nach Samtens. Dort weiter über Dreschvitz (km 21,5) bis Gingst. Von hier lohnt ein KM 28 Kilometer langer Abstecher auf die Insel Ummanz; die 108 Hälfte der Strecke ist allerdings in schlechtem Zustand. In Gingst (km 27,5) zwei Kilometer der Beschilderung „BerMETER gen“ folgen bis Kluis, dort links nach Trent. Drei Kilometer 130 hinter Trent überquert die Wittower Fähre (zwei Euro) den Breetzer Bodden. Über Fährhof und Bischofsdorf nach Parchow (km 44,5), links ab nach Wiek. Dort weiter RichMETER 51 tung Altenkirchen. Nach 2,5 Kilometern links ab Richtung Dranske, in Kuhle rechts, vor Gramtitz wieder rechts halten: Richtung Nonnevitz. Der Straße folgen bis Putgarten MAX 10% (km 60,5). Wer mag, fährt von dort zum Kap Arkona. Sonst rechts ab nach Altenkirchen. Im Ort gleich links Richtung Juliusruh. Am Ende von Plattenbauten wieder links zur Hauptstraße. Dem Seebad Juliusruh (km 69,5) folgt die Schaabe, ein nur 600 Meter breiter Streifen aus Kiefernwald und Strand zwischen Ostsee und Großem Jasmunder Bodden. Auf dem Radweg nach Glowe (km 77). Zwei Kilometer nach dem Ort der Straße nach Sagard folgen, bei Bobbin (km 82) steigt sie kurz und heftig, bei Sagard (85,5 km) geht es kurz über Kopfsteinpflaster. Hinterm Ort: Radweg entlang der B 96. Über den Lietzower Damm (km 91,5), nach sechs Kilometern die B 96 links verlassen nach Bergen; es warten kurze Steigungen jenseits der zehn Prozent. Zurück nach Putbus wie bei Tour eins. Am Ziel entspannen im traditionellen Rosencafé (Ecke Circus/Bahnhofstraße) mit Blick auf den Schlossgarten. Lietzow: Strandcafé Essente, Boddenstraße 63-64, direkt an der Route,Telefon 03 83 02/20 66 beste Reisezeit Sehenswertes Kulinarisches Preisniveau Fahrradservice Unterkunft Informationen Karten
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