Auf wackligen Beinen

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Handelsmarken
versus
Markenartikel
Die Aufmerksamkeit
der Konsumenten auf
sich zu ziehen ist das
Ziel jeder MarketingAktivität. Starke Marken
heben sich von ihren
Wettbewerbern ab und
haben loyale Käufer –
so zumindest die gängige Vorstellung.
Heute jedoch entscheiden sich immer
mehr Konsumenten am POS für die
Eigenmarken des Handels. Welchen
Mehrwert Handelsmarken bieten und
wie große Markenartikler gegensteuern
können, erklären Ralph Ohnemus und
Uwe Lebok.
Sonderdruck · 4/2015 · Juli
Auf wackligen
Beinen
Markenerleben am POS
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Research
Auf
wackligen
Beinen
Die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf sich zu ziehen ist das
Ziel jeder Marketing-Aktivität. Starke Marken heben sich von ihren Wettbewerbern ab und haben loyale Käufer – so zumindest
die gängige Vorstellung. Heute jedoch entscheiden sich immer
mehr Konsumenten am POS für die Eigenmarken des Handels.
Welchen Mehrwert Handelsmarken bieten und wie große Markenartikler gegensteuern können, erklären Ralph Ohnemus und
Uwe Lebok.
U
nter starken Marken werden in der Verbraucherwahrnehmung meistens die „Big
Brands“ verstanden. Welt-Marken wie Coca-Cola, McDonald’s, Siemens, Sony, BMW
und viele andere. Diese Marken prägen als Ikonen oder Markenmonopole unsere menschlichen Verhaltensmuster. Signale solcher Marken sind durchaus vergleichbar mit Alltagsmarkierungen wie Verkehrsschilder und Zebrastreifen. Die Signale werden von uns einfach
und schnell in Erwartungen, (Routine-) Handlungen oder deren mögliche Konsequenzen
dekodiert.
Starke Marken im Lebensalltag
Tatsächlich prägen uns Signale und Codes in allen möglichen Verfassungen und Alltagssituationen. Solche Markierungen helfen uns, schneller Orientierung zu finden und Entscheidungen zu treffen. Auch Marken sind letztlich nichts anderes als Markierungen in bestimmten
Kontexten. Denken Verbraucher zum Beispiel an Grillgeräte, liefert Weber die psychologische Benchmark, was gute Grills leisten sollten. Marken geben Verbrauchern auch in speziellen Produkt-Kategorien Orientierungshilfen. Meistens sind es vor allem diejenigen Marken,
die kategoriespezifisch über ausgeprägte Stärke verfügen und damit ein überdurchschnittlich
positives Image-Profil haben. Neben WMF für Bestecke und Töpfe sind das beispielsweise bei
Bonbons Marken wie nimm2 und Ricola, bei Versicherungen Allianz und HUK und im Joghurt-Segment die Marke Landliebe. Je stärker das ausgelöste Kopfkino einer Marke ist und
eine emotionale Entladung in der Verbraucherwahrnehmung stattfindet und je besser über
Code-Decode-Interaktion eine System 1-Ansprache* im menschlichen Gehirn gelingt, desto
profilierter ist die Markenwahrnehmung beim Konsumenten (Abb. 1): Kein Joghurt wird ungestützt cremiger und authentischer wahrgenommen als der medial seit 20 Jahren von Bäuerinnen handverrührte Joghurt von Landliebe. Je weniger differenzierend aber Anbieter in Ka-
Der Konsument als Shopper
Ein starkes Markenbild hilft dem Verbraucher bei seiner individuellen Sortierung
von Märkten oder Teilmärkten. Auch wirken solche Ankermarken unterstützend als
„Orientierungs-Guideline“, wenn der Konsument am Point-of-Purchase (POP) oder
Point-of-Sale (POS) zum Shopper und damit
zum tatsächlichen Kaufentscheider mutiert.
Während die „Big Brands“ als Markenmonopole und Kategorie-Ikonen ohne Alternativen mit vergleichbarem Leistungsversprechen (Coca-Cola, Nutella und Ähnliche)
tatsächlich auch neben Orientierung den
größtmöglichen Kaufanreiz bieten, gilt das
für andere profilierte Marken nicht zwingend (Landliebe, Beck’s, Ricola und so
weiter). Denn Alternativen fallen am POS
konkret und markanter auf als die Lieblings- oder Ankermarke im Gedächtnis zu
Hause.
Die Macht der Händler
Oftmals bringt bereits eine Preisreduzierung eines wichtigen Wettbewerbers die immer schwächer werdende Loyalität der Konsumenten ins Wanken: Milka versus Ritter
Sport, Funny Chips versus Chio oder Crunchips. Das gilt vor allem dann umso mehr, je
weniger eine Marke dem Shopper in seiner
Entscheidungssituation einen unumstößlichen Mehrwert in der entsprechenden Kategorie liefert. Je stärker der Kategorienutzen
auch von Handelsmarken erfüllt wird, desto
weniger setzt sich am POS der Markenartikler durch (Hakle versus „Klopapier“, Bonduelle versus „Dosengemüse“). Die Entscheidung „pro Handelsmarke“ nur auf den Preis
zu beschränken, greift aber insgesamt zu
kurz. Vielmehr wachsen vor allem in kompetitiven Teilmärkten die Mehrwert-Eigenmarken des Handels. Sie liefern nicht nur
vergleichbare Produkte, sondern versprechen dem einkaufenden Konsumenten über
Packaging und Leistung größtmögliche Attraktivität. Handelsmarken erwecken immer mehr Neugierde und Kauflust – und
das unter dem Mantel des Händlers. Dieser
*Dieses implizite System regelt zum Beispiel das Lernen von Markenbotschaften.
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Markenerleben
am POS
tegorien wahrgenommen werden, desto weniger stark unterscheiden sich die Markenprofile. Bei Versicherungen beispielsweise
prägen vor allem die Präsenz und Größe
der Allianz und die konsequente Preisgünstigkeit der HUK-Coburg die ImageWahrnehmung. Ansonsten wird der Markt
aus Verbrauchersicht „grau in grau“ erlebt:
Alle bieten Sicherheit, keiner differenziert.
Research
Brandkeys für kategoriespezifische Ankermarken
Gutes Gewissen
Zeitgeist
Staunen
Markenpräsenz
Markenqualität
Markenuniqueness
Preiswürdigkeit
Markenbeständigkeit
Markenverbundenheit
Markenzuneigung
Markenvertrauen
50
41
56
45
23
31
25
31
80
59
54
38
48
44
80
65
40
33
54
46
66
53
Gesamtmarkt
Gutes Gewissen
Zeitgeist
Staunen
Markenpräsenz
Markenqualität
Markenuniqueness
Preiswürdigkeit
Markenbeständigkeit
Markenverbundenheit
Markenzuneigung
Markenvertrauen
7
35
33
28
15
18
42
35
56
44
29
20
50
37
39
37
Gesamtmarkt
Abb. 1
Gutes Gewissen
Zeitgeist
Staunen
Markenpräsenz
Markenqualität
Markenuniqueness
8
16
48
42
19
18
38
33
72
53
46
30
64
55
71
62
62
47
67
53
69
57
Gesamtmarkt
28
19
48
37
WMF
20
13
Gutes Gewissen
Zeitgeist
Staunen
Markenpräsenz
Markenqualität
Markenuniqueness
Preiswürdigkeit
Markenbeständigkeit
Markenverbundenheit
Markenzuneigung
Markenvertrauen
Preiswürdigkeit
Markenbeständigkeit
Markenverbundenheit
Markenzuneigung
Markenvertrauen
nimm2
20
9
17
11
3
Landliebe
7
25
10
32
10
12
5
20
13
74
31
18
8
24
14
36
18
Gesamtmarkt
Allianz
Quelle: K&A BrandResearch; in Prozent
ist in den letzten zehn Jahren immer näher dran an den Wünschen
und Bedürfnissen der Verbraucher als die meisten Markenartikler.
Über eine konsequente Kommunikation mit dem Verbraucher mittels Handzettel, Kundenbindungsaktivitäten, verbesserter Einkaufsatmosphäre und unterschiedlichster Werbeaktivitäten hat sich das
Wahrnehmungsdepot der Händler in den Augen der Konsumenten immer weiter aufgebaut. Die kontinuierlich wachsende Markenstärke der Händler (Retail Brands) strahlt dabei immer stärker auf
die „zum Wohle der Konsumenten entwickelten Eigenmarken“ des
Handels ab.
Der Wert emotionaler Nähe
Ein positives Marken-Image allein ist direkt am POS noch kein Kaufgrund. Viel wichtiger ist es, bei dem Erfassen von Markenstärke in
Verbraucheranalysen zusätzlich den potenziellen „Shopper-Effekt“
zu erheben. Je größer dieser in seinem quantitativen Gewicht ausfällt, desto wahrscheinlicher ist dann die Bedeutung der empfundenen Markenstärke für Verbraucher auch am POS. Die Schizophrenie
von vermeintlicher Markenpräferenz (im Sinne eines „Markenguthabens“) und tatsächlicher Kaufentscheidung ist bei uns allen mehr
oder weniger stark gegeben. Ein etabliertes, positiv besetztes Markenbild kann aber durchaus eine „Steigbügelhilfe“ für spätere Kaufentscheidungen sein. Es reicht aber nicht mehr aus, sich allein auf
bunte Werbebilder zu verlassen. Der Konsument möchte vielmehr
die Marke über Produkterlebnisse selbst erfahren und erleben. Multichannel-Kommunikation ist heute für erfolgreiche Markenartikler
Pflicht, wenn sie nicht nur als attraktiv empfunden werden wollen.
Immer wichtiger wird auch der Überraschungsmoment: Konsumenten und Shopper suchen nach Neuigkeiten, die gerade am POS zu
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spontanem Umdenken und Entscheidungsalternativen führen können. Erlebniswelten am POS verführen uns immer stärker, da sie
überraschen, mitunter begeistern und motivieren. Ohne Aktivierung
der Potenziale einer Marke durch kontinuierliche Marke-MenschInteraktion gewinnen die stärker werdenden Mehrwert-Marken des
Handels deutlich an Gewicht für die individuelle Kaufentscheidung.
Emotionale Nähe entscheidet und bindet. Wer das verschläft, bleibt
ein vermeintlich starkes Phantom, das immer weniger Menschen für
sich haben wollen. ■
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Ralph Ohnemus
ist seit Oktober 2001 Vorstand von K&A BrandResearch.
Er war als SVP Consumer Sales verantwortlich für Marketing, Vertrieb und Filialkette bei Viag Interkom/O2.
Dr. Uwe Lebok
ist CMO bei K&A BrandResearch. Er ist seit 2005 im Vorstand und dort verantwortlich für Marketing und Vertrieb.
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