18. Januar 2016 - Regierung des FĂĽrstentums Liechtenstein

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Referat
von Regierungschef-Stellvertreter Dr. Thomas Zwiefelhofer,
Minister für Inneres, Justiz und Wirtschaft
am Neujahrsapéro
der gewerblichen Industrie Liechtensteins (GIL)
Montag, 18. Januar 2016
Vaduzer Saal (Foyer), Vaduz
Sperrfrist: Montag, 18. Januar 2016, 18.00 Uhr
Es gilt das gesprochene Wort!
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Geschätzte Damen und Herren
Herzlichen Dank für die Einladung zu Ihrem Neujahrsapéro. Ich habe diese Einladung
gerne angenommen und freue mich, dass ich heute als Referent zu Ihnen sprechen darf.
Mein Referat steht unter dem Titel "Herausforderungen 2016". - Ich kann Ihnen
versichern, davon gibt es einige.
Herausforderungen können sich aus unterschiedlichen Gründen ergeben; sei es, dass wir
sie durch unsere Planungen und Projekte selbst auslösen und wir sie somit beeinflussen
können, sei es, dass sie durch Ereignisse ausserhalb unseres Einflussbereichs entstehen
und uns deshalb zum Reagieren zwingen.
Wie auch immer: Halten wir uns doch in jedem Fall an das Wort von Winston Churchill:
"Ein Pessimist sieht die Schwierigkeit in jeder Möglichkeit, ein Optimist die Möglichkeit in
jeder Schwierigkeit." Starten wir also optimistisch ins Jahr 2016, damit wir die Chancen
erkennen, die in jeder Herausforderung enthalten sind.
Wenn ich die Herausforderungen des Jahres 2016 rein durch die politische Brille
betrachte, dann sehe ich vor allem das Wahljahr - oder, wenn man so will, das
Wahlkampfjahr. Die Parteien werden sich in diesem Jahr über ihre Programme Gedanken
machen müssen und Ideen entwickeln, wie sie die Herausforderungen meistern wollen,
um Liechtenstein in eine gute Zukunft zu führen. Wie kann der Staatshaushalt weiter
saniert und stabilisiert werden, ohne die Solidarität oder das soziale Netz zu schwächen?
Wie kann der Staat seine Strukturen straffen, ohne an Leistungsfähigkeit zu verlieren oder
Dienstleistungen zu stark abzubauen? - Das ist eine spannende Ausgangslage.
Nicht weniger spannend ist die Ausgangslage in der Wirtschaft. Die wirtschaftlichen
Herausforderungen, die das Jahr 2016 für die Politik wie für die Unternehmen bereithält,
möchte ich unter den folgenden vier Hauptpunkten zusammenfassen:
1.
2.
3.
4.
Frankenstärke
Fachkräftemangel
Sicherung der Sozialwerke
Standortförderung
1. Frankenstärke
Die erstgenannte Herausforderung, die Frankenstärke, begleitet uns nun ziemlich genau
ein Jahr. Mitte Januar 2015 hat die Schweizerische Nationalbank überraschend die
Aufhebung des Euro-Mindestkurses bekanntgegeben. Diese Entscheidung der
Nationalbank, die eine Erstarkung des Frankens zur Folge hatte, wird auch als
"Frankenschock" bezeichnet. Und es war tatsächlich ein Schock, nachdem sich die
wirtschaftliche Lage, nach Finanz- und Wirtschaftskrisen, gerade wieder einigermassen
erholt hatte.
Als Folge des Nationalbank-Entscheids gerieten die Margen unter Druck, die
internationale Wettbewerbsfähigkeit der liechtensteinischen Wirtschaft wurde
beeinträchtigt.
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Bei einigen Wirtschaftsbranchen wurden zwar die Einbussen durch den starken Franken
dank Kursgewinnen bei anderen Währungen etwas aufgefangen. Aber beispielsweise der
Detailhandel und das Gastgewerbe mussten zum Teil erhebliche Einbussen hinnehmen,
da der günstige Euro zu vermehrtem Einkaufstourismus führte. Sinkende Margen und
Gewinne führten auch dazu, dass Investitionen gestoppt oder verschoben wurden, was
vor allem die Baubranche zu spüren bekam.
Die Regierung wie auch die Unternehmen haben mit sofort eingeleiteten Massnahmen
Gegensteuer zum Frankenschock gegeben. Die Massnahmen der Regierung, wie zum
Beispiel das Verschieben der Erhöhung der Energieförderabgabe um ein Jahr,
Massnahmen zum Abbau von Bürokratie oder die Verdoppelung des Budgets für die
Innovations- und Exportschecks, brachten den Unternehmen Erleichterung und
verschafften ihnen Zeit, ihre eigenen Massnahmen zu treffen.
Wie in der Schweiz sind auch in Liechtenstein Unternehmen vereinzelt dazu
übergegangen, Löhne in Euro auszuzahlen oder die Arbeitszeit zu verlängern. Im
Gegensatz zur Schweiz musste jedoch in Liechtenstein kein Unternehmen Kurzarbeit
einführen. Auch die Arbeitslosigkeit blieb erfreulicherweise auf konstant tiefem Niveau.
Insgesamt hat die liechtensteinische Wirtschaft den Frankenschock bisher recht gut
gemeistert. Die Auftragslage ist bei vielen Unternehmen nach wie vor gut. Trotz der
Frankenstärke ist die liechtensteinische Wirtschaft im Jahr 2015 gewachsen, und es
wurden auch im vergangenen Jahr neue Arbeitsstellen geschaffen.
Der Frankenschock ist trotzdem noch nicht ausgestanden. Der starke Franken wird auch
im Jahr 2016 zu den zentralen wirtschaftspolitischen Themen zählen. Der Werkplatz
Liechtenstein wird weiterhin durch die Aufhebung des Euro-Mindestkurses gefordert
sein. Ich habe dennoch die Hoffnung, dass das Jahr 2016, über alle Wirtschaftsbranchen
gesehen, ein positives Jahr für Liechtenstein werden wird.
Meine Hoffnung liegt darin begründet, dass die liechtensteinische Wirtschaft seit jeher
auf hohe Qualitätsstandards, auf Innovation, auf Forschung und Entwicklung gesetzt hat.
Das macht sie stark und das wird auch in Zukunft die liechtensteinische
Technologieführerschaft in einigen bedeutenden Bereichen gewährleisten.
2. Fachkräftemangel
Um diese Stärke der liechtensteinischen Volkswirtschaft zu bewahren, ist Liechtenstein
auf Fachkräfte angewiesen. Der Fachkräftemangel ist das zweite Thema auf meiner Liste
der Herausforderungen des Jahres 2016. Auch wenn Liechtenstein über eine sehr gut
funktionierende duale Berufsbildung verfügt und dadurch seine eigenen Fachkräfte im
Land heranbilden kann, brauchen wir weiterhin ausländische Arbeitskräfte und
Grenzgänger.
Es war bisher für Liechtenstein sehr vorteilhaft, dass die benötigten ausländischen
Fachkräfte
im
grenznahen
Ausland
Wohnsitz
nehmen
konnten.
Die
Masseneinwanderungsinitiative der Schweiz wird, je nach Umsetzung, diesen Vorteil
zumindest schmälern oder sogar aufheben.
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Die Regierung ist deshalb in ständigem Kontakt mit dem Bundesrat und hat in
verschiedenen Gesprächen die liechtensteinischen Anliegen deponiert. Nicht nur die
Liechtensteiner, sondern auch die Schweizer Wirtschaft ist auf eine
wirtschaftsverträgliche
und
flexible
Lösung
für
die
Umsetzung
der
Masseneinwanderungsinitiative angewiesen.
Um einschätzen zu können, wie sich verschiedene Lösungsszenarien auf Liechtenstein
auswirken, hat die Regierung eine Arbeitsgruppe eingesetzt und beauftragt,
ministeriumsübergreifend und unter Einbezug der Wirtschaft verschiedene
Eventualplanungen vorzunehmen.
Ganz generell ist der Werkplatz Liechtenstein auf alle gut ausgebildeten Menschen
angewiesen, und familienpolitische Massnahmen, wie zum Beispiel der Vorschlag für die
Finanzierung von Kitas, sind aus wirtschaftspolitischer Sicht sinnvoll und prüfenswert.
Die Teilhabe am Erwerbsleben durch eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und
Familie trägt nicht nur zur Behebung des Fachkräftemangels bei, sondern hilft zudem vor
allem den Frauen, für ihre Altersvorsorge eine eigene 2. Säule aufzubauen.
3. Sicherung der Sozialwerke
Mit dem Stichwort "2. Säule" bin ich bei der Sicherung der Sozialwerke AHV und
Pensionsversicherung angelangt. Unsere Sozialwerke sind Errungenschaften, die es zu
bewahren gilt. Die Sicherung der Sozialwerke auch für die kommenden Generationen ist
eine Aufgabe, die wir nicht auf die lange Bank schieben dürfen.
AHV und Pensionsversicherung spüren die Auswirkungen des demographischen Wandels
und werden durch die Entwicklung auf den Kapitalmärkten beeinträchtigt. Die Reformen
dieser beiden wichtigen Sozialwerke werden von den beiden zuständigen Ministerien
koordiniert vorangetrieben.
Die steigende Lebenserwartung, die an sich ja sehr erfreulich ist, wirkt sich auf die 2.
Säule aus. Das angesparte Alterskapital wird ohne Reformmassnahmen für die
Finanzierung des Rentenalters je länger je weniger ausreichen. Diese Problematik wird
durch den Wegfall der Kapitalmarktrenditen, des sogenannten dritten Beitragszahlers,
noch verstärkt.
Ab dem Jahr 2017 wird die Reform der Pensionsversicherung die Lohnnebenkosten der
Unternehmen ein wenig erhöhen, dies vor allem bei tiefen und mittleren Einkommen. Für
die versicherten Arbeitnehmer wird die Reform der 2. Säule zu einem leicht tieferen
Nettolohn führen, da höhere Beiträge einbezahlt werden müssen. Diese Massnahme
führen aber letztlich zu einer höheren Altersrente.
Es ist nachvollziehbar, dass sich bei den Unternehmen die Begeisterung über höhere
Lohnnebenkosten ab dem Jahr 2017 in Grenzen hält. Tiefe Lohnnebenkosten sind
unbestrittenermassen Bestandteil von guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Aber
auch gut ausgebaute und sichere Sozialwerke zählen zu den positiven Standortfaktoren.
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Beides gilt es zu berücksichtigen, und genau das machen die von der Regierung
vorgeschlagenen Reformmassnahmen.
4. Standortförderung
Liechtenstein hat gute Rahmenbedingungen und viele Standortvorteile. Es gibt aber auch
Nachteile, beispielsweise den begrenzten Arbeitsmarkt, den ich schon angesprochen
habe, oder die Bodenressourcen und deren Preisniveau. Für eine gedeihliche Entwicklung
des Wirtschaftsstandorts ist es von grundsätzlicher Bedeutung, die Nachteile zu
benennen und wenn möglich zu minimieren, sowie die Vorteile zu kennen und
auszubauen. - Damit bin ich nun beim 4. Punkt auf der Liste der Herausforderungen, bei
der Standortförderung, angelangt.
Die Standortförderung gehört zu den zentralen wirtschaftspolitischen Themen. Die Ende
2014 erstmals herausgegebene Standortstrategie wird im Sinne einer rollenden Planung
laufend überprüft und weiterentwickelt. 2016 wird deshalb eine überarbeitete Fassung
der Standortstrategie erscheinen.
Auch die überarbeitete Standortstrategie fokussiert primär darauf, den wirtschaftlichen
Bestand zu wahren und zu pflegen und die positiven Standortfaktoren zu verteidigen und
auszubauen. Gerade die Auswirkungen des Frankenschocks haben gezeigt, dass diese
Fokussierung richtig war und weiterhin richtig sein wird.
Die Stärke des Wirtschaftsstandorts basiert auf Innovation, Forschung und Entwicklung.
Das Wirtschaftsministerium unterstützt seit Jahren Initiativen in diesen Bereichen, und
zwar von der Ideenfindung über die Businessplanung und Exportförderung bis hin zur
Unternehmensgründung. Der Staat setzt weniger auf direkte finanzielle Leistungen,
sondern vielmehr auf unterstützende oder entlastende Massnahmen. Dazu gehören
insbesondere auch Massnahmen zum Bürokratieabbau, um die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen im Sinne der Standortstrategie zu optimieren.
Bestehende wie auch neue Vorschriften werden deshalb laufend überprüft, um unnötige
Verwaltungshandlungen abzubauen respektive gar nicht erst entstehen zu lassen. Die
erfolgreichen Massnahmen zum Bürokratieabbau im vergangenen Jahr entlasten die
liechtensteinischen Unternehmen finanziell wie auch administrativ. Auch die von der
Regierung durchgeführte Leistungsanalyse und verschiedene Rückmeldungen aus der
Wirtschaft, insbesondere die Bürokratieumfrage der Wirtschaftskammer, aber auch
Impulse aus den verschiedenen Amtsstellen werden fortlaufend zur weiteren Reduktion
von Bürokratie und unnötigen Verwaltungshürden führen.
Liechtenstein ist bereits heute auf einem guten Niveau, was kurze Wege und schlanke
Verwaltung angeht, aber das Ziel muss sein, noch besser zu werden. Auch die
Digitalisierung trägt zu diesen Bemühungen bei.
Mit der Standortstrategie wurden drei mögliche Stossrichtungen beziehungsweise
Branchen mit besonderem Potential evaluiert. Als Output der Überarbeitung der
Strategie wurde eine Arbeitsgruppe bestellt und beauftragt, eine der drei möglichen
Stossrichtungen vertieft abzuklären.
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Es handelt sich dabei um das Potential Liechtensteins als Digital- und Datenstandort. Die
Arbeitsgruppe wird die Ergebnisse dieser vertieften Abklärung in der ersten Jahreshälfte
2016 zusammen mit Handlungsempfehlungen der Regierung vorlegen.
Ein weiterer interessanter Aspekt der Standortförderung ist "Fintech". Das heisst "Technik
trifft Finanzdienstleistung". Technik und Finanzdienstleistung sind zwei sehr starke
Bereiche der liechtensteinischen Wirtschaft, und es ist naheliegend, diese beiden
Bereiche zu einem neuen Geschäftsmodell zu verbinden.
Liechtenstein kann als idealer Testmarkt für "Fintech" dienen, denn wir können mit
politischer Stabilität, Sicherheit, einer guten technischen Infrastruktur und eine
europakompatiblen Finanzplatz aufwarten. Dazu kommen unsere gesetzgeberische
Flexibilität, unsere Geschwindigkeit und die kurzen Wege.
Das Gesagte gilt übrigens auch für die sogenannten "Cleantech"-Industrie, die sich mit
innovativer Technik im Umwelt- und Energiebereich befasst.
Unter dem Stichwort "Standortförderung" möchte ich ganz kurz auch noch das
Geldspielgesetz ansprechen. Bei der Reform des Geldspielgesetzes geht es nicht darum,
dass wir unbedingt mehrere Casinos in Liechtenstein wollen. Das ist ein Thema, das wir
dem Markt überlassen wollen. Bei der Reform des Geldspielgesetzes geht es darum, das
Zulassungsverfahren zu vereinfachen, ohne die hohen Anforderungen für das Betreiben
von Geldspielen zu verändern. Natürlich erhoffen wir uns beispielsweise von einem auf
hohem Niveau betriebenen Casino auch Einnahmen für den Staatshaushalt.
Ebenfalls standortfördernd sollte sich das Forschungsförderungsgesetz auswirken, das
sich in Vorbereitung befindet.
Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich noch auf einen weiteren Aspekt eingehen,
den ich eher unter "Chancen" summiere.
Liechtenstein gehört zwei Wirtschaftsräumen an, über den Zollvertrag dem
Wirtschaftsraum Schweiz und über das EWR-Abkommen dem europäischen
Wirtschaftsraum. Dazu kommen unseres Mitgliedschaften bei der Europäischen
Freihandelsassoziation EFTA und der Welthandelsorganisation WTO. Mit diesen
Mitgliedschaften ist Liechtenstein bisher sehr gut gefahren, und sie sind wichtiger
Bestandteil für die Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit.
In einer wirtschaftlich immer enger verbundenen Welt ist es für Liechtenstein
matchentscheidend, diskriminierungsfreien Zugang zu ausländischen Märkten zu
erhalten. Liechtenstein ist bisher mit 40 Ländern Steuerkooperationen eingegangen und
hat, zusammen mit den EFTA-Partnern, mit 30 Ländern ausserhalb der EU
Freihandelsabkommen abgeschlossen.
Insgesamt haben wir eine gute Ausgangslage. Die Regierung ist aber weiter bestrebt,
Handelshemmnisse und Bremsfaktoren aller Art zu beseitigen.
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Um ständig besser zu werden, ist die Regierung auch auf die entsprechenden
Rückmeldungen aus Industrie und Gewerbe angewiesen. Ich freue mich deshalb über alle
konstruktiven Rückmeldungen von Ihrer Seite. Gerade Veranstaltungen wie heute Abend
bieten Gelegenheit dazu.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.