NEU Regenbogenfamilien im heutigen Familienrecht

02.04.2016
Regenbogenfamilien im
heutigen Familienrecht
Referat Rechtsanwältin Karin Hochl
Workshop KESB der Stadt Zürich
März 2016
Zur Person
Lic. iur. Karin Hochl
Schaub Hochl Rechtsanwälte AG
Stadthausstrasse 41
8401 Winterthur
www.schaubhochl.ch
[email protected]
Tel. +41 (0)52 213 35 35
Tätigkeitsgebiete
Familien- und Erbrecht, Vorsorge und Nachlassplanung
Nicht traditionelle Familien: Gleichgeschlechtliche Paare, Regenbogenfamilien,
Leihmutterschaft im Ausland
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02.04.2016
Regenbogenfamilien im
Familienrecht der Schweiz
Inhaltsübersicht
• Geltendes schweizerisches Abstammungsrecht
• Familienrecht im Wandel
• Reformbedarf
• Rechtliche Stellung von Regenbogenfamilien
(am Beispiel eines lesbischen Mütterpaares)
• Verfahren vor der KESB – Beistandschaft?
• Rechtsnachteile für Regenbogenfamilien-Kinder
• Namensrecht
• Trennungsfall der Eltern oder Streitfall
• Todesfall der der Eltern
• Rechtliche Absicherungsmöglichkeiten
Geltendes schweizerisches
Abstammungsrecht
Ein Kind hat einen Vater und eine Mutter
Nicht zwei Väter oder zwei Mütter
Kindesverhältnis zur Mutter
• Durch Geburt (Art. 252 Abs. 1 ZGB)
Kindesverhältnis zum Vater
• Durch Ehe mit der Mutter (Art. 252 Abs. 2 ZGB)
Vaterschaftsvermutung des Ehemanns
• Durch Anerkennung (Art. 260 Abs. 1 ZGB)
• Durch Vaterschaftsurteil (Art. 261 ZGB)
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02.04.2016
Geltendes schweizerisches
Abstammungsrecht
Gleichgeschlechtliche Paare sind von der rechtlichen Elternschaft
ausgeschlossen (Art. 28 PartG):
•
•
Adoptionsverbot
Kein Zugang zur Fortpflanzungsmedizin
Art. 27 PartG verleiht keine Elternrechte
«Hat eine Person Kinder, so steht ihre Partnerin/Partner ihr in der
Erfüllung der Unterhaltspflicht und in der Ausübung der elterlichen
Sorge in angemessener Weise und vertritt sie, wenn die Umstände
es erfordern. Elternrecht bleiben jedoch in allen Fällen gewahrt.»
Geltendes Abstammungsrecht
•
Vorrang der Ehe
•
Vorrang der traditionellen Familie, die aus einem Mann, einer
Frau (die miteinander verheiratet sind) und Kindern besteht
Schutz der Familie oder Schutz der Vorstellung, was eine Familie zu
sein hat?
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02.04.2016
Wandel im Familienrecht
- Reformbedarf
Die Ehe als Voraussetzung für Fortpflanzung und Elternschaft =
überholtes Konzept
Ehe ist heute nicht mehr «Reproduktionsstätte» und auch nicht mehr
die Garantin für Stabilität einer Partnerschaft
• DNA-Test zur Ermittlung der genetischen Vaterschaft
Vaterschaftsvermutung des Ehemanns kommt keine
Schutzfunkion mehr zu
• Kein Grund mehr für den Ausschluss nicht verheirateter
(verschieden- und gleichgeschlechtlichen) Paare von Adoption
und Fortpflanzungsmedizin
Rumo-Jungo Alexandra, Kindesverhältnisse im Zeitalter vielfältiger Familienformen und medizinisch unterstützter
Fortpflanzung, FamPra.ch 4/2014, S. 839 f.
Wandel im Familienrecht Reformbedarf
Merkmal der modernen Gesellschaft: Pluralität der Familienformen
Neben der traditionellen Familie existiert eine Vielzahl anderer
Familien- und Lebensformen: kinderlose Ehen, Altersehen, Ein-ElternFamilien, Fortsetzungsfamilien, Familien, die durch
fortpflanzungsmedizinische Massnahmen zustande gekommen sind,
nichteheliche Lebensgemeinschaften, gleichgeschlechtliche Paare,
Regenbogenfamilien u.v.m.
Schwenger Ingeborg, Gutachten zum Postultat Fehr 12.3607, August 2013, S. 4
Regenbogenfamilien
Steigende Anzahl von lesbischen und schwulen Paaren mit Kindern
Zunehmende Sichtbarkeit von Regenbogenfamilien in der Gesellschaft
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02.04.2016
Wandel im Familienrecht
Definition «Regenbogenfamilien»
Familien, in denen sich mindestens ein Elternteil als lesbisch, schwul,
bisexuell oder trans* versteht.
Anzahl Regenbogenfamilien
Keine offizielle Statistik in der Schweiz
Schätzungen: zwischen 6’000 und 30’000 Kinder
Nay, Yv E. (2016). Was sagt die Wissenschaft zu ‚Regenbogenfamilien‘? Eine Zusammenschau der
Forschung. S. 1-9
Regenbogenfamilien
Vielfältige Konstellationen auch bei Regenbogenfamilien
•
•
•
•
•
Ein Elternteil mit Kind, der nach einer heterosexuellen Beziehung
gleichgeschlechtlich lebt
Zwei lesbische Mütter mit einem oder mehreren Kindern von
bekannten oder unbekannten Samenspendern
Kinder mit lesbischen Müttern und einem heterosexuellen oder
homosexuellen Vater
Zwei lesbische Mütter und zwei schwule Väter, die zu viert für das
Kind aufkommen
Zwei schwule Väter mit einem oder mehreren Kinder, die im
Ausland durch Leihmutterschaft geboren wurden
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02.04.2016
Regenbogenfamilien
Vorbehalte gegen gleichgeschlechtliche Elternschaft
•
Überzeugung rechtlich begründete Elternschaft müsse ein Abbild
der biologischen Möglichkeit von Elternschaf sein
•
Das unterstellt, dass nur eine Mutter und ein Vater in der Lage
sind, die gesunde Entwicklung der Kinder zu gewährleisten.
•
17 % aller Kinder in der Schweiz (965’200 Paare und 198’000 EinEltern mit Kinder) wachsen in Ein-Elternhaushalten auf (Statistik
Privathaushalte nach Haushaltstyp 2012, BFS, Neuchâtel, 2014).
•
Niemand behauptet, alle diese Kinder seien gefährdet.
Regenbogenfamilien
Studien aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und den USA
•
•
Kinder mit einem oder mehreren homosexuellen Elternteilen
entwickeln sich nicht anders als Kinde mit heterosexuellen Eltern
Kinder aus Regenbogenfamilien sind nicht öfter oder seltener
homosexuell und sie entwickeln gleichermassen eine
Geschlechtsidentität innerhalb der üblichen Geschlechterrollen
Ingeborg Schwenzer, Familienrecht und gesellschaftliche Veränderungen, FamPra.ch 4/2014, S. 1000, m.H.a. Studien
Yv E. Nay (2016). Was sagt die Wissenschaft zu ‚Regenbogenfamilien‘? Eine Zusammenschau der Forschung. S. 1-9
Erkenntnis
• Kinder brauchen zumindest eine Person, die sie um ihrer selbst
willen liebt, also weder zwingend zwei Personen, noch zwingend
Vater und Mutter.
Bernd Eggen, Homosexuelle Paare mit Kindern, Fampra.ch 2007, 823, 834
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02.04.2016
Wandel im Familienrecht Reformbedarf
SKMR-Newsletter Nr. 28 des Schweizerischen Kompetenzzentrums für
Menschenrechte vom 24. Juni 2015:
Geltendes Recht der Schweiz nicht verfassungskonform
• Ausschluss von Paaren in egP von der Adoption und der
Fortpflanzungsmedizin ist nicht verfassungskonform.
• Das geltende Recht trifft Unterscheidungen, die sich nicht an der
Stabilität der Beziehung oder der Eignung zur Elternschaft
orientiert, sondern an der Ehe und benachteiligt u.a.
gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern
• Der Wunsch Kinder zu haben und zu erziehen, steht als Teil der
persönlichen Freiheit allen Menschen ohne Rücksicht auf die
sexuelle Orientierung zu (Bundesgericht).
Wandel im Familienrecht
- Reformbedarf
Reformbemühungen des Staates
•
•
Bericht des Bundesrates zum Postulat Fehr (12.3607) von März
2015: Modernisierung des Familienrechts
Stellungnahme Nationale Ethikkommission von November 2013:
Die medizinisch unterstützte Fortpflanzung – Ethische
Überlegungen und Vorschläge für die Zukunft
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02.04.2016
Wandel im Familienrecht –
Reformen
Revision Adoptionsrecht
• Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare
• Stiefkindadoption für Paare in faktischen, verschieden- wie
gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften
• Zustimmung des Ständerates am 8. März 2016
Ehe für alle
• Die Ehe soll für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden.
• Zustimmung der Rechtskommissionen des National- und
Ständerates
Fortpflanzungsmedizin
• Zugang gleichgleichgeschlechtlicher Paare zu den
fortpflanzungsmedizinischen Verfahren
Ziel: originäre Elternschaft (Elternschaft ab Geburt)
Wandel im Familienrecht Reformen
Widerstand gegen eine Modernisierung des Familienrechtes
• Motion Herzog (14.3371): Fragwürdige Reformen im Ehe- und
Familienrecht stoppen“
• Verein für traditionelle Familie: Erhalt und Verteidigung der
Familie, die aus einem Mann, einer Frau und Kindern besteht.
Zeichen für die Öffnung des Familienrechtes
• Ablehnung der CVP-Initiative «Abschaffung der Heiratsstrafe»
wegen Definition der Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau
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02.04.2016
Wandel im Familienrecht Reformen
CVP-Initiative «Abschaffung der Heiratsstrafe»
Quelle: Tagesanzeiger vom 01.03.2016
Blick nach Europa
Gemeinsame Adoption legal:
Belgien*, Dänemark*,
Grossbritannien*, Irland*,
Malta*, Niederlande*, Spanien*,
Andorra, Frankreich, Finnland (ab
2017), Island, Luxemburg,
Norwegen, Österreich, Schweden,
Portugal
*Originäre Elternschaft
(automatische Anerkennung)
Stiefkindadoption legal:
Deutschland, Finnland, Slowenien
und Estland
Adoption nicht legal oder keine
Regelung
Quelle: ILGA (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association), 2016
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02.04.2016
Rechtslage von
Regenbogenfamilien
Beispiel:
Anna Meier und Belinda Müller
• Lesbisches Paar in eingetragener Partnerschaft
Gemeinsamer Kinderwunsch Umsetzung mittels Samenspende
(ausländische Samenbank, Internetplattform oder Bekanntenkreis)
• Gemeinsame Familienplanung
Wunsch nach «originärer Elternschaft»
• Anna Meier: Biologische Mutter
Belinda Müller: Co-Mutter / 2. Elternteil
• Das Paar lässt sich vorgängig rechtlich beraten und trifft alle
notwendigen rechtlichen Vorkehrungen
• U.a. verpflichtet sich Co-Mutter Belinda Müller vertraglich wie ein
Elternteil anstelle des fehlenden Vaters für den Unterhalt des
Kindes aufzukommen (Unterhaltsvertrag)
Rechtslage von
Regenbogenfamilien
Rechtliche Situation nach der Geburt
• Kindesverhältnis zu Anna Meier (biologische Mutter)
• Kein Kindesverhältnis zu Belinda Müller (Co-Mutter)
keine Rechte und Pflichten
Kindesverhältnis zum Samenspender?
• Samenspender will/soll keine Vaterrolle übernehmen.
• Mutter, Co-Mutter & Kind bilden Wunsch-Kernfamilie
Keine Vaterschaftsanerkennung
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02.04.2016
Rechtliche Situation von
Regenbogenfamilien
Klassische Situation von Regenbogenfamilien-Kindern mit 2 Müttern:
• Kindesverhältnis zur biologischen Mutter
• Kein Kindeverhältnis zur Co-Mutter
• Kein Kindesverhältnis zum Samenspender
Ein-Elternschaft
• Kind hat nur einen rechtlichen Elternteil
• Co-Elternteil hat keine Elternrechte
• Obwohl die Realität anders aussieht: Anna Meier und
Belinda Müller sorgen gemeinsam für die Betreuung und den
Unterhalt des Kindes – bilden eine Familie
Diskriminierende Rechtslage
Rechtslage für
Regenbogenfamilien
Nachteile aufgrund fehlender rechtlicher Elternschaft Co-Mutter oder
Co-Vater
Überblick:
• Verfahren vor der KESB – Beistandschaft?
• Namensrecht
• Elterliche Sorge / Vertretungsrecht
• Unterhalt
• Sozialversicherungen
• Erbrecht
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02.04.2016
Verfahren vor der KESB –
keine Beistandschaft
Beistandschaft für das Kind zur Feststellung der Vaterschaft?
• Bis 30.6.2014: Art. 309 aZGB
• Dem Kind einer unverheirateten Frau wird ein Beistand ernannt,
der für die Feststellung des Kindesverhältnisses zum Vater sorgt
Zwangsbeistandschaft
Revision der elterlichen Sorge: Streichung von Art. 309 aZGB
Seit 1. Juli 2014: Art. 308 Abs. 2 ZGB
Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde
dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge mit Rat und Tat
unterstützt. Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen,
namentlich die Vertretung des Kindes zur Feststellung der Vaterschaft.
Verfahren vor der KESB –
keine Beistandschaft
Botschaft und Lehre zu Art. 308 Abs. 2 ZGB
Beistandschaft unter Art. 308 Abs. 2 ZGB nur noch zulässig, wenn eine
konkrete Gefährdung des Kindeswohls besteht.
Eine abstrakte Gefährdung des Kindeswohls genügt nicht mehr.
Botschaft zur Änderung des ZGB (Elterliche Sorge), 11.070, vom
16. November 2011
«Keine Bevormundung nicht verheirateter Mütter: (…) Das Kind soll
nur einen Bestand erhalten, wenn ein solcher zu seinem Schutz nötig
ist [konkrete Kindeswohlgefährdung]. Allein die Tatsache, dass eine
nicht verheiratete Mutter ein Kind zur Welt bringt, belegt noch keine
solche Schutzbedürftigkeit.» (S. 9095)
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02.04.2016
Verfahren vor der KESB –
keine Beistandschaft
Botschaft zur Änderung des ZGB (Elterliche Sorge), 11.070, vom
16. November 2011:
Zum Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung
«Nichts ändert die Aufhebung von Art. 309 ZGB am (…) Anspruch
des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Dieser Anspruch allein
genügt aber nicht, dem Kind einer nicht verheirateten Mutter in
jedem Fall einen Beistand zu bestellen. Dies gilt umso mehr als
mittels DNA-Analyse eine einwandfreie Abklärung der Vaterschaft
auch noch lange nach der Geburt möglich ist.»
Verfahren vor der KESB –
keine Beistandschaft
Beispiel: Anna Meier und Belinda Müller
Lesbisches Paar in egP: Kind mit Mutter & Co-Mutter
• Keine «konkrete Gefährdung» des Kindeswohls durch fehlende
rechtliche Vaterschaft
• Co-Mutter Belinda Müller tritt an die Stelle des Vaters: Sie kommt
als 2. Elternteil für die Betreuung und den Unterhalt des Kindes auf
(Unterhaltsvertrag)
• Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung kann
ohne Vaterschaftsanerkennung und somit ohne Beistandschaft
gewahrt werden
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02.04.2016
Verfahren vor der KESB –
keine Beistandschaft
Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung
• Grundrecht: Art. 8 EMRK, Art. 7 Abs. 1 UN-KRK, Art. 10 Abs. 2
BV, Art. 13 Abs. 2 BV
• Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung
ist unabhängig vom Bestehen eines rechtlichen
Kindesverhältnisses
• KESBs argumentieren mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis
der Abstammung, ohne dieses vom rechtlichen
Kindesverhältnis zu differenzieren.
• Dilemma der Mütter: Geben sie die Identität des
Samenspender preis, besteht das Risiko, dass er als rechtlicher
Vater des Kindes in das Zivilstandsregister eingetragen wird –
was nicht gewollt und zum Schutz des Kindes nicht notwendig
ist.
Verfahren vor der KESB –
keine Beistandschaft
Widerstände, mit denen Anna Meier und Belinda Müller als lesbisches
Elternpaar zu kämpfen haben:
•
Leitlinie der Behörden ist nach wie vor das traditionelle Familienbild
•
Im Fehlen einer Vaterschaft wird ein Mangel erblickt
•
Selbst bei lesbischen Paaren in egP gehen die Behörden davon aus, dass es
einen Vater gibt
•
Lesbische Elternpaare haben mit Stigmatisierung und Vorurteilen gegen
ihre Familienform und vielen Hürden und Diskriminierungen zu kämpfen
•
Jüngere Entwicklung: KESB geben sich «scheinbar» offen, argumentieren
jedoch mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung,
um doch eine Beistandschaft zu errichten/Vaterschaftsanerkennung zu
bewirken versteckte Diskriminierung
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02.04.2016
Verfahren vor der KESB –
keine Beistandschaft
Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung
• Recht kann gewahrt werden auch ohne Beistandschaft und ohne
Vaterschaftsanerkennung
• Im Kontext eines lesbischen Mütterpaares stellt die fehlende
Vaterschaft keinen Mangel dar
keine «konkrete Kindesgefährdung»
• Das Recht des Kindes auf Kenntnis der genetischen Abstammung
rechtfertigt keinen staatlichen Eingriff in Form einer Beistandschaft
nach Art. 308 Abs. 2 ZGB
Verletzung Diskriminierungsverbot aufgrund der Lebensform
(Art. 8 Abs. 2 BV, Art. 14 EMRK)
Verletzung Anspruch auf Privat- und Familienleben
(Art. 13 BV, Art. 8 EMRK)
Verfahren vor der KESB –
keine Beistandschaft
Möglichkeiten zur Hinterlegung der Spenderdaten ohne
Beistandschaft und Vaterschaftsanerkennung
• Kein «offizielles Register»
• Ehepaare mit heterologer Insemination: Daten des Spenders
werden im Spenderdatenregister, welches durch das
Eidgenössische Amt für das Zivilstandswesen (EAZW) geführt wird,
aufbewahrt (Art. 15 FMedV)
• Analoge Anwendung auf gleichgeschlechtliche Paare?
• Deponieren der Samenspenderdaten bei einem Notar oder Anwalt
(Hinterlegungsvertrag)
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02.04.2016
Verfahren vor der KESB
= keine Beistandschaft
Fazit und Zusammenfassung
• Rechtsvorkehren zum Schutz des Kindes: Co-Mutter Belinda Müller tritt in
Rechte und Pflichten ein, die üblicherweise auf den Vater entfallen
(insbesondere Pflicht zur Bezahlung von Unterhalt)
•
Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung kann ohne Eintragung
eines rechtlichen Vaters in das Zivilstandsregister gewahrt werden: z.B.
durch Hinterlegung der Spenderdaten bei einem Notar oder Anwalt
•
Keine «konkrete Kindeswohlgewährdung»: Unterhalt, Betreuung und
Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung sind gesichert
Beistandschaften nach Art. 308 Abs. 2 ZGB zur Feststellung einer
Vaterschaft sind nicht gerechtfertigt
•
•
Im Rahmen seiner Pflicht, die tatsächlich gelebten Familienbeziehungen zu
schützen, ist der Staat aufgefordert, eine «Hinterlegungsmöglichkeit» für
Spenderdaten von Regenbogenfamilien-Kindern zu schaffen
Verfahren vor der KESB –
Keine Beistandschaft
NZZ am Sonntag, 3.1.2016
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02.04.2016
Rechtsnachteile für
Regenbogenfamilien-Kinder
Nachteile aufgrund fehlender rechtlicher Elternschaft Co-Mutter oder
Co-Vater
Überblick:
• Verfahren vor der KESB – Beistandschaft?
• Namensrecht
• Elterliche Sorge / Vertretungsrecht
• Unterhalt
• Sozialversicherungen
• Erbrecht
Rechtsnachteile für
Regenbogenfamilien-Kinder
Namensrecht
Art. 270 Abs. 2 aZGB (bis Ende 2012)
Kind einer unverheirateten Frau erhält den Familiennamen der Mutter.
Das Kind hiess immer gleich wie die biologische Mutter
Art. 270a Abs. 1 ZGB (seit 2013 – neues Namensrecht)
Unverheiratete Eltern: Steht die elterliche Sorge einem Elternteil zu, so
erhält der Kind dessen Ledignamen.
Führt zu unsachgerechten Resultaten in Fällen, in denen die
unverheiratete Mutter nicht mehr ihren Ledignamen trägt.
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02.04.2016
Rechtsnachteile für
Regenbogenfamilien-Kinder
Beispiel: Anna Meier und Belinda Müller:
Eintragung der Partnerschaft
Gemeinsamer Familienname nach Art. 12a PartG: Müller
Anna und Belinda MÜLLER
2 Jahre später:
Anna MÜLLER bringt das gemeinsame Wunschkind zur Welt
Familienname des Kindes nach Art. 270a nZGB: MEIER
(Ledigname der biologischen Mutter)
Kind heisst anders als seine beiden Mütter!
Namensänderungsgesuch notwendig!
Aufwand und Kosten!
Rechtsnachteile für
Regenbogenfamilien-Kinder
Namensrecht
Art. 270a Abs. 1 ZGB = missratene Gesetzesbestimmung
• Gleichgeschlechtlichen Paaren steht die Ehe nicht offen steht
verdeckte Diskriminierung
• «Namensspaltung» von Eltern und Kind unsachgerecht und verletzt
das Kindeswohl
• Diskriminierung insbesondere von Regenbogenfamilie, die einen
gemeinsamen Familiennamen führen
Umweg über
Namensänderungsgesuch notwendig
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02.04.2016
Rechtslage für
Regenbogenfamilien
Nachteile aufgrund fehlender rechtlicher Elternschaft Co-Mutter
oder Co-Vater
Überblick:
• Verfahren vor der KESB – Beistandschaft?
• Namensrecht
• Elterliche Sorge / Vertretungsrecht
• Unterhalt
• Sozialversicherungen
• Erbrecht
Rechtsnachteile für
Regenbogenfamilien-Kinder
Keine rechtliche Bindung zwischen Kind und Co-Elternteil
• Keine elterliche Sorge
• Art. 27 PartG verleiht der Co-Mutter/Vater keine Elternrechte
• Kompetenz der Co-Mutter zur vertretenden Ausübung der
elterlichen Sorge im Rahmen von Art. 27 PartG ist beschränkt und
betrifft nur Einzelsituationen, z.B. Krankheit oder dringend
anstehende Entscheidungen bei Abwesenheit des rechtlichen
Elternteils
• Kein Vertretungsrecht des Co-Elternteils es muss mit mühsamen
Vollmachten operiert werden
• Fehlende Elternschaft zur Co-Mutter untergräbt das Vertrauen und
die Sicherheit des Kindes in die Beständigkeit seiner Eltern
• Unsicherheit des Kindes über die eigene Identität
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02.04.2016
Rechtsnachteile für
Regenbogenfamilien-Kinder
Trennung der Eltern oder Streitfall
• Fatale Konsequenzen für das Kind!
• Co-Mutter hat keinen Anspruch auf Kontakt und Betreuung
• Falls sich die Eltern nicht einigen können muss ein
ausserordentliches Besuchsrecht gestützt auf Art. 27 Abs. 2 PartG
beantragt werden.
• Gefahr, dass Kind seine zweiten Elternteil verliert
• Umgekehrt hat die biologische Mutter keine verlässliche und
rechtlich verpflichtete zweite Partnerin in Bezug auf die Ausübung
der elterlichen Pflichten, wie Betreuung und Unterhalt
• Co-Mutter hat keinerlei Pflichten in Bezug auf das Kind und könnte
sich jederzeit aus der Verantwortung entziehen (Unterhaltspflicht).
Rechtsnachteile für
Regenbogenfamilien-Kinder
Todesfall der biologischen Mutter
• Das Kind ist eine erheblich lange Zeit mit der Unsicherheit
belastet, wer die elterliche Sorge erhält
• Die Co-Mutter kann für die Zuteilung der elterlichen Sorge nur
auf die gute Gesinnung der Kindesschutzbehörden hoffen
• Kind hat keinen gesetzlichen Betreuungs- und
Unterhaltsanspruch gegenüber der Co-Mutter
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02.04.2016
Rechtsnachteile für
Regenbogenfamilien-Kinder
Todesfall der Co-Mutter
Das Kind hat keine gesetzlichen Erbansprüche gegenüber der CoMutter
Testamentarische Begünstigung des Kindes erheblich benachteiligt
(Erbschaftssteuer)
Hat die Co-Mutter bei ihrem Ableben mit dem Kind nicht im selben
Haushalt gewohnt (z.B. infolge Trennung der Eltern), hat das Kind
mangels Elternschaft keinen Anspruch auf Waisenrente
Rechtsnachteile für
Regenbogenfamilien-Kinder
Fazit
Kind aufgrund fehlender rechtlicher Elternschaft des Co-Elternteils
ungenügend geschützt
• Umfangreiche rechtliche Vorkehrungen notwendig
• Nicht alle Rechtsnachteile können behoben werden
• Beratung
• Kosten und Aufwand
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02.04.2016
Rechtliche Absicherung
«Package» zur rechtlichen Absicherung von Kind und Eltern
• Vorbereitung Schreiben an KESB zur Vermeidung Beistandschaft
• Vereinbarung zwischen den Eltern (Basisvereinbarung)
• Unterhaltsvereinbarung (insbesondere für KESB)
• Generalvollmacht zu Gunsten Co-Elternteil zur Vertretung des
Kindes
• Vorsorgeauftrag
• Testament
• Vermögensvertrag
• Ev. Namenänderungsgesuch
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Literaturempfehlungen
• Andrea Büchler, Die Zukunft von Ehe, Partnerschaft und einfachen
Lebensgemeinschaften, FamPra.ch 4/2014, S. 797 ff.
• Alexandra Rumo-Jungo, Kindesverhältnisse im Zeitalter vielfältiger
Familienformen und medizinisch unterstützter Fortpflanzung,
FamPra.ch 4/2014, S. 838 ff.
• Ingeborg Schwenzer, Familienrecht und gesellschaftliche
Veränderungen, FamPra.ch 4/2014, S. 966
• Andrea Büchler/Sandro Clausen: Fortpflanzungsmedizin und
Kindeswohl! Kindeswohl und Fortpflanzungsmedizin?, FamPra.ch
2/2014
• SKMR-Newsletter Nr. 28 des Schweizerischen Kompetenzzentrums
für Menschenrechte vom 24. Juni 2015
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