Traueransprache vom 21.8.2015

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Traueransprache für Gerhard Wolfgang Ittel
Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes. (Römer 8,39)
Wir müssen Abschied nehmen.
Gott verabschiedet sich nicht.
Wir müssen liebe Menschen loslassen, wenn sie gehen.
Gott hält sie auf dem Weg des Lebens auch durch das Sterben hindurch.
Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes.
Das ist die Erfahrung eines Mannes, der dem Auferstandenen begegnet ist.
Es ist die Osterbotschaft mit den Worten des Apostels Paulus:
In allem überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat.
Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben,
weder Engel noch Mächte noch Gewalten,
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann
von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
Am dritten Tag früh morgens kommen die Frauen zum Grab.
Wohlriechende Öle haben sie bereitet und als sie zum Grab kommen,
finden sie den Stein weggerollt.
Sie gehen hinein, finden den Leib ihres Herrn aber nicht.
Man kann ihm das Leben nehmen,
die Beziehung Gottes zu ihm aber kann niemand zerstören.
Gottes Liebe zu seinem Sohn ist nicht totzukriegen.
Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?
Er ist nicht hier, er ist auferstanden,
sagen die Männer in ihren glänzenden Kleidern.
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Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes.
Im Vertrauen darauf nehmen wir Abschied von Gerhard Wolfgang Ittel
und erinnern uns gemeinsam:
Schon recht früh scheint klar gewesen zu sein, dass er Theologie studieren wollte.
Er schreibt selbst in einem Lebenslauf, mit dem er sich um die Pfarrstelle in unserer
Gemeinde bewarb, er habe mit Rücksicht auf seinen Beruf von der Realschule auf
ein humanistisches Gymnasium gewechselt.
Er bleibt auf dem Weg, auf den er sich berufen fühlt, und studiert nach dem Abitur
1952 in Marburg, Erlangen und Bonn. Bereits 1955 promoviert er in Erlangen zum
Doktor der Philosophie. Seine besondere Begabung für das wissenschaftliche
Arbeiten wird also schon früh sichtbar. Er verlässt die Welt der Universitäten
dennoch im folgenden Jahr und wird Vikar in Weeze und Kervenheim am
Niederrhein. Dort bleibt er über das Vikariat hinaus mehrere Jahre Gemeindepfarrer
und sammelt u.a. viel Erfahrung im Verhältnis zur katholischen Kirche in einer
Gegend, in der die Evangelischen eine kleine Minderheit waren und bis heute sind.
Hier in Steele hat er später wohl einiges dazu beigetragen, dass unser Verhältnis
zur kath. Gemeinde so gut und durch gemeinsame Gottesdienste und Projekte bis
heute so eng ist. Es gab zu seiner aktiven Zeit regelmäßig gemeinsame
Gemeindeabende, haben sie erzählt.
Durch die Arbeit als Pfarrer am Niederrhein kam er in Kontakt mit dem GustavAdolf-Werk und dem Evangelischen Bund. In beiden Organisationen blieb er lange
aktiv.
Aus der Gemeinde wechselte er zunächst als Schulpfarrer in die hessischen
Kirchenkreise um Wetzlar und Braunfels, ging anschließend als Berufsschulpfarrer
nach Köln. Dort übernahm er schließlich die Leitung der Melanchthon-Akademie.
Angebote der Erwachsenenbildung in den evangelischen Akademien und
Gemeinden waren ihm ein wichtiges Anliegen.
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In unserer ev. Kirchengemeinde Königssteele wurde er dann 1978 zum Pfarrer
gewählt, einstimmig durch das Presbyterium. Sein theologisches Denken war
ökumenisch ausgerichtet und von daher durch eine große Weite geprägt. Er war
sicher nicht nur hinsichtlich der Beziehungen zu unserer kath. Nachbargemeinde
ein Brückenbauer, sondern auch innerhalb der Gemeinde. Er kam in einer
schwierigen Zeit hier her. Sicher hatte er selbst es dadurch auch nicht leicht. Neue
Verständigung war dringend notwendig nach den Konflikten der vorangegangen
Jahre. Dass er schließlich 18 Jahre lang hier Pfarrer blieb, deutet doch daraufhin,
dass er der richtige Mann zur richtigen Zeit für die Gemeinde war.
Mit seinem Humor, tief und gewitzt, konnte er manches wieder fließend machen,
wenn Gespräche ins Stocken geraten waren. Diese Gabe hat ihm sicher in der
Gemeinde ebenso geholfen wie in der intensiven Gremienarbeit im Kirchenkreis
und auf landeskirchlicher Ebene. Auch als Gemeindepfarrer blieb er aktiv in den
übergemeindlichen Diensten, die ihm wichtig waren.
Die Einheit unseres christlichen Glaubens war eines seiner theologischen
Lebensthemen. Dazu passte auch der Predigttext im Gottesdienst zu seiner
Verabschiedung, was ihn in seiner Predigt zu folgender Bemerkung veranlasste:
Als ein Mann, der sich der ökumenischen Bewegung verpflichtet weiß, habe ich
mich natürlich gefragt: Ist es reiner Zufall oder am Ende nicht doch göttliche
Fügung, dass ich heute ausgerechnet über diesen Text predigen soll?
Im Predigttext aus Eph 4 heißt es nämlich:
… ertragt einer den anderen in Liebe und seid darauf bedacht, zu wahren die
Einigkeit im Geist, durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr
auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine
Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.
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Einen Wunsch, den er für die Gemeinde formuliert und für alle christlichen
Gemeinden von entscheidender Bedeutung hält, will ich zitieren. Er sagt in seiner
Predigt vom 29. September 1996:
Ich möchte ihnen wünschen, dass sie auch in Zukunft alles daran setzen über alle
theologischen und weltanschaulichen Gegensätze hinweg den anderen oder die
andere jeweils höher zu schätzen als uns selbst, so schwer uns dies bei einem
konkreten Anlass auch immer wieder fallen mag.
Ja. Es fällt oft schwer.
Die Einheit aktiv zu bewahren ist nicht einfach.
Den anderen höher zu schätzen, kostet etwas.
Manchmal kostet es sehr viel.
Es ist der Weg Jesu, den anderen trotz allem höher zu schätzen.
Er schätzt die Menschen höher, sogar höher als sein eigenes Recht auf Leben.
Er gibt sich hin, verschenkt sich,
er steigt hinab in das Reich des Todes
und er ist auferstanden von den Toten.
Daher können wir gewiss sagen,
dass nichts uns scheiden kann von der Liebe Gottes.
AMEN.
Pfarrer Johannes Heun
Essen-Steele, 21.8.2015