18 Kultur Bieler Tagblatt Donnerstag, 24.12.2015 Zurück von der Reise zu sich selbst Konzert Der Bieler Singer-Songwriter Figaro Sportelli spielt am Sonntag das einzige Heimkonzert in diesem Jahr. An diesem tauft er seine neue EP. Selber ist er aber schon wieder weiter als auf «Near & Distant», dieser Londoner Momentaufnahe auf Vinyl. Tobias Graden Sportelli, «Causon hat mit mir erst noch zu einem reduzierten Tarif gearbeitet.» Es war eine Herzensangelegenheit, der Grund für die weite Reise. Im letzten Winter war Micha Sportelli drei Monate lang auf Reisen: Surfen in Australien, Land und Leute entdecken in Thailand, Gedanken aufschreiben in Prosa- und Songform. Sie war ihm wichtig, diese Reise, eben wegen der Herzensangelegenheit. «Ich habe viel reflektiert», sagt der Bieler Singer-Songwriter und Coiffeur, «die physische Distanz zum Gewohnten tut gut. Es werden einem Sachen bewusst, man kann die Dinge klarer denken.» Schliesslich hatte die Reise einen bestimmten Grund: «Es war eine Herzensangelegenheit mir selber.» Festivals und eine Veröffentlichung «Ich war innerlich zerrissen» Sportelli hatte das Gefühl, er stagniere, falle immer wieder in alte Muster, «es gab Dinge, die nicht funktionierten». Wer ihm begegnet war, und das sind in Biel nicht wenige Menschen, könnte ob diesen Worten staunen: Der Künstler, der in der Altstadt auch einen Coiffeursalon betreibt, gilt nicht eben als Schwerenöter. Der Eindruck habe getäuscht, sagt Sportelli im Rückblick: «Ich habe gegen aussen ein bestimmtes Bild von mir gezeigt, eines, das besagt, dass es mir gut geht. Doch innerlich war ich zerrissen.» Diese Phase ist zu Ende, Sportelli hat mit alten Gewohnheiten gebrochen. Er raucht nicht mehr, er trinkt kaum mehr Alkohol, und er nennt sich nun Figaro Sportelli. Kurz: Er habe nun ein stimmiges Bild von sich selbst. Die Vinyl-EP, die Sportelli diesen Sonntag im Bieler Le Singe tauft, dokumentiert diese Phase seines Schaffens und Lebens aber nur in Titel und Artwork. Der Titel, «Near & Distant», steht für die Zeit der Selbstbesinnung fernab der Heimat; das Coverbild verdeutlicht als tönernes Herz diese Herzensangelegenheit; und den inneren Umschlag ziert die Fotografie einer ausnehmend schönen nackten Frau im Gegenlicht in freier Figaro Sportelli hat nun ein stimmiges Bild von sich selbst. Natur: «Sie ist die Muse, die man aus dem Herzen zieht», sagt Sportelli dazu. Ohne Kontrolle frei Die Musik aber auf dieser halben Platte (sie ist mit den fünf Songs nur auf einer Seite bespielt) stammt noch vom Herbst davor. Figaro Sportelli hat sie in London aufgenommen, zusammen mit dem renommierten Produzenten Richard Causon. Dieser hat auch gleich die meisten Instrumente (abgesehen von Gesang und Gitarre) eingespielt, und er hat grossen Einfluss auf Arrangements und Klang genommen. «Es war das erste Mal, dass ich Tabea Hüberli/zvg bei einer Aufnahme so stark die Kontrolle abgegeben habe», sagt Sportelli, «und es war richtig befreiend.» Abgesehen vom Song «Posession», der neu vertont wurde, handelt es sich bei den Liedern um neue Stücke. Unter der Regie von Richard Causon geben sie eine Ahnung davon, wie eine poppigere, dem Mainstream nähere Version von Figaro Sportelli klingen könnte. «Runder» klängen die Songs, sagt der Singer-Songwriter selber dazu. Die Single «No One Like You» etwa erinnert mit ihrer Basslinie, den flächigen Orgelund sanften Rhodes-Klängen und der Streicher-Grundierung an eine englische Version von Air. «No Worries» ist souliger Pop, während «Paper Heart» und «Making Plans» eher den Solokünstler Sportelli zeigen. Es ist durchaus zu bedauern, dass es nicht für ein ganzes Album gereicht hat. Verantwortlich dafür sind finanzielle Gründe. Von der überaus ambitiösen Crowdfunding-Kampagne, von der sich Sportelli 2014 insgesamt 70 000 Franken für einen kompletten Zweijahresplan erhofft hatte, blieben ihm gerade mal 9000 Franken zur Verfügung. «Die waren dann rasch aufgebraucht», sagt Sie haben die Welt geprägt – nun sind sie nicht mehr 2015 Zahlreiche Persönlichkeiten aus dem Kulturbereich sind in diesem Jahr gestorben. Januar • 11.1. Anita Ekberg (83): Ihr nächtliches Bad in Roms Trevi-Brunnen in Federico Fellinis «La dolce vita» (1960) schrieb Kinogeschichte. Mit späteren Filmen konnte die Schwedin daran nicht anknüpfen. Februar • 26.2. Fritz J. Raddatz (83): Der Literaturkritiker und Autor zählte zu den prägenden Akteuren des deutschen Kulturbetriebs. Von 1960 bis 1969 stellvertretender Leiter des Rowohlt Verlags war er von 1977 bis 1985 Feuilletonchef der Wochenzeitung «Die Zeit». • 27.2. Leonard Nimoy (83): Mit der Rolle des Halb-Vulkaniers Spock in der Fernsehserie «Raumschiff Enterprise» und den «Star-Trek»-Filmen bleibt der USAmerikaner seinem Publikum unvergessen. Er arbeitete auch als Regisseur, Produzent und Fotograf. März • 26.3. Tomas Tranströmer (83): Der schwedische Lyriker veröffentliche 1954 seine erste Gedichtsammlung. Für sein in viele Sprachen übersetztes Werk erhielt er 2011 den Literaturnobelpreis. • 30.3. Helmut Dietl (70): Der deutsche Film- und Fernsehmacher deckte mit Ironie gesellschaftliche Kuriositäten auf. Berühmt wurde er in den 80er-Jahren durch die TV-Serien «Monaco Franze» und «Kir Royal» mit ihren satirischen Porträts der Münchner Schickeria. April • 13.4. Günter Grass (87): Der Deutsche galt als einer der weltweit bedeutendsten Autoren der Gegenwart. Bereits sein erster Roman «Die Blechtrommel» (1959) begründete seinen Ruhm. Grass erhielt 1999 den Literaturnobelpreis. • 15.6. Harry Rowohlt (70): Der Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt war ein gefragter Übersetzer. Neben den «Winnie-thePooh»-Geschichten übersetzte der Hörbuchsprecher auch englischsprachige Literatur. In der TV-Serie «Lindenstrasse» spielte er die Rolle des Penners Harry. stellerinnen Deutschlands. • 15.8. Max Greger (89): Der Saxofonist und Bandleader gehörte zu den Pionieren der Jazz- und Swingmusik in Deutschland. Greger spielte mit Weltstars wie Louis Armstrong, Duke Ellington und Ella Fitzgerald. Mai Juli September • 2.5. Ruth Rendell (85): Die britische Krimi-Autorin zählte zu den meistgelesenen Schriftstellerinnen Grossbritanniens. Den Durchbruch schaffte sie 1964 mit dem Roman «From Doon with Death» («Alles Liebe vom Tod»). Neben zahlreichen Krimis schrieb Rendell auch unter dem Pseudonym Barbara Vine Psychothriller. • 14.5. B.B. King (89): Der US-amerikanische Sänger und Gitarrist gehörte zu den prägenden Grössen des Blues. King veröffentlichte mehr als 50 Alben und gewann 15 Grammys. • 10.7. Omar Sharif (83): Nach einer Nebenrolle als Scheich in «Lawrence of Arabia» (1962) machte den Ägypter 1965 die Titelrolle in der Literaturverfilmung «Doktor Schiwago» weltweit berühmt. • 29.9. Hellmuth Karasek (81): Der Literaturkritiker und Autor prägte an der Seite des verstorbenen Marcel Reich-Ranicki die ZDF-Sendung «Das Literarische Quartett». Als Journalist schrieb er für diverse Zeitungen, war Theaterkritiker bei der Wochenzeitung «Die Zeit» und Kulturressortchef beim «Spiegel». August • 11.8. Utta Danella (95): Die Bestsellerautorin, deren Tod Anfang Juli erst im August bekannt wird, schrieb 43 Romane. Mit einem Verkauf von weltweit über 70 Millionen Büchern war sie eine der kommerziell erfolgreichsten Schrift- Juni • 6.6. Pierre Brice (86): Der Franzose wurde vor allem in Deutschland als «Winnetou»-Darsteller berühmt. Der Romanheld von Karl May war die Rolle seines Lebens. In den 60er-Jahren spielte er den Häuptling in elf Filmen. • 7.6. Christopher Lee (93): Seine Rolle als Vampir in dem Film «Dracula» machte ihn 1958 weltberühmt. Horrorund Monsterfilmen sowie Krimis blieben sein Metier. Lee spielte in Kinoerfolgen wie «Star Wars» und «Lord of The Rings» mit. • 9.6. James Last (86): Der Musiker war der erfolgreichste deutsche Bandleader und gewann mehr als 200 Goldene Schallplatten. Oktober • 5.10. Henning Mankell (67): Der meistgelesene Krimi-Autor der Welt wurde durch seine Geschichten um den Ermittler Kurt Wallander berühmt. Der Schwede verfasste aber auch Romane zu anderen Themen. • 24.10. Maureen O’Hara (95): Der Stern der gebürtigen Irin ging Ende der 30erJahre in Hollywood auf. Die rothaarige Schönheit drehte mit Filmstars wie Charles Laughton, John Wayne oder James Stewart mehr als 60 Filme. 2014 erhielt sie den Ehren-Oscar für ihr Lebenswerk. November Schauspieler Christopher Lee («Dracula», «Lord of The Rings») ist im Juni im Alter von 93 Jahren gestorben. zvg • 27.11. Luc Bondy (67): Der Theater- und Opernregisseur wirkte an wichtigen deutschsprachigen Häusern, darunter die Berliner Schaubühne und das Wiener Burgtheater. In Zürich geboren und in Frankreich aufgewachsen, leitete Bondy zuletzt das Pariser Odeon-Theater. sda An Hartnäckigkeit und Hingabe fehlt es dem umtriebigen und sendungsbewussten Figaro Sportelli nach wie vor nicht. Die Tour in diesem Jahr hat ihn über 22 Stationen durch die Länder Irland, England und Deutschland geführt. Er hat an einem Dutzend Abende die Show der holländischen Kultband The Nits eröffnet, er hat das Vorprogramm von Richard Thompson bestritten. Von seinem letzten Album «One Of The Lost» hat er nach eigenen Angaben mehr als 3500 physische Exemplare verkauft – ein Wert, den heute nicht mehr allzu viele Schweizer Künstler erreichen. Und auch die Vinyl-EP, die er in Eigenregie vertreibt, dürfte nach ihrer Plattentaufe am Samstag bereits ausverkauft sein: Noch sind etwa 140 Stück der 500 Exemplare umfassenden ersten Auflage zu haben, Sportelli wird wohl eine zweite Pressung in Auftrag geben. Nächstes Jahr will er an möglichst vielen Festivals spielen, gerne auch wieder mit einer Band. (Die Plattantaufe in Biel spielt er solo, das Vorprogramm bespielt der Singer-Songwriter John Francis). Und seit «Near & Distant» ist auch problemlos wieder genug Material vorhanden für eine neue Platte. «Es kann sein, dass im Frühling was rauskommt», sagt Sportelli, er gehe nun ein Label in Deutschland an. Nach der Reise in ferne Länder und nahe zu sich selber verströmt Figaro Sportelli Zuversicht. «Jetzt habe ich mich für die nächsten 20 Jahre gefunden», sagt er und ergänzt nach einer kurzen Pause: «Oder wenigstens für die nächsten zehn Jahre.» Info: Konzert am Sonntag ab 19 Uhr im Le Singe, Untergasse 21, Biel. Die EP «Near & Distant» ist dort erhältlich oder über www.figarosportelli.com. Der Song «No One Like You» auf bielertagblatt.ch Eastwood verfilmt Heldengeschichte Film Oscar-Preisträger Clint Eastwood meldet sich im Herbst mit seinem nächsten Regieprojekt zurück. Wie das Branchenportal Deadline.com berichtet, soll «Sully» mit Tom Hanks in der Hauptrolle im September in den US-Kinos anlaufen. Der Deutschschweizer Kinostart ist noch nicht bekannt. «Sully» erzählt die Geschichte des USPiloten Chesley Sullenberger und dem als «Wunder vom Hudson» genannten Vorfall im Jahr 2009, als der Pilot einen Airbus A320 im New Yorker Hudson River notlanden musste, nachdem Vögel in die Triebwerke geraten waren. Alle 150 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder überlebten das Unglück. Chesley «Sully» Sullenberger wurde als Held gefeiert. Der Film des Studios Warner Bros. beruht auf den Memoiren des heute 64-jährigen Piloten. Todd Komarnicki liefert das Skript. Aaron Eckhart und Laura Linney spielen ebenfalls mit. sda Nachrichten Versteigerung Weltrekord für Judaica Ein fast 400 Jahre alter Talmud ist am Dienstagabend in New York für 9,3 Millionen Dollar versteigert worden. Laut dem Auktionshaus Sotheby’s ist das ein Weltrekord für Judaica, also für Schriftstücke und Gegenstände mit Bezug zum Judentum. Der Bomberg-Talmud ist so etwas wie die Gutenberg-Bibel des Judentums. sda
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