Ricco, Selbstportrait mit Bart, 1942, Öl auf Leinwand, 77 x 59 cm

Ricco, Selbstportrait mit Bart, 1942,
Öl auf Leinwand, 77 x 59 cm
Bearbeitungstiefe
Name
Ricco
Namensvariante/n
Wassmer, Erich
Wassmer, Erich Hans
Lebensdaten
* 13.10.1915 Allschwil, † 27.3.1972 Ropraz
Bürgerort
Aarau, Allschwil (BL)
Staatszugehörigkeit CH
Vitazeile
Maler und Zeichner. Stillleben. Matrosensujets, Schiffs- und Reisebilder.
Exotische Landschaften und Knabenbildnisse. Fotografie
Tätigkeitsbereiche
Malerei
Lexikonartikel
Ricco Wassmer wächst als Sohn von Max und Tilli Wassmer-Zurlinden
im Schloss Bremgarten bei Bern auf. Die Eltern beherbergen zahlreiche
Künstler, unter anderen Louis Moilliet, Hermann Hesse und den
Komponisten Othmar Schoeck. Die Familie fördert Riccos
künstlerisches Talent und sein Interesse für Kunst, Literatur und Musik,
nachdem die Weiterführung der elterlichen Zementfabrik durch seine
zwei Brüder gesichert ist. Ricco studiert ab 1936 Malerei bei Julius
Hüther (1881–1954) in München und hört dort Vorlesungen in
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Kunstgeschichte. Ab 1937 besucht er in Paris die Académie Ranson bei
Roger Bissière (1886–1964) und hält sich dort bis kurz vor dem Zweiten
Weltkrieg auf. Seine ersten Ausstellungen finden in dieser Zeit im Salon
des Jeunesses du Monde in Paris statt. 1941 bezieht er mit einem
Jugendfreund die sogenannte Einsiedelei im solothurnischen
Oberramsern. 1942 Malunterricht bei Cuno Amiet auf der Oschwand.
1943 besucht er Kurse bei Max von Mühlenen in Bern. 1948 fährt Ricco
per Frachtschiff um die Welt, zuerst als Passagier, dann als
Küchenjunge, und verbringt anschliessend einige Monate auf Haiti.
Zurück in Europa bewohnt er von 1951–1963 das Schloss Bompré bei
Vichy. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz lebt er bis zu seinem Tod in
Ropraz (Kanton Waadt). Das Reisen bleibt Riccos Inspirationsquelle. Er
bereist Nordafrika, Sri Lanka, Malaysia und Thailand. Ab 1948 dienen
ihm Reiseaufnahmen und inszenierte Fotografien als Vorlagen für seine
Bildmotive.
Riccos Werk beinhaltet bis 1939 religiöse Darstellungen, Akte und
Intérieurs sowie Szenen von Schloss Bremgarten, die in einem naiv
anmutenden Stil gemalt sind. Die nächtlichen Schlossszenen
thematisieren die intensive Auseinandersetzung mit seiner im
Nachhinein idealisierten Jugend. Mit den Stillleben, die bis 1946
Schwerpunkt seiner Motive bleiben, gibt er die pastose Malerei
zugunsten eines glatten Farbauftrages auf. Die Vielzahl der
Gegenstände auf Riccos Bilder zeugen von seiner Sammlerleidenschaft.
Dabei lässt er die teilweise symbolisch aufgeladenen Dinge miteinander
in Zwiesprache treten.
1942 entstehen zwei Gemälde, die Riccos künftige Ausdrucksweise
vorwegnehmen: In Moderner Sebastian (Der Glaube) stellt er den
mittelalterlich dargestellten Heiligen vor die urbane Kulisse eines tristen
Vorortes. Im Selbstbildnis Ricco sui ipsius verflechtet er mittels
auffälligen Bild-im-Bild-Inszenierungen verschiedene Realitätsebenen
miteinander. Im Verschieben der Grössenverhältnisse und dem
Benutzen von Bildvorlagen Alter Meister verdeutlicht er seine Vorstellung
von einer Wirklichkeit, über der eine ausgeprägte Melancholie und
Einsamkeit liegt.
Nach dem Krieg entstehen Schiffbilder und Hafenszenen sowie Porträts
und Hommagen. Als Inspirationsquellen dienen ihm Texte der Autoren
Arthur Rimbaud, Antoine de Saint-Exupéry und Alain Fournier.
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Ricco variiert die eigenständige Formensprache bis an sein
Lebensende. Die meist knabenhaften Modelle sind oft die einzigen
Lebewesen in seinen Bildern, aber auch sie wirken in sich gekehrt,
melancholisch, einsam – wie das gesamte Œuvre vielfach eine
beunruhigende Stille vermittelt.
In Riccos Werk scheinen Parallelen zu Max Ernst, Henri Rousseau oder
Niklaus Stoecklin auf. Ebenso wird seine profunde Kenntnis der
Kunstgeschichte sichtbar. Indem er in seinen Inszenierungen die
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen thematisiert und unterschiedliche
Realitäten miteinander verwebt, schafft er neue, unverkennbare
Bildwelten. Diese besitzen eine erstaunliche Eigenständigkeit, trotz
formaler und inhaltlicher Ähnlichkeit zur Naiven Malerei oder zum
zeitgleichen Magischen Realismus und Surrealismus.
Werke: Aargauer Kunsthaus Aarau; Kunstmuseum Basel;
Kunstmuseum Bern; Kunstsammlung Kanton Bern; Kunstsammlung der
Stadt Bern; Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur.
Betty Stocker, 2009
Literaturauswahl
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- Marc-Joachim Wasmer: Ricco Wassmer 1915–1972. Catalogue
raisonné der Gemälde und Objekte. Kunstmuseum Bern, 2015-16.
Herausgegeben vom Kunstmuseum Bern. Zürich: Scheidegger &
Spiess, 2015
- Ricco. Seine Malerei, seine Reisen und die Einsamkeit des Künstlers.
Ein Film von Mike Wildbolz; Kamera: Thomas Hardmeier. [Schweiz]:
Ludianofilm, 2011, 142 Minuten, Extra 42 Minuten [DVD PAL Codefree]
- Ricco. Ein Dokumentarfilm von Mike Wildbolz. Zürich: Frenetic Films,
2002, 125 Minuten
- Annelise Zwez: «Geborgen in der Künstlichkeit der Kunst. Über Erich
Wassmer alias Ricco». In: Kunstforum International, 101, 1989, Juni, S.
245-247
- Ricco. 1915-1972. Aargauer Kunsthaus Aarau, 1988. Katalogkonzept
und Redaktion: Beat Wismer; [Texte:] Beat Wismer [et al.]. Aarau:
Aargauer Kunsthaus, 1988
- Michael Stettler: Ortbühler Skizzenbuch. Autobiographisches. Bern:
Stämpfli, 1982
- Ricco. Einführung: Max Altorfer. Bern: Buri Druck, 1969 [mit OeuvreKatalog]
- Ricco, M.C. Escher. Kunsthalle Bern, 3.10.1969-2.11.1969. [Beiträge:]
Zdenek Felix; M.C. Escher. Bern, 1969
- 9 Berner Künstler. Serge Brignoni. Tonio Ciolina. Guy Dessauges.
Franz Fedier. Max von Mühlenen. Hermann Plattner. Hans
Schwarzenbach. Otto Tschumi. Ricco Wassmer. Kunsthalle Basel, 1955
- Hurni. Ricco. Schwarzenbach. Kunsthalle Bern, 1953
Nachschlagewerke
- Biografisches Lexikon der Schweizer Kunst. Dictionnaire biographique
de l'art suisse. Dizionario biografico dell'arte svizzera. Hrsg.:
Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich und Lausanne;
Leitung: Karl Jost. Zürich: Neue Zürcher Zeitung, 1998, 2 Bde.
- Künstlerlexikon der Schweiz. XX. Jahrhundert, Hrsg.: Verein zur
Herausgabe des schweizerischen Künstler-Lexikons; Redaktion: Eduard
Plüss. Hans Christoph von Tavel, Frauenfeld: Huber, 1958-1967, 2 Bde.
[unveränderter Neudruck 1983].
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GND 118744887 | Deutsche Biographie
Letzte Änderung
14.12.2015
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Empfohlene Zitierweise
AutorIn: Titel [Datum der Publikation], Quellenangabe, <URL>, Datum
des Zugriffs. Beispiel: Oskar Bätschmann: Hodler, Ferdinand [2008,
2011], in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz,
http://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4000055, Zugriff vom
Seite 4/5, http://www.sikart.ch
13.9.2012.
Seite 5/5, http://www.sikart.ch