Merics – Look and Feel Abenteuer Auslandsstudium: Wege vom Reich der Mitte nach Deutschland und in die Welt von Simon Lang 大 学 Hochschule 高考 Hochschulprüfung E AG GU OL N O LA CH S MERICS-Studie zu Vorstellungen und Plänen angehender chinesischer Auslandsstudenten – Oktober 2015 COPYRIGHT © 2015 MERCATOR INSTITUTE FOR CHINA STUDIES ALLE RECHTE VORBEHALTEN Rechtlicher Hinweis: Der Verfasser dieser Studie hat sich bei der Erstellung nach besten Kräften bemüht, Fehler und Lücken zu vermeiden. Er übernimmt jedoch keine Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit und keine Haftung für Schäden, die sich aus der Nutzung der hierin enthaltenen Informationen ergeben. Abenteuer Auslandsstudium: Wege vom Reich der Mitte nach Deutschland und in die Welt von Simon Lang MERICS-Studie zu Vorstellungen und Plänen angehender chinesischer Auslandsstudenten – Oktober 2015 Merics – Look and Feel Danksagung Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) bedankt sich beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), dem Goethe-Institut, den Goethe-Sprachlernzentren, den BOSCH-Lektoren und dem Management der privaten Sprachschule New Oriental in Chongqing für die Unterstützung dieser Studie. Durch ihre Mithilfe ist es gelungen, einen besseren Einblick in die Motivation chinesischer Jugendlicher und junger Erwachsener zu erhalten, bevor sie ihr Auslandsstudium antreten. Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) ist ein im Jahr 2013 gegründetes Institut der gegenwartsbezogenen und praxisorientierten ChinaForschung mit Sitz in Berlin. MERICS ist weltweit eines der größten Institute für Forschung und Wissensvermittlung über das gegenwärtige China. MERICS ist eine Initiative der Stiftung Mercator. Simon Lang ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am MERICS. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen soziale Selbstorganisation/Identität, soziale Konflikte und transnationale Mobilität. Kontakt [email protected] Unter folgendem Link können Sie die Studie online lesen oder herunterladen: auslandsstudium-umfrage.merics.de 4 Das Goethe-Institut und New Oriental organisierten unter anderem Gruppeninterviews mit Sprach schülern und Schulbesuche für Herrn Simon Lang. Die hierbei gewonnenen Meinungen der Schüler ergänzen die Umfrageergebnisse. Der DAAD verschickte die Umfrage über seine Verteiler. Die BOSCH-Lektoren und Goethe-Mitarbeiter gaben die Umfrage persönlich an ihre Schüler und Studenten weiter. Die Einschätzungen von langjährigen Bildungsexperten aller Organisationen lieferten darüber hinaus wertvolle Kenntnisse, um die Resultate der Umfrage einzuordnen. Besonderer Dank geht an Herrn Darren Tian, Frau Kathrin Wolfsgruber, Frau Isabell Hinsberger, Herrn Chen Zuo, Herrn Dr. Peter Jandok und Herrn Alexander Kling, die das MERICS-Projekt bei der Vorbereitung und während der Durchführung durch Ratschläge und Hintergrundwissen maß geblich unterstützt haben. MERICS bedankt sich auch bei Herrn Martin Fuchs und weiteren Mitarbeitern von Wissenschaft Weltoffen. Sie stellten dem MERICS eigens berechnete Daten zur Verfügung. Der größte Dank gilt den chinesischen Teilnehmern dieser Umfrage. Ihre Aussagen sind die Grund lage dieser Veröffentlichung. Simon Lang Berlin, Oktober 2015 Inhalt Zentrale Befunde Abenteuer Auslandsstudium: Kulturelle Erfahrung und Zusatzqualifikation 1. Einleitung 1.1 Hintergrund Auslandsstudium: Für immer mehr Chinesen eine attraktive Alternative 1.2 Zielsetzung, Vorgehensweise und Datengrundlage der MERICS-Studie Lebenswelten angehender Auslandsstudenten 2. Umfrageergebnisse 2.1 Wie sich junge Chinesen über das Ausland informieren Soziale Medien und Serien als wichtige Wissensvermittler 2.2 Wie die Teilnehmer das chinesische Bildungssystem bewerten Prüfungsstress und fehlende Wahlfreiheit 2.3 Warum Chinesen im Ausland studieren möchten Freie Studienfachwahl und kulturelle Erfahrungen 2.4 Wieviel die Teilnehmer über potentielle Studienorte wissen Softpower: Kultur- schlägt Wirtschaftswissen 2.5 Wie sich junge Chinesen auf ihren Auslandsaufenthalt vorbereiten Sprache und Geld – unabdingbare Wegbereiter 2.6 Welche konkreten Studienpläne die Umfrageteilnehmer haben Technik im Aufbaustudium in Deutschland – aber bitte auf Englisch 2.7 Wie sich das Auslandsstudium auf die berufliche Zukunft auswirkt Fachspezifische Qualifikationen sollen mehr Gehalt bringen 2.8 Warum Teilnehmer auswandern oder zurückkehren wollen Fast die Hälfte erwägt ein Leben in Deutschland 3. Fazit 3.1 Hohe Kosten führen zu sozialem Ungleichgewicht Lohnt sich die Investition Auslandsstudium für junge Chinesen? 3.2 Implikationen für Deutschland als internationalen Studienstandort Wie die Bundesrepublik noch stärker von chinesischen Auslandsstudenten profitieren könnte 6 8 9 11 13 15 19 20 23 25 27 28 29 5 Zentrale Befunde Abenteuer Auslandsstudium: Kulturelle Erfahrung und Zusatzqualifikation Chinesen stellen die größte Gruppe ausländischer Studierender in Deutschland. Bis 2024 wird diese Gruppe laut einer Prognose des British Council um jährlich drei Prozent wachsen. Der deutsche Staat investiert durchschnittlich 26.000 EUR in jeden ausländischen Studienanfänger. Derzeit profitiert die Bundesrepublik aber noch nicht in vollem Maße von dieser Gruppe. Denn zu wenige der derzeitig 28.000 chinesischen Studenten werden nach ihrem Abschluss für längere Zeit in Deutschland bleiben. Meist kehren sie nach China zurück. Die Ergebnisse der MERICS-Umfrage werfen ein Licht auf die Lebenswelten junger Chinesen, die im Ausland studieren möchten. MERICS wertete knapp 570 Umfragebögen von Schülern und Studenten zu Themen wie Informationsverhalten, Studienzielen und Karriereplänen aus. Die Studie berücksichtigt Aussagen von jungen Chinesen in chinesischen und ausländischen Bildungs institutionen. Gespräche mit Englisch- und Deutschschülern aller Altersklassen ergänzen die Umfrageergebnisse um qualitative Aussagen. Webseiten und Soziale Medien sind für junge Chinesen die Hauptinformationsquellen über das Ausland. Auch Serien und Filme haben einen großen Einfluss. Chinesische Schulen hingegen vermitteln kaum relevante Informationen. Nach eigener Einschätzung wissen junge Chinesen meist nicht viel über ihr Zielland. Deutschland schneidet etwas besser ab als angelsächsische Länder. Studieninhalte und Kultur sind wichtige Kriterien bei der Wahl des Ziellandes. Softpower, also die positive Wahrnehmung eines Landes, ist daher entscheidend für die Attraktivität eines Studienortes. Berufliche Erwägungen dagegen spielen bei der Länderwahl nur eine untergeordnete Rolle. Es geht jungen Chinesen beim Auslandsstudium hauptsächlich um kulturelle Erfahrun gen. Deutschland ist vor allem wegen der niedrigen Kosten für chinesische Studierende attraktiv. Angelsächsische Länder punkten dagegen mit dem Prestige der Universitäten. 6 Das chinesische Schulsystem genießt unter den Umfrageteilnehmern einen relativ guten Ruf. Sie fürchten deshalb auch nicht, dass chinesische Schulen ihnen keine berufsqualifizierenden Fähigkeiten vermitteln. Ein Auslandsstudium bietet aus ihrer Sicht in erster Linie Zugang zu einer Zusatzqualifikation. Anders sieht es bei denjenigen aus, die sich für ein angelsächsisches Land entscheiden: Sie wollen häufig nicht an der sehr lernintensiven Hochschulzulassungsprüfung (Gaokao) teilnehmen und wissen, dass einige angelsächsische Hochschulen diese nicht voraussetzen. Daher entscheidet sich diese Gruppe oft früher für ein Auslandsstudium als junge Chinesen mit Ziel Deutschland. Obwohl Deutschland meist die Gaokao für ein Studium verlangt, ist die Bundesrepublik noch auf dem 9. Platz der beliebtesten Studienländer der Chinesen. Wenn deutsche Akteure noch aktiver für Deutschland als Studienziel werben, könnten deutlich mehr Studierende aus China gewonnen werden. Englisch wird als wichtiger eingeschätzt als Deutsch. Auch Teilnehmer mit Ziel Deutschland halten Englisch für soziale Interaktionen, für ihr Studium und für ihre spätere Arbeit in Deutschland für die vergleichsweise wichtigere Qualifikation. Deutsch spielt für die Teilnehmer eine eher untergeordnete Rolle. Die Befragten lernen eine Fremdsprache nicht aus Karrieregründen, sondern aus „Leidenschaft“. Beim Spracherwerb hat E-Learning ein großes Potential. Der Mangel an Informationen über diese Angebote ist ein Hauptgrund, warum die Teilnehmer diese Lernform bislang kaum nutzen. Neue Formen des Unterrichts sind daher wichtige Instrumente, um das Interesse von qualifizierten Schülern an einem Studium in Deutschland zu wecken. Vor allem in ländlichen Gebieten ist E-Learning zur Sprachvermittlung fast alternativlos. Deutsche Sprachanbieter können von dieser Situation profitieren. Technik-Interessierte fühlen sich von Deutschland angezogen, während angelsächsische Länder besonders attraktiv für (angehende) Wirtschaftswissenschaftler sind. 2014 studierten mehr als 11.000 chinesische Auslandsstudenten Ingenieurwissenschaften in Deutschland. Sie wollen später am liebsten für ausländische Firmen arbeiten. Trotzdem sind Rückkehrer bislang meist für chinesische Firmen tätig. Bessere Anwerbestrategien in Deutschland und China könnten dies ändern. Auswandern ist für beinahe die Hälfte der Befragten eine konkrete Alternative. Vor allem familiäre Bindungen und der chinesische Lebensstil motivieren Auslandsstudenten, nach China zurückzukehren. Deutsche Unternehmen könnten mit besseren Anwerbestrategien wesentlich mehr chinesische Absolventen rekrutieren. 7 1. Einleitung Chinesen stellen die größte Gruppe ausländischer Studierender in Deutschland. Der deutsche Staat investiert durchschnittlich 26.000 EUR in jeden ausländischen Studienanfänger. Derzeit profitiert die Bundesrepublik aber noch nicht in vollem Maße von dieser Gruppe. Dies liegt auch am begrenzten Wissen über Motivation und Ziele von potentiellen chinesischen Auslandsstudenten. Die MERICSStudie schließt diese Lücke. Sie analysiert ausführlich und in einer vergleichenden Perspektive die Sichtweisen junger Chinesen von der Entscheidung zum Auslandsstudium bis zur Wunschkarriere. Abb. 1: Die zehn beliebtesten Ziele chinesischer Auslandsstudenten 1. USA 2. Japan 3. Australien 4. Vereinigtes Königreich 5. Südkorea 6. Kanada 7. Frankreich 8. Hongkong 9. Deutschland 10. Neuseeland Quelle: UNESCO Institute for Statistics (2014). „Global flow of tertiary-level students”. UNESCO Institute for Statistics, 05.05.2014. http://www.uis.unesco.org/Education/Pages/ international-student-flow-viz.aspx. Zugriff: 22. September 2015. 1.1 Hintergrund Auslandsstudium: Für immer mehr Chinesen eine attraktive Alternative Der Konkurrenzkampf in China um Studienplätze und Arbeitsstellen ist hart. Heute ist ein Hochschul abschluss beinahe eine Grundvoraussetzung, um eine gute Arbeit zu finden. Dies lässt sich auch in Zahlen festmachen: 2003 machten erst knapp zwei Millionen Studierende einen Hochschul abschluss.1 Innerhalb von zehn Jahren verdreifachte sich die Zahl der Absolventen. 2015 waren es bereits 7,5 Millionen.2 Im selben Jahr nahmen 9,4 Millionen Menschen an der Hochschulaufnahmeprüfung (Gaokao) teil.3 Chinesische Schüler betrachten diese als Meilenstein. Das Ergebnis der Gaokao entscheidet über Erfolg und Misserfolg im Wettbewerb um die begehrten Studienplätze. Ein kleines oder sogar großes Vermögen geben Eltern für die Bildung ihrer Kinder aus – alles in der Hoffnung, ihrem Nachwuchs einen Vorteil gegenüber Altersgenossen zu verschaffen. Internationale Erfahrungen gelten als besondere Qualifikation. So begannen ca. 460.000 Chinesen 2014 ein Auslandsstudium.4 Laut einer Studie des British Council nimmt dieser Trend weiter zu. 2024 sollen rund 338.000 Chinesen ein Aufbaustudium in einer der sechs Bildungsnationen Australien, Deutschland, Großbritannien, Japan, Kanada und den USA absolvieren.5 Dies sind 111.000 Studenten mehr als im Vergleichsjahr 2012. Master-Studenten und Doktoranden sind nicht die einzige Gruppe, die deutlich anwachsen wird. Ein relativ neuer Trend ist es, Kinder in ausländische Schulen zu schicken, um ihre Chancen an ausländischen Universitäten weiter zu verbessern. In Australien zum Beispiel wuchs die Zahl der chinesischen Oberschüler innerhalb eines Jahres um 20 Prozent an. Ein Schuljahr kostet 1 2 3 4 8 5 Statista (2015). „Number of university graduates in China between 2003 and 2013“. http://www.statista.com/statistics/227272/number-of-university-graduates-in-china. Zugriff: 22. September 2015. Kexue Wang 科学网 (2015). „毕业生就业报告显示大学生就业质量稳步提升“ (Bericht über berufliche Perspektiven von Hochschulabsolventen spricht von stetiger Verbesserung der Qualifizierung der Studenten). Kexue Wang (Sciencenet.cn), 24.07.2015. http://news.sciencenet.cn/htmlnews/2015/7/323520.shtm. 22. September 2015. Renmin Wang人民网 (2015). „年高考今日开考 全国942万人将参加高考“ (An der heute stattfindenden Hochschul zulassungsprüfung (Gaokao) 2015 werden landesweit 9,4 Millionen Schüler teilnehmen). Renmin Wang (People.cn), 07.06.2015. http://edu.people.com.cn/n/2015/0607/c1006-27114644.html. Zugriff: 22. September 2015. Xinhua (2015). „459,800 Chinese left for study abroad last year”. Xinhua, 05.03.2015. http://www.ecns.cn/2015/03-05/156896.shtml. Zugriff: 22. September 2015. British Council (2014). „Postgraduate student mobility trends to 2024”. http://www.britishcouncil.org/sites/britishcouncil.uk2/ files/postgraduate_mobility_trends_2024-october-14.pdf. Zugriff: 22. September 2015. die Eltern im Schnitt knapp 9.000 EUR. Im Vergleich zu den rund 90.000 Universitätsstudenten stellen die knapp 8.400 Schüler in Australien jedoch noch eine relativ kleine Gruppe dar.6 Bessere Berufschancen sind nicht die einzigen Beweggründe der Eltern: Chinas neue Mittelschicht wünscht sich auch mehr Freiheiten und ein kreatives Umfeld für ihre Kinder. Mit dem chinesischen Bildungssystem verbinden viele Eltern Prüfungsdruck, stumpfsinniges Auswendiglernen und harten Konkurrenzkampf. 1.2 Zielsetzung, Vorgehensweise und Datengrundlage der MERICS-Studie Lebenswelten angehender Auslandsstudenten Starke Kooperationspartner für eine vergleichende Perspektive Ziel der MERICS-Umfrage war es, Einblicke in die Lebenswelten, Ziele und Vorstellungen von jungen Chinesen zu geben, die ein Auslandsstudium planen. Der DAAD, das Goethe-Institut und die Sprachschule New Oriental verteilten einen Link zur MERICS-Umfrage über ihre E-Mail-Verteiler und in Klassenzimmern. Der Online-Fragebogen umfasste eine für derartige Umfragen ungewöhnlich große Bandbreite an Themen: Die Teilnehmer beantworteten unter anderem Fragen zur Entscheidung für oder gegen ein Auslandsstudium, schätzten ihr Wissen bezüglich ihres Ziellandes ein, berichteten von konkreten Studienvorbereitungen und ihren Wunschkarrieren. Gespräche mit Englisch- und Deutschlernern aller Altersklassen ergänzten die Umfrageergebnisse um qualitative Aussagen. Außerdem berichteten Manager von privaten Bildungseinrichtungen, Mitarbeiter des DAAD und des Goethe-Instituts von ihren Erfahrungen. Zur Einordnung der Befunde hat MERICS statistische Daten und andere Studien herangezogen. Abb. 2: Die Altersstruktur der 569 Teilnehmer (in Jahren) 54% 50% 25% 0% 17% 14% 1% 12 –14 15 –17 13% 18 –22 23 –25 >25 Abb. 3: Aufenthaltsort der Teilnehmer Chongqing 34% Sonstige 22% Tianjin 4% Guangdong 4% Shanghai 11% Jiangsu 12% Beijing 13% Eine bunte Mischung an Teilnehmern mit verschiedenen Blickwinkeln 569 Chinesen füllten von Juni bis August 2015 die MERICS-Fragebögen vollständig aus.7 Unter ihnen waren 348 Frauen, 213 Männer, drei Andere und fünf ohne Angaben. Derzeit besuchen 74 Prozent eine Universität, 20 Prozent eine Oberschule und drei Prozent eine Mittelschule. Zwei Prozent sind momentan in keiner staatlichen Bildungseinrichtung eingeschrieben. Jene Umfrageteilnehmer, die mit Sicherheit im Ausland studieren werden, wollen zum Großteil nach Deutschland (73%). MERICS berücksichtigte aber auch junge Chinesen mit anderen Zielländern. Die USA, Kanada, Großbritannien und Australien werden in der Analyse unter „angelsächsische Länder“ zusammengefasst (19%). Befragte mit diesen Zielen befinden sich in einer ähnlichen Situation: Sie werden hohe Studiengebühren bezahlen und ihr Studium auf Englisch absolvieren. Weitere sieben Prozent möchten in anderen europäischen Ländern studieren und ein Prozent in Ländern, die nicht spezifiziert wurden. 6 7 ABC News (2015). „Chinese students favouring Australian high schools as enrolments climb 20 per cent”. ABC News, 30.03.2015. http://www.abc.net.au/news/2015-03-30/more-chinese-students-favouring-australian-schoolsenrolments-up/6360104. Zugriff: 22. September 2015. Anm.: MERICS sprach die meisten Englischschüler in Chongqing an – dies erklärt die überdurchschnittlich vielen Rückmeldungen aus dieser Stadt. Abb. 4: Die meisten wollen ins Ausland Möchten die Teilnehmer im Ausland studieren? 74% sagen „Ja“ 18% sind sich noch nicht sicher 7% möchten nicht im Ausland studieren 1% keine Angabe 9 Abb. 5: Favoriten sind die alten Bundesländer Beliebteste Hochschulstandorte für Chinesen in Deutschland Stand: Wintersemester 2013/14 Bremen 351 (1%) S-H 355 (1%) NRW 6.735 (24%) Hamburg 745 (3%) M-V 257 (1%) Nieders. 2.681 (9%) S-A 1.653 (6%) Hessen 2.077 (7%) Berlin 1.838 (6%) Thür. 818 (3%) Brandenburg 390 (1%) Sachsen 1.992 (7%) R-P 641 (2%) Saarland 221 (1%) B-W 4.413 (16%) Bayern 3.214 (11%) Deutschland gesamt: 28.381 Quelle: Studentenstatistik Statistisches Bundesamt. Berechnungen DZHW/www.wissenschaft-weltoffen.de15 „Deutschland will kein Geld mit Auslandsstudenten verdienen, sondern hochqualifizierte Kandidaten gewinnen.“ Chen Zuo, Projektmitarbeiter Goethe-Institut Peking 10 Deutschlandbezug – Chinesische Studenten in der Bundesrepublik: Eine wichtige Gruppe mit Wachstumspotential Immer mehr Chinesen werden laut Prognosen für ein Aufbaustudium nach Deutschland kommen. Bis 2024 soll sich dieser Trend mit einem jährlichen Wachstum von 2,9 Prozent fortsetzen.8 Die Zahl der chinesischen Postgraduierten in Deutschland wird schneller zunehmen als zum Beispiel in Australien (prognostiziertes Wachstum von 2,8 Prozent). Deutschland braucht Zuwanderung, da die deutsche Bevölkerung – bedingt durch den demographischen Wandel – bis 2050 um rund sieben Millionen Menschen schrumpfen wird.9 Hochgebildete Ausländer sind aus volkswirtschaftlicher Sicht ideale Zuwanderungskandidaten. Der Hochschulbildungsreport sieht diese Gruppe bereits jetzt als „de facto wichtiges Zuwanderungsinstrument“ und prognostiziert, dass 2025 vier von zehn Studienanfängern ausländische Wurzeln haben werden.10 Die größte Gruppe ausländischer Studierender in Deutschland stammt bereits heute aus China: Ca. 28.000 waren es im Wintersemester 2013/14.11 Etwas mehr als jeder 10. Bildungsausländer kommt aus dem Reich der Mitte. Chinesen machen trotzdem nur etwas mehr als ein Prozent der Gesamtstudierenden in Deutschland aus.12 Die Bundesrepublik landete 2012 auf dem 9. Platz der beliebtesten Studienorte für Chinesen im Ausland (Abb. 1). Der deutsche Staat unterstützt das Studium ausländischer Studenten großzügig: Bund und Länder zahlen durchschnittlich 26.000 EUR für jeden Studienanfänger.13 Angelsächsische hingegen verdienen an Auslandsstudenten. Doch wer in der Bundesrepublik studieren möchte, trifft auch auf Hindernisse: Bereits vor Studienbeginn werden internationale Studierende oft durch „unflexible und technische Anerkennungsverfahren“ 14 ihrer bisherigen schulischen oder universitären Leistungen abgeschreckt. 8 British Council (2014). „Postgraduate student mobility trends to 2024”. http://www.britishcouncil.org/sites/britishcouncil.uk2/ files/postgraduate_mobility_trends_2024-october-14.pdf. Zugriff: 22. September 2015. 9 Bundeszentrale für politische Bildung (2015). „Demografischer Wandel in Deutschland“. https://www.bpb.de/politik/innenpolitik/demografischer-wandel/. Zugriff: 22. September 2015. 10 Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, McKinsey&Company (2015). „Hochschul-Bildungs-Report 2020“. http://hochschulbildungsreport2020.de/downloads/hbr-2015.pdf. Zugriff: 22. September 2015. 11 Die Aussage bezieht sich auf „Bildungsausländer“, also Studenten, die ihre Hochschulzugangsberechtigung nicht in Deutschland erworben haben. Zahlen: Statistisches Bundesamt; DZHW Berechnungen (2015). Studentenstatistik, Berechnungen für Merics. www.wissenschaft-weltoffen.de. 12 Statistisches Bundesamt; DZHW-Berechnungen (2015). „Studierende insgesamt, Deutsche und ausländische Studierende, Bildungsausländer, Bildungsinländer 1993 bis 2014, Anteil Ausländer, Bildungsausländer, Bildungsinländer an allen Studierenden“. 13 Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, McKinsey&Company (2015). „Hochschul-Bildungs-Report 2020“. http://hochschulbildungsreport2020.de/fokus/2015/auslaendische-studierende/erfolgreiches-studium-und-abschluss.html. Zugriff: 22. September 2015 http://hochschulbildungsreport2020.de/fokus/2015/auslaendische-studierende/erfolgreiches-studium-und-abschluss.html. Zugriff: 22. September 2015. 14 Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, McKinsey&Company (2015). „Hochschul-Bildungs-Report 2020“. 15 Zahlen beziehen sich nur auf "Bildungsausländer", also Chinesen, die ihre Hochschulzugangsberechtigung nicht in Deutschland erworben haben 2. Umfrageergebnisse 2.1 Wie sich Chinesen über das Ausland informieren Soziale Medien und Serien als wichtige Wissensvermittler Interaktive Medien werden intensiv genutzt, um Informationen über zukünftige Studienorte im Ausland zu erhalten (Abb. 6). Sie beeinflussen entscheidend die Wahl der Hochschule. Im Gegensatz zu konventionellen Kanälen wie etwa dem Schulunterricht, setzen diese Plattformen bestehendes Interesse an einem Land voraus, da digitale Informationen aktiv aufgerufen werden müssen. Die Softpower Deutschlands ist so von entscheidender Bedeutung, da sie junge Chinesen zur Recherche motiviert. Webseiten des DAAD und des Goethe-Institutes beschrieben Schüler in Gesprächen meist als informativ und nannten sie als eine wichtige Informationsquelle. Dies spiegelt sich auch in der Umfrage wider. 76 Prozent sehen dieses Medium als eine ihrer drei Hauptinformationsquellen (Abb. 6). Die Seiten des DAAD und des Goethe-Institutes sind größtenteils auf Chinesisch verfüg bar. Andere relevante Seiten jedoch, wie etwa „Make it in Germany“,16 eine Webseite der Deutschen Bundesregierung für ausländische Fachkräfte, bietet keinerlei Informationen auf Chinesisch. Viele Eltern, die bei der Wahl des Studienortes mitentscheiden, beherrschen keine Fremdsprache. Offizielle Informationen über berufliche Perspektiven ihrer Kinder in Deutschland sollten chinesischen Eltern deshalb schon vor dem Studienantritt in ihrer Landessprache vermittelt werden. Die wenigen Informationen auf Chinesisch könnten auch der Grund dafür sein, dass die Eltern wenig Wissen über andere Länder an ihre Kinder vermitteln können. Nur vier Prozent der Befragten nennen sie als eine ihrer drei wichtigsten Informationsquellen. Abb. 6: Interaktive Medien werden bevorzugt Wie informieren sich die Teilnehmer über das Ausland? (bis zu drei Antworten möglich) 100% 76% 61% 50% 39% 0% Webseiten Soziale Medien Serien/ Filme Serien und Filme betrachten junge Chinesen als informativ. 39 Prozent nutzen sie, um sich über das Ausland zu informieren (Abb. 6). In China werden westliche Serien meist über Internetportale konsumiert. Populäre Formate sind – neben den teilweise auch im chinesischen Kino ausgestrahlten Hollywood-Blockbustern – unter anderem „Sherlock Holmes“, „Two Broke Girls“, aber auch einige wenige deutsche Produktionen wie zum Beispiel die Comedy-Serie „Knallerfrauen“. Da es wenige populäre Formate mit Deutschlandbezug gibt, nennen Schüler mit Ziel Bundesrepublik Serien seltener als die Befragten mit einem englischsprachigen Zielland (38% vs. 48%). Ausländische Freunde und Bekannte sind für die Teilnehmer als Vermittler von Informationen von Bedeutung. Wieviel die jungen Chinesen aber von diesen Kontakten vermittelt bekommen, hängt vom Aufenthaltsort ab. Jeweils ca. ein Viertel der Befragten in Beijing und Shanghai geben „ausländische Freunde“ als eine ihrer Hauptinformationsquellen an. In Chongqing – einer Metropole 16 Make it in Germany (2015). http://www.make-it-in-germany.com/en. Zugriff: 22. September 2015. 11 Abb. 7: „Nicht-digitale“ Medien werden selten konsumiert Weitere Nennungen der Teilnehmer zu Informationsverhalten 20% Bücher 16% Schulen/Fakultäten 13% Fernsehprogramme 1% private Bildungsangebote Abb. 8: China zensiert U.S.amerikanische Soziale Medien Junge Netizens nutzen Dienste aus der Heimat im Landesinnern – funktioniert die „Mund-zu-Mund Propaganda“ weniger gut. Hier geben nur ca. 20 Prozent der Befragten ausländische Kontakte als Informationsquelle an. In ländlichen Gebieten haben interessierte Chinesen fast keine Möglichkeit, durch einen direkten Kontakt etwas über das Ausland zu lernen. Dies macht digitale Informationsquellen umso wichtiger. Soziale Medien werden von 61 Prozent der Umfrageteilnehmer als Wissensquellen genannt (Abb. 6). Die gängigen Plattformen unterscheiden sich in China aber von den europäischen Anbietern. Bedingt durch die staatliche Zensur von Facebook, Twitter und YouTube haben sich chinaspezifi sche Alternativen entwickelt. Chinesen nutzen diese intensiv – vor allem über Smartphones. Auch die Umfrageteilnehmer füllten den Fragebogen hauptsächlich mit Hilfe von mobilen Geräten aus. Nur 30 Prozent von ihnen benutzten einen Desktop-Computer. Um sich auf U.S.-amerikanischen Sozialen Medien zu informieren, brauchen Chinesen einen virtuellen Tunnel (VPN). Nur so können sie die Zensur umgehen. Die wichtigsten Plattformen für Soziale Medien in China heißen Weibo und WeChat. Weibo ähnelt in Teilen stark der Kurznachrichten-Plattform Twitter. In den letzten Jahren zensierte die Re gierung zunehmend Inhalte auf dieser Plattform. Ca. 175 Millionen Chinesen benutzen dennoch weiterhin mindestens einmal im Monat diesen Dienst.17 Die Funktionen von WeChat sind umfang reicher als die von Weibo. Für viele Chinesen ist dies eine App für alle Lebenslagen. Sie ist mittlerweile wesentlich populärer als Weibo (ca. 500 Millionen monatliche Nutzer).18 Mit ihr lässt sich zum Beispiel bargeldlos bezahlen oder ein Taxi bestellen. Die „Momente-Funktion“ dient zum Weiterleiten von Links, Fotos und Texten an den digitalen Freundeskreis. Für offizielle Benutzerkonten müssen sich interessierte Organisationen unter Angabe von Firmen daten registrieren. Diese bürokratische Hürde hat möglicherweise zur Folge, dass zum Beispiel noch nicht alle Goethe-Sprachenlernzentren diese Plattform nutzen, um für die deutsche Sprache zu werben. Der DAAD und das Goethe-Institut informieren aber aktiv auf Chinesisch. Weibo 12 Youku WeChat 17 China Internet Watch (2015). “Mobile contributing to Over Half of Weibo Ad Revenue in 2014”. 11.03.2015. http://www.chinainternetwatch.com/12670/weibo-q4-2014/. Zugriff: 22. September 2015 18 Tech in Asia (2015). „WeChat now has 500 million monthly active users”. Tech in Asia, 18.03.2015. https://www.techinasia.com/wechat-500-million-active-users-q4-2014/. Zugriff: 22. September 2015. 2.2 Wie die Teilnehmer das chinesische Bildungssystem bewerten Prüfungsstress und fehlende Wahlfreiheit Warum wollen so viele Chinesen ins Ausland? Einer der Gründe ist die chinesische Hochschulzugangsprüfung Gaokao. Dieses Examen gilt als große Hürde im Leben chinesischer Teenager. 9,4 Millionen Schüler nahmen 2015 an der Prüfung teil.19 Meist legen die Schüler diese Prüfung in ihrem 18. Lebensjahr ab. Es handelt sich um ein standardisiertes Examen, das die Schüler meist dazu zwingt, mindestens zwei Jahre lang exzessiv zu lernen. Viele Eltern wünschen sich ein anderes Leben für ihre Kinder. Sie möchten ihnen mehr Freiraum geben und legen Wert auf Kreativität. Trotzdem soll ihr Kind später erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt sein. Abb. 9: Erst Gaokao – dann nach Deutschland Wann entscheiden sich die Teilnehmer für ein Auslandsstudium? Prozent, in Jahren 61 50% 0% Gaokao-Forderung der Bundesrepublik: Nachteil für Deutschland? Immer mehr Mittelschicht-Eltern reagieren auf den Prüfungsstress ihrer Kinder, indem sie ihren Nachwuchs auf ein Studium im englischsprachigen Ausland vorbereiten. Dort gelten meist eigene Zulassungsbedingungen, die Bildungsinländer wie -ausländer gleichermaßen betreffen (wie etwa der SAT beziehungsweise „Scholarly Assesment Test“ in den USA). Ein gutes Gaokao-Ergebnis ist daher oft nicht erforderlich. Deutsche Universitäten fordern meist ein in China begonnenes Studium. Deswegen führt für die meisten Befragten mit Ziel Deutschland kein Weg an der Gaokao vorbei. Dies könnte erklären, warum sich Teilnehmer mit Ziel Deutschland später für einen Auslandsaufenthalt entscheiden (42 Prozent treffen die Entscheidung nach ihrem 20. Lebensjahr, also nach dem Gaokao-Alter, Abb. 9) als Chinesen, die in angelsächsischen Ländern studieren möchten (lediglich 20 Prozent entscheiden sich erst nach der Gaokao, Abb.9). Ein beliebtes Studienfach können sich Schüler an chinesischen Universitäten nur dann aus suchen, wenn ihre Noten im Vergleich zur riesigen Konkurrenz ausgesprochen gut sind. Schüler berichteten in Interviews, dass die größeren Wahlmöglichkeiten im Ausland sie motivieren, dort zu studieren. Umfrageteilnehmer, die an chinesischen Universitäten studieren möchten, tun dies nicht, weil sie sich bessere fachliche Qualifikationen erhoffen, sondern machen ihre Entscheidung von privaten Erwägungen abhängig: 42 Prozent nannten ihre Familie, 17 Prozent den chinesischen Lebensstil als Hauptgrund für eine Entscheidung gegen ein Auslandsstudium. 49 36 2 3 <10 7 16 10 –15 15 15–20 20 –25 6 5 >25 Deutschland Angelsächsische Länder Abb. 10: Prüfungsflucht Planen Schüler mit Ziel angelsächsische Länder, die Gaokao abzulegen? 64% sagen „Nein“ 31% sagen „Ja“ 6% wissen es noch nicht Differenz zu 100% bedingt durch Rundung. „Dass ausländische Schüler nur in Privatschulen / Schulen in privater Trägerschaft mit Internaten das Abitur machen können, ist chinesischen Eltern nicht leicht zu vermitteln.“ Dr. Jandok, ehemaliger Mitarbeiter des Goethe-Instituts 19 Renmin Wang 人民网 (2015). „年高考今日开考 全国 942 万人将参加高考“ (An der heute stattfindenden Hochschul zulassungsprüfung (Gaokao) 2015 werden landesweit 9,4 Millionen Schüler teilnehmen). Renmin Wang (People.cn), 07.06.2015. http://edu.people.com.cn/n/2015/0607/c1006-27114644.html. Zugriff: 22. September 2015. 13 Fehlender Praxisbezug des chinesischen Schulsystems? Die Vermittlung von berufsqualifizierenden Fähigkeiten im chinesischen Schulsystem schätzen die Umfrageteilnehmer unterschiedlich ein: Deutlich weniger als ein Drittel aller Befragten erlebt das chinesische Schulsystem als mangelhaft. Der Prozentsatz mit negativer Wertung ist aber unter den Teilnehmern mit Ziel Auslandsstudium wesentlich höher als bei denjenigen, die in China bleiben werden. Ähnlich verhält es sich prozentual auf der anderen Seite der Skala. Befragte, die nicht vorhaben, dem chinesischen Bildungswesen den Rücken zu kehren, bewerten das nationale System positiver. Die meisten Befragten bewerten das chinesische Schulsystem eher neutral. Sie empfinden es als „durchschnittlich“ (Abb. 11). Da in China der Konkurrenzdruck wesentlich größer ist als in Europa, müssen junge Chinesen oft gegen tausende Mitschüler beziehungsweise Kommilitonen bestehen, um eine Zulassung für ihr Wunschstudium zu erhalten. Der Universitätsabschluss führt aber nicht automatisch zur angestrebten Karriere: In China sind hunderte Bewerbungen auf eine einzige Stelle keine Seltenheit. Alleinstellungsmerkmale sind daher umso wichtiger. Dies können Abschlüsse von chinesischen Elite-Universitäten sein oder ein internationales Hochschulzeugnis. Für die Teilnehmer ist das Auslandsstudium daher eher ein Weg aus der „Durchschnittlichkeit“, also eine Flucht vor einem als unzureichend wahrgenommenen chinesischen Bildungssystem. Laut eines Personalvermittlers20 schätzen Arbeitgeber internationale Studienaufenthalte. Bewerber müssten aber davon unabhängig auch gute fachliche Qualifikationen mitbringen. Unterdurchschnittliche Wertungen Aussagen: „ein bisschen“ bzw. „überhaupt nicht“ Abb. 11: Durchschnittliche Kompetenz Qualifiziert das chinesische Schulsystem für den Arbeitsmarkt? 50% 44% Zukünftige Auslandsstudenten: 21% 48% In China Bleibende: 12% 31% 24% 25% 16% 5% 0% 10% 10% 10% 2% überhaupt nicht ein bisschen Zukünftige Auslandsstudenten durchschnittlich ziemlich gut sehr gut Überdurchschnittliche Wertungen Aussagen: „ziemlich gut“ bzw. „sehr gut“ Zukünftige Auslandsstudenten: 34% In China Bleibende: 41% In China Bleibende Differenz zu 100% bedingt durch Rundung. 14 20 Interview mit dem Leiter der Personalvermittlung von Human Capital Partners in Süd-West China. 2.3 Warum Chinesen im Ausland studieren möchten Freie Studienfachwahl und kulturelle Erfahrungen Das Studienfach ist die Hauptmotivation, dem chinesischen Hochschulwesen den Rücken zu kehren und im Ausland nach Alternativen zu suchen. Durch den großen Ansturm auf chinesische Universitäten müssen angehende Studenten meist pragmatisch sein und nicht selten einen Studiengang beginnen, der nichts oder wenig mit ihren eigentlichen Interessen oder beruflichen Zielen gemein hat. Die Nennung „Studienfach“ (Abb. 12) hat somit zwei Bedeutungen. Zum einen geht es den Teilnehmern um Inhalte, die an ausländischen Universitäten vermittelt werden, zum anderen aber auch um die grundsätzliche Wahlfreiheit. Für Teilnehmer mit Ziel Deutschland spielen die Studieninhalte eine noch größere Rolle als für Befragte, die es in die angelsächsischen Länder zieht (53% vs. 43%). Dies hängt wahrscheinlich auch mit den Bemühungen des DAAD zusammen. Der akademische Austauschdienst betont bei Beratungen, dass Schüler sich an den Studien inhalten orientieren sollen.21 Die Gründe für ein Studium im Ausland sind vielseitig und bei Befragten mit Ziel Deutschland oder angelsächsischen sehr ähnlich. Nur bei Kosten und Universitäts-Ranking gibt es große Unterschiede (Abb. 14). Die Kultur des Gastlandes ist den angehenden Auslandsstudenten wichtiger als der Aspekt Studienkosten oder das Prestige der Universitäten. Hier geht es um die „Erweiterung des Horizonts“ und wahrscheinlich auch um eine gewisse Emanzipation von der Familie. In Gesprächen mit Schülern wurde aber schnell klar, dass viele Jugendliche ein relativ stereotypes Bild ihres Ziellandes haben. Viele Informationen beziehen sie über populäre Medienformate wie etwa Filme und Serien, die nicht dazu gedacht sind zu bilden – sondern zu unterhalten. Laut eines Lehrers genügt teilweise ein ausländischer Popstar, um die Schüler zu einem Studium in dessen Heimat zu motivieren. Es gibt mehr Prominente aus angelsächsischen Ländern in China. Trotzdem betrachten Befragte mit Ziel Deutschland „Kultur“ als wichtigeren Faktor als Teilnehmer mit angelsächsischen Zielländern (47% vs. 38%). Bildungsexperten nannten vor allem WM-Erfolge, das Überwinden der Weltwirtschaftskrise 2008/9, Sicherheit, Gründlichkeit und bekannte deutsche Unternehmen als Grund für eine positive Wahrnehmung der Bundesrepublik. Abb. 12: Studienfach und Kultur sind wichtiger als Karriere Warum entscheiden sich die Teil nehmer für ein Auslandsstudium in Deutschland? (bis zu drei Antworten möglich) 53% Studienfach 43% 47% 38% Kultur Relativ niedrige Kosten 43% 4% 30% 9% Sprache 20% UniversitätsRanking 41% Karrierechancen im Zielland 20% 24% 19% 18% Bessere Karriere chancen in China 11% Andere Gründe 14% 6% 4% Freunde 4% 9% Klima 0% 25% 50% Deutschland Angelsächsische Länder 21 Basierend auf Aussagen von Ruth Schimanowski, stellvertretende Leiterin der DAAD-Außenstelle Peking 15 Sprache ist für viele Schüler nicht nur Mittel zum Zweck, sondern auch eine Leidenschaft. Die Teilnehmer möchten mit Ausländern kommunizieren, und auch im Berufsleben sind Fremdsprachenkenntnisse für die Befragten wichtig. 30 Prozent der Teilnehmer mit Ziel Bundesrepublik werden daher durch Sprache motiviert (Abb. 12). Da die Teilnehmer mit Ziel Deutschland aber die englische Sprache selbst für „soziale Interaktionen“ als wichtiger bewerten als Deutsch (Abb. 16), ist nicht klar, welche Sprache sie während ihrer Zeit in Deutschland verbessern möchten. Berufsqualifizierende Erwägungen sind nicht entscheidend für die Wahl eines Studienstandorts. Chancen auf eine erfolgreiche Karriere im Zielland oder zurück in China sind den Umfrageteilnehmern weit weniger wichtig als Sprache, Kultur oder Inhalte des Studiums. Nur jeder vierte (angelsächsische Länder) beziehungsweise jeder fünfte Befragte (Deutschland) sieht Karriere chancen am Studienort als elementar an für die Entscheidung, im Ausland zu studieren. Bessere Berufschancen in China sind für weniger als ein Fünftel der Befragten ausschlaggebend (Abb. 12). Abb. 13: Deutsche Bildung: Günstig aber kompliziert Meinungen aus Gesprächen mit Schülern und Experten Vorteile Nachteile Deutsche Universitäten sind wesentlich günstiger als Hochschulen in angelsächsischen Ländern. Deutsch gilt als schwer und wird an den meisten chinesischen Schulen nicht als prüfungsrelevante Fremdsprache angeboten. Angesichts einer wachsenden Zahl von Auslandsstudenten (insbesondere in angelsächsischen Ländern) könnte ein Studium in Deutschland zunehmend zum Alleinstellungsmerkmal werden. Besonderheiten des deutschen Bildungssystems sind in China schwer zu vermitteln (zum Beispiel das Konzept der Fach hochschule). Technische Studiengänge sind hoch angesehen – vor allem praxisbezogene Programme. Die erforderliche Zulassung über die Akademische Prüfstelle und die Aufnahmebedingungen an Universitäten gelten als kom pliziert und z.T. als willkürlich. 16 Deutschland punktet mit niedrigen Studiengebühren – angelsächsische Länder locken mit akademischem Prestige Bei der Wahl des Studienortes setzen Teilnehmer mit Ziel Deutschland ähnliche Prioritäten wie Studierende, die in den angelsächsischen Ländern studieren wollen. In zwei Kategorien gibt es große Unterschiede: Die Priorisierung von Kosten beziehungsweise Universitäts-Rankings. Studiengebühren in England, den USA, Kanada und Australien können vor allem für Ausländer exorbitant hoch sein. Auslandsstudenten sind ein Riesengeschäft für diese Länder. Dementsprechend hoch ist die Motivation der angelsächsischen Hochschulen, Auslandsstudenten zu rekrutieren. In Interviews waren englische Sprachschüler sehr überrascht, als sie erfuhren, dass die Studiengebühren in Deutschland für Ausländer genauso hoch sind wie für deutsche Studierende. Niemand wusste von dieser Regelung. Ein Lehrer in der privaten Sprachschule New Oriental warnte sogar davor, diese Information zu verbreiten. Er sagte lachend, dass Deutschland innerhalb weniger Wochen von Chinesen überrannt werden würde. Die allgemeine Überraschung der Befragten mit Ziel angelsächsische Länder zeigt, dass Deutschland sein Potential noch nicht ausschöpft. Das verfügbare Einkommen der Haushalte in China hat sich im Zeitraum von 2007 bis 2012 um ca. 63 Prozent erhöht. Die Ausgaben für Bildung wuchsen in der gleichen Zeit um 94 Prozent.22 Dies hat auch mit der chinesischen Familienstruktur zu tun. Die Ausbildung der jungen Generation liegt in China oft nicht in der Hand eines Haushaltes: Ganze Großfamilien investieren ihr Vermögen in die Ausbildung von nur wenigen Kindern. Der Umfrage einer chinesischen Jobbörse unter 607 Eltern zufolge, würden knapp 77 Prozent der Befragten ihr Kind auch dann im Ausland studieren lassen, wenn Lebenskosten und Studiengebühren zusammen eine Million CNY (ca. 140.000 EUR) betragen würden.23 Abb. 14: Preis vs. Reputation Warum die Teilnehmer im Ausland studieren möchten 50% 43% 41% 20% 4% 0% relativ günstig Uni-Ranking Deutschland Angelsächsische Länder Übersicht über alle Gründe von Teilnehmern mit Ziel Deutschland auf Abb. 12. Prestigeträchtige Bildungseinrichtungen rechtfertigen für die Umfrage-Teilnehmer, die in angelsächsische Länder gehen, wesentlich höhere Studiengebühren. Deutschland punktet bei den Teilnehmern dafür eher mit der Attraktivität von Studieninhalten (53% vs. 43%, Abb. 12). Deutsche Universitäten schneiden bei weltweiten Universitäts-Rankings nicht schlecht ab. Sie zählen aber auch nicht zu den Spitzenreitern. „Universitäre Superstars“ wie etwa Harvard, Princeton, Oxford und ähnliche „legendäre“ Bildungseinrichtungen gibt es in Deutschland nicht (Abb. 15). 22 BBC News (2013). „Asia’s parents suffering 'education fever'”. BBC News, 22.10.2013. http://www.bbc.com/news/business-24537487. Zugriff: 22. September 2015. 23 Education News (2013). „The cost of an overseas education”. Education News, 18.06.2013. http://www.educationnews.com/2013/06/18/the-cost-of-an-overseas-education. Zugriff: 22. September 2015. 17 Abb. 15: Die Superstars unter den Universitäten USA und Großbritannien an der Spitze der Weltrangliste 1. California Institute of Technology 2. Harvard University 3. University of Oxford 4. Stanford University 5. University of Cambridge 6. Massachusetts Institute of Technology 7. Princeton University 8. University of California, Berkeley 9. Imperial College of London 10. Yale University Deutsche Universitäten schneiden nicht ganz so gut ab… 29. LMU München Dies ist eine Herausforderung für Deutschland als Studienstandort, da viele Chinesen sehr status orientiert entscheiden. Elite-Universitäten besitzen eine große Strahlkraft und tragen so zur Attraktivität eines Landes als Studienstandort bei. Deutschland: Discount-Land oder niedrige Studiengebühren als Alleinstellungsmerkmal? In Deutschland kostet ein sechsjähriges Studium durchschnittlich 50.000 EUR. Dieser Betrag beinhaltet nicht nur die Studien- sondern auch die Lebenshaltungskosten.25 Im Vergleich zu den Ausgaben in den USA sind die Kosten für ein Studium in Deutschland gering. Ein Studium an der Universität von Iowa zum Beispiel (eine Universität auf Platz 175 der Times Higher Education Weltrangliste),26 abseits der großen U.S.-Ballungszentren, berechnet für einen wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang mit der gleichen Dauer knapp neun Mal so viel.27 Ausländische Studenten haben so 2013 ca. 24 Milliarden EUR zur U.S.-amerikanischen Wirtschaft beigetragen,28 während Deutschland jeden einzelnen Auslandsstudenten (genau wie die deutschen Studenten) mit 14.000 EUR pro Jahr bezuschusst.29 Bedingt durch die Tatsache, dass viele ausländische Absolventen unmittelbar nach ihrem Abschluss die Bundesrepublik wieder verlassen, investiert der Staat indirekt sogar wesentlich mehr in einen ausländischen Studienabgänger als in einen deutschen (134.200 EUR vs. 45.500 EUR).30 Die hohen Investitionen Deutschlands in ausländische Studenten haben jedoch auch einen Vorteil: Da der deutsche Staat Bildung nicht als ServiceLeistung gewinnbringend verkauft, gibt es für ihn auch weniger Anreize, unzureichend qualifizierte chinesische Studenten anzuwerben. Bildung als Geschäftsmodell setzt diese Anreize und könnte so auf lange Sicht der Reputation angelsächsischer Abschlüsse (in China) schaden. 67. Universität Göttingen 70. Universität Heidelberg 80. HU Berlin 81. FU Berlin 98. TU München 113. Universität Tübingen 135. TU Dresden 156. RWTH Aachen 163. Universität Freiburg Quelle: Times Higher Education24 18 24 Times Higher Education (2015). „World University Rankings 2014-15”. https://www.timeshighereducation.co.uk/world-university-rankings/2015/world-ranking#/sort/0/direction/asc. Zugriff: 22. September 2015. 25 Goethe Institut (2011). „Geld fürs Studium“. http://www.goethe.de/ins/cz/prj/zuk/dos/all/de8078202.htm. Zugriff: 22. September 2015. 26 Times Higher Education (2015). „World University Rankings 2015: University of Iowa”. https://www.timeshighereducation.co.uk/world-university-rankings/university-of-iowa?ranking-dataset=1083. Zugriff: 22. September 2015. 27 The University of Iowa (2012). „Estimated costs for international students”. http://admissions.uiowa.edu/finances/estimated-costs-international-students. Zugriff: 22. September 2015. 28 The Wall Street Journal (2014). „Chinese undergrads help set new record”. The Wall Street Journal, 17.11.2014. http://www.wsj.com/articles/chinese-undergrads-help-set-new-record-1416200461. Zugriff: 22. September 2015. 29 Hoch, Markus und Claudia Münch (2013). „Studentische Mobilität und ihre finanziellen Effekte auf das Gastland“. Prognos Studie im Auftrag des DAAD, 18.11.2013. https://eu.daad.de/medien/eu/publikationen/erasmus/1_prognos-studie.pdf. Zugriff: 22. September 2015. Anmerkung: Öffentliche Finanzierung 84%, sonstige Finanzierung: 16% 30 Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, McKinsey&Company (2015). „Hochschul-Bildungs-Report 2020“. http://hochschulbildungsreport2020.de/downloads/hbr-2015.pdf. Zugriff: 22. September 2015. 2.4 Wieviel die Teilnehmer über potentielle Studienorte wissen Softpower: Kultur- schlägt Wirtschaftswissen Die Mehrheit der jungen Chinesen mit Ziel Deutschland gibt an, in den Bereichen Bildung, Politik, Wirtschaft und Kultur durchschnittlich bis wenig über die Bundesrepublik zu wissen (Abb. 17). Nur drei Prozent kennen sich mit der politischen Situation in der Bundesrepublik sehr gut aus. Zehn Prozent denken dies über das Bildungswesen und die deutsche Kultur. Da die Teilnehmer sich hauptsächlich eigenständig über Soziale Medien und Webseiten informieren, lässt dies auf ein größeres Interesse an diesen Themenfeldern schließen. Knapp ein Drittel geht davon aus, mehr als „durchschnittliches Wissen“ über die wirtschaftliche Situation in Deutschland zu besitzen. Schüler mit Ziel Deutschland zeigten auch in Gesprächen mehr Interesse an organisatorischen und praktischen Aspekten. Englischschüler thematisierten hingegen fast ausschließlich Pro minente, Sehenswürdigkeiten und Filme. Das Kulturwissen ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Teilnehmer mit Ziel Deutschland fühlen sich besser informiert: Wer vorhat, in Deutschland zu studieren, schätzt sein landeskundliches Wissen generell höher ein als die Vergleichsgruppe, die in angelsächsischen Ländern studieren möchte. 54% 51% 50% 44% 31% 27% auf einer Skala von 1 „wenig Wissen“ bis 5 „das meiste Wissen“ Ø Deutschland Ø Angels. Länder Bildungswesen 3,4 3,2 Politik 2,8 2,8 Wirtschaft 3,2 3,0 Kultur 3,4 3,2 Abb. 17: Wenige wissen wirklich viel über Deutschland Wieviel Kenntnisse haben die Umfrageteilnehmer mit Ziel Deutschland über die Bundesrepublik? 49% 34% Abb. 16: Landeskenntnisse mittelmäßig Wie schätzen Chinesen ihr Wissen über potentielle Studienorte ein? 26% 25% 16% 12% 11% 8% 4% 0% 1% 10% 3% 1% 1% überhaupt nichts 10% ein bisschen mittelmäßig viel 6% das meiste Bildungswesen Wirtschaft Politik Kultur 19 Abb. 18: Englisch-Kenntnisse im Alltag wichtiger als Deutsch Befragte mit Ziel Deutschland: Wie wichtig sind Englisch- bzw. Deutschkenntnisse für soziale Interaktionen? 100% 70% 48% 50% 28% 22% 17% 6% 0% durchschnittlich ziemlich wichtig sehr wichtig Deutsch Englisch „Das größte Problem von chinesischen Auslandsstudenten in Deutschland ist die Sprache. Chinesische Schüler sind gut in Prüfungen, deswegen merkt man oft nicht, wie wenig Deutsch sie wirklich können.“ Chen Zuo, Projektmitarbeiter, Goethe-Institut Peking 20 2.5 Wie sich junge Chinesen auf ihren Auslandsaufenthalt vorbereiten Sprache und Geld - unabdingbare Wegbereiter Leidenschaft spielt für die meisten Umfrageteilnehmer (58%) beim Fremdsprachenlernen eine entscheidende Rolle. Ca. die Hälfte aller Befragten erwartet sich von dieser Qualifikation auch berufliche Vorteile (45%). Andere hoffen darauf, besser mit Ausländern kommunizieren zu können (43%). Nur 20 Prozent lernen Sprachen, weil sie sich schulische Vorteile erhoffen. Eltern müssen die Teilnehmer offensichtlich nicht zum Sprachenlernen zu zwingen: Nur sechs Prozent geben an, von ihren Eltern motiviert worden zu sein.31 Englischkenntnisse sind den Befragten mit Ziel Deutschland wesentlich wichtiger als die Fähigkeit, sich in der Landessprache zu unterhalten („sehr wichtig“: 70% vs. 48%, Abb.18). Sechs Prozent halten Deutsch für das tägliche Leben in der Bundesrepublik für „nicht wichtig“ beziehungs weise „überhaupt nicht wichtig“.32 Nur ein Prozent von ihnen denkt dies über Englisch. Die Umfrageteilnehmer gehen also davon aus, in Deutschland mit Englisch ihren Alltag problemlos bewältigen zu können. Vor allem in weniger internationalen deutschen Städten ist dies aber nicht der Fall. Diese Fehleinschätzung der Umfrageteilnehmer kann dazu führen, dass sie sich in der Bundesrepublik ausgegrenzt fühlen, weniger über Deutschland lernen und hauptsächlich chinesische Freundschaften pflegen. Dies könnte sie eventuell dazu motivieren, ihr Studium abzubrechen oder direkt nach ihrem Abschluss nach China zurückzukehren. Deutsche Universitäten fordern meist ein in China begonnenes Studium. Das könnte einige der Teilnehmer motivieren, in China Sprachen zu studieren, um die verpflichtende Zeit an einer chinesischen Universität konstruktiv zu nutzen. 26 Prozent der Teilnehmer erwerben auf diese Weise kostengünstig Fremdsprachenkenntnisse. 40 Prozent der Befragten mit Ziel Deutschland besuchten keine kostenpflichtigen Sprachkurse. Eine Alternative zum Sprachstudium sind der Deutschunterricht in einer PASCH-Schule oder kostenpflichtige Sprachkurse des Goethe-Instituts. 26 Prozent der Umfrageteilnehmer mit Ziel Deutschland belegten dort Kurse. An PASCH-Schulen (Schulen: Partner der Zukunft) hat Deutsch einen besonderen Stellenwert. In China gibt es 122 dieser Bildungseinrichtungen. 14 Prozent der befragten Schüler besuchen solche Schulen. Die fortgeschrittenen Schüler besuchen weiterführende Deutschklassen meist nur dann, wenn Deutsch ein Teil der Gaokao ist. Häufig bieten Schulen Deutsch aber nur in einer AG-Form an.33 31 Drei Antwortmöglichkeiten möglich 32 Differenz zu 100% bedingt durch Rundung 33 Schulen: Partner der Zukunft (2015). „Weltkarte“. http://weltkarte.pasch-net.de/. Zugriff: 22. September 2015. Außerschulische Bildung ist ein Riesengeschäft, aber dieser Markt ist hart umkämpft. Obwohl die Zahl der Unternehmen im Zuge einer Marktkonsolidierung stark zurückgegangen ist, gibt es auch heute noch mehr als 110.000 Anbieter. 2013 verzeichnete die Branche ein Wachstum von 22 Prozent.34 Die drei größten Bildungsanbieter machten zusammen weit mehr als 100 Millionen EUR Umsatz.35 New Oriental ist Chinas größte Sprachschule. Hier lernen 2,9 Millionen Schüler in 724 Niederlassungen.36 Die Investition Auslandsstudium fängt für Millionen Eltern nicht erst mit dem Flug ihrer Kinder ins Ausland an, sondern mit dem Besuch von kommerziellen Sprachkursen. (Abb. 19). Kerngeschäft vieler Sprachschulen ist die Vorbereitung von zahlungskräftigen Schülern auf Englischprüfungen. Junge Chinesen vertrauen der Expertise und Erfahrung dieser Schulen, um gute Ergebnisse in standardisierten Sprachtests wie etwa IELTS oder TOEFL zu erreichen. Umfrageteilnehmer mit Studienziel angelsächsische Länder belegten größtenteils kostenpflichtige Kurse. Nur ein Viertel der Befragten geht davon aus, auch ohne diese kommerzielle Hilfeleistungen den Sprung an eine U.S.-amerikanische, britische, kanadische oder australische Universität zu schaffen. Dies sind 15 Prozent weniger als bei Befragten mit Ziel Deutschland. Kommerzielle Anbieter befriedigen nicht nur die Bedürfnisse von Kunden, die bereits wissen, dass sie ins Ausland gehen. Durch ihr Marketing und attraktive Angebote wecken sie bei Schülern den Wunsch, in einem englischsprachigen Land zu studieren. Die deutsche Sprache hat keine starke Lobby. Dies liegt daran, dass die meisten kommerziellen Anbieter – vor allem abseits der Küstenstädte – weit weniger Deutsch- als Englischunterricht im Angebot haben. Abb. 19: Die Eltern zahlen Wie werden die angehenden Auslandsstudenten ihr Studium finanzieren? Job 12% Stipendium 17% Ersparnis 8% Eltern 60% E-Learning: Eine Chance für „Deutsch als Fremdsprache“? Neuen Methoden begegnen Eltern oft mit Misstrauen. Sie vertrauen die wenige Freizeit ihrer Kinder lieber etablierten Bildungsanbietern an. E-Learning-Angebote für die deutsche Sprache haben einen kleineren Markt als Formate, die Englischschüler ansprechen. Trotzdem nutzen Deutschschüler, die an der Umfrage teilnahmen, E-Learning genauso häufig wie Befragte mit angelsächsischem Zielland (Abb. 20). Der Preis ist nicht entscheidend: Nur 23 Prozent der E-Learning Nutzer entscheiden sich wegen der niedrigen Kosten (Abb. 20). Es gibt sogar etwas mehr Deutsch- als Englischschüler, die für E-Learning gesondert bezahlen. Nur etwa ein Drittel der Befragten gibt an, dass genutzte E-Learning-Angebote Teil ihrer konventionellen privaten Bildungsangebote sind (Deutschschüler: 31%, Englischschüler: 35%). Gleichzeitig bedeutet dies, dass knapp 70 Prozent der Deutschschüler, 34 Deloitte (2014). „Report on the diversification of China’s education industry 2014”. http://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/cn/Documents/technology-media-telecommunications/ deloitte-cn-tmt-deloitte2014educationindustryreport-en-220514.pdf. Zugriff: 22. September 2015. 35 MarketWatch (2015). „China education and training industry report, 2014-2017”. MarketWatch, 29.07.2015. http://www. marketwatch.com/story/china-education-and-training-industry-report-2014-2017-2015-06-29. Zugriff: 22. September 2015. 36 New Oriental Education & Technology Group (2015). „Overview”. http://www.neworiental.org/english/who/201507/8213540.html. Zugriff: 22. September 2015. „Ich habe an einer chinesischen Universität mit Deutsch angefangen, weil meine Gaokao-Note nicht gut genug für eine be liebtere Sprache war.“ Chinesische Germanistikstudentin in Peking 21 Abb. 20: Tendenz zum konventionellen Sprachunterricht Wie oft haben die Teilnehmer in den letzten drei Jahren E-Learning-Angebote genutzt? Warum die Teilnehmer E-Learning nutzen (die beiden häufigsten Antworten) 48% entspricht ihren Bedürfnissen. 23% durch niedrige Kosten motiviert. 45% 43% 50% 25% 20% 21% 19% 18% 4% Warum die Teilnehmer diese Angebote nicht nutzen 11% 10% 7% 0% (die beiden häufigsten Antworten) einmal am Tag Deutschlerner einmal die Woche Englischlerner einmal im Monat < einmal im Monat nie 47% verstehen das Angebot nicht. 27% würden den persönlichen Kontakt zum Lehrer vermissen. Keine Angabe jeweils: 1% obwohl sie bereits Geld für den Erwerb einer Fremdsprache ausgeben, nicht von dieser digitalen Lernform profitieren. Mehr Aufklärung über E-Learning-Angebote ist nötig. Schüler lehnen E-Learning nicht ab, weil sie einen realen Lehrer vermissen würden, sondern weil sie nicht vertraut mit den Angeboten sind. Gut informierte Chinesen würden daher diese Angebote auch eher nutzen (Abb. 20). Neue und alte Akteure im digitalen Bildungsbereich sind IT-Firmen und renommierte private Sprachschulen. Für Deutschland haben E-Learning- Angebote den Vorteil, dass Anbieter auch in entlegenen Gebieten junge Chinesen besser erreichen könnten. Hochschulen wären so in der Lage, ihr Studienangebot einer größeren Zahl potentieller Studienanfänger zugänglich zu machen. Aus dieser Gruppe könnten Universitäten dann die besten Bewerber auswählen. Es gibt zwar bereits einige Angebote, aber die Umfrageergebnisse zeigen, dass fast die Hälfte der Teilnehmer mit Ziel Deutschland diese nicht nutzt (Abb. 20). Die Befragten kommen überwiegend aus Großstädten. Um die deutsche Sprache in dünner besiedelten Gebieten zu fördern, gibt es keine Alternative zu E-Learning. 22 2.6 Welche konkreten Studienpläne die Umfrageteilnehmer haben Technik im Aufbaustudium in Deutschland – aber bitte auf Englisch Deutschland fordert meist von chinesischen Studienbewerbern, dass sie bereits ein bis drei Semester an einer chinesischen Universität studiert haben. Daher ist ein Master-Studiengang oft die bessere Wahl für junge Chinesen mit Ziel Deutschland. Je älter die chinesischen Bewerber sind, umso mehr Mitspracherechte haben sie laut Bildungsexperten auch bezüglich Studienort und Fach. Vorher entscheiden meist die Eltern. Dieses Mitspracherecht ist ein Vorteil für Deutschland, da Kandidaten selbstbestimmter entscheiden und somit intrinsisch motiviert sind. Andererseits weist das chinesische Bildungssystem Studenten oft Sprachen entsprechend ihrer Gaokao-Noten zu. Dies führt dazu, dass Deutsch teilweise eine „Notlösung“ für sprachinteressierte Chinesen ist. Abb. 21: Zum Aufbaustudium nach Deutschland Studienpläne der Teilnehmer 50% 61% 49% 25% 27% 18% 0% 0% 3% Schüleraustausch Deutschland 12% 12% 7% 8% Auslandssemester Andere Länder 1% 3% Bachelor Master Promotion Abb. 22: Englisch wichtiger als Deutsch Wie wichtig ist welche Sprache für ein Studium in Deutschland? Sonstiges Differenz zu 100% bedingt durch Rundung. Ein Aufbaustudium möchten zwei Drittel der Befragten in Deutschland machen (74%, Abb. 21). Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass sie mehr Zeit benötigen, um die deutsche Sprache zu lernen. D.h. sie machen zuerst ihren Bachelor in China oder werden sich erst zu einem späteren Zeitpunkt über die Möglichkeit bewusst, in Deutschland zu studieren (Abb. 21). Generell können Master-Studenten besser als Spezialisten auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden. Englischsprachige Studiengänge werden in Deutschland vermehrt angeboten. Dies kommt den Befragten mit Ziel Deutschland entgegen, die Englisch für wichtiger als Deutsch für ihr Studium halten (Abb.22). Englischsprachige Studiengänge tragen dazu bei, den Studienstandort Deutschland international attraktiver zu machen und den wissenschaftlichen Austausch zu fördern. Inwieweit ein chinesischer Absolvent ohne fachspezifische Deutschkenntnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt oder bei einer deutschen Firma in China eingesetzt werden kann, ist dagegen fraglich. Deutsch Englisch überhaupt nicht wichtig 1% 0% nicht besonders wichtig 1% 0% durchschnittlich 6% 3% ziemlich wichtig 22% 26% sehr wichtig 69% 71% Differenz zu 100% bedingt durch Rundung. 23 Andere Länder – andere Studienpläne Abb. 23: Technik in Deutschland, Wirtschaft in angelsächsischen Ländern Angestrebte Studienfächer der Befragten im Vergleich 6% Wirtschaft 29% Derzeit studieren mehr als 8.000 chinesische Bachelor-Studenten, knapp 12.000 Master-Studenten und etwa 4.000 Doktoranden an deutschen Hochschulen.37 Deutschland punktet bei den Teilnehmern mit technischen Studiengängen. Befragte mit Ziel USA, Kanada und Großbritannien haben eher Interesse an wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor- und Masterstudiengängen (Abb. 23). Dies könnte auch an den teils sehr bekannten Studiengängen wie etwa den MBA-Programmen („Master of business administration“) liegen. Nur sehr vermögende Eltern können sich die immensen Ausgaben für ein Studium in angelsächsischen Ländern leisten. Für diese Zielgruppe sind technische Berufe eventuell nicht so attraktiv wie klassische Führungspositionen in Wirtschaftsunternehmen. 26% Sprache 14% 29% Technik Abb. 24: Technische Universitäten sind attraktiv – die zehn deutschen Hochschulen mit den meisten chinesischen Studenten 17% 21% Naturwissenschaften 26% 17% 14% Gesellschaftswissenschaften 4% 15% Deutschland Angelsächsische Länder Differenz zu 100% bedingt durch Rundung. 30% Hochschule Chinesische Studierende Universität Duisburg-Essen 1.345 Universität Stuttgart 1.088 TH Aachen 999 TU München 928 TU Dresden 916 Hochschule Anhalt (FH) 873 Karlsruher Institut für Technologie (KIT) 805 TU Darmstadt 743 TU Berlin 695 Universität Heidelberg 554 Quelle: Studentenstatistik Statistisches Bundesamt; Berechnungen DZHW/www.wissenschaft-weltoffen.de38 24 37 Statistisches Bundesamt; DZHW Berechnungen (2015). Studentenstatistik, Berechnungen für Merics. www.wissenschaft-weltoffen.de. Zugriff: 22. September 2015. 38 Ebenda. 52% 12% 7% 6% 6% 11% 5% 0% Ve nt Join ur t es Technische Berufe sind für ein Drittel der Umfrageteilnehmer erstrebenswerte Berufe (Abb. 26). Im Vergleich zu Befragten mit Ziel angelsächsische Länder, gaben drei Mal so viele Teilnehmer diese Wunschkarriere an. Für diejenigen, die in China bleiben, rangiert dieser Karriereweg nicht einmal unter den drei begehrtesten Betätigungsfeldern (Abb. 27). 52% 50% nd Fi isc rm he en St aa ts be tr ie be Un te P rn ri eh va m te en Ausländische Firmen sind für mehr als die Hälfte der künftigen Absolventen die erste Wahl. Bildungsexperten glauben, dass Technische Universitäten in Deutschland auch wegen ihren Beziehungen zu weltweit renommierten Firmen für Chinesen attraktiv sind. Vor allem Kooperationen mit der Automobilbranche scheinen sie zu motivieren. So lässt sich die höhere Bereitschaft erklären, in einer ausländischen Firma arbeiten zu wollen. Der Vergleich verdeutlicht dies: Unter den Befragten mit Ziel angelsächsische Länder wollen nur 46 Prozent in ausländischen Unternehmen arbeiten. Dies sind zehn Prozent weniger als bei den Befragten mit Ziel Deutschland (56%). Im Schnitt liegt der Wert bei 52 Prozent (Abb. 25). In der Realität sind die meisten Rückkehrer aber in privaten Unternehmen beschäftigt. Nur zwölf Prozent (Abb. 25)39 schaffen es, in einem ausländischen Betrieb unterzukommen. Entweder besitzen sie nach ihrem Abschluss nicht die benötigten Qualifikationen oder finden keine passende Stelle. Abb. 25: Ausländische Unternehmen bevorzugt In welchen Unternehmen möchten die Teilnehmer arbeiten? Au sl ä 2.7 Wie sich das Auslandsstudium auf die berufliche Zukunft auswirkt Fachspezifische Qualifikationen sollen mehr Gehalt bringen MERICS-Umfrage Daten einer New Oriental Studie zur Beschäftigung von Rückkehrern (2015) Abb. 26: Techniker studieren in Deutschland – die anderen wollen in die Wirtschaft Wunsch für zukünftige Berufsbranche der Teilnehmer nach Studienorten (die drei häufigsten Antworten) Deutschland Angelsächsische Länder Technik 33% Wirtschaft 28% Wirtschaft 14% Technik 11% Bildung/Lehre 10% Finanzsektor/ Bildung/Lehre 10% 39 New Oriental Group (2015). „White book of China’s study abroad”. „Viele Eltern sind sich sicher, dass ihre Kinder nach einem Auslandsstudium bessere Karrierechancen in China haben werden.“ Kary Jiang, New Oriental Chongqing, Manager Oral English Department 25 Abb. 27: Höhere, aber realistische Gehaltsvorstellungen In CNY 50% Die Gehaltsvorstellungen der Umfrageteilnehmer sind realistisch. Das monatliche Durchschnitts einkommen von Universitäts-Absolventen in chinesischen Küstenregionen beträgt 4.000 CNY (ca. 560 EUR).41 Rückkehrer bekommen laut Studien ein höheres Einstiegsgehalt. Dieses liegt im Schnitt bei 6.900 CNY (ca. 970 EUR),42 also knapp 3.000 CNY (ca. 420 EUR) über dem ihrer Landsleute mit chinesischem Abschluss. Befragte mit Ziel Deutschland nennen sehr selten übertriebene Gehaltsvorstellungen. Nur drei Prozent der jungen Chinesen mit Ziel Deutschland erwarten ein monatliches Einstiegsgehalt von 30.000 CNY (ca. 4.130 EUR).43 40% 25% 25% 18% 7% 2% .000 – 30 00 20.0 – 20 .000 0 00 0.00 10.0 0–1 .000 5.00 3.00 0–5 .000 0% <3 Deutsche Unternehmen benötigen weniger Mitarbeiter mit Deutsch- als mit Englischkenntnissen, das glauben jedenfalls die Umfrageteilnehmer. Befragte mit Ziel Deutschland sehen nur zu 56 Prozent Deutsch, aber zu 74 Prozent Englisch als eine „sehr wichtige“ Sprache für den späteren Beruf an. Chinesische Mitarbeiter mit Deutschlanderfahrung sind aber auch als Mittler zwischen dem chinesischen Tochter- und dem deutschen Mutterunternehmen gefragt. Hier wären Deutschkenntnisse von großem Vorteil. Ausländische Studenten sind bereits heute sehr wichtig für die deutsche Industrie. 66 Prozent der Unternehmen gehen laut einer Studie davon aus, dass sie in Zukunft noch mehr von ausländischen Talenten abhängig sein werden.40 Das zukünftige Einkommen wird von Befragten mit Ziel angelsächsischer Länder optimistischer gesehen: Mehr als ein Fünftel von ihnen (22%) erwartet ein Einstiegsgehalt von über 4.000 EUR. Diese wesentlich höheren materiellen Ansprüche könnten mit dem familiären Hintergrund zusammenhängen. Die Kosten für ein Studium in angelsächsischen Ländern sind um ein vielfaches höher als in Deutschland. Diese Ausgaben können sich nur sehr gut situierte Eltern leisten. Im Umkehrschluss ist davon auszugehen, dass Befragte mit Ziel Deutschland aus weniger wohlhabenden Familien stammen und dementsprechend bescheidenere Erwartungen an ihr späteres Einkommen haben. „Rückkehrer wollen ein höheres Anfangsgehalt, aber bekommen meist nicht so viel, wie sie sich wünschen. Der Fokus der Arbeit geber liegt immer häufiger auf Arbeitserfahrungen.“ Chen Zuo, Projektmitarbeiter, Goethe-Institut Peking 26 40 Stifterverband für die die Deutsche Wissenschaft, McKinsey&Company (2015). “Hochschulbildungs-Report 2020”. http://hochschulbildungsreport2020.de/downloads/hbr-2015.pdf 41 Social Sciences Academic Press (2013). „Chinese graduates´ annual employment report 2013”. 42 New Oriental Group (2015). „White book of China’s study abroad”. 43 Keine Angabe 5%. 2.8 Warum Teilnehmer auswandern oder zurückkehren wollen Fast die Hälfte erwägt ein Leben in Deutschland Hochqualifizierte Arbeitskräfte werden in Deutschland benötigt – auch in Feldern, die für chinesische Studenten attraktiv sind (z.B. im technischen Bereich). Fast die Hälfte der Befragten (49%) mit Ziel Deutschland kann sich vorstellen, ein Leben lang in der Bundesrepublik zu bleiben. Teilnehmer mit Ziel angelsächsische Länder möchten weniger häufig auswandern (44%). Bürokratische Hürden und fehlende Kenntnisse bezüglich des Arbeitsmarktes erschweren es aber Chinesen in der Bundesrepublik, ihr Ziel zu verwirklichen. Vor Beginn ihres Auslandsstudiums machen sich die Teilnehmer vor allem über familiäre und kulturelle Aspekte Gedanken. Dies motiviert sie zur Rückkehr nach China (Abb. 28). Die Kinder zieht es zurück zu den Eltern. Die Pflege der eigenen Eltern ist in China durchaus üblich. Die familiäre Bindung ist oft sehr eng, und dementsprechend groß ist die Sorge um alte, einsame Eltern. Dies spiegelt sich auch in der Umfrage wider: Mehr als die Hälfte der Frauen nennt dies als Grund für eine Entscheidung gegen ein dauerhaftes Leben im Ausland. Diese Entscheidung basiert vermutlich auch darauf, dass chinesische Altersheime noch längst nicht die Regel sind und mit einem gesellschaftlichen Stigma zu kämpfen haben. Männer tangiert dieser Zustand nicht so stark (Abb. 28). Der chinesische Lebensstil hat eine starke Anziehungskraft. Schüler, die bereits kürzere Auslandsaufenthalte hinter sich haben, sagen, dass sie das chinesische Essen auf Dauer vermissen würden. Viele Chinesen finden westliches Essen einseitig, da in der chinesischen Küche wesentlich mehr Zutaten und Zubereitungsformen zum Einsatz kommen. Der kulinarische Reichtum Chinas ist eine nicht zu unterschätzende Rückkehrmotivation. Chinesen aus den großen Küstenstädten vermissen besonders in kleineren deutschen Städten die Vielzahl an Freizeitmöglichkeiten und kulturellen Angeboten. Vor allem Männer können sich nicht vorstellen, dauerhaft auf ihre chinesischen Lebensgewohnheiten zu verzichten. Sie nennen diesen Grund häufiger als Frauen (Abb. 28). Trotzdem können sich sieben Prozent mehr Männer als Frauen vorstellen, dauerhaft im Ausland zu bleiben. Abb. 28: Lebensstil und Eltern motivieren zur Rückkehr Warum Teilnehmer eine Aus wanderung für sich ausschließen (die jeweils am häufigsten genannten Gründe) 53% 50% 41% 46% 31% 0% wollen sich vermissen um die alternden den chinesischen Eltern kümmern Lebensstil Männer Frauen „Ich möchte mehr Erfahrungen machen und die Welt bereisen, dann aber zurück nach China gehen. Ich fühle mich in der Nähe meiner Eltern geborgener.“ 17-jährige Schülerin aus Chongqing mit Ziel USA. 27 3. Fazit 3.1 Hohe Kosten führen zu sozialem Ungleichgewicht Lohnt sich die Investition Auslandsstudium für junge Chinesen? „Ich würde angehenden Auslandsstudenten raten, sich wirklich Gedanken darüber zu machen, was sie nach ihrem Abschluss machen möchten. Sie sollten sich dabei auch an ihren persönlichen Interessen orientieren. Ein Auslandsaufent halt verändert aber die Sicht auf die Dinge sehr.“ Chinesische Studentin an einer deutschen Universität in Jena Berufliche Erwägungen spielen vor Studienbeginn eine äußerst untergeordnete Rolle. Nur fünf Prozent der Befragten, die auf lange Sicht in ihrem Heimatland leben möchten, sehen berufliche Aspekte als ausschlaggebend im Entscheidungsfindungsprozess. Der Fokus auf Kultur und nicht Qualifikation steht im Mittelpunkt. Bleibewillige ausländische Studenten haben es aber in Deutschland nicht leicht: Rund 30 Prozent von ihnen sind mindestens ein Jahr auf Arbeitssuche.44 Von diesen Schwierigkeiten berichteten in Interviews auch Chinesen, die in Deutschland bereits kurz vor ihrem Abschluss stehen. Hohe Kosten sind für Chinesen mit einem Auslandsstudium verbunden. Damit sich die Investition lohnt, muss die internationale Erfahrung positive Effekte auf die berufliche „Wettbewerbsfähigkeit“ eines Absolventen haben. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass bei jungen Chinesen berufsqualifizierende Aspekte nicht an erster Stelle stehen. Sie schätzen das „Abenteuer“, also die kulturelle Erfahrung. Verwunderlich hierbei ist, dass vor allem die Schüler mit Ziel Deutschland dabei die Landessprache nicht als eine elementare Voraussetzung für dieses Unterfangen betrachten (Abb. 22). Sie scheinen an einer globalen und nicht unbedingt an einer deutschen Erfahrung interessiert zu sein. Rückkehrer finden in China noch relativ leicht Arbeit. (Laut einer Studie von New Oriental haben 95 Prozent der Rückkehrer innerhalb eines Jahres Arbeit).45 Trotzdem dauert es Jahre, bis sich die hohen Investitionen rechnen. Die Rückkehrer verdienen etwa 2.900 CNY pro Monat (ca. 400 EUR) mehr als ihre „Kommilitonen“ mit chinesischem Abschluss. Die aus einem teuer bezahlten Auslandsstudium erwachsenden Vorteile (steigende Wettbewerbsfähigkeit auf dem chinesischen Arbeitsmarkt) verstärken zugleich die sozialen Unterschiede. 28 44 Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (2015). „Zugangstor Hochschule: Internationale Studierende als Fachkräfte von morgen gewinnen“. https://www.stiftung-mercator.de/media/downloads/3_Publikationen/SVR_Zugangstor_Hochschule.pdf. Zugriff: 22. September 2015. 45 New Oriental Group (2015). „White book of China’s study abroad”. 3.2 Implikationen für Deutschland als internationalen Studienstandort Wie die Bundesrepublik noch stärker von chinesischen Auslandsstudenten profitieren könnte Bürokratische Hürden erschweren der Bundesrepublik die Anwerbung hochqualifizierter und an Deutschland interessierter junger Chinesen. Diese Hürden könnten mit allgemein anerkannten, standardisierten Hochschulzugangsprüfungen abgebaut werden, ähnlich dem U.S.-amerikanischen „Scholarly Assessment Test“ (SAT). Solche Prüfungen würden es Chinesen ermöglichen, sich nicht auf chinesische, sondern auf deutsche Bildungsanforderungen zu konzentrieren. Auch die Gaokao-Anerkennung als ausreichende Voraussetzung für ein Hochschulstudium wäre in ausgewählten Fachbereichen (zum Beispiel in Medizin und Ingenieurswissenschaften) sinnvoll. Diese Themen sollten in der Hochschulrektorenkonferenz weiter diskutiert werden. Fehlende Deutschkenntnisse von Chinesen sind problematisch: Die Unfähigkeit, in der Landessprache zu kommunizieren, führt dazu, dass sich diese relativ große Gruppe zunehmend selbst abgrenzt oder von anderen ausgegrenzt wird. Die fehlende Integration und der mangelnde Austausch mit deutschen Studierenden erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Studienabbruchs. Die Konsequenz: Wenig Deutschland-Expertise auf chinesischer Seite, hohe Subventionen und damit verbundene Kosten sind für den deutschen Staat nicht gerechtfertigt. Eine intensivere Betreuung und Beratung von ausländischen Studenten an deutschen Universitäten könnte diesem Phänomen entgegenwirken. Flächendeckende und kostenlose E-Learning-Angebote könnten Chinesen bereits vor ihrem Studienbeginn beim Sprachelernen unterstützen. Softpower ist der Schlüssel, um als Zielland für Auslandsstudenten attraktiv zu bleiben. Hierzu gehört neben der Wahrnehmung großer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auch die kulturelle Attraktivität eines Landes. Diese kann durch Serien, Filme aber auch durch soziale Medienbeiträge gefördert werden. Es gilt, übersteigerten Erwartungen entgegenzuwirken. Faktisches Wissen über Deutschland ist nicht sehr ausgeprägt. Daher müssen die Auftritte deutscher Hochschulen in den chinesischen Sozialen Medien sowohl attraktiv als auch informativ sein. Gezielte Werbung für einzelne Studiengänge ist vor allem für Hochschulen, die kein erstklassiges internationales Ranking vorweisen können, wirkungsvoll. Auch würde dies die schwierige Aufgabe, die Besonderheiten deutsche Bildungssystem in China zu vermitteln, erleichtern. Junge Chinesen, die großen Wert auf Studieninhalte legen, könnten so angesprochen werden. Diese Programme sollten auch auf Chinesisch beworben werden, um ebenfalls die Eltern der angehenden Studierenden zu informieren. 29 Der „Free-Rider-Effekt“, bei dem ein Land seine Elite kostengünstig im Ausland ausbilden lässt, ist eine besonders große Gefahr für Deutschland. Wenn die Bundesrepublik sich nicht auf nationale Interessen fokussiert, wird China langfristig mehr als Deutschland von den chinesischen Auslandsstudenten profitieren. Die Umfrageteilnehmer könnten sich ein Leben in Deutschland vorstellen, aber auch China motiviert mit speziellen Programmen seine Auslandsstudenten zunehmend zur Rückkehr. Deutsche Firmen sollten Strategien entwickeln, die sich speziell an chinesische Studierende richten. Junge Chinesen sollten am besten bereits vor Beginn ihres Studiums über berufliche und persönliche Perspektiven in Deutschland informiert werden. Dies würde nicht nur den Facharbeitermangel lindern, sondern auch einen positiven Beitrag zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China leisten. Die Betreuung an deutschen Universitäten muss verbessert werden. Im Moment arbeiten an der Hälfte der Hochschulen in der Regel nur zwei Vollzeitkräfte im Career Service. Diese betreuen alle in- und ausländischen Studierenden. Mehr Mitarbeiter könnten Chinesen sowohl auf Stellen in Deutschland, als auch auf Ausschreibungen von deutschen Firmen in China hinweisen. So könnte verhindert werden, dass knapp die Hälfte der ausländischen Studierenden ihr Studium abbricht. 30 Impressum Mercator Institute for China Studies MERICS gGmbH Klosterstraße 64, 10179 Berlin Tel. 0049-30-3440 999-0 Email: [email protected] www.merics.org Redaktion: Kerstin Lohse-Friedrich, Leiterin Kommunikation MERICS Design: Roman Wilhelm INSIDE A Communications AG
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