Stickstoffretention in großen Flüssen Eine Ökosystemleistung!? Stephanie Ritz Dr. Helmut Fischer Weltweiter Stickstoffüberschuss Anthropogen verursacht Atmosphäre Land Ozean Flüsse Gruber & Galloway 2008 N-Eintrag durch Fließgewässer • 80% der N-Einträge in die deutsche Küstenzone sind anthropogenen Ursprungs (ARGE BLMP, 2011) • N ist (neben Licht) Hauptlimitierungsfaktor des Phytoplanktons in der Nordsee (OSPAR Commission, 2009) Elbe Ems Weser Eine weitere Reduktion der N Einträge ist anzustreben 2,8 mg N/L BLANO, 2012 N-Kreislauf “temp. Retention” vs. • temporäre Speicherung: – In Biomasse – In Sedimenten “Eliminierung” • dauerhafte Entfernung: OSPAR Report (2008): – Denitrifikation N2 N bleibt im System Wasser Biomasseaufbau N - Org Mineralisierung Sedimentation/ Adsorption Sediment Resuspension/ Rücklösung DIN NH4+ NO3Adsorption Rücklösung NO3- NO2- N2O Denitrifikation Denitrifikation Denitrifikation = mikrobielle Oxidation von org. Material durch fakultativ anaerobe Bakterien Benötigt werden: suboxische Bedingungen (< 2,2 mg O2 L-1) Org. C (Elektronendonor) & Nitrat (Elektronenakzeptor) Denitrification system types: Flüsse: Kontaktfläche Sediment / Wasser hyporheische Strömung Hochwasser/periodisch überschwemmte Ufer Grafik aus Seitzinger et al. (2006) Denitrifikation in Flüssen Denitrification rate (kg N km-2 yr-1) > 1 000 000 kg N km-2yr-1 (z.B.: Sjodin et al. 1997, Yan et al. 2004, Pribyl et al. 2005) < 2 000 kg N km-2yr-1 (z.B.: Richardson 2004, Pribyl et al. 2005, Solomon 2009) • Hohe flächenbezogene Denitrifikationsleistung in Flüssen • Hohe Variabilität in den Abschätzungen Grafik aus Seitzinger et al. (2006) große vs. kleine Flüsse • Kleine Flüsse entfernen einen größeren Anteil (%) der N-Einträge größeres Verhältnis Flusssohle : Wasservolumen • Große Flüsse entfernen einen höheren absoluten Betrag (Masse/Fläche) meist höhere N-Konzentrationen breiter (mehr Fläche pro Abschnitt) Aber: kaum empirische Daten von großen Flüssen Grafik aus Seitzinger et al. (2002) Beispiel Elbe Die Elbe – Einzugsgebiet: 148 268 km2 – Gesamtlänge: 1 094 km Untersuchungsraum: frei fließender deutscher Abschnitt Geesthacht (km 582) (Elbe-km 4 – 582) 600 500 400 300 200 100 0 0 100 200 300 Elbe-km 400 500 600 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 ortho-PO4-P, SiO2-Si, NO3-N [%] Chlorophyll-a [%] Nährstoffentwicklung im Längsverlauf: Schmilka (km 4) Chl-a NO3-N SiO2-Si PO4-P Mittelwerte von 4 fließzeitkonformen Probenahmen Werte bei Elbe-km 0 = 100%. Denitrifikation? Was tragen große Flüsse zur N-Eliminierung bei? Sedimente – „the river‘s liver“ hohe mikrobielle Aktivität im Flussbett Unbekannter Austausch zwischen Wassersäule und Flussbett Ungleiche Verteilung der mikrobiellen Aktivität Fischer et al. (2005) Messung isolierter Sedimentproben ist u.U. nicht ausreichend „Freiwassermethoden“ Messung der N-Retention bzw. Denitrifikation auf „Flussabschnittsskala“ und unter in-Situ Bedingungen Stoffbilanz Messung der N2Übersättigung Quantifizierung von Netto-Gewinnen / Verlusten (von N und Chlorophyll a) Berechnung von Denitrifikationsraten Probenahme • 4 fließzeitkonforme Beprobungen August und Mai (2011-2013) Strecke ~ 580 km Fließzeit ~ 7 Tage • Beprobung in 12 h Intervallen (6:00 & 18:00) • Probenahmestellen: Elbe (je rechts, Mitte, links) 4 Hauptnebenflüsse 6 größte Kläranlagen Stoffbilanz Möglichst vollständige Beprobung aller wichtigen Einträge im Flussverlauf: Eintrag stromauf + + = + TN Retention 25 [mg N m-2 h-1] [mg N m-2 h-1] NO3-N Retention theoretischer Austrag gemessener Umsatz ohne flussinternen Austrag Umsatz 15 5 Gesamtretention 25 Geschätzte Anteile von: 15 Assimilation Denitrifikation 5 Sedimentation 08/11 05/12 08/12 08/13 08/11 05/12 08/12 08/13 Messung der in-situ N2 Übersättigung 1) Messungen hoher Präzision erforderlich! Membrane Inlet Mass Spectrometry: „MIMS“ 2) Atmosphärischer Austausch Berechnung über empirische Gleichungen aus der Literatur Ergebnisse: Abschnitt km 4-184 km 318-437 km 484-583 Denitrifikation (mg/m2*h) August 2011 Mai 2012 August 2013 17,0 ± 6,3 27,2 ± 12,0 10,5 ± 11,0 24,0 ± 9,5 8,4 ± 8,4 7,0 ± 13,1 48,2 ± 23,8 23,1 ± 25,1 27,8 ± 25,3 Denitrifikation in der Elbe Denitrification rate (kg N km-2 yr-1) Denitrifikation in der Elbe: ≈ 100 000 kg N km-2yr-1 * * unter Berücksichtigung des jährlichen Temperaturverlaufs mit Q10=2 Die Elbe weist (im Frühjahr/Sommer) eine vergleichsweise hohe Denitrifikationsleistung auf monetärer Wert der Denitrifikation Nährstoffumsatz/Denitrifikation als integrale Funktion von Fließgewässern ist eine „Ökosystem(dienst)leistung“ Die Elbe (km 4-582) entfernt jährlich ca. 10 000 t N * Kosten für alternative Leistungen in Kläranlagen / Landwirtschaft 1,9-4 € / 6 € pro kg N (Nitrolimit 2013, Born et al. 2012) Die Denitrifikationsleistung der Elbe ist somit mindestens 19-60 Mio. € pro Jahr „wert“ *Bei einer Retentionsleistung von ≈ 105 000 kg N km-2y-1 und einer Fläche der Elbe von ca. 95 km2 (km 4-582) Übertragbarkeit empirischer Daten Stoffumsatzraten (Masse/Zeit) Flussinterner Stoffumsatz ist abhängig von der Höhe der Einträge Grad der Belastung mit Nährstoffen oder Kohlenstoff Ein „sauberer“ Fluss kann also keine sehr hohen totalen Umsatzraten erbringen... Grafik nach Gücker et al. 2006, Haggard et al. 2005 Übertragbarkeit empirischer Daten Frachtspezifischer Stoffumsatz (%) ... Ein „sauberer“ Fluss ist aber effizienter! Grad der Belastung mit Nährstoffen oder Kohlenstoff ABER: Diese Zusammenhänge sind stark vereinfacht. Bei einer vorliegenden N- oder C-Limitierung kann eine Zunahme der entsprechenden Einträge die Effizienz zunächst erhöhen. Grafik nach Gücker et al. 2006, Mulholland et al. 2008 Übertragbarkeit empirischer Daten Der Stoffumsatz ist zudem von der Flussmorphologie abhängig. Sumpf/Mars chland Pool/Riffle Mäander begradigt Eine komplexe Flussmorphologie erhöht die Retentionsleistung Gücker & Boechat 2003 Zusammenfassung In der Elbe während der Vegetationsperiode: 1) Eine hohe TN Retention von 16-39% findet statt 2) Die in-situ Denitrifikationsraten entsprechen der TN Retention Die jährliche Denitrifikationsleistung der Elbe (km 4-582) beträgt ca.10 000 t N y-1. Äquivalente Kosten pro Jahr: Kläranlagen 19-40 Mio. € / Landwirtschaft ≈ 60 Mio. € Die Denitrifikation unterliegt vielen Einflussfaktoren, was eine einfache Übertragung von empirischen Daten auf andere Systeme erschwert. Fazit: Große Flüsse können massiv zur N-Eliminierung beitragen. Dennoch übersteigen die derzeitigen N-Frachten die Selbstreinigungskraft der Gewässer. Vielen Dank … WSA Dresden WSA Lauenburg Dagmar Steubing, Franz Leiendecker, Dr. Carsten Viergutz UFZ Magdeburg Dr. Kirstin Dähnke … für die Aufmerksamkeit www.nitrolimit.de [email protected] [email protected] Literatur ARGE BLMP (2011): Konzept zur Ableitung von Nährstoffreduzierungszielen in den Flussgebieten Ems, Weser, Elbe und Eider aufgrund von Anforderungen an den ökologischen Zustand der Küstengewässer gemäß Wasserrahmenrichtlinie. Behrendt H, Bach M, Kunkel R, et al (2003): Internationale Harmonisierung der Quantifizierung von Nährstoffeinträgen aus diffusen und punktuellen Quellen in die Oberflächengewässer Deutschlands. Born W, Meyer V, Scholz M, et al (2012): Ökonomische Bewertung von Ökosystemfunktionen in Flussauen. Ökosystemfunktionen von Flussauen. pp 147–164 Fischer H, Kloep F, Wilzcek S, Pusch MT (2005): A river’s liver - microbial processes within the hyporheic zone of a large lowland river. Biogeochemistry 76:349–371 LAWA-AO (2014): Empfehlung zur Übertragung flussbürtiger, meeresökologischer Reduzierungsziele ins Binnenland. LAWA-Arbeitsprogramm Flussgebietsbewirtschaftung Produktdatenblatt WRRL-2.4.7 Nitrolimit (2013): Maßnahmen zur Reduktion der Nährsroffeinträge in urbanen Gewässern Diskussionspapier Band 2 OSPAR Commission (2009): Eutrophication Status of the OSPAR Maritime Area - Second OSPAR Integrated Report – Seitzinger S, Harrison JA, Boehlke JK, et al (2006): Denitrification across landscapes and waterscapes: A synthesis. Ecological Applications 16:2064–2090.
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