Dieses Manuskript stimmt nicht unbedingt mit dem Wortlaut der Sendung überein. Es darf nur zur Presse- und Hörerinformation verwendet und nicht vervielfältigt werden, auch nicht in Auszügen. Eine Verwendung des Manuskripts für Lehrzwecke sowie seine Vervielfältigung und Weitergabe als Lehrmaterial sind nur mit Zustimmung der Autorin/des Autors zulässig. hr2-kultur | Camino – Religionen auf dem Weg Natur macht glücklich Über die vergessene Kraft von Mutter Erde HR 2 / Camino am 2. August 2015 Redaktion: Klaus Hofmeister Autorin: Lisa Laurenz Musik 1..... Zitator An die Allmutter Erde Erde, du aller Mutter, du festgegründete, singen will ich von dir uralte Nährerin der Geschöpfe, die du ja alles, was im Meer und auf heiligem Boden, was in den Lüften lebt, ernährst mit quellendem Segen... Heilige Göttin, es steht bei dir, den sterblichen Menschen Leben zu geben, zu nehmen. Musik 2.... Autorin Ein Gedicht des griechischen Dichters Homer, niedergeschrieben vor über 2500 Jahren. Es erzählt von einem tiefen Vertrauen in die Kraft von Mutter Erde. Sie wurde seit Urzeiten, in unterschiedlichsten Kulturen und Religionen, verehrt. Als Große Mutter, Urmutter oder göttliche Mutter, als Erdgöttin oder Urgöttin, als Gaia oder Demeter – je nach Zeitalter, Kultur und Weltanschauung: Take 1 (Claudia Müller-Ebeling) 0`28 Wenn wir uns mal ganz auf die frühesten Überlieferungen konzentrieren, dann gibt es das Bild von einer Dunkelheit und aus dieser Dunkelheit geht plötzlich etwas hervor und dieses was da hervorgeht ist eine trockene Erde, in deren Schoß alles weitere entsteht. Und diese Erde gebiert dann das Leben. Autorin Claudia Müller-Ebeling ist Ethnologin und Autorin: Take 2 (Claudia Müller-Ebeling) 1`23 Es hat diese Betrachtung des Weiblichen aus dem wir kommen und in das wir eines Tages wieder eingehen werden, immer gegeben. Die Problematik ist, dass die Zeit in der dieser Gedanke dieses Geborgenseins in der Natur noch sehr verbreitet war und sicherlich der zentrale Gedanke war, dass diese Zeit enorm lange her ist und der Zeitraum in dem man dieses heilige Weibliche verehrt hat, hat auch sehr lange gedauert. 35 000 Jahre lang hat man sicherlich den Gedanken an dieses Weibliche kultiviert. Das ist eine sehr sehr alte Schicht des Denkens, die spätestens ab 2000 v. Chr. überlagert wurde durch eine völlig konträre Vorstellung. Dieses Weibliche als das Allgebärende, aus dem alles hervorgeht, das uns nährt, auf dem wir uns bewegen, das ist offensichtlich bei den Menschen relativ schnell etwas Selbstverständliches gewesen und bewirkt offensichtlich im Denken einen mangelnden Respekt und eine mangelnde Verehrung. Autorin Mutter Erde wird sie noch heute manchmal liebevoll genannt. Für manche mag der Begriff kitschig oder weltfremd klingen. Tatsache ist, die Erde trägt uns, gibt uns Wasser und Nahrung, beschenkt uns mit Bodenschätzen, versetzt uns mit ihrer Schönheit in Staunen und bietet uns eine irdische Heimat. Für viele aber ist sie zu einer Sache geworden, die man gebraucht und verbraucht. Dem Förster Veit Kalter tut das in der Seele weh. Die Natur, besonders der Wald, ist sein Lebenselixier: Take 3 (Veit Kalter) 0`28 Ich nehme aus dem Wald schon mal die Flaschen mit oder Müll. Es gibt ja Leute, die gehen damit so sorglos um. Wenn man mit denen mal auf den Hochsitz gehen würde und sitzt den ganzen Abend an, was man da alles zu sehen bekommt, was da alles ist, was man hört, sogar die kleine Maus unten, was Schöneres gibt es doch nicht. Musik 3. Take 4 (Christine Schneider) 0`34 Wenn ich mit nackten Füßen durchs Gras laufe, dann merke ich wirklich, da trägt mich was. Sie versorgt uns mit Essen, mit Trinken, wie eine Mutter. In meinem Bewusstsein ist es so, ich bin hier auf Mutter Erde. Ich fühle mich gut aufgehoben, weil es ist alles da. Und man sollte aus meiner Sicht das Ganze sehr pflegen und behutsam damit umgehen, weil wenn Mutter Erde erschüttert ist, dann werden wir auch erschüttert sein. Autorin Mensch und Erde weisen gewisse Ähnlichkeiten auf. So wie der Mensch zu etwa achtzig Prozent aus Körperflüssigkeit besteht, machen die Ozeane den Großteil der Erde aus. Flüsse und Bäche sind sozusagen ihre Adern, die Wälder ihre Atmungsorgane, die Felsen ihre Knochen. Aus ihr geht alles Leben hervor und kehrt auch wieder zu ihr zurück. Aus einem Samenkorn, das in die Erde gesteckt wird, entsteht eine Pflanze. Welch ein Wunder! Die Lebensberaterin Marietta Schmidt-Kalter: Take 5 (Mariette Schmidt-Kalter) 0`24 Für mich ist Mutter Erde etwas wie eine Emotion, wie ein Gefühl. Und dieses Gefühl. Sie gibt mir das Gefühl gut aufgehoben zu sein, wenn ich gut mit ihr umgehe. Ich könnte sie nicht als Göttin sehen. Weiß ich nicht ob Mutter Erde das will. Mutter Erde ist alles. Ich glaube, dass das etwas Emotionales, Spirituelles, Sensitives ist.(/) Autorin Die menschlichen Erfahrungen auf Mutter Erde sind enorm vielfältig. Dazu gehört, dass die Erde nicht nur lebensspendend und versorgend ist, sondern auch furchterregend sein kann. Naturkatastrophen versetzen Menschen in Angst und Schrecken. Und es gibt furchtbares Leid auf dieser Erde: Take 6 (Claudia Müller-Ebeling) 0`43 Wenn wir uns wirklich auf unsere eigene Natur und die Natur um uns herum einlassen, dann merken wir, wir machen auch die Erfahrung von Vergänglichkeit und von einem Ast, der nicht nur immer nach oben geht, sondern auch absteigt, also auch von Tod. Insofern ist das Bild der Mutter Erde immer ein mindestens dreigeteiltes Bild gewesen, in dem auf der einen Seite die nährende Mutter da ist, dann auch die junge und jugendliche Frau, die den Frühling und das Werden und Aufkeimen verkörpert. Und dann die alte Weise und teilweise auch furchterregende Frau. Autorin In der ackerbautreibenden Urbevölkerung Europas war die Verehrung der Großen Göttin als Hüterin allen Lebens zentral. Doch irgendwann, vor über 4000 Jahren, trat das Männliche, der Vater, der schließlich zum Gott aller Religionen wurde, immer mehr in den Vordergrund. Im Urchristentum wurde die Natur noch als Muttergottheit verehrt. Die Natur galt als ein Weg zu Gott. Das frühe Christentum speiste sich aus zwei Quellen. Zum einen aus den Philosophien und Religionen der Zeitenwende um Jesus Christus, vor allem aus der griechischen Philosophie und Mythologie. Zum anderen aus den Überlieferungen des frühen Judentums, dem Alten Testament, erklärt Gotthard Fuchs. Er ist Theologe und Philosoph: Take 7 (Gotthard Fuchs) 0`42 Gaia, also die Vorstellung, dass das Leben auf der Erde, mit der Erde nicht selbstverständlich ist und von früheren Kulturen und Religionen als göttlich empfunden wurde, das ist dann im Biblischen aufgenommen worden, natürlich entmythologisierend, weil im Biblischen der Glaube an den Schöpfergott zentral ist und die Erde damit sein Geschöpf. Aber im Christlichen ist das auch aufgenommen worden, weil die ganze archaische Symbolik von Mütterlichkeit, also wem verdanken wir das Leben, mit hineinspielt. Und die Erde als ein Geschenk begriffen wird, im biblischen und christlichen Glauben, als ein Gottesgeschenk. Musik 4.... Autorin In der Genesis, der Schöpfungsgeschichte im Alten Testament, heißt es: Gott nahm Erde und formte daraus den Menschen. Zitator „Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ Take 8 (Gotthard Fuchs) 0`55 Im Biblischen ist der Monotheismus im 6. Jh. zum Durchbruch gekommen. Vorher gab es auch im biblischem Raum die Vorstellung von verheirateten Götterpaaren, von Gott und Göttin. Und erst so langsam hat sich das durchgesetzt zu einem allerdings dann männlich geprägten Monotheismus. Und die weibliche Seite der Welt, des Lebens und damit auch des Göttlichen, die wurde ein Stück heruntergestuft könnte man sagen in diesem biblischen Denken. Also Gott schafft die Welt und als seine Assistentin ist z.B. die Frau Weisheit mit im Spiel. Also die Erde ist nicht selber Gott oder Göttin, sie ist Ausdruck der Schöpfermacht Gottes, aber von Anfang an ist sie mitgeprägt von nicht nur männlichen, sondern weiblichen göttlichen Impulsen. Autorin Die Abkehr von einer weiblichen Schöpfergottheit hin zu einer männlichen Schöpfermacht geschah jedoch nicht nur im Christentum: Take 9 (Claudia Müller-Ebeling) 1`06 Auch wenn man in indianische Mythen blickt, dann sieht man auch, dass die Verehrung des Weiblichen in den 2. Rang getreten ist. Das ist doch eigentlich sehr erstaunlich. Was hat sich da abgespielt im globalen Denken der Menschheitsentwicklung, dass das nicht mehr so den Platz einnimmt, den wir ihm heute geben würden? Aber wenn man die schamanischen Kulturen betrachtet, die es ja nach wie vor gibt, ob jetzt im Himalaya oder im Amazonasgebiet, dann merkt man, dass dort noch ein Weltbild existiert, was ein zyklisches Denken beinhaltet. Das heißt, die Menschen fühlen sich geborgen in diesem Kreislauf des Lebens und das endet und beginnt nicht nur mit der eigenen individuellen Geschichte, sondern so wie wir selbst als Individuen eines Tages geboren wurden, wie wir heranwachsen und eines Tages älter und krank werden und sterben, so beobachten wir das alles um uns herum auch. In diesen Kulturen ist dieser zyklische Gedanke noch ganz stark verbreitet. Autorin In unserer Kultur dagegen hat sich ein sehr lineares Denken ausgebildet, das geprägt ist vom Glauben an einen unendlichen Fortschritt. So ist das Sinnbild von Mutter Erde als Band zwischen Mensch und Natur wurde immer mehr aus dem menschlichen Bewusstsein verdrängt worden. Mit der Folge, dass es zur Herrschaft des Menschen über die Natur und die nichtmenschliche Schöpfung gekommen ist. Eine verhängnisvolle Entwicklung, die nicht zuletzt einem Satz in der Bibel zugeschrieben: Zitator „...Machet euch die Erde untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über alles Lebendige, was auf Erden kriecht!“ Take 10 (Gotthard Fuchs) 1`05 Der ist leider sehr missverstanden worden. Wörtlich übersetzt heißt das, ist ein wunderbares Lied auf die Würde der Schöpfung aus Gottes Händen in der Bibel. Und dieses Lied, das im babylonischen Exil gedichtet wurde, dieser Hymnos ist in der Neuzeit bei Descartes und anderen so übersetzt worden: untertan. D.h. der Mensch ist, bei Descartes heißt es, Herr und Besitzer der Schöpfung. Wörtlich übersetzt heißt es aber im Hebräischen: der Mensch soll seinen Fuß auf die Erde setzen, d.h. wie ein Gärtner, der guckt ja, wo setze ich den Fuß hin, trample ich etwas kaputt oder nicht. Also ist Ausdruck einer Fürsorgehaltung in der Bibel und im Kern des Christlichen und gerade nicht eine Ausbeutungshaltung. Das ist aber in einer unseligen Missdeutungsgeschichte am Rande der Kirchen und teils auch durch Christenmenschen in diese Schieflage geraten, die wir dringend wieder zurechtbringen müssen, wenn es überhaupt noch geht. Musik 5.... Autorin Für viele Menschen ist die Natur ein Lebenselixier, ein Ort der Entspannung und Erholung. Die Natur macht glücklich. Doch wie achtsam sind wir mit ihr, wie verantwortungsvoll und fürsorglich? Kleine Kinder fühlen sich mit der Natur noch ganz verbunden. Sie suchen sich gerne stille Plätze, sitzen selbstvergessen im Gras, spielen mit Gänseblümchen und tauchen ganz ein in die Natur. Im Laufe der Zeit geht dieses natürliche Lebensgefühl jedoch immer mehr verloren, bis es irgendwann vielleicht nur noch eine blasse Erinnerung an glückliche Kindertage ist. Christine Schneider hat sich in einer Lebenskrise erinnert: Take 11 (Christine Schneider) 0`48 Ich denke, dass es mit dem Erwachsenenalter los ging, mit einer Erfahrung, wo es mir gar nicht gut ging, wo mir bewusst wurde, was kann ich tun, dass es mir wieder gut geht? Was hast du als Kind denn gemacht? Ja, da hast du im Gras gesessen und in den Himmel geschaut und dich getragen gefühlt. Genau das fing ich an wieder langsam umzusetzen. Dass ich mich mal an einen dicken Baum anlehne und spüre nach, wie er sich verwurzelt, wie die Krone sich total weit macht. Und das gibt mir ein sehr aufgehobenes starkes Gefühl. Musik 6.... Zitator Es war, als hätt’ der Himmel Die Erde still geküßt, Dass sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müsst'. Autorin Schrieb Joseph von Eichendorff: Take 12 (Christine Schneider) Ganz klar, dass es Mutter Erde und Vater Himmel geben muss. Das sind unsere kosmischen Eltern. Vater Himmel ist ja auch wichtig, denn ohne die Sonne könnte auch Mutter Erde nicht erblühen, ist absolut eins für mich. Alles zusammen ist die Ganzheit, die göttliche Ganzheit. Autorin In archaischen Kulturen und Religionen, bei den Kelten, den Sumerern oder auch in der griechischen Götterwelt gab es das mythische Bild der Heiligen Hochzeit. Gemeint war die Vermählung der Erdgöttin mit dem Himmels- oder Sonnengott. Das Christentum entmythologisierte dieses uralte Bild. Fortan wurde die Erde nicht mehr als göttlich gesehen, sondern als ein Geschenk, das Gott dem Menschen anvertraut hat. Das Sinnbild von Mutter Erde rührt jedoch nach wie vor an eine mehr oder weniger bewusste Sehnsucht des Menschen nach der guten Mutter. Die Geschichte der christlichen Marienverehrung sei, so Gotthard Fuchs, ein Beispiel für diesen Erfahrungszusammenhang. Als im 5. Jh. nach Chr. Maria, die Mutter Jesu, offiziell zur Gottesmutter ernannt wurde, haben sich verschiedene Formen der Marienverehrung entwickelt. Unter den Marienbildnissen findet sich auch die Schwarze Madonna. Warum schwarz? Take 13 (Gotthard Fuchs) 0`56 Das ist die Mutter Erde, die jetzt als die Muttergottes sozusagen Himmelskönigin und Erdmutter zugleich ist, also in ihrer eigenen Geschichte und Gestalt, die Vermählung oder die heilige Kommunion zwischen Gott und Welt darstellt. Dazu gehört übrigens auch, dass man schon im 1. Jahrtausend gerne Marienheiligtümer dort entstehen ließ, wo vorher, vor dem Christentum, etwa in keltischer Zeit, Muttergottheiten verehrt wurden. In Chartres beispielsweise gibt es Mutterhöhlen, heilige Höhlen für die Erdmutter und das sind dann spirituell energetisch geladene Orte, die die Christen tauften, indem sie dahin Marienbilder setzten und Marienzentren, die vom Volk natürlich, das ein elementares Gedächtnis hat, fast in Kontinuität zu den früheren Vorstellungen auf Maria bezogen werden. Autorin Die Kraft, archetypische Bilder wachzurufen, sei im Christentum ein Stück weit verloren gegangen, bedauert Gotthard Fuchs. Erst durch die Psychologie C.G. Jungs, die Mythenforschung, den Feminismus und die feministische Theologie sei das Interesse an Maria und der Muttersymbolik wieder gewachsen. Das archaische Wissen um die lebensspendende Kraft von Mutter Erde ist im christlichen Raum mancherorts noch lebendig. In Süddeutschland zum Beispiel gibt es am 15. August, an Maria Himmelfahrt, die sog. Kräuterweihe. Ein mittelalterlicher Brauch, bei dem Kräutersträuße bis zu drei Meter hoch gebunden und geweiht werden: Take 14 (Gotthard Fuchs) 0`19 Das ist genau ein Reflex dieses Wissens, dass die Mutter Erde uns versorgt mit Kräutern und Kräuter sind ja nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Heilmittel. Das sind Reste aus dem Paradies dachte man früher. Musik 7.... Autorin Gaia, in der griechischen Mythologie ist sie die personifizierte Erde. Im Gedenken an diese Erdgöttin tauchte seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die sog. Gaia-Hypothese auf. Da wird die Erde als ein lebendiger, sich selbst organisierender und sich entwickelnder Organismus betrachtet. Auch in der Tiefenökologie, einer spirituellen und ganzheitlichen Natur- und Umweltphilosophie, steht die Erde im Mittelpunkt. Tiefenökologen sind überzeugt: wie es dem Menschen geht, so geht es der Erde und wie es der Erde geht, so geht es dem Menschen. Auch Veit Kalter sieht da einen Zusammenhang. Wenn er von seiner Arbeit als Schlosser heimkommt, zieht es ihn in die Natur: Take 15 (Veit Kalter) 0`47 In der Natur harmoniert alles, da sitzt die Tanne, die Eiche, die Buche, da kommen die Brombeeren, die Heidelbeeren, das passt alles zusammen, sind auch alle unterschiedlich, aber wir passen nicht mehr zusammen. Auf der Arbeit, früher war das schön, ich werde jetzt 62, früher war es ein bisschen familiärer und heute geht das nur noch zack zack, entweder mitschwimmen oder man geht unter. Man ist nur für die Firma da, man gibt sein Bestes und die Menschlichkeit was vergleichbar ist zur Natur, die bleibt auf der Strecke. Man sitzt den ganzen Tag vor dem Bildschirm und abends ist man froh, wenn man das Loch findet, wo man wieder raus kann. Musik 8..... Autorin Wenn er erzählt, spürt man seine Liebe zum Wald. Pflanzen, Tiere, Steine, die ganze Natur ist für ihn beseelt. Er spricht mit den Bäumen, mit der Waldmaus oder dem Reh. Im Garten sät und pflanzt er nach den Mondrhythmen. Sich in die Natur einzufühlen, Tiere und Pflanzen auf einer tieferen Ebene wahrzunehmen und mit ihnen zu kommunizieren, das hat er von seiner Frau gelernt. Wenn Marietta Schmidt-Kalter in den Wald geht, passieren die erstaunlichsten Dinge: Take 17 (Marietta Schmidt-Kalter) 0`38 Dann bin ich mal in den Wald hineingegangen und bat um ein Zeichen. Da dachte ich, mich trifft der Schlag. Steht da so ein riesengroßes Vieh, ein Hirsch. Das ist nicht weggesprungen. Ich sag, so ein Zeichen. Dann hab ich da gestanden, ich war total fertig, war ganz ergriffen. Das sind die Zeichen, wo Mutter Erde spricht mit mir. Es geht nicht um Bücher, es geht nicht um Fernsehen. Wenn ich ganz alleine draußen bin oder auch mit meinem Mann und Mutter Erde spricht zu mir mit dieser Geste, dann weiß ich die Antwort. Autorin Was das bewirkt, wenn man in der Natur um ein Zeichen bittet, dass kann jede und jeder nur für sich selber ausprobieren. In einer Zeit, die von Geldgier, Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und ungebremstem Konsumverhalten geprägt ist, fragen sich immer mehr Menschen: wie den Kontakt zur Natur und zum Natürlichen im eigenen Leben wiederfinden und vertiefen? Eine Schamanin aus Nepal habe auf so eine Frage von einem Europäer mal folgendermaßen geantwortet, erinnert sich Claudia Müller-Ebeling: Take 18 (Claudia Müller-Ebeling) 0`24 Ich empfehle dir die Schuhe auszuziehen, die Strümpfe auszuziehen und mit nackten Füßen einfach über das taufrische Gras zu gehen und wirklich zu spüren, dass unter deinen Füßen Erde ist und Gras ist und dass du mit matschigen Füßen vielleicht wieder zurückkommst. Genau mit diesen Naturgewalten in Kontakt zu sein, das empfehle ich dir und das würde ich auch Menschen empfehlen. Autorin Claudia Müller-Ebeling schöpft aus ihren jahrzehntelangen Erfahrungen mit anderen Kulturen, die sie in Seminaren und Büchern weitergibt. Auch für Amei Helm ist es ein Herzensanliegen, Menschen wieder an die Natur heranzuführen: Take 19 (Amei Helm) 0`41 Wenn du aus dem Haus gehst, schau doch mal was wächst da. Und nicht nur die Uhr und das Auto und wo muss ich jetzt hin und wie schnell, sondern Fenster, Tür auf und gucken: wer ist denn hier sonst noch außer mir. Dieses wer, diese Jemandhaftigkeit der Natur, dass die Natur nicht nur etwas ist, sondern auch jemand und in dem Moment verändert sich die Beziehung dazu, weil das ein beseeltes Gegenüber ist. Wenn du das kultivieren möchtest, dann brauchst du es einfach nur zu leben, indem du die Augen aufmachst, das Herz aufmachst und sagst: guten Morgen, lieber Baum, der hier seit 30 Jahren steht. Ich hab dich noch nie so richtig wahrgenommen. Autorin Amei Helm lebt in einem kleinen Dorf in der Nähe von Hildesheim. In einem alten Haus mit großem Bauerngarten. „Lied der Erde“ nennt sie ihren Garten. Inspiriert durch Findhorn, einer spirituellen und ökologischen Lebensgemeinschaft in Schottland, schuf sie vor über dreißig Jahren einen Ort, an dem Mensch und Natur sich begegnen können: Take 20 (Amei Helm) 0`39 Die meisten Menschen spüren sofort: hier ist etwas anders. Und sie lassen sich viel eher berühren meinetwegen von der Gestalt eines Baumes oder einem Käfer, der da über den Weg krabbelt oder vor dem Kater, der auf der Bank sitzt, fühlen sie plötzlich eine Verbindung, die sie in ihrem Alltagsleben nicht spüren. Und das ist auch mein Beruf sozusagen. Ich bin die Raumpflegerin dieses Gartens. Also ich stelle mich in den Dienst, dass dieser Garten das sein kann, nämlich ein Begegnungsraum zwischen Mensch und Erde, zwischen Mensch und Natur. Musik 9.... Autorin Es gibt viele Möglichkeiten, die Kraft von Mutter Erde wieder zu entdecken, in sich selbst und um sich herum. Manche gehen den Weg der sog. Naturtherapie oder der Natur-Erlebnis-Pädagogik und finden im begleiteten Naturerleben einen tieferen Zugang zur Natur und zu sich selbst. Andere sprechen mit Tieren und Pflanzen, umarmen Bäume oder verbinden sich über die Füße und innere Bilder bewusst mit der Erde. Christine Schneider arbeitet als Coach und hilft Menschen, zu sich selbst zu finden. Viele seien nur im Kopf, ohne Verbindung zu ihren Gefühlen und zum Boden unter ihren Füssen. Eine gute Erdung könne wahre Wunder bewirken, meint sie: Take 21 (Christine Schneider) 0`45 Dass z.B. Kopfschmerzen nachlassen, dass sie ruhiger sind. Man hört es sogar an der Stimme, ob sie aus dem Kopf reden oder ob sie innerlich beruhigt und geerdet reden. Und die Reflexion, die ich bekomme, dass sie innerlich wie in eine Leere fallen. Das macht durcheinander, die Leere, mit doppeltem e geschrieben. Sie wissen dann nicht, was soll ich jetzt machen, weil sie geprägt waren, immer irgend etwas zu tun. Sie fühlen, dass ihr Körper entspannt, aber der Geist hat jetzt nichts mehr zu tun. Und kann ich das begrüßen? Was mache ich jetzt damit? Und jetzt? Ja nichts. Du bist hier und jetzt. Du stehst fest. In dem Augenblick sind sie verbunden, mit sich und der Erde. (Musik hochziehen.....) Take 22 (Claudia Müller-Ebeling) 0`55 Einfach mal hören, lauschen, schauen, spüren, riechen, schmecken, fühlen. Also einfach die fünf Sinne auf absolute Höchstfrequenz der Wahrnehmung einstellen und spüren, dass wir ein Teil davon sind. Und es ist unglaublich, wenn man das regelmäßig macht, das braucht gar nicht lang zu sein, dann merkt man, dass man wieder so eine Ruhe in sich bekommt und den Kopf frei bekommt für die eigene Muße. Das schärft die eigene Wahrnehmung und macht uns klar, dass wir von dieser Erde und dieser Natur total abhängen. Es gibt nur die Geborgenheit in sich selbst und in der Natur. Autorin Die Fähigkeit, das eigene Erdenleben zu schätzen und die Erde als einen Ort der Geborgenheit erleben zu können, macht gelassen und friedvoll. Christine Schneider erzählt, sie habe in der Hinwendung zu Mutter Erde gelernt, ihre eigene Mutter mit anderen Augen zu sehen und frei zu werden von Prägungen aus der Kindheit: Take 23 (Christine Schneider) 0`30 Ich bin auf Mutter Erde`s Boden. Ja, das ist mein Zuhause und das hat mit der biologischen Mutter gar nichts zu tun, sondern eine Nische zu finden, wo ich sein kann mit mir und der Geborgenheit einer Mutter. Einfach das Gefühl, du brauchst hier nichts tun, du kannst hier sein, es passiert hier nichts. Und dann nehme ich sehr bewusst wahr, dass ich mich da aufgehoben fühle in diesem Augenblick. (Musik hochziehen...) ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------Literaturtipps Manfred Ehmer: Göttin Erde. Kult und Mythos der Mutter Erde Zerling Verlag Berlin 1994 Amei Helm: Der Erde eine Stimme geben. Eine alte Beziehung neu wagen Labyrinth Verlag Braunschweig 2006 Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume. Ludwig Verlag München 2015 Holger Kalweit: Naturtherapie. Initiationsreise zur Erdmutter. Arun Verlag 2007 Joanna Macy: Die Wiederentdeckung der sinnlichen Erde. Wege zum ökologischen Selbst. Theseus Verlag (nur noch antiquarisch) Claudia Müller-Ebeling: Wolf und Bilsenkraut, Himmel + Hölle - Zur Dämonisierung der Natur in: Susanne Seiler (Hg.), Gaia. Das Erwachen der Göttin. Braunschweig: Aurum Verlag 1991: S.163-183 (nur noch antiquarisch) Eckhart Tolle: Eine neue Erde. Bewusstseinssprung anstelle von Selbstzerstörung. Goldmann Verlag 2005 Llewellyn Vaughan-Lee (Hg): Spirituelle Ökologie. Der Ruf der Erde Verlag Neue Erde 2015
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