Foto: Pixelio.de / S. Hofschlaeger Rechtssprechung Spitzensport gegen Spritzensport Ansprüche fairer Sportler gegen Konkurrenten wegen Dopings D oping gewinnt insbesondere durch die zunehmende Kommerzialisierung des Hochleistungssports und den stetig wachsenden finanziellen Anreizen dadurch zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig steigen die staatlichen Bemühungen, dem Doping durch strengere Gesetze wie das erste geplante Anti-DopingGesetz sowie strengere Kontrollen Einhalt zu gebieten. Faire Konkurrenten haben dennoch oft das Nachsehen und sind auf eine Reaktion der Sportorganisationen angewiesen, die jedoch nicht immer zufriedenstellend ist. In diesem Beitrag soll daher der Frage nachgegangen werden, ob der faire Profi-Leistungssportler nicht selbst wettbewerbsrechtlich gegen den dopenden Konkurrenten vorgehen kann. doping I Ausgabe 1/2015 1.Einleitung Bereits 1904 gewann Thomas James Hicks die Olympischen Spiele im Marathonlauf, indem er Brandy mit Strychnin und Eiweiß einnahm. Stolz begründete sein Trainer den Sieg gegenüber den Konkurrenten mit der „richtigen“ Betreuung „… but they lacked proper care on the road“. Erst 60 Jahre später wurden von den Sportverbänden zwar feste Anti-Doping-Regeln eingeführt, jedoch nur vereinzelt deren Einhaltung getestet. 1999 wurde die WADA (World Anti Doping Agency) ins Leben gerufen, dem 2002 die Nationale Anti-Doping Agentur Deutschland (NADA) folgte. Doping kennt auch kuriose Fälle: So wurde 1976 das westdeutsche Schwimmteam mit Luft für die Olympischen Spiele aufgeblasen, um besser im Wasser zu liegen und dabei vom Bundesinnenministerium mit 250.000 DM gefördert. Da die Schwimmer aber bereits im olympischen Dorf aufgepumpt werden mussten, war die 61 Luft bis zum Start bereits komplett entwichen. In den letzten Jahren wächst in Deutschland rasant die wirtschaftliche und die kommerzielle Bedeutung des Leistungssports: Gehälter, öffentliche Fördermittel, Startund Preisgelder und Sponsorengelder führen dazu, dass es einen immer höheren – auch finanziellen – Anreiz gibt, durch Doping höhere Leistungen zu erbringen. Es leidet dadurch nicht mehr nur der faire sportliche Wettbewerb, sondern auch die sich rechtstreu verhaltenden Konkurrenten erfahren erhebliche wirtschaftliche Schäden. Durch Doping verschaffen sich Sportler also einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren ehrlichen Konkurrenten. Trotz der wirtschaftlichen Schäden, die Konkurrenten erleiden, sind – überraschenderweise – bisher keine Gerichtsverfahren oder Entscheidungen bekannt, in denen Sportler gegen ihre dopenden Konkurrenten vorgehen. Dies mag auch daran liegen, dass die Sportler bei Dopingverstößen die Hilfe der Sportorganisationen und der NADA in Anspruch nehmen können. Diese sind aber häufig nicht ausreichend, wie jüngst die ARD aufdeckte. Dank eines ihr zugespielten internen Datensticks des Weltleichtathletikverbandes (IAAF) mit über 12.000 Blutwerten von rund 5.000 Athleten der letzten Jahre, enthüllte sie, dass jeder siebte Athlet auffällige Blutwerte hat. Umso bedeutender ist für den ehrlichen Sportler daher die Frage, ob ihm gegen einen dopenden Konkurrenten direkte Ansprüche nach dem Wettbewerbsrecht zustehen. 2. Ansprüche des ehrlichen Sportlers gegen den dopenden Konkurrenten aus Wettbewerbsrecht Voraussetzung dafür wäre, dass man das Doping im Profisport als eine unlautere geschäftliche Handlung eines Mitbewerbers ansieht, das Wettbewerbsrecht auf sportliche Wettkämpfe also überhaupt anwendbar ist. 1. Geschäftliche Handlung Jedenfalls bezüglich Einzelsportlern im Profibereich kann die Auffassung vertreten werden, dass sie Unternehmer sind und daher in den Anwendungsbereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) fallen. Auch handeln professionelle Einzelsportler – soweit sie selbstständig sind – markt- und unternehmensbezogen im geschäftlichen Verkehr. Wenn man zusätzlich bedenkt, dass Spitzensport ein auf Gewinnerzielung angelegter Beruf ist und hart trainierende Athleten miteinander konkurrieren, für die Sport die Erwerbsgrundlage darstellt, kann man nicht nur von einem „sportlichen“, sondern mit guten Argumenten auch von einem „Wettbewerbsverhältnis“ ausgehen. Es handelt sich dabei um den klassischen 62 Foto: Pixelio.de / Stephanie Hofschlaeger Rechtssprechung Ehrlichen Sportlern stehen gegen ihre dopenden Konkurrenten wettbewerbsrechtliche Ansprüche zu. Fall eines „Verdrängungswettbewerbs“. Dabei ist sowohl Doping in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Wettkampf als auch Doping in der Vorbereitung der Teilnahme an dem Wettkampf wettbewerbsbezogen und daher umfasst. Es wäre dann konsequent, das UWG anzuwenden, und diesen fairen Sportlern wettbewerbsrechtliche Ansprüche zuzugestehen. Die Konkurrenten hätten dann einen rechtlichen Anspruch darauf, dass die sportlichen Leistungen fair erbracht werden, und dass ihre Konkurrenten keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil durch Doping erlangen. 2. Unlauterkeit Zusätzliche Voraussetzung für wettbewerbsrechtliche Ansprüche ist die Unlauterkeit der Wettbewerbshandlung. Diese kann sich aus § 4 Nr. 11 UWG oder aus der Generalklausel des § 3 UWG ergeben. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt ein Profisportler unlauter, wenn er einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Das „Marktverhalten“ beschreibt bei Profisportlern die Art und Weise der Leistungserbringung. Bei der Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG geht es also um die Verhinderung eines Vorsprungs durch Rechtsbruch. Ein Wettbewerb kann nur fair ausgetragen werden, wenn alle Teilnehmer sich an die Regeln halten. Derjenige, der Doping betreibt, spekuliert aber darauf, doping I Ausgabe 1/2015 Rechtssprechung 3. Mögliche Ansprüche Sind die Anspruchsvoraussetzungen erst einmal gegeben, stehen dem ehrlichen Sportler eine Fülle von rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung, gegen den dopenden Konkurrenten vorzugehen, insbesondere bestehen ein Unterlassungs- und ein Schadensersatzanspruch. Er kann also von dem dopenden Konkurrenten das Unterlassen der unlauteren Handlung, des Dopings, verlangen. Gibt der dopende Konkurrent keine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die ihn zur Zahlung einer Vertragsstrafe im Wiederholungsfall verpflichtet, ab, kann der ehrliche Sportler seinen Anspruch auch im Eilverfahren gerichtlich durchsetzen und eine gerichtliche einstweilige Verfügung binnen weniger Tage erwirken. Bei einem wiederholten Doping muss der Konkurrent dann ein Ordnungs- doping I Ausgabe 1/2015 geld von bis zu 250.000 Euro zahlen. Erfolgt das Doping vorsätzlich oder fahrlässig, wie dies in der Regel der Fall ist, hat der ehrliche Sportler zudem Anspruch auf Schadensersatz. Er muss dann so gestellt werden, wie er ohne das Doping seines Konkurrenten stünde. Der dopende Konkurrent muss insbesondere auch den entgangenen Gewinn, also entgangene Preisgelder, negative Auswirkungen auf Werbe- und Sponsorenverträge oder eine Herabsetzung des Imagewerts ersetzen. Schließlich soll erwähnt werden, dass Sportler auch Strafanzeige gegen ihre dopenden Konkurrenten stellen können. Sofern diese verurteilt werden, müssen sie dann sogar bis zu drei Jahre in Haft. 3. Zusammenfassung und Ausblick Ehrlichen Sportlern stehen gegen ihre Konkurrenten, die Doping betreiben, wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz zu. Sie sind daher nicht darauf angewiesen, die Reaktion des Verbandes abzuwarten und können dadurch auch einen Ausgleich für ihre erlittenen Schäden erreichen. Spannend bleibt die Entwicklung im Kampf gegen Doping insbesondere aufgrund des geplanten Anti-Doping-Gesetzes ab 2016. Dieses stellt einen Meilenstein im Anti-Doping-Kampf dar und stellt erstmals in Deutschland auch das Selbstdoping unter Strafe. Damit bleibt zu hoffen, dass das Doping zurückgedrängt wird und der sportlich faire Wettkampf siegt. Zur Person Dr. Thomas C. Körber ist Partner der wirtschaftsrechtlichen Kanzlei ARNECKE SIBETH SIEBOLD Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB am Standort Frankfurt. Er berät in allen Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes mit Fokus auf Lebensmittel- und Pharmarecht, Marken- und Wettbewerbsrecht. Schwerpunkte seiner Beratung sind die Produktentwicklung und Markteinführung, die werbliche Kommunikation, die Packungskennzeichnung sowie die Beratung und Vertretung in Produkthaftungsansprüchen. Tel.: 069 97 98 85 – 454 E-Mail: [email protected] Foto: Körber dass andere sich an die Regeln halten und er sich durch das Doping einen Vorsprung verschafft. Fraglich ist jedoch, ob in Deutschland überhaupt eine solche gesetzliche Vorschrift vorhanden ist. Bisher gab es in Deutschland – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – kein Gesetz gegen Doping, so dass allenfalls auf das Europäische Übereinkommen gegen Doping im Sport zurückgegriffen werden konnte. Dieses Übereinkommen gilt aber nur gegenüber den Mitgliedstaaten unmittelbar, nicht jedoch gegenüber den Sportlern. Am 1. Januar 2016 soll nun erstmals auch in Deutschland ein Anti-Doping-Gesetz in Kraft treten. Dadurch werden nicht nur Strafvorschriften aus dem Arzneimittelgesetz überführt und neue strafbewehrte Verbote eingeführt. Erstmalig wird auch das Selbstdoping in § 3 des AntiDoping-Gesetzes unter Strafe gestellt. Zudem werden nicht nur Dopingmittel, sondern auch Dopingmethoden umfasst. Durch das Anti-Doping-Gesetz sollen sowohl die Integrität des Sports als auch die Chancengleichheit und wirtschaftliche Faktoren geschützt werden. Es soll verhindert werden, dass durch Doping ungerechtfertigte wirtschaftliche Vorteile zu Lasten der ehrlichen Konkurrenten, die im sportlichen Wettbewerb gegenüber den dopenden Sportlern das Nachsehen haben, erlangt werden. Zudem dürfte ein Dopingverstoß auch unter die Generalklausel § 3 UWG fallen. Demnach sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Dies kann nach meiner Auffassung angenommen werden, denn der dopende Sportler verschafft sich durch das Doping einen unlauteren Wettbewerbsvorteil, verfälscht dadurch den sportlichen Wettbewerb und schädigt insbesondere den fairen Konkurrenten auch wirtschaftlich. 63
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