Begeisterung wecken für Biogas & Co.

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GÄUBODEN
aktuell
Mittwoch, 1. Juli 2015
Begeisterung wecken für Biogas & Co.
WISSENSCHAFT ■ Wie das Seminar „NawaRo an Schulen“ bei Jugendlichen die Lust auf neue Technologien fördert
Wege aus der Energiekrise
zu finden, beschäftigt Politiker und Wissenschaftler seit
Jahren. Straubing hat mit seinem
Wissenschaftszentrum
für Nachwachsende Rohstoffe
nicht nur die Forschung, sondern mit Bachelor- und Masterstudiengängen auch die
Lehre direkt am Ort. Relativ
neu ist, dass auch Schülern
das innovative Forschungsfeld
näher gebracht wird – nämlich von Master-Studenten,
die Schulen in Straubing und
Umgebung besuchen.
Im Physiksaal der Ursulinen-Realschule sieht der Unterricht heute anders aus als
sonst: Zwar ist Alexander
Hutterer, der Physiklehrer der
Technikklasse,
im
Raum,
bleibt aber im Hintergrund.
Vorne haben Sonja Forstner,
Sabrina Obermeier und Matthias Feigl bereits auf dem
großen Tisch ausgebreitet,
was die rund 30 Neuntklässlerinnen heute beschäftigen
wird: Da liegt ein Scheit Holz,
daneben stehen zwei Schüsseln, eine mit Pellets, eine mit
Hackschnitzeln gefüllt. Das
Thema: Biomasse bzw. Biogas-Technologie.
Seit 2012 gibt es das Projekt
„NawaRo an Schulen“ für
Studierende des Master-Studienganges. Geleitet wird es
von Joseph-Emich Rasch, der
als Lehrbeauftragter den Studenten auch Rhetorik näherbringt. In seinem Seminar achtet er sehr auf die Sprache:
kein Dialekt, damit dem Unterricht auch jeder folgen
kann, kein Verschlucken von
Silben, und Begriffe, die auch
Laien
verstehen,
darauf
kommt es ihm an.
Die rund 13 bis 20 Studierenden pro Kurs erhalten Unterstützung, müssen aber
auch viel selbst organisieren –
etwa den Kontakt zu den
Schulen und die Ausarbeitung
der Konzepte, die je nach
Fachbereich unterschiedlich
sind. Vor allem Gymnasien
und Realschulen in Straubing
und Bogen haben von diesem
Angebot schon profitiert, heuer ist auch die UlrichSchmidl-Schule und damit
erstmals eine Grundschule
dabei.
Von den Studenten erfordert der Unterricht in unterschiedlichen Jahrgangsstufen
und Schularten, dass sie sich
sprachlich wie inhaltlich an
das jeweilige Niveau der
Schüler anpassen, damit diese
nicht überfordert werden. Unterfordert werden sollen sie
natürlich auch nicht – gelangweilte Schüler wären ein
schlechtes Zeichen für den
Unterricht der Studenten. Sie
wissen: Ihr Dozent beobachtet
aus der letzten Reihe genau,
was und – vor allem – wie sie
es sagen.
In der neunten Klasse der
Ursulinen-Realschule erklärt
Sonja Forstner gerade den
Aufbau des Kompetenzzentrums für Nachwachsende
Rohstoffe, an das das Wissenschaftszentrum angeschlossen
ist. Die Schülerinnen hören
aufmerksam zu. Doch was
sind eigentlich Nachwachsende Rohstoffe? Die 25-jährige
Studentin hat mehrere Definitionen aus unterschiedlichen Jahren parat, die das zunehmende Interesse der Gesellschaft an den organischen
Rohstoffen zeigen.
Anwenden, was man in
der Schule gelernt hat
Nach all der Theorie kommt
Schwung in die Klasse, als die
Schülerinnen dazu aufgerufen werden, gegeneinander –
die Bankreihen an der Tür gegen die am Fenster – anzutreten: Anhand von Bildern sollen sie Nachwachsende Rohstoffe benennen – oft gar nicht
so einfach, wenn nur Muster
gezeigt werden. Gleich beim
ersten Bild stürzen sich die
Mädchen begeistert in den
Wettkampf: „Mais!“, ruft
eine. Eins zu null für die Türreihe. Am Ende gewinnt die
Fensterreihe und die Studenten haben ein Etappenziel erreicht: Die Schülerinnen sind
ganz bei der Sache.
Aufmerksamkeit
binden,
die Schülerinnen zum Mitdenken und -machen anregen,
den Unterricht möglichst interaktiv gestalten – das waren
wesentliche Überlegungen bei
der Vorbereitung. „Wir haben
uns beim Lehrer erkundigt,
wie weit wir vom Stoff her ge-
Voll bei der Sache: Schülerinnen der Technikklasse in der Ursulinen-Realschule. Lehrer Alexander Hutterer beobachtete das Geschehen aus der hintersten Reihe.
Fotos: mein
hen dürfen“, erklärte Sabrina
Obermeier bei unserem ersten
Treffen vor einer Woche. Ein
schöner Nebeneffekt für die
Schülerinnen: Sie können
auch selbst anwenden, was sie
gelernt haben, etwa in einer
Beispielrechnung.
In der Klasse erklären Sabrina Obermeier und Matthias Feigl inzwischen, wie Biogasanlagen und Bioheizkraftwerke genutzt werden und
wie sie funktionieren. Die
24-jährige Studentin zählt
verschiedene Substrate auf,
also welche Stoffe für die Biogasanlage verwendet werden.
Was ein Rapspresskuchen ist,
können die Schülerinnen
gleich beantworten. Aber wer
weiß schon, welche Energiemengen in den einzelnen Substraten stecken? Erstaunlich
viel Biogas lässt sich aus einem Kilogramm Zuckerrüben
gewinnen, nämlich 700 Liter.
Bioabfälle haben immerhin
noch 616 Liter Ertrag. „Aus
den Biogas-Erträgen hat man
eine Methanausbeute von ca.
50 bis 60 Prozent“, erklärt Sabrina Obermeier. Dann geht
es weiter mit der Substrataufbereitung.
Die Bauteile einer Biogasanlage erklärt Matthias Feigl.
„Was könnte das sein“, fragt
der 25-jährige Student und
zeigt mit dem Laserpointer
auf ein grünes Quadrat in der
Skizze, die er an die Wand
projiziert hat. „Das Feld“,
kommt es auch schon zurück.
Das war noch einfach. Doch
die Schülerinnen haben es
drauf, hören aufmerksam den
Ausführungen zu.
Als Matthias Feigl eine Rechenaufgabe
ankündigt,
kommt Bewegung in die Klasse. „Einen Taschenrechner
brauchen wir auch“, sagt er.
Erneutes Kramen in den Taschen, während der Student
die Aufgabe an die Wand projiziert. „Oh mein Gott“, entfährt es einer Schülerin.
Die Aufgabe sieht wirklich
kompliziert aus – vor allem
aus der Sicht der Journalistin,
deren letzter Mathe-Unter-
richt Jahrzehnte zurückliegt.
Bei den Schülerinnen legt sich
der erste Schock. „Eine Mitschülerin
erhält
folgende
Substratmengen für ihre Biogasanlage“, heißt es in der
Aufgabe. Dann werden drei
Substratarten aufgeführt und
eine Formel sowie Angaben
zum Heizwert, Methangehalt
und elektrischen bzw. thermischen Wirkungsgrad gemacht.
Gesucht ist der Biogasertrag
pro Stunde. Die Schülerinnen
stürzen sich in ihre Berechnungen.
„Man muss auf die Einheiten achten“, empfiehlt Matthias Feigl lächelnd. „Nicht
alle sind gleich.“ Ein Stöhnen
ist zu hören. Der Student
rechnet an der Tafel mit, einzelne Schülerinnen nennen
ihre Zwischenergebnisse. Am
Ende nennt eine Schülerin das
Ergebnis – es ist richtig! Sonja
Forstner fragt nach, ob auch
jeder weiß, wie man auf dieses
Ergebnis kommt.
Man merkt: Die drei Studenten haben ihren Unter-
richt gut vorbereitet. Auch
das Wissensniveau der Schülerinnen haben sie richtig eingeschätzt. Nach einem Abschlussrätsel, in dem Begriffe
abgefragt werden, bekommen
die drei schnellsten Schülerinnen Gummibärli zur Belohnung. Dann folgt ein Austausch von kleinen Geschenken: Die Schülerinnen erhalten Leinentaschen des Kompetenzzentrums
Straubing,
der Lehrer eine Flasche Obstler, die Studenten Honig.
Dann wird Bilanz gezogen.
Wie hat sich die Klasse geschlagen? Haben sie es gut gemacht? „Schon“, sagt Lehrer
Alexander Hutterer nicht
ohne Stolz. „Es war ja nicht
ganz einfach. Aber meine
Techniker sind natürlich interessiert.“ Auch ihm hat es gut
gefallen. „Es hat vom Thema
her gut gepasst“, denn der
durchgenommene Stoff sei
auch prüfungsrelevant.
Fazit: „Besser als
jedes Referat“
Die drei „Aushilfslehrer“
sind ebenfalls zufrieden. „Die
Mädels waren echt super“,
sagt Sonja Forstner. Sie hatte
auch am Unterrichten Spaß:
„Das war besser als jedes Referat.“ Alles ging glatt, auch
die Aufgaben wurden von den
Schülerinnen gelöst. Das hat
Sabrina Obermeier beeindruckt: „Ich habe das Bilderrätsel an meinem Freund und
meinen Eltern getestet – die
haben es nicht so schnell gewusst!“
Auch ihr Hochschuldozent
hat nichts auszusetzen: „Sie
haben sich gut eingestellt auf
die Schülerinnen“, meint
auch Joseph Emich Rasch.
„Ich bin sehr zufrieden, sie
haben es sehr gut gemacht.“
Wichtig ist für ihn, dass die
studentischen Experten ihr
Fachwissen verständlich vermitteln. „Im Elfenbeinturm
zu sitzen, hilft uns hier nicht.“
Und die Schülerinnen? Fanden es auch gut. Eva und Stefanie, beide 15 Jahre alt, interessieren sich für Technik.
Stefanie fand das Bilderrätsel
am lustigsten, Eva fand es interessant, wie viel Masse für
die Biogasanlagen verwendet
wird. „Dass es soviel ist, habe
ich noch nicht gewusst.“ Manches haben sie schon im Unterricht durchgenommen. Eva
ist sich sicher: Sie will nach
der Realschule auf die FOS
gehen. „Aber wohin es mich
dann verschlägt, weiß ich
noch nicht.“
Franziska Meinhardt
Infos (etwa über den Studiengang „Nachwachsende Rohstoffe“): Website des Wissenschaftszentrums www.wzstraubing.de.
Lernstoff zum Anfassen: Schülerinnen mit Hackschnitzeln.
Schülern Wissen über NawaRo vermitteln (v.l.): Das war die Seminaraufgabe der vier Studenten Edward Tudose (der im Seminar die Pressearbeit übernahm), Matthias Feigl, Sabrina Obermeier und Sonja Forstner.
„Echt super“ fand Studentin
Sonja Forstner die Mitarbeit
der Schülerinnen.
Lehrbeauftragter Joseph-Emich Rasch behält aus der hinters- Kleiner Dank: Einen von der TUM selbst hergestellten Obstler
ten Reihe seine Studenten im Auge.
bekommt Physiklehrer Alexander Hutterer (r.) geschenkt.
Zum Schluss ein Rätsel: Wer
aufgepasst hat, konnte es
lösen.