Und dann kam alles anders

Fachbereich Sozialwissenschaften
Studiengang Soziale Arbeit
Projektwerkstatt: Soziale Arbeit an der Schnittstelle von Jugendhilfe und Schule
Seminarleitung: Prof. Dr. Jansen-Schulze
Dokumentation einer partizipativen Sozialraumanalyse in
der Jugendbegegnungsstätte im Haus Metternich
Projektleitung: Die Studenten Daniel Lenhart und Karsten Walkembach in Zusammenarbeit mit den
Akteuren der Einrichtung.
„…doch dann kam alles anders.“
1. Projektbeschreibung
Die Projektwerkstatt: „Soziale Arbeit an der Schnittstelle von Jugendhilfe und Schule“
ist Teil der praktischen Studienanteile des Studiengangs „Soziale Arbeit (BA)“ der
Hochschule Koblenz, Fachbereich Sozialwissenschaften. Im Rahmen dieser von
Prof. Dr. Jansen-Schulze angeleiteten Projektwerkstatt, die vom WS 2014/15 bis zum
WS 2015/16 dauerte, führten die beiden Studenten Daniel Lenhart und Karsten
Walkembach ein Projekt zur Sozialraumanalyse durch. Kooperationspartner bei dieser Sozialraumanalyse war die Jugendbegegnungsstätte im Haus Metternich, einem
offenen Jugendtreff des Jugendamtes Koblenz, in Trägerschaft der Stadt Koblenz.
Praktisch unterstützt wurde die Arbeit der Studenten durch die Praxisanleiter Christiane Klein und Jörg Kress, sowie durch die aktive Teilnahme der Besucher als Akteure des Projektes.
Ziel des Projektes war die Ermittlung
einer gemeinsamen Definition des subjektiv bedeutsamen Raumes des Jugendtreffs. Durch die Erarbeitung und
Beantwortung von Fragestellungen zur
individuellen Bedeutung, der vermuteten und tatsächlichen Fremdwahrnehmung des Jugendtreffs, sowie der Rolle der Sozialarbeiter als Akteuren der
Jugendbegegnungsstätte, sollten beobachtbare kommunikative Gruppenprozesse angestoßen werden.
2. Fachliche Grundlagen
Die Evaluation des Projektes basiert auf im Voraus formulierten Zielen. Die Ziele
dienten als perspektivische Ausrichtung, als handlungsleitende Orientierung im praktischen Handeln und als Grundlage der Überprüfung der Wirksamkeit nach Abschluss des Projektes (vgl. Girke/Große 2003, S.23). Grundlegender theoretischer
Hintergrund der Projektwerkstatt war die systemtheoretische Betrachtung des Systems von Mensch und Umwelt als einander bedingende und beeinflussende Faktoren (vgl. Luhmann, 2012, S. 242 f.).
Vorrangiges Arbeitsprinzip der Projektwerkstatt war die Partizipation der Jugendlichen, da frühe Partizipationserfahrungen in Schule oder Freundeskreis ein zentraler
Pfeiler späterer gesellschaftlicher Beteiligung sind (vgl. Streib 2015, S. 40). Darüber
hinaus ging es bei diesem Projekt darum, lebensweltorientierte Sozialarbeit im Interesse des Klientels aufzunehmen und auch vertreten zu können, ebenso sollte ein
Mitbestimmungsrecht auf Planung, Gestaltung und Durchführung von Angeboten
gesichert werden, da Partizipation über Kooperation geht (vgl. Thiersch 1992, S. 33
f).
Die sozialräumlichen Wahrnehmungen sollten aus dem Blickwinkel der Zielgruppe
erfasst werden. Dabei wurde berücksichtigt, dass eine sozialräumliche Analyse der
Lebenswelt der Jugendlichen nach Bedarfen und nach Anforderungen für Institutionen fragt (vgl. Deinet, 2013, S. 60). Diese Auswertung erfolgte im Anschluss an das
Projekt durch die Fachkräfte.
3. Ziele
Richtziel
Der/Die Jugendliche nimmt seine Lebenswelt bewusst wahr und setzt sich mit den
neu gewonnenen Erkenntnissen auseinander.
Grob- und Feinziele
Grobziel 1: Der/Die Jugendliche nimmt am Projekt teil.
Feinziele:

Der/Die Jugendliche schildert seine lebensweltlichen Wahrnehmungen.

Der/Die Jugendliche erscheint zu einem vereinbarten Termin.

Der/Die Jugendliche erhebt mit den Studenten relevante Daten oder Raster.
Grobziel 2: Der/Die Jugendliche schafft eine konstruktive und vertrauensvolle Atmosphäre.
Feinziele:

Der/Die Jugendliche beschreibt seinen eigenen Sozialraum differenzierter.

Der/Die Jugendliche äußert offen seine sozialräumlichen Wahrnehmungen.

Der/Die Jugendliche tauscht sich mit anderen über seine sozialräumlichen
Wahrnehmungen aus.
Grobziel 3: Der/Die Jugendliche definiert ein Abschlussevent und führt es durch.
Feinziele:

Der/Die Jugendliche organisiert die Vor- und Nachbereitung.

Der/Die Jugendliche setzt die Planung kreativ um.

Der/Die Jugendliche nimmt am Event teil.

Der/Die Jugendliche nutzt seine Fähigkeiten und Fertigkeiten.
4. Zielgruppe
Die Zielgruppe bestand aus den Besuchern der Jugendbegegnungsstätte im Haus
Metternich. Als Hindernis erwies sich bei der Durchführung des Projekts das unregelmäßige Erscheinen der Jugendlichen, so dass die Studenten mit immer wechselnden Gruppen zusammenarbeiten mussten.
5. Durchführung
In der ersten Phase des Projektes war die Beziehungsarbeit, die Kontaktaufnahme
der Studenten mit den Besuchern des Jugendtreffs vorrangig. Auf der Basis dieser
Beziehungsarbeit sollte die weitere partizipative Zusammenarbeit erfolgen. Die Studenten besuchten gemeinsam einmal wöchentlich die Jugendbegegnungsstätte, um
z.B. zusammen mit den Jugendlichen zu kochen, Billard zu spielen oder zu Kickern.
So konnte langsam eine echte Beziehung zu verschiedenen Akteuren des Jugendtreffs entstehen. Sehr bald wurden die verschlossenen oder bewusst ablehnenden
Verhaltensweisen der Jugendlichen offener und die Studenten durften die echten
Charaktere dahinter, deren Themen und Interessen, kennenlernen.
In der zweiten Phase des Projektes wurden die Kontakte intensiver und persönlicher.
Durch gemeinsame Aktionen, wie die Teilnahme an Konzerten, das Vorbereiten des
Thekenabends oder die Durchführung kleinerer Renovierungsarbeiten, entstand zwischen den Studenten und Jugendlichen eine vertrauensvolle Beziehung. Besonders
die Teilnahme und Mitwirkung der Studenten beim „XXL Übernachtungswochenende“ in der Jugendbegegnungsstätte, bei dem von Freitag bis Sonntag ein Filmprojekt
durchgeführt wurde, war für die Beziehungsarbeit von großer Bedeutung. (Videoclip
„Lieb doch wie du willst“ auf der Homepage: www.haus-metternich.de) Die Kooperationspartner bei diesem Projekt zum Thema Diversität und Vielfalt waren das „Institut
für Medienpädagogik des Landes Rheinland- Pfalz“ aus Koblenz, sowie „Queernet
RLP e.V.“ aus Mainz. In persönlichen Gesprächen am Rande der Erstellung eines
interaktiven Videoclips, konnten dabei immer wieder individuelle Einblicke in Lebenswelt und Themen der Jugendlichen gewonnen werden. Für die letzte Phase des
Projektes war dies wesentlich, da die Studenten die Durchführung an den Belangen
der Akteure orientieren wollten, um deren Partizipation sicherzustellen.
In der dritten Phase, einer zweiwöchigen Intensivphase der Studenten in der Jugendbegegnungsstätte, wurden in der ersten Woche im Hauscafé gemeinsam mit
den anwesenden Jugendlichen drei Plakate erstellt. In aktiven Diskussionen wurden
die zentrale Fragestellung, die Ermittlung einer gemeinsamen Definition des subjektiv
bedeutsamen Raumes des Jugendtreffs, erarbeitet und die notierten Antworten der
Akteure bewertet. Ausgehend von der kommunikativen Erörterung innerhalb der
Gruppe war eine Neubewertung der individuellen Wahrnehmungen und der subjektiven Wahrheiten zu erkennen.
In der zweiten Woche wurden Fragen
im Plenum erarbeitet, die anlässlich
des
Tages
der
UN-Kinderrechts-
konvention von Besuchern des Schängelmarktes beantwortet werden sollten,
um die tatsächliche Fremdwahrnehmung
der
Jugendbegegnungsstätte
festzuhalten. Während beider Wochen
war ein Prozess zu beobachten, in
dem die Jugendlichen innerhalb der
Gruppe
einzelne
Meinungen
und
Statements hinterfragten und hierdurch gemeinsam zu neuen Erkenntnissen der Selbst- und Fremdwahrnehmung gelangten. Die erhaltenen Antworten der Passanten, bezüglich bekannter niedrigschwelliger Angebote für Kinder und Jugendliche der Stadt Koblenz, sowie die positiven Äußerungen gegenüber der dort beschäftigten Sozialarbeiter entsprachen
nicht den Erwartungen der Jugendlichen. Die Durchführung der Interviews, außerhalb der regulären Öffnungszeiten der Jugendbegegnungsstätte, bedeutete eine persönliche Entwicklung der interviewenden Mädchen, denen das Ansprechen fremder
Menschen weniger schwer fiel, als sie selbst erwartet hatten. Insgesamt wurden in
den zwei Wochen insbesondere die Rolle und Bedeutung der Sozialarbeiter, als bedeutende Akteure des Hauses Metternich, kontrovers diskutiert.
Das Abschlussevent in Form einer Übernachtung im Haus Metternich mit Videoabend wird noch von den Jugendlichen geplant.
6. Fazit
Um den Belangen und Interessen der Jugendlichen zu entsprechen, änderten die
Studenten das geplante Konzept des Projektes während des Verlaufs vollständig,
ohne die gesetzten Ziele zu vernachlässigen. Um ihrem Anspruch der Partizipation
als Arbeitsgrundlage gerecht zu werden, mussten die Studenten ein hohes Maß an
Flexibilität beweisen. Dieser schwierige Prozess wurde erst durch kollegiale Beratung
zwischen den Studenten möglich. Aus Sicht der Studenten wurden alle gesetzten
Ziele erfüllt, aber völlig anders als geplant. (Partizipation – Sozialraumanalyse fällt
weg) Die Studenten halten fest, dass die tatsächlich gelebte Partizipation im Rahmen
der Jugendförderung, in einem offenen Jugendtreff, eine fordernde und oft schwierige Aufgabe darstellt.
Gez. Daniel Lenhart und Karsten Walkembach
Deinet, Ulrich: Innovative Offene Jugendarbeit. Bausteine und Perspektiven einer sozialräumlichen Offenen Kinder - und Jugendarbeit.
Verlag Barbara Budrich (Opladen, Berlin, Toronto), 2013
Girke, Gabriele/ Große, Charlotte: Der Weg zum erfolgreichen Projekt- Entwicklung, Umsetzung und Präsentation von Projekten an Schulen, Institut für berufliche Bildung und Weiterbildung e.V. (Göttingen), 2003
Luhmann, Niklas: Soziale Systeme- Grundriß einer allgemeinen Theorie, Suhrkamp Verlag (Frankfurt am Main), 15. Auflage 2012
Streib, David: Partizipation von Jugendlichen in benachteiligten Lebenslagen: Eine Untersuchung aus dem Blickwinkel der offenen Jugendarbeit, Diplomica Verlag GmbH (Hamburg), 2015
Thiersch, Hans: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit, 1992, 8. Auflage, Weinheim 2012
Anhang:
Pressemeldungen der Stadt Koblenz und des Ministeriums für Integration, Familie,
Kinder, Jugend und Frauen Rheinland-Pfalz.
Die auf Plakaten festgehaltenen Antworten der Besucher-innen der Einrichtung sowie die für das Interview am Kindertag angefertigten Interviewkarten: