08 Lehrerinterview Dieses Mal: Herr Holst Name: Uwe Holst Geburtstag: 05.01.1967 Fächer: Geschichte, Physik, Mathe An der Domschule seit: 2001/2002 Hobbies: Handball Lebensmotto: Carpe diem! Schulz: Herr Holst, was erwarten Sie von diesem Interview? Uwe Holst: Naja, ich wollte mich eigentlich überraschen lassen. Schulz: Sie sind ja im Allgemeinen ein sehr beliebter Lehrer. Was sagen Sie dazu? Holst: Oh, Beliebtheit kann wechseln. Es kann auch nicht Ziel sein, ein beliebter Lehrer zu sein, denn die Frage ist auch immer bei einem Schüler, worauf sich Beliebtheit begründet. Jemand, der nie Hausaufgaben aufgibt, kann genauso beliebt sein wie jemand, der einen fantastisch durchstrukturierten Unterricht macht, wo jeder Schüler auch wahnsinnig viel Stoff mit nach Hause nimmt und deswegen sagt: „Es war so toll in dieser Stunde und ich hab total viel gelernt“, und den Lehrer deswegen einfach toll findet. Deshalb ist Beliebtheit eine ambivalente Geschichte. Daher denke ich mal, wenn Schüler was aus dem Unterricht mitnehmen und auch sonst sagen, dass sie mit mir als Persönlichkeit was anfangen können, einen deshalb OK finden, dann finde ich das aus meiner Sicht auch soweit OK. „Beliebtheit kann wechseln.“ Schulz: Haben Sie gleich auf Lehramt studiert? Holst: Ja, ich habe von vorneherein auf Lehramt studiert. Schulz: Wie kommen Sie zu Ihren nicht nah beieinander liegenden Fächern Geschichte und Physik? Schulz: Warum wollten Sie Lehrer werden? Holst: Das ist eine etwas längere Geschichte. Um es nur mal kurz zu fassen: Ich habe auch als drittes Fach Mathematik studiert, und Mathe und Physik liegen recht dicht beieinander. Als es dann ans Examen ging, habe ich irgendwann den Geldhahn zugedreht bekommen von zu Hause, sprich da hieß es: „Wir möchten jetzt endlich mal, dass du fertig wirst.“, und da war ich mit Mathe noch hinten dran, deswegen habe ich in Geschichte und Physik das Examen gemacht und Mathe nicht ganz zu Ende studiert. Deshalb unterrichte ich Mathematik auch nur als „Neigungsfach“, aber auch sehr gerne. Holst: Die Frage habe ich schon öfter gehört und auch mir selber gestellt. Es ist tatsächlich so, dass meine Eltern auch beide Lehrer sind, meine Großeltern auch alle vier Lehrer gewesen sind. Ich denke mal, dass der Wunsch, Lehrer zu werden, darin begründet liegt, dass ich eine sehr schöne Kindheit gehabt habe, wo wir in einer Dienstwohnung nahe einer schönen alten Schule gewohnt haben, wo hinter der Schule auch ein schöner alter Schulgarten mit Apfelbäumen, Eichen und Buchen war, in dem man auch sehr schön Verstecken spielen konnte. Deswegen bin ich mehr oder weniger im Umfeld Schule groß geworden, und weil das alles so schön gewesen ist, habe ich gesagt, das möchte gerne immer so mit Herrn Holst sein. Darüber ist damals eigentlich schon recht früh bei mir der Wunsch entstanden, Lehrer zu werden. Ich denke mal, dass ich mir schon seit Klasse 8/9 ziemlich sicher war, dass ich das werden will und auch alles dann danach ausgerichtet habe. Da war schon der Wunsch da, Lehrer zu werden, weil ich es einfach schön und toll auch als Schüler in Erinnerung habe und als Schüler selber Schule schön gefunden habe. Es hat mir also immer Spaß gemacht und ich bin immer gerne zur Schule gegangen und deswegen lag das auch sehr eng beieinander, die eigene Kindheit, später die eigenen Erfahrungen in der Schule, die durchweg auch zum Teil negativ gewesen sind. Ich habe auch Lehrer gehabt, bei denen sich mir die Nackenhaare gesträubt haben und ich da mehr oder minder gesessen und gebibbert habe, dass ich bloß nicht drankomme bei denen, denn jedes mal, wenn man eine Antwort gab, konnte man nicht sicher sein, was als nächstes passiert – das möchte ich gar nicht abstreiten. Aber im Großen und Ganzen habe ich auch viele tolle Lehrer gehabt und es hat mir immer Spaß gemacht. Ich weiß wohl, dass es auch einige Lehrer gibt, die behaupten, ich wolle es besser machen als meine ehemaligen Lehrer, aber ich denke, ich habe auch viele gute Lehrer gehabt. Deshalb hat sich dieser Wunsch auch nie anders ausgelegt, dass ich irgendwann gesagt habe, „Nee, war doch eine blöde Idee“. Ich habe es immer gerne werden wollen und bin auch echt glücklich, dass ich es geworden bin. Es macht auch immer sehr viel Spaß. Schulz: Warum muss man bei Ihnen immer „Gegeben“, „Gesucht“ und „Formel“ hinschreiben? Meinen Sie, dass man Arbeiten nicht auch ohne diese Formalitäten lösen kann? Uwe Holst: Man kann, das will ich nicht in Frage stellen. Es kommt oft vor, auch nach meinen Erfahrungen, dass Schüler und Schülerinnen Schwierigkeiten mit Textaufgaben haben. Und wenn ich die Textaufgabe schon nicht verstehe, dann kann ich auch nicht zu einer Lösung kommen, deswegen ist mein Ansatz der, dass ich eine Formalität vorgebe, wo selbst ein Schüler, der sagt „Was will der jetzt mit dieser Aufgabe von mir?“, weiß, „OK, ich habe einen gewissen Ablauf, den soll ich einhalten. Deshalb guck ich im Text nach: Was steht da eigentlich drin, was für Größen habe ich? Und dann: Was ist eigentlich gesucht?“ Also erstmal die Frage auch überhaupt verstehen: „Was will der jetzt von mir?“ Und dann ist der Rest mit Formel und ausrechnen eigentlich ein Selbstgänger. Ich habe festgestellt, dass gerade Schülerinnen und Schüler, die mit 09 den Naturwissenschaften ein bisschen auf Kriegsfuß stehen und das nicht ihr Lieblingsfach ist, was ich durchaus auch verstehen kann, so eine Chance haben, zumindest über die Formalität, die Aufgabe lösen zu können. Leute, die sehr gut sind, die sofort die Aufgabe durchschauen, würden in der Regel auch ohne können. Nur muss ich an die ganze Breite der Klasse denken, und da habe ich eben alles von hochmotiviert und immer interessiert bis überhaupt nicht motiviert oder schwer zu motivieren und eher desinteressiert. Aber die müssen sich letztendlich auch, und das finde ich wichtig, zumindest die Kompetenz aneignen, dass sie auch für eine Sache, die sie nicht mögen, zu- Traumberuf Lehrer. Es kam nie der Gedanke: „Nee, war doch ne blöde Idee.“ mindest in der Lage sind, die Aufgabe zu verstehen, worum es geht und noch besser, dann eben auch zur Lösung führen können. Denn viel später wird man in den verschiedensten Berufen auf Teilgebieten zu tun haben, wo man zu Anfang ran geht und sagt: „Das finde ich aber merkwürdig, das versteh ich nicht.“ Und da muss man sich erst einmal eine Taktik erarbeiten. Für die Physik bietet sich diese Taktik mit „Gegeben“ und „Gesucht“ einfach gut an, und ich weiß auch, dass es vielen geholfen hat. Von daher quäle ich alle damit, in der Hoffnung darauf, dass sich niemand benachteiligt fühlt oder sagt: „Wenn der das nicht muss, muss ich das auch nicht.“, und dann klappt es eben einfach nicht. 10 Traumkombination Schulz: Was halten Sie von der Domschule und generell von ihren Kollegen? Uwe Holst: (lacht) Wenn wir jetzt von der Domschule sprechen, dann nehme ich Schüler- und Lehrerschaften zusammen. Da muss ich sagen, dass ich mich hier sehr wohl fühle. Das ist auch eigentlich das, was auch schon alles aussagt. Dass man hier mit netten Schülern zu tun hat und mit sehr netten Kollegen, mit denen man auch sehr gut zusammenarbeiten kann. Dass man sowohl unter den Schüler als auch unter den Kollegen jemanden hat, bei dem man sagt: „Naja!“, ist eine Erfahrung, die jeder irgendwo sammelt, denn es ist ganz klar, dass man mit einigen auch seine Probleme auszutragen hat, aber das ganze, und das ist für mich die Domschule irgendwo schon, ist eine Wohlfühl-Schule, hier kann man sich wohlfühlen. Wenn man es gerne möchte, besteht hier diese Möglichkeit dazu. Und das tue ich eben auch sehr, und fühle mich sowohl unter den Kollegen als auch unter den Schülern sehr wohl. Schulz: Was halten Sie vom Ausgang der Landtagswahlen in Schleswig-Holstein? Meinen Sie, die Rot-Grüne Regierung mit der Tolerierung des SSW hat Chancen, etwas durchzusetzen? Uwe Holst: Das ist natürlich eine schwierige Sache, denn je nachdem, welche Regierung zustande kommt, diese ja auch meinen Dienstherren stellt, da muss ich mich natürlich auch etwas vorsichtiger ausdrücken. Grundsätzlich möchte ich dazu sagen: Noch ist Rot-Grün nicht gewählt! Ich bin sehr gespannt, ob das klappt, und alles, was danach kommt, da müssen wir uns überraschen lassen. Das Schulwesen an sich muss sich weiterentwickeln, wir können nicht stehen bleiben. Aber auch da möchte ich zu sagen: Dass die eine oder andere Partei die 100%ig besseren Konzepte hat, das ist sehr schwierig, da wird man sicherlich immer auf Erfahrung zurückgreifen müssen. Was ich aber grundsätzlich sagen kann ist, dass ganz allgemein diese Pisa-Diskussion, und das ist meine persönliche Meinung, viel zu sehr in den Vordergrund geschoben wird, und dass es leider leider in der Hauptsache immer wieder um Finanzen geht. Ich würde es ehrlicher finden zu sagen: „Wir wollen das Schulwesen ändern, weil wir es nicht mehr bezahlen können!“ anstatt zu sagen: „Wir wollen irgendetwas verbessern.“, von dem man letztendlich gar nicht weiß, ob es eine Verbesserung ist, denn die skandinavischen Länder, die so gern immer als tolle Modelle hingestellt werden, haben A) ihre eigene Tradition, B) ihre eigenen Erfahrungen damit gesammelt und C) auch ihre eigene Entwicklung genommen. Es ist ja nicht so, wenn wir jetzt sagen würden, ab morgen ist die Domschule eine Einheitsschule, wir schicken jetzt alle hierher, die im Umkreis der Domschule wohnen, dann ändern wir ja nicht den Lehrkörper, der hier unterrichtet, und der ist ein Unterrichten von Gymnasiasten gewohnt, und da werden die sich schon schwer tun, wenn auf einmal ein total gemischtes System vorhanden ist, weil das Unterrichten ganz anders ist. Und die Frage ist, ob die Lehrer wirklich dies schaffen, inwieweit die Lehrer in der Lage sind, das finnische Modell, wenn wir das mal als das Supermodell anpreisen, auch zu kopieren. Ich muss ja auch die Lehrer dazu haben, die das können. Von daher kann der Schuss auch bös nach hinten losgehen. Ich bin sehr skeptisch, aber ändern werden wir hier vor Ort nichts können. Wir werden gucken müssen, was passiert. Dann werden wir es wissen. Wir werden uns darauf einstellen müssen, das erfordert auch die Berufsauffassung, dass man da das zu tun hat, was gesagt wird. Aber ich kann nicht versprechen, dass es besser wird. Also, da weiß ich nicht, ob die Politiker da nicht etwas zu blauäugig rangehen. Das ist mal dahingestellt, aber das ist wie gesagt eine Bewertungsfrage, da kann man auch zu einer ganz anderen Bewertung kommen. Geschichte & Physik Schulz: Was hören Sie eigentlich für Musik? Uwe Holst: Ich hör Pop. Hauptsächlich Pop, aber auch Klassik und Rock, schon ein bisschen gemischt, aber das, was ich am liebsten und am meisten höre ist eigentlich Pop. Schulz: Wie finden Sie denn die Schulz? Uwe Holst: Ich habe alle Auflagen zu Hause liegen und finde, dass die Schulz sehr viel bietet, aber auch das gleiche Problem hat wie die Schülerzeitung an meiner ehemaligen Schule, dass die Spannweite, von Klasse 5 bis Klasse 13, um für alle wirklich was zu bieten, auch im gleichen Rahmen, unheimlich schwer ist. Das fällt auch bei jeder Ausgabe wieder auf, dass der Spagat da ganz schön groß ist. Ich denke mal, dass das meiste eher für den oberen Teil von 9 bis 13 ausgelegt ist und dass die Unteren da wirklich zu kurz kommen, aber es ist schwierig, das ausgeglichen zu gestalten. Was ich mir noch mehr wünschen würde, aber das ist natürlich auch immer schwierig von denen zu machen, die die Redaktion an sich bilden, wäre, dass auch von schulischen Veranstaltungen berichtet wird, die nicht in der Schule stattfinden. Zum Beispiel „Jugend trainiert für Olympia“. Es kommt immer mal wieder ein Bericht, aber meines Erachtens einfach zu selten. Es wäre schön, wenn sich da mal Leute finden würden, die das mal konkreter in die Hände nehmen würden, denn gerade der Sportbereich macht bei uns in der unteren Mittelstufe sehr viel aus, wir sind mit sechs Handballmannschaften unterwegs gewesen, die Fußballmannschaft ist immer unterwegs und auch die Leichtathleten. Da müsste man mal mehr versuchen, das bekannt zu machen. Was für Erfolge wir auch zum Teil errungen haben. Es muss nicht immer gleich Berlin sein, aber das ist auch von der Sportart abhängig. Es wäre schön, wenn es da mal öfter einen Weg in die Schulz finden würde. Aber da müsst Ihr auch gucken, inwieweit Ihr das überhaupt schafft. Letzten Endes ist das ja auch ein Hobby, dass Ihr das macht. Schulz: Schauen Sie eigentlich jedes Wochenende auf diversen Internetseiten nach, wie sehr Ihre Schüler gefeiert haben? Uwe Holst: Oh, da brauch ich gar nicht auf so vielen diversen nachzugucken, es reichen eigentlich so zwei-drei und da kann man ja immer mal gucken. Da ich damals auch motiviert worden bin von den Machern der Seite, mir das mal anzugucken, gucke ich mir das gerne regelmäßig an... (lacht) 11 Schulz: Sie sind ja ein Lehrer, der sich sehr für seine Schüler einsetzt. Wie sieht für Sie der perfekte Lehrer aus? Uwe Holst: Also, ich bin das jedenfalls nicht! Aber auch da stehen wir wieder an der Stelle, dass jeder Schüler ein anderes Bild vom Lehrer hat, das er gerne haben möchte. Von daher kann es in diesem Sinne keinen perfekten Lehrer geben. Das wäre auch schade, denn bei einem perfekten Lehrer würde die Menschlichkeit ein bisschen verloren gehen. Und wenn man immer nur perfekte Lehrer hat, wird es doch auch langweilig. Es ist doch für einen Schüler auch mal toll, ein Erfolgserlebnis zu haben, dass auch der Lehrer mal einen Fehler gemacht hat. Insofern wäre das wirklich schade, wenn einem Schüler auch mal der Erfolg verloren geht, irgendwann mal etwas besser gewusst zu haben, oder dass der Lehrer mal etwas an die Tafel geschrieben hat, wo er sich verschrieben hat, wo man mal zeigen kann, dass man auch mitarbeitet, mitgekommen ist und den Lehrer auch mal kritisch beobachtet. Ich denke, wir Lehrer sind ja dazu da, um Schüler zu kritischen Menschen zu erziehen, und dann muss ich als Lehrer auch selbst in der Lage sein, Kritik zu ertragen. Ob die dann berechtigt ist, ist eine andere Frage, aber das kann man ja auch versuchen, mit auszusortieren. Aber wenn ich perfekt wäre und man nie irgendetwas finden würde, das man an mir kritisieren könnte, dann glaube ich nicht, dass ich Ihnen durch eigenes Beispiel zeigen kann, dass man auch in der Lage sein muss, sich kritisieren zu lassen, darauf auch gelassen zu reagieren und versuchen, wenn die Kritik berechtigt ist, das auch umzusetzen. Lehrer sind auch irgendwie als Beispiele da, aber wenn wir zu perfekt sind, taugen wir nicht als Beispiel. Schulz: Es gibt ja immer diesen Wettstreit zwischen Chemikern und Physikern um das Atom-Modell zum Beispiel. Was sagen Sie dazu? Uwe Holst: Ja, da sag ich immer zu, dass die Chemie die Physik der äußeren Atomhülle ist. Und von daher haben die Physiker Recht! Herr Holst über... ... Schüler, die zu viel feiern: Pech gehabt! ... die Schüler aus seinen 10. Klassen: (lacht) Doppeltes Pech! ... Schalke 04: Schon OK! [ jub ] & [ pbx ]
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