Louise Fitzhugh Harriet Spionage aller Art Aus dem amerikanischen Englisch von Inge M. Artl Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG Fitzhugh_Harriet_CC14.indd 2-3 03.09.2015 11:15:40 Lizenzausgabe des Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG , Hamburg, für die ZEIT Edition »Bücherschatz«, 2015 Inhalt Harriet – Spionage aller Art 7 Nachwort der ZEIT 262 © Die amerikanische Originalausgabe erschien 1964 unter dem Titel Harriet the Spy. © 1964 by Louise Fitzhugh, illustrations by Louise Fitzhugh, copyright renewed © 1992 by Lois Anne Morehead Für die deutschsprachige Ausgabe © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2009 ZEIT -Nachwort © Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG , Hamburg 2015 Umschlagillustration: Ute Krause Umschlaggestaltung: Ingrid Wernitz Satz und Repro: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck Herstellung: Torsten Bastian (verantwortlich), Dirk Woschei Printed in Germany ISBN 978-3-944227-78-8 Fitzhugh_Harriet_CC14.indd 5 03.09.2015 11:15:40 I. Teil Fitzhugh_Harriet_CC14.indd 6-7 03.09.2015 11:15:40 1. Kapitel Harriet versuchte, Sporti zu erklären, wie man Stadt spielt. »Zuerst denkst du dir einen Namen für die Stadt aus. Dann schreibst du die Namen von allen Leuten auf, die darin woh nen. Man darf nicht zu viele nehmen, sonst wird es zu komp liziert. Ich nehme meistens fünfundzwanzig.« »Hmmmm …« Sporti warf seinen Fußball in die Luft. Sie spiel ten im Hof von Harriets Haus in der 87. Straße Ost in Manhat tan in New York. »Wenn du weißt, wer in der Stadt wohnt, erfindest du für jeden eine Arbeit, Mr Charles Hanley gehört die Tankstelle an der Ecke, zum Beispiel.« Harriet sprach nachdenklich. Sie saß unter dem großen Baum und beugte sich so tief über ihr Notizheft, dass ihr langes glat tes Haar auf den Heftrand hing. »Willst du nicht Fußball spielen?«, fragte Sporti. »Nein, spiel du lieber Stadt mit mir. Du hast noch nie Stadt gespielt, und es macht Spaß. Die Tankstelle kommt hier hinter die Biegung am Berg. Das musst du dir merken, Sporti, damit du weißt, wo sie ist, falls da mal was passiert.« Sporti klemmte seinen Fußball unter den Arm und trat näher. »Das ist bloß eine alte Baumwurzel, kein Berg«, sagte er. »Das ist ein Berg, jedenfalls von jetzt an.« Harriet schaute zu ihm. 9 Fitzhugh_Harriet_CC14.indd 8-9 03.09.2015 11:15:40 Sporti trat einen Schritt zurück. »Sieht trotzdem bloß wie eine alte Wurzel aus«, murmelte er. Harriet schob sich das Haar aus der Stirn und sah ihn ernsthaft an. »Sporti, was willst du mal werden, wenn du groß bist?« »Baseballspieler oder Fußballer, das weißt du doch.« »Nun, und ich werde Schriftstellerin. Und wenn ich sage, das ist ein Berg, dann ist das auch ein Berg.« Harriet wandte sich zufrieden wieder ihrer Stadt zu. Sporti legte seinen Fußball vorsichtig auf den Boden, kauerte sich neben Harriet und schaute über ihre Schulter in das Notiz heft, in dem sie eifrig schrieb. »Sobald du die Namen für alle Männer hast und für die Frauen und Kinder, musst du jedem einen Beruf geben. Du brauchst einen Arzt, einen Rechtsanwalt …« »Und einen Indianerhäuptling«, unterbrach Sporti. »Nein, aber jemanden, der beim Fernsehen ist.« »Woher willst du wissen, ob’s in der Stadt eine Fernsehstation gibt?« »Wenn ich sie doch selbst erfinde. Außerdem muss mein Vater bei dem Spiel mit dabei sein.« »Dann soll meiner auch dabei sein.« »Okay, Mr Jonathan Fishbein kann der Schriftsteller sein.« »Und er soll einen Sohn haben wie mich, der für ihn kocht.« Sporti wippte auf den Absätzen auf und ab und sagte mit Sing sangstimme: »Und er soll elf Jahre sein, genau wie ich, und eine Mutter haben, die fortgegangen ist und alles Geld hat, und wenn er groß ist, wird er Baseballspieler.« »Nein«, sagte Harriet missbilligend. »Das ist doch dann nicht mehr erfunden. Hast du nicht begriffen, worum es geht?« Sporti dachte einen Augenblick nach. 10 Fitzhugh_Harriet_CC14.indd 10-11 »Nein«, sagte er. »Ich werd’s dir erklären.« Harriet stand auf und kniete dann auf der weichen Erde nieder, damit sie sich über das kleine Tal zwischen den beiden großen Baumwurzeln beugen konnte. Hin und wieder warf sie einen Blick in ihr Notizbuch, aber die meiste Zeit starrte sie ange spannt auf die moosige Niederung, aus der ihre Stadt bestand. »Also, Mr Charles Hanley ist eines Abends spät allein in sei ner Tankstelle. Er will gerade die Lichter ausknipsen und nach Hause gehen, denn es ist schon neun Uhr und Zeit, dass er schlafen geht.« »Aber er ist erwachsen!« Sporti betrachtete aufmerksam das Fleckchen im Moos, auf dem die Tankstelle stand. »In dieser Stadt gehen alle Leute um halb zehn schlafen«, sagte Harriet bestimmt. »Ach so …« Sporti wippte wieder ein wenig auf den Absätzen auf und ab. »Mein Vater geht um neun Uhr morgens schlafen. Ich begegne ihm manchmal, wenn ich aufstehe.« »Um die gleiche Zeit ist Dr. Jones im Krankenhaus, weil Mrs Harrison ein Baby bekommt. Hier ist das Krankenhaus, das Kreiskrankenhaus von Carterville.« Harriet zeigte auf das andere Ende der Stadt, und Sporti schaute auf die linke Wurzel. »Und was macht Mr Fishbein, der Schriftsteller?« »Er ist in der Bar, und die ist hier.« Harriet wies auf das Ortszen trum und starrte wie hypnotisiert auf ihre kleine Stadt hinunter. »Mr Hanley will also gerade zumachen, da kommt ein großes langes, schwarzes Auto angebraust und hält vor der Tankstelle. Ein paar Männer springen heraus, und sie haben Pistolen und überfallen Mr Hanley und klauen ihm alles Geld, und dann tanken sie noch und bezahlen nicht dafür und verschwinden 11 03.09.2015 11:15:40
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