Gründen in Baden-Württemberg: Günter Roth und der Biomolekül

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Gründen in Baden-Württemberg: Günter Roth und der
Biomolekül-Kopierer
Dr. Günter Roth leitet die Arbeitsgruppe „Microarray Copying“ am Zentrum für
Biosystemanalyse (ZBSA) der Universität Freiburg. Mit seiner Entwicklung eines BiomolekülKopierers will der studierte Physiker und Biochemiker bald aus der Uni ausgründen – BioCopy,
so der geplante Firmenname. Mit BioCopy und den zukünftigen Produktlinien AptaSWIFT und
immune2day haben Roth und sein Team bereits viele Preise gewonnen. Im Interview mit Mia
Kühn von der BIOPRO Baden-Württemberg erklärt er, wie der Kopierer funktioniert und wie es
mit seinem Gründungsprojekt weiter gehen soll.
Herr Roth, worum geht es bei Ihrer Entwicklung?
Auf diesem Chip sind durch eine Lupe die Vertiefungen sichtbar, in denen die biochemischen Prozesse ablaufen.
Diese Kavitäten sind wabenförmig angeordnet und messen nur je 50µm im Durchmesser. © BIOPRO / Mia Kühn
Wir bauen eine Art Biomolekül-Kopierer, der ähnlich wie ein Fotokopierer funktioniert: Dabei
nutzen wir einen Chip, der sehr viele kleine Kavitäten, also Vertiefungen, auf der Oberfläche
trägt. Das sieht aus wie Honigwaben, nur dass jede Kavität gerade einmal 50 µm im
Durchmesser misst, was in etwa der Dicke eines Haares entspricht. In jeder einzelnen Kavität
lassen wir eine separate biomolekulare Reaktion ablaufen, eine PCR beispielsweise, wodurch
wir für jeden ursprünglich in der Kavität enthaltenen DNA-Strang exakte Kopien erstellen.
Diese werden direkt an die Oberfläche der Chip-Abdeckung gebunden. Jede Kavität erzeugt
damit ein Pixel DNA auf der Oberfläche und wir kopieren so ein DNA-Mikroarray. Der
Kopiervorgang kann vielfach wiederholt werden. Außerdem haben wir neben der DNA-zu-DNAKopie zudem die Möglichkeit DNA-zu-Protein- und DNA-zu-RNA-Kopien zu machen. Für die
Produktion der Biomolekül-Kopien verwenden wir die ganz klassischen biomolekularen Mixe,
die der Biologe schon seit 30-40 Jahren kennt: PCR-Mix ( DNA-Kopie), Transkriptions-Mix (RNAKopie) und Zellfreie-Proteinexpression-Mix (Protein-Kopie). Das ist sozusagen unsere Tinte. Aus
der Kombination dieser kleinen Kavitäten mit der Biochemie entsteht unser Kopierer, der auf
Daumennagelgröße bis zu 100.000 verschiedene Pixel und damit Biomoleküle kopieren kann.
Und mit diesem Projekt planen Sie eine Ausgründung aus der Uni Freiburg?
Genau, BioCopy ist der Kopierer an sich, sozusagen unser Grundwerkzeug. Die einzelnen
Projekte – beziehungsweise zukünftigen Produktlinien – bauen darauf auf, dass man den
Kopierprozess geschickt für die jeweilige Anwendung optimiert. Im Projekt AptaSWIFT
identifizieren und kopieren wir Aptamere, also Oligonukleotide, die sehr spezifisch an eine
Zielstruktur binden. Aptamere gelten als die nächste Generation der Antikörper und gute
Aptamere zu finden ist im Moment noch sehr aufwendig. Für die Identifizierung haben wir
verschiedene Oligonukleotide als Ausgangs-DNA im Array und bringen diese über Mikrofluidik
mit dem Molekül in Kontakt, das sie binden sollen. Im Folgenden analysieren wir, welche die
bindungsstärksten Varianten sind. Diese Aptamere können wir dann gezielt wiedergewinnen
und vervielfältigen.
Dr. Günter Roth ist Leiter einer Arbeitsgruppe am Zentrum für Systembioanalyse der Universität Freiburg. ©
BIOPRO / Mia Kühn
Man kann den Kopierer aber auch für die Entwicklung von Impfstoffen einsetzen. Im Projekt
immune2day planen wir die cDNA eines Virus oder eines Bakteriums zu nutzen, um daraus
zunächst die DNA zu kopieren. Aus dieser DNA-Vorlage generieren wir im Kopierer die
entsprechenden Proteine und können dann mithilfe der im Blut von Überlebenden enthaltenen
Antikörper die potenziellen Impftargets identifizieren, an die die Antikörper binden. Die
identifizierten Proteine können herauskopiert und als Impfstoff für eine aktive Immunisierung
eingesetzt werden. Was die neue Methode für die Impfstoffentwicklung bringt, ist vor allem der
Zeitgewinn. Das gesamte Verfahren – Impftarget-Findung, Impfstoffentwicklung und Zulassung
– dauern im Moment etwa ein Jahr. Mit immune2day können wir den Zeitraum um drei,
eventuell sogar sechs Monate verkürzen, sodass die Impfung schon nach der Hälfte der Zeit zur
Verfügung steht. Zusätzlich wollen wir als neues Produkt Antikörper für eine passive
Immunisierung anbieten. Mit unseren Mikrofluidik-Methoden können wir aus dem Blut von
Überlebenden einer Infektion auch noch Zellen gewinnen, die protektive Antikörper gegen den
Erreger produzieren. Da wir diese so schnell finden, können wir bereits nach einer Woche in die
Produktion der Antikörper mithilfe von Zellkulturen gehen. Diese Immunisierung kann dann
Helfer in Krisengebieten für einige Wochen schützen oder die Überlebenswahrscheinlichkeit
von bereits erkrankten Personen erhöhen.
In dieser Weise bauen wir jetzt gerade verschiedene Projekte auf. Wir haben bereits 40
unterschiedliche Anwendungsgebiete des Kopierers skizziert, aber es wird sicher noch einige
mehr geben. Also genug Arbeit für etliche Jahre. Auch das diesjährige Freiburger Team für den
internationalen Studierenden-Wettbewerb iGEM hat sich dazu entschlossen den Kopierer für
eine Blutanalyse anzuwenden. Im Prinzip so ähnlich wie immune2day, nur das deren DiaCHIP
bereits bekannte Impfstoffe kopiert und damit dann das Blut analysiert. So kann man
feststellen, ob das Blut dem Erreger bereits ausgesetzt war.
Sie waren bei vielen Wettbewerben sehr erfolgreich. Wirkt sich das auf das
Fortschreiten des Gründungsprojekts aus?
Die wachsende Aufmerksamkeit für die Methode macht es uns natürlich viel leichter, mit den
Investoren in Kontakt zu kommen. Nachdem das Video unseres Pitches beim Stuttgarter
RegionalCup des Elevator Pitches auf YouTube stand, erhielten wir die ersten Anfragen: sowohl
von Investoren, die im mittleren vierstelligen Bereich Geld anlegen wollten, als auch von
solchen, die knapp unterhalb der Million investieren wollen. Mit Letzteren stehen wir nun in
Verhandlungen, um die Firmengründung voranzutreiben. Eine andere Investitionsquelle, über
die wir gerade diskutieren, ist Crowdfunding. Sehr viele private Business-Angels aber auch
kleinere Anleger haben schon nachgefragt – auch aufgrund der Wettbewerbe. Wenn es nach
uns geht und wir das Geld zusammen bekommen, wollen wir Ende des Jahres mit etwa 4 Mio.
Euro gründen.
Wie bewerten Sie das Potenzial Ihrer Gründung?
Bei den Aptameren bin ich mir sehr sicher, dass wir Fuß fassen können. Wie schnell wir dann
wachsen, wissen wir nicht. Es wird zwar als sehr solides Geschäft beurteilt, aber wächst
vielleicht nicht schnell genug für manche Investoren. Die spekulieren eher bei den Impfstoffen
auf das große Geld. Wenn wir als Erstentwickler einen neuen Impfstoff liefern, bringt das um
die 100 Mio. Euro ein. Es gibt aber auch Investoren, die in Kauf nehmen, dass es länger dauert
bis sich die Investition auszahlt. Für diese zählt mehr der gesellschaftliche Wert in Form
geretteter Menschenleben, als die potenziellen Millionengewinne.
Sie haben einige Patente für Ihren Biomolekül-Kopierer angemeldet. Haben Sie
dabei Hilfestellung bekommen?
In meiner Doktorarbeit habe ich DNA-Mikroarrays nicht kopiert, sondern gedruckt, ähnlich wie
im Zeitungsdruck. Als ich am IMTEK (Institut für Mikrosystemtechnik , Uni Freiburg) angefangen
habe, ist die Idee gereift, dass man die Methode zu einem Kopierprozess weiterentwickeln
kann. Dort habe ich dann das erste Patent angemeldet. Das lief alles über die Uni und ich hatte
Glück, dass in der Patentanmeldung das Potenzial erkannt wurde und man den Antrag als
förderungswürdig eingestuft hat. Die Anmeldung haben wir dann gemeinschaftlich erstellt:
Geschrieben habe ich, zusammen mit den Patentanwälten wurde alles nochmal
durchgesprochen und die Uni hat für den Papierkram gesorgt. Da war also ein bisschen Glück
dabei, unter den vielen anderen Patentanmeldungen erkannt zu werden. Aber auch vonseiten
der Uni haben wir bei allen Patentanmeldungen viel Hilfe erhalten, über die ich sehr froh bin.
Denn diese Patente stärken natürlich letztendlich die Firmenausgründung.
Wie wichtig ist denn ein gutes Netzwerk für ein Gründervorhaben?
Es ist natürlich gut, wenn man viele Leute kennt. Wenn man ein gutes Netzwerk hat, kann das
viele Türen öffnen. Da ist aber auch viel Glück dabei: Einen meiner besten Kontakte der letzten
Jahre habe ich auf einer Zugfahrt zurück aus Berlin getroffen. Wir nutzten nur zufällig dasselbe
Abteil und haben daraus eine Kooperation und ein EU-Projekt aufgebaut. Sich bekannt machen
kann man eher über Preisverleihungen, Messen, Tagungen und Vorträge, wie zum Beispiel auf
dem Forum Gesundheitsindustrie der BIOPRO im letzten Jahr. Sehr hilfreich war bisher auch
der Biotech Guide der BIOPRO, in dem die Biotech-Firmen im Land dargestellt werden. Da hat
auch das iGEM-Team der Uni Freiburg, das ich mitbetreue, sehr viele Firmen identifiziert, die
anfragt wurden wegen eines Antikörpers oder für die Messung einer Blutprobe beispielweise.
Wie sehen Sie die bisherige und zukünftige Entwicklung Ihrer Methode?
An diesem Prototyp wird die Methode im Labor der AG Roth getestet und optimiert. Auch das Freiburger iGEM-Team
2015, das von Dr. Günter Roth mitbetreut wird, nutzt diesen Biomolekül-Kopierer. © BIOPRO / Mia Kühn
Ich bin sehr zufrieden: Das Team ist toll, die Experimente laufen sehr gut und ich kann sagen,
dass ein Großteil mehr als zufriedenstellend funktioniert. Es ist noch viel Optimierungsarbeit zu
leisten, damit es jedes Mal funktioniert. Das ist wie beim Fotokopierer am Anfang auch.
Chester Carlson von Xerox ist am Vorführabend ein Prototyp seines Kopierers ausgebrannt.
Das war natürlich kein glücklicher Start, sie haben aber Xerox trotzdem hinbekommen. Man
muss sich einfach in die Lage versetzen, wie so ein Kopierer noch vor 20 Jahren funktionierte.
Da machte man sich immer noch Sorgen, obwohl das Gerät schon 60 Jahre in der Entwicklung
war. Wir sind mit unserem Biomolekül-Kopierer jetzt auf dem Stand auf dem der XeroxKopierer vor etwa 25 Jahren war. Wir haben Punkte an denen wir optimieren müssen, aber wir
sind ja auch noch ganz am Anfang.
Wenn wir genug Investoren zusammenhaben, können wir hoffentlich in zwei bis drei Jahren
einen Kopierer vorstellen, den jeder im Labor bedienen kann. Nach dem Motto: hier kommt das
Virus rein, morgen Abend ist der Impfstoff da. Die Methode hat so viel Potenzial und ich würde
mich tierisch freuen wenn das alles klappt und später – wie der Fotokopierer hier im Büro – in
jedem Labor unser Biomolekül-Kopierer steht.
Fachbeitrag
31.08.2015
Mia Kühn
BIOPRO
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Dr. Günter Roth
Tel.: 0761 203-97167
Fax: 0761 203-5116
E-Mail: guenter.roth(at)zbsa.uni-freiburg.de
AG Roth, Universität
Freiburg
freiGEM, iGEM-Team der Uni
Freiburg
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Gründung und Gründer in verschiedenen Phasen
Biotechnologie als Innovationsmotor der pharmazeutischen Industrie
Dr. Günter Roth und sein Team gewannen im Juni 2015 mit ihrem 3-Minuten-Pitch zum Projekt immune2day das
Landesfinale des Elevator Pitch BW. © Elevator Pitch BW
In diesem Versuch testen Roth und sein Team, wie man einen zuvor angewendeten Impfstoff im Hasenblut
nachweisen kann. In den ersten Schritten des Tests wird das System mit Blut von nicht-geimpften Hasen kalibriert.
Danach leuchten dann bei geimpftem Hasenblut die potenziellen Impfstoffe auf: je heller desto stärker die
Impfreaktion. Dann folgen Kontrollen, welche den Test verifizieren und nochmals die Sicherheit, dass der richtige
Impfstoff-Kandidat gefunden wurde, erhöhen. © AG Roth
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