Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden.

Evang.-meth. Kirche, Alterszentrum Wesley-Haus, Basel
Predigt von Pfr. Josua Buchmüller, 26. September 2015
Dein Wille geschehe
wie im Himmel, so auf Erden.
Matthäus 6,10
Was ist Gottes Wille?
Was geschieht, wenn Gottes Wille geschieht?
Es gibt Redensarten, aus denen man schliessen
könnte, wenn Gottes Wille geschehe, geschehe
immer ein Unglück. „Um Gottes willen!“ ist ein
Ausdruck des Erschreckens, wenn etwas Schlimmes, Trauriges, Unfassbares geschehen ist. Für
das Unerklärliche scheint es nur eine Erklärung
zu geben: Es muss wohl Gottes Wille gewesen
sein.
Aber nicht alles, was geschieht, ist Gottes
Wille. Viel Böses und Trauriges müsste nicht geschehen, wenn die Menschen nach Gottes Willen
fragen und sich danach richten würden. Gottes
Wille ist nicht einfach überhaupt alles, was geschieht. Gottes Wille, das ist eben buchstäblich
das, was Gott will: Was er beabsichtigt, was er
vorhat, was er sich wünscht, was er von uns erwartet, was ihm gefällt und woran er sich freut.
Wenn wir wissen wollen, was Gott will, müssen
wir also nicht nur unsere eigenen Lebenserfahrungen oder das Weltgeschehen betrachten und
dann fragen: Kann das Gottes Wille sein? Oder
aufbegehren und sagen: Wie kann Gott das zulassen? Wenn wir wissen möchten, was Gottes
Wille ist, dann müssen wir auf das hören, was
uns Gott selbst in seinem Wort, in der Bibel,
darüber sagt.
Gott will, dass allen Menschen geholfen werde (dass alle Menschen gerettet werden) und sie
zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1 Tim 2,4)
– Das ist der Wille Gottes!
Schon durch den Propheten Ezechiel hat Gott
seinen Heilswillen verkünden lassen mit der rhetorischen Frage: Habe ich etwa Wohlgefallen am
Tod des Gottlosen und nicht vielmehr daran, dass
er umkehrt und am Leben bleibt? (Ez 18,23)
– Das ist der Wille Gottes!
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an
ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das
ewige Leben haben. – Das ist der Wille Gottes,
wie Jesus es dem Pharisäer Nikodemus gesagt
hat (Joh 3,16).
Das also ist der Wille Gottes: Dass wir nicht
verloren gehen. Dass allen Menschen geholfen
werde. Dass wir an Jesus Christus glauben, in
dem Gottes Liebe menschliche Gestalt angenommen und sich für uns hingegeben hat bis in den
Tod am Kreuz. Gottes guter Wille, uns Menschen
zu helfen, ist nicht nur ein schöner Wunsch geblieben. Um diesen Willen Gottes ist es Jesus
gegangen, als er vor seinem Tod zum Vater im
Himmel gebetet hat:
„Nicht wie ich will, sondern wie du willst.“
Im Garten Gethsemane hat Jesus um das Ja zu
Gottes Willen gerungen: Mein Vater, wenn es
möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber;
doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!
Und dann noch einmal: Mein Vater, ist es nicht
möglich, dass dieser Kelch an mir vorübergeht,
ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille!
(Mt 26,39.42).
In jener Nacht der Anfechtung ist es nicht nur
darum gegangen, dass Jesus den Weg ans Kreuz
als sein Schicksal annimmt und sich dem Willen
Gottes passiv fügt. Jesus hat aktiv die Rolle übernommen, die Gott ihm zugedacht hat in seinem
Heilsplan für alle Menschen. Weil Jesus bereit gewesen ist, den Einsatz zu leisten, den der Vater
von ihm erwartet hat, ist Gottes Heilswille für
uns Menschen Wirklichkeit geworden.
Was wäre wohl geschehen, wenn Jesus die
Zumutung von sich gewiesen und gesagt hätte:
Nein, Vater, das geht zu weit! Ich habe schon
genug für die Menschen auf mich genommen.
Aber das, nein, das nicht! – Es ist müssig, darüber zu spekulieren, was Gott dann getan hätte.
Jesus hat Ja gesagt zu dem bitteren Kelch und
hat den Willen Gottes getan. Der Wille Gottes ist
geschehen, indem Jesus gehorsam gewesen ist.
Nicht, weil er eh nicht anders konnte, sondern
weil er nichts anderes wollte als das, was der
gute Wille des Vaters war. Am Kreuz hat Jesus
den Willen Gottes zu unserer Rettung erfüllt –
den guten Willen Gottes getan für mich und für
dich.
Mit Jesus beten: „Dein Wille geschehe!“ –
Was heisst das?
Das heisst auch für uns nicht, dass wir uns nur
passiv ins Unangenehme, ins Unvermeidliche und
Unverständliche schicken, das uns nun einmal
vom Herrgott oder vom Schicksal zugemutet
wird. Vater, dein Wille geschehe – das ist kein
fatalistisches „So Gott will – Inschallah! – mein
Gott, so mach halt, was du willst; ich kann ja eh
nichts dagegen machen.“ Wenn wir beten: Dein
Wille geschehe! dann ist das
(1) ein dankbares Annehmen
dessen, was Jesus nach dem Willen Gottes für
uns vollbracht hat. Ich sage damit: Ja, Vater im
Himmel, ich lasse dankbar für mich gelten, dass
du deinen Sohn aus Liebe auch für mich dahingegeben hast. Ich nehme das Geschenk deiner
Liebe an. Ich traue deiner Liebe. Du willst, dass
ich dir gehöre und dass auch ich dich liebe. Ja,
das will auch ich: Ich übergebe dir mein Leben
und will dich lieben von ganzem Herzen. – Wenn
wir beten: Dein Wille geschehe, ist es
(2) eine Bereitschaftserklärung
zu dem, was Gott mit mir und meinem Leben
vorhat. Ich sage zu Gott: Ich glaube, dass du
einen guten Plan für mich und mein persönliches
Leben hast. Ich möchte deinen Plan erkennen,
mir den Weg von dir zeigen lassen und will ihn
gehen. Ich glaube, dass du in deinem grossen
Heilsplan auch einen Platz für mich hast, wo ich
etwas dazu beitragen kann, dass andere Menschen dich kennen lernen und etwas von deiner
Liebe erfahren. Ich bin zu diesem Dienst bereit,
auch wenn ich in meiner derzeitigen Lebenssituation vielleicht Mühe habe, meinen Auftrag gerade
an diesem Ort zu erkennen. Bitte, zeige ihn mir!
– Wenn wir beten: Dein Wille geschehe, ist es
(3) eine Erinnerung
daran, dass es eine zuverlässige Informationsquelle gibt, wo ich mich immer wieder darüber
orientieren kann, was Gott von uns Menschen
erwartet: die Offenbarung seines Willens in der
Bibel. Ich will mich dem Psalmbeter anschliessen, der gesagt hat: „Deinen Willen, mein Gott,
tue ich gern, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen“ (Ps 40,9). Mit dem Gesetz hat der
Beter nicht einen Katalog von Regeln und Vorschriften gemeint, sondern die Gebote Gottes als
Wegweisung für ein gelingendes Leben. Auch ich
will sie mir in Erinnerung rufen und will mein
Leben gern danach richten. Ich möchte, dass mir
das so selbstverständlich wird wie es für Jesus
war: so selbstverständlich und so nötig wie das
tägliche Brot. Als ihn seine Jünger einmal zum
Essen aufgefordert haben, hat Jesus zu ihnen
gesagt: „Meine Speise ist es, dass ich den Willen
dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk
vollende“ (Joh 4,34).
„Wie im Himmel, so auf Erden.“
Jesus hat den Willen Gottes getan. Vom Himmel
her ist alles geschehen, was zu unserem ewigen
Heil nötig war. Aber auf der Erde, bei uns Menschen, ist das noch anders. Wenn wir beten:
Dein Wille geschehe – dann stehen wir immer
neu vor der Aufgabe, den Willen Gottes hier und
heute zu tun. Jesus hat das seinen Jüngern eingeschärft mit den mahnenden Worten: „Es werden nicht alle, die zu mir sagen ‚Herr, Herr‘ in
das Himmelreich kommen, sondern die den
Willen meines Vaters im Himmel tun“ (Mt 7,21).
Aber er hat sie auch mit dem Zuspruch ermutigt:
„Wer den Willen meines Vaters im Himmel tut,
der ist mir Bruder und Schwester und Mutter“
(Mt 15,20).
Paulus und die andern Apostel haben in ihren
Briefen an die jungen christlichen Gemeinden
ihre Leser und Leserinnen angesprochen als Menschen, die Gottes Heilswillen in Christus erkannt
haben. Aber sie sollen nun auch verstehen, was
das für ihr Leben in dieser Welt bedeutet. Darum
fordert Paulus zum Beispiel die Christen in Rom
dazu auf, „zu prüfen, was der Wille Gottes ist:
das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene“
(Rö 12,2).
Zu wissen, was Gott will, ist eigentlich ganz
einfach: Gott will das Gute, das Schöne, das Vollkommene. Aber wir Menschen sind oft schwer
von Begriff. Darum ermahnt Paulus im Epheserbrief: „Seid nicht unverständig, sondern begreift,
was der Wille des Herrn ist.“ Die Christen in
Thessalonich hat er daran erinnert: „Das ist der
Wille Gottes, eure Heiligung“ und dann am Briefschluss erklärt, was das konkret bedeutet: „Seid
allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes
in Jesus Christus für euch“ (1 Th 4,3; 5,16f).
Aber Paulus hat nicht nur zum Tun von Gottes
Willen ermahnt und ermuntert; er hat auch für
seine Leserinnen und Leser gebetet, dass Gott in
ihnen beides bewirken möge: „das Wollen und
das Vollbringen“ (Phil 2,13).
Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden
– so beten wir in der Hoffnung auf das Kommen
seines Reiches, wo Gott alles neu machen wird
und auch auf der Erde nichts Böses mehr geschieht, sondern nur noch das, was Gott gefällt.