ISSN: 1863-4699 BRANCHENFOKUS: Automotive Feststoffdichtungen substituieren ELASTOMER 10 Im Fokus: Entwicklungen auf breiter Front IN!STAND 28 Die notwendige Übersicht behalten TRIALOG DER DICHTUNGS-, KLEBE- UND ELASTOMERTECHNIK 36 03-2015 | € 8,50 Bild: © stockxpert.com 28 | IM FOKUS Entwicklungen auf breiter Front Die Werkstofflösungen werden immer branchenspezifischer und individueller BRANCHENÜBERGREIFEND_WERKSTOFFE – „Neue Werkstoffe und Ohne Frage liegt die Lösung für viele Dich- Compounds eröffnen der tungsanforderungen quer durch alle Bran- Automobilindustrie neue chen in neuen Werkstoffen und Compounds. Perspektiven bei der Dabei sind die Anforderungen in den ein- Reduzierung des zelnen Branchen sehr unterschiedlich. Die Schadstoffausstoßes.“ Statements der Experten bieten vor diesem Robert Veenendahl, Hintergrund auch eher einen Überblick Application and Product über Lösungsansätze und weniger eine Development PTFE unterschiedliche Positionierung von Un- Compounds Europe und ternehmen in einem eng gefassten The- Michael Schlipf, menfeld. Consultant, Dyneon GmbH »1 Wenngleich gegenwärtig sehr viel über E-Mobility diskutiert und geschrieben wird, so werden dem Verbrennungsmotor doch noch einige Jahrzehnte Restlaufzeit zugestanden. In einigen Anwendungen, z.B. in Nutzfahrzeugen oder in Flugzeugen, ist seine Substitution durch Elektroantriebe derzeit technisch noch nicht realisierbar. Mit Hochdruck arbeitet die Industrie deshalb an der Effizienzsteigerung des konventionellen Verbrennungsmotors, um den wachsenden Anforderungen an die Umweltverträglichkeit gerecht zu werden. Einerseits werden Verbrennungsprozesse im Hinblick auf Energieausbeute und Minimierung des Schadstoffausstoßes optimiert, andererseits wird durch reduzierte Leistungsverluste entlang des Antriebsstranges die Effizienz gesteigert. Reibungsarme Dichtungen auf Basis von Fluorpolymeren sind dabei vor allem bei schnelllaufenden Wellen Kernelemente des Optimierungsprozesses. Bisher werden bei Kurbel- und Nockenwellendichtungen PTFE-Compounds mit Glasfaserfüllstoffen eingesetzt. Durch Reduzierung der Lippenstärke der Dichtung erzielt man eine verminderte Anpresskraft und hilft damit die Reibungsverluste zu senken. Diesem Lösungsansatz sind jedoch natürliche Grenzen gesetzt. Einerseits kann entlang der Glasfasern über Kanalbildungsmechanismen bei dünner werdenden Dichtlippen Ölleckage einsetzen. Andererseits sollen Glasfaserfüllstoffe in einer PTFE-Matrix im Hinblick auf reduziertes Abriebverhalten ein Aspekt-Verhältnis L/D von ca. 5 nicht unterschreiten. 03 | 2015 Mit dem neuen Hochleistungswerkstoff 3M Dyneon Compound NST 1111R ist es gelungen, auf Basis eines mineralischen Füllstoffes mit Aspekt-Verhältnis L/D von 1 den Kanalbildungsmechanismus auch bei sehr dünnen Dichtlippenstärken zu eliminieren. Dies ermöglicht eine weitere Reduzierung der Lippendicke, ohne dass dabei störende Ölleckage in Kauf genommen werden muss. Die verbesserten mechanischen Eigenschaften von NST 1111R – im Vergleich zu Dichtungsmaterialien mit Glasfaserfüllstoff – stellen die Folgefähigkeit der Lippendichtung auf Wellenexzentrizität auch bei geringen Anpresskräften und hohen Drehzahlen sicher. Damit stehen Motoren in PKW- und NKW-Antrieben neue Dichtungslösungen mit noch geringerem Leistungsverlust innerhalb des Antriebsstranges zur Verfügung. Da für Fertigung und Montage existierende Produktionsanlagen ohne Veränderung eingesetzt werden können, stehen einer schnellen und umfassenden Markteinführung keine technischen Hindernisse im Wege. »2 Die Verschleißfestigkeit der verwendeten Materialien bestimmt die Lebensdauer von Dichtelementen. Diese ist immer noch oftmals das Betriebsdauer-Nadelöhr zwischen zwei routinemäßigen Instandhaltungen und damit ein zentraler wirtschaftlicher Faktor. Ein Beispiel sind Kolbenkompressoren. Diese verdichten technische Gase in industriellen Anlagen unter Verwendung von Dichtelementen aus PTFE- und PEEK-Werkstoffen. »1 Dichtungen aus neuen Hochleistungscompounds reduzieren Leistungsverluste bei Fahrzeugen Während noch vor wenigen Jahren einige Standard-Werkstoffe für eine ganze Palette an Anwendungen eingesetzt wurden, geht der Trend heute zur Individualisierung von Dichtwerkstoffen. Grund für diesen Trend ist der immer höhere Druck auf die Betreiber im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Während früher die Laufzeit eines Verdichters im kontinuierlichen trockenlaufenden Betrieb von bis zu 8.760 Stunden (ein Jahr) die Maximalanforderung war, sind heute Forderungen nach Laufzeiten der Dichtelemente von zwei bis vier Jahren keine Seltenheit. „Der Trend zur Individualisierung von Dichtwerkstoffen erfordert auch leistungsfähige Charakterisierungsmethoden, damit Materialien heute schnell auf die jeweilige Applikation abgestimmt werden können.“ Dr. Marc Langela, Leiter Forschung & Entwicklung, STASSKOL GmbH Dies erfordert aber exakt auf die individuelle Anwendung abgestimmte Werkstoffe. Die Eignung eines Materials hängt von dem zu komprimierenden Gas, dessen Feuchte, dem Gegenlaufwerkstoff und den Betriebsparametern des Systems ab. Die Verschleißeigenschaften des Materials hinsichtlich dieser Einsatzbedingungen werden durch die Auswahl und Konzentration von Füllstoffen zur mechanischen Verstärkung und von Additiven zur Verbesserung der Schmierwirkung bestimmt. Um die Inhaltsstoffe der Materialien möglichst schnell und effizient hinsichtlich einer einzelnen Anwendung anpassen zu können, wurden eigene Charakterisierungsmethoden entwickelt. So werden neben der Bestimmung der mechanischen Eigenschaften vor allem die Verschleißeigenschaften mithilfe eines oszillierenden Tribometers quantifiziert und somit individuelle Optimierungen ermöglicht. Dabei können die bei der jeweiligen Anwendung herrschenden Betriebsbedingungen (Gasart, Geschwindigkeit, Drücke, Gegenlaufwerkstoff etc.) so exakt wie möglich nachgebildet »2 Zur individuellen Optimierung von Werkstoffen werden z.B. die Verschleißeigenschaften mithilfe eines oszillierenden Tribometers quantifiziert »3 Dichtungen aus Flüssigsiliconen – für immer mehr Produktdesigns der Werkstoff der Wahl »4 Im Zuge der kommenden Trinkwasserverordnung sind TPE die härtesten Konkurrenten für die bisher eingesetzten Elastomere werden. Auf diese Art und Weise gelingt es STASSKOL heutzutage, Materialien kurzfristig und explizit für einzelne Kundenanfragen zu entwickeln. Dieser Trend zur „Individualisierung“ wird sich auch in Zukunft fortsetzen und in Kombination mit modernen Forschungs- und Entwicklungsmethoden ermöglicht er bereits heute Laufzeiten von mehreren Jahren bei trockenlaufenden Kolbenkompressoren sowie eine höhere Wirtschaftlichkeit der Anlagen und eine gesteigerte Kundenzufriedenheit. oder Konsumgüterindustrie, lassen sich auf diese Weise wesentlich einfacher, schneller und vor allem kostengünstiger herstellen. »4 Thermoplastische Elastomere kommen aktuell in immer mehr Dichtungslösungen zum Einsatz. Konsequenterweise arbeiten wir kontinuierlich an der markt- und kundenorientierten Weiterentwicklung unserer TPECompounds und beschäftigen uns gleichzeitig mit neuen Marktbereichen, in denen TPE zum Einsatz kommen können. Aktuell wird an weiteren Materiallösungen der TPSKlasse für den Trinkwasserbereich gearbeitet. In diesem Anwendungsfeld kommen TPE als Dichtungselemente wie auch effektives Ersatzmaterial von PVC für Schläuche zum Einsatz. Thermoplastische Elastomere überzeugen im Vergleich zu Elastomeren mit ihren Verarbeitungsvorteilen. Zudem sind die TPE der „Drinking Water“-Serien nach wichtigen europäischen Zulassungen freigegeben. »3 Branchenübergreifend liegen bei siliconbasierten Kleb- und Dichtstoffen Flüssigsilicone voll im Trend. Die Produktgruppe verzeichnet schon seit Jahren zweistellige Wachstumsraten – und das aus gutem Grund. Flüssigsilicone besitzen chemische, mechanische und rheologische Eigenschaften, die in dieser Form und Qualität kein anderer Werkstoff bietet. Außerdem lassen sich Flüssigsilicone gut verarbeiten, auch komplexe Bauteilgeometrien sind unproblematisch. Sehr gefragt sind derzeit selbsthaftende Flüssigsilicone. Sie sind in der Lage, ohne weitere Substratvorbehandlung von Materialien wie Metall oder Kunststoff einen festen Verbund einzugehen. Die arbeitsaufwändige und oft auch fehleranfällige Vorbehandlung des Untergrunds entfällt. Profile und 2K-Formteile, etwa für die Automobil- Selbsthaftende Flüssigsilicone erlauben Produktdesigns, die bisher nur mit erheblichem technischen Aufwand gefertigt werden konnten und zum Teil auch nur mit dieser Technologie realisierbar sind.“ Peter Summo, Vice President Engineering Silicones, Geschäftsbereich WACKER SILICONES, Wacker Chemie AG Neben diesen allgemeinen Eigenschaften wünschen sich viele Anwender von einem Dichtstoff nicht nur ein gutes Rückstellvermögen, sondern auch einen hohen Weiterreißwiderstand. Wir haben deshalb Flüssigsilicone entwickelt, deren Vulkanisate auch scharfkantigen Gegenständen ohne Weiteres Paroli bieten. Im Trend liegen auch Dichtstoffe, die möglichst glatte, reibungsarme Oberflächen zwecks besserer Montage ausbilden. Auch diese Anforderung lässt sich mit Flüssigsiliconen erfüllen, entweder mithilfe ölausschwitzender Typen, die einen gleitfähigen Ölfilm auf der Oberfläche bilden, oder mit ölfreien Siliconen, die nach der Vulkanisation eine stark reibungsverminderte Oberfläche aufweisen. „TPE empfehlen sich für immer mehr Dichtungsapplikationen – nicht nur im Zusammenhang mit der neuen Trinkwasserverordnung.“ Josef Neuer, Produktmanagement EMEA, KRAIBURG TPE GmbH & Co. KG Aber auch hochtemperaturbeständige TPVBlends für die Automobilbranche, speziell für motornahe Anwendungen, werden derzeit weiterentwickelt. Durch neue Kombina- 03 | 2015 | IM FOKUS Bild: © stockxpert.com 30 »5 Profile aus neuen, nach der EN 45545 zertifizierten Flammschutzmischungen tionen von thermoplastischen Polymeren und vernetzten Elastomeren haben wir die Einsatztemperatur der TPE-Materialien erhöht und damit unser Portfolio erweitert. Diese TPV-Compounds können Anforderungen bis zu 150 °C oder chemische Beständigkeit gegen unpolare Medien, wie z.B. Öle und Fette, erfüllen. Aufgrund der immer anspruchsvolleren Vorgaben der europäischen Automobil-OEM im Innenraum wurden zudem neue TPS-Compounds entwickelt. Mit diesen Materialien können großflächige Bauteile realisiert werden, welche den strikten VOC-Vorgaben der OEM entsprechen und Vorteile bei Herstellverfahren und Design bieten. »5 Bei Werkstoffen werden die Compounds immer wichtiger und hier geht der Trend eindeutig zum Einsatz zertifizierter Mischungen – sowohl im Trinkwasser als auch im Flammschutzbereich. Hier bieten wir Mischungen und Profile nach der EN 45545 zertifiziert an, die die Basis für entsprechende Zulassungen sind. Im Bereich Trinkwasser erwarten wir in den nächsten Jahren eine weitere Verschärfung der Richtlinien, insbesondere für die mikrobiologischen Untersuchungen. Wir haben daher unsere Mischungen bereits nach neuen Untersuchungsmethoden prüfen lassen und sind auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet. Durch die strengen Anforderungen an die verwendeten Rohstoffe für Mischungen im Bereich Trinkwasser, die jetzt vermehrt auch auf europäischer Ebene umgesetzt werden, ist eine Zusammenarbeit mit den Herstellern qualitativ hochwertiger Rohstoffe unabdingbar. Wir erwarten daher, dass einige Rohstoffe ersetzt werden müssen. Zudem sind in Deutschland noch nicht alle notwendigen Rohstoffe zur Herstellung von Elastomermischungen, die unter wirtschaftlichen Aspekten sinnvoll zu verarbeiten sind, in die Positiv-Liste aufgenommen worden. Deshalb arbeiten wir im Arbeitskreis Trinkwasser des wdk mit, um möglichst frühzeitig auf die neuen Anforderungen reagieren zu können. 03 | 2015 „Der Trend geht zu zertifizierten Mischungen – sowohl bei Dichtungen für Trinkwasser-, als auch FlammschutzApplikationen.“ Dr. Andreas Spittel, Geschäftsführer, Compounds AG Im Bereich Flammschutz sind wir bereits jetzt mit steigenden Anforderungen an die Flammschutzeigenschaften, bei gleichzeitig guten bis sehr guten mechanischen Werten der Mischungen konfrontiert. Wir haben unsere Entwicklungsarbeit bereits seit einiger Zeit darauf ausgerichtet und haben gerade eine neue Generation von Flammschutzmischungen, zertifiziert nach der EN 45545 (HL3, R22 - R24), mit einer Bruchspannung von mehr als 8 MPa auf den Markt gebracht. »6 Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit sind nach wie vor zentrale Trends bei der Kautschukentwicklung und hier werden die Grenzen immer wieder neu abgesteckt. Ein Beispiel ist die Werkstoffentwicklung aus Keltan 9565Q. Dies ist eine ultrahochmolekulare EPDM-Variante, die in dynamisch hoch beanspruchten Gummiartikeln durch ihr hohes Molekulargewicht Kenndaten erreichen kann, die bisher NaturkautschukCompounds vorbehalten waren: Seine tan delta-Werte, Reißfestigkeit und Reißdehnung machen Keltan 9565Q zu einer Alternative zu Naturkautschuk. Der neue KeltanTyp schneidet mit Blick auf Sauerstoff-, Ozon-, Witterungs- und Hitzebeständigkeit nach wie vor deutlich besser ab als der ungesättigte Naturkautschuk. So kann er dazu beitragen, Wartungsintervalle zu verlängern und Maschinen noch leistungsfähiger zu machen. »6 Die Anwendungen für Compounds auf Basis von Keltan Eco-Polymeren werden für viele Dichtungen wie hier im Automotivebereich eingesetzt „Bei der Werkstoffentwicklung werden die Grenzen kontinuierlich verschoben. Moderne Werkstoffe für Dichtungen erlauben mehr Systemleistung und/oder eine hohe Nachhaltigkeit – immer auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnitten.“ Niels van der Aar, Leiter Technical Service and Application Development für Keltan EPDM, LANXESS Elastomers B.V. Darüber hinaus haben wir untersucht, wie der CO2-Fußabdruck bei der Verarbeitung „grüner“ Kautschuke weiter gesenkt werden kann. Mit dem EPDM-Kautschuk Keltan Eco bieten wir bereits eine bio-basierte Alternative zu klassischen Synthesekautschuken an. In einer umfangreichen Studie wurde ermittelt, mit welchen Weichmachern und Füllstoffen Gummiartikel aus Keltan Eco noch nachhaltiger hergestellt werden können. Resultat: Mit pflanzlichen Ölen und biobasierten Kohlenwasserstoffen wie Squalan lässt sich in Compounds aus Keltan Eco, dessen Ethylen-Baustein aus nachwachsendem Zuckerrohr gewonnen wird, einiges erreichen. Wichtig ist, dass die Polarität stimmt und ungesättigte Anteile bei der Vulkanisation berücksichtigt werden. Auch Ruß aus der Verbrennung von Altreifen macht hier eine gute Figur. Dessen Einsatz ist nachhaltig, weil dadurch Müll vermieden wird. Was mit diesen Erkenntnissen heute schon erreicht werden kann, wurde mit einer Dichtung für den Einsatz in Automobilen aus Keltan Eco belegt, die zu 90% aus nachhaltigen Komponenten besteht und ähnliche Eigenschaften aufweist wie „klassische“ EPDM-Produkte – inkl. hoher Alterungsbeständigkeit bis 125 °C. »7 Dichtungen aus elastomeren Werkstoffen müssen hohen Umgebungsbelastungen wie Temperatur, Medien und Druck sicher standhalten. Neben technischen Lösungen für immer leistungsfähigere Motoren und Getriebe und damit einhergehend höheren Weitere Informationen IM FOKUS Dyneon GmbH I www.dyneon.eu STASSKOL GmbH I www.stasskol.de Wacker Chemie AG I www.wacker.com KRAIBURG TPE GmbH & Co. KG I www.kraiburg-tpe.com Compounds AG I www.compounds.ch LANXESS Elastomers B.V. I www.lanxess.com »7 Für den Tief- und Hochtemperaturbereich stehen heute Dichtungen zur Verfügung – wie hier z.B. beim Funktionstest eines Zuges im Kältetunnel Temperaturen und Drücken, denen Dichtungen ausgesetzt sind, gibt es auch zunehmende Forderungen aus der Gesetzgebung zur Reduktion von Emissionen (Reibung, Verschleiß) und zur Nutzung alternativer, z.T. hoch aggressiver Kraftstoffe und Schmiermedien. Auch in den Bereichen Trinkwasser, Lebensmittel und Gebrauchsgüter nehmen die Anforderungen nach Sauberkeit, Reinheit und Unbedenklichkeit stetig zu. Dies führt zur stetigen Weiterentwicklung der bestehenden Werkstoffpalette hin zu SpezialElastomeren bzw. auch zum Ersatz von elastomeren Dichtungen durch andere Werkstoffe wie PTFE oder Hochleistungs-TPE. Viele elastomere Dichtungsprodukte sind heute hochentwickelte High-tech-Produkte, die den höchsten Anforderungen an Temperatur, Medieneinsatz und Verschleiß genügen müssen. Die zuverlässige Funktion einer Baugruppe ist auch stark mit der Leistungsfähigkeit einer Dichtung verbunden. Obwohl Dichtungen nach außen hin meistens nicht sichtbar sind, wird ihre Bedeutung dann offensichtlich, wenn es zum Ausfall kommt. Um dies zu vermeiden, müssen die Materialien immer wieder an die entsprechenden Anforderungen angepasst und weiterentwickelt werden. Dabei spielt die Optimierung zum Teil gegensätzlicher Werkstoffeigenschaften eine immer größere Rolle. Die hohen Anforderungen an Hochund Tieftemperaturbeständigkeit, die an Dichtungswerkstoffe gestellt werden, sind eine besondere Herausforderung. „Stetig steigende Anforderungen an Dichtungen treiben die Weiterentwicklung von immer leistungsfähigeren Werkstoffen an.“ Dr. Ernst Osen, Global Material Technology, Dr. Boris Traber, Advanced Material Development, Freudenberg Sealing Technologies GmbH & Co. KG Freudenberg Sealing Technologies GmbH & Co. KG I www.fst.com Die Hoch- und Tieftemperatureigenschaften von Elastomeren werden durch die Polymere bestimmt, die in den Elastomeren eingesetzt werden, d.h. diese geben die grundlegenden Temperatureinsatzgrenzen vor. Ein wichtiger Schritt ist also die Verfügbarkeit geeigneter Polymere. Allerdings gibt es darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten, wie die Verwendung von speziellen Additiven und Weichmachern in den Elastomercompounds. Hier ist i.d.R. das Knowhow des Werkstoffentwicklers gefragt, wenn in der Dichtung nicht nur allein das Temperaturprofil gefragt ist, sondern auch weitere funktionsrelevante Eigenschaften. Diese dürfen durch den Zusatz dieser Additive nicht weiter verschlechtert werden. So besteht die Kunst darin, die Temperatureinsatzgrenzen deutlich zu erweitern, ohne Verluste in anderen wesentlichen Eigenschaften hinzunehmen. Ein gutes Bespiel ist die Entwicklung des Tieftemperatur-NBR-Elastomers für radial-schließende Ventile im Einsatz bei Bremssystemen im Schienenverkehr. In der Regel neigen Tieftemperaturelastomere in Schmierstoffen zu starker Quellung. Mit einem Glasübergangspunkt von -70 °C des Tieftemperatur-NBR bei gleichzeitiger guter Fettbeständigkeit ist nun die Kombination zweier gegensätzlicher Eigenschaften gelungen. Weitere Compounds für Tieftemperaturanwendungen für andere Dichtungsbauteile sind momentan in der Entwicklung. Ebenso ist im anderen Extrem, dem Hochtemperaturbereich, ein FKM-Werkstoff in der Entwicklung, der eine gute Hitzestabilität bei 280 °C aufweist und darüber hinaus ein sehr gutes Hochtemperatursetzverhalten zeigt. Dies ist eine wichtige Größe für statische Dichtungen. Das Beispiel zeigt, dass heute sowohl im extremen Tief- als auch im Hochtemperaturbereich Lösungen für die extremen Anforderungen der Anwender zur Verfügung stehen. 9. 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