Von Ochs und Esel in der Krippe WEIHNACHTEN Mit Darstellungen der Geburt Jesu vermitteln Künstler vergangener Jahrhunderte auch theologische Inhalte. Sie sind heute aber nicht mehr ohne Weiteres erkennbar. JOSEF IMBACH* In den Evangelien steht nichts davon, dass bei der Geburt Jesu ein Ochs und ein Esel bei der Krippe waren. Dennoch würden viele etwas vermissen, wenn sie an der Futterraufe fehlten. Was aber veranlasste die Künstler, dem neugeborenen Kind ausgerechnet diese beiden Tiere beizugesellen? Ausser dem Matthäus- und dem Lukasevangelium berichten auch mehrere apokryphe Evangelien von der Geburt Jesu. Es handelt sich dabei um Erzeugnisse christlicher Schriftsteller aus dem 3. bis 7. Jahrhundert, welche gewisse Ähnlichkeiten mit den vier Evangelien aufweisen. Diese Schriften vermögen mancherlei Brauchtum zu erklären, so unter anderem, wie Ochs und Esel den Weg zur weihnächtlichen Futterkrippe fanden. Erstmals ist davon die Rede in dem wohl im 7. Jahrhundert verfassten Kindheitsevangelium des Pseudo-Matthäus: «Bei der Krippe knieten auch der Ochs und der Esel und beteten das Jesuskind an. So erfüllte sich das Wort des Propheten Jesaja (vgl. Jesaja 1,3): Der Ochs kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.» Vom zerfallenen Palast und mehr Der hier praktizierten Methode der Gegenüberstellung von Altem und Neuem Bund bedienten sich auch die neutestamentlichen Verfasser. Die suchten im Alten Testament nach Belegen, in denen ihrer Ansicht nach das spätere Geschick Jesu bereits angedeutet war. Faktisch handelt es sich bei dieser Art von «Schriftbeweis» um eine «relecture». Konkret bedeutet das: Nach Jesu Tod bedachten Jesu Jünger und Jüngerinnen sein Leben und Sterben neu, im Licht altbundlicher Texte – und brachten dann manche Stellen, in denen sich sein Schicksal zu widerspiegeln schien, mit ihm in Verbindung. Dass und wie dieses Verfahren sich auch und gerade auf die künstlerischen Darstellungen der Geburt Jesu auswirkte, zeigen zahlreiche Bilder, auf denen die entsprechende Szene in einen verfallenen Palast verlegt wird. Es handelt sich um die Ruinen des Palastes des Königs David, des Vorfahren Jesu. Damit setzt der Künstler die Ablösung des Alten durch das Auf diesem Gemälde aus dem 15. Jh. ist der verfallene Palast Davids zu erkennen. Und Josef wird ohne Heiligenschein dargestellt. PD Neue Testament ins Bild – und illustriert so gleichzeitig eine Stelle aus dem alttestamentlichen Amos-Buch: «An jenem Tag richte ich die zerfallene Hütte Davids wieder auf und bessere ihre Risse aus. Ich richte ihre Trümmer auf und stelle alles wieder her.» (Amos 9,13) Häufig ist das Jesuskind in helles Licht getaucht, gelegentlich mit einem sonnenähnlichen Strahlenkranz umgeben. Dabei liessen sich die Künstler (oder Auftraggebenden!) von einer Vision des Propheten Maleachi inspirieren, in welcher der Seher den Tag erschaut, an dem «die Sonne der Gerechtigkeit» aufgehen wird (3,20). Josef kocht für Jesus Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit taucht vor allem im süddeutschen Raum ein Motiv auf, welches lange und zu Unrecht als anekdotische Ausschmückung des Weihnachtsgeschehens betrachtet wurde. Während sich Maria in frommer Anbetung dem Kind zuwendet, denkt Josef ans Essen. Die Kelle in der einen und ein Pfännlein in der anderen Hand rührt er den Brei. Gelegentlich bläst er kräftig in die Glut, um ein Feuer zu entfachen, über dem er die Mahlzeit zubereiten will. Damit illustrieren die Künstler die im Neuen Testament verankerte Überzeugung, nach welcher Josef nicht der leibliche, sondern lediglich der Nährvater Jesu ist. Dieser Sachverhalt wird oft zusätzlich noch dadurch unterstrichen, dass der kochende Josef in einen Mantel gehüllt ist. Auf diese Weise soll angedeutet werden, dass Jesus ein Mantelkind, will sagen der Adoptivsohn Josefs, ist. Ausser- oder voreheliche Kinder wurden im Mittelalter legitimiert, indem der Vater im Lauf einer öffentlichen Zeremonie seinen Mantel über sie breitete. 1179 legte Papst Alexander III. fest, dass eine solche Legitimation ausschliesslich durch die nachfolgende Ehe der Eltern erfolgen konnte. Kinder, die auf diese Weise in den Genuss des Rechtsstatus gelangten, bezeichnete man als filii mantellati, als Mantelkinder. Der hl. Josef – eine Abseitsgestalt? Die daran zweifeln, ob Jesus tatsächlich ‹nur› ein Mantelkind des heiligen Josef war, befinden sich keineswegs in schlechter Gesellschaft. Auf vielen mittelalterlichen Bildern der Geburt Jesu verhält dieser sich so, als würde ihn das ganze Geschehen überhaupt nicht betreffen. Gelegentlich wendet er dem Neugeborenen und seiner Mutter gar den Rücken zu. Wenn er die Augen nicht geschlossen hat, ist sein Blick ganz nach innen oder in die Ferne gerichtet. Dann wieder erweckt er den Anschein eines Mannes, der bestellt, aber nicht abgeholt wurde. Dieser Eindruck trügt. Josef ist nicht abwesend; er grübelt nach. Bedenken, von denen der Evangelist bereits vor Jesu Geburt berichtet hat, scheinen sich erneut zu regen in seinem Herzen. War es vielleicht doch nicht Gott, sondern ein ihm unbekannter Mann, der da seine Hand (und nicht nur die) im Spiel hatte, als seine Braut schwanger wurde (vgl. Matthäus 1,18–24)? Dieses in der Kunstgeschichte als Josefszweifel benannte Motiv ist übrigens nicht der Grund, warum der rechtliche Vater Jesu im Gegensatz zu Maria und dem Jesuskind auf mittelalterlichen Bildern häufig keinen Heiligenschein trägt. Tatsächlich lag es den Künstlern fern, ihn wegen seiner Zweiflerei abzustrafen. Das liegt daran, dass der heilige Josef innerhalb der Heilsgeschichte über Jahrhunderte hin eine blosse Randexistenz führte. Die erste bekannte Erwähnung seines Festes am 19. März findet sich in einem um 850 auf der Insel Reichenau entstandenen Heiligenverzeichnis. Seit dem 14. Jahrhundert waren es insbesondere die Bettelorden, die den Josefskult pflegten und förderten. Was den FranziskanerPapst Sixtus IV. 1479 veranlasste, den 19. März zum offiziellen Festtag des Heiligen zu erklären. Seither tritt Josef immer seltener ohne Nimbus in Erscheinung. Anstössiges Motiv Was schliesslich den Josefszweifel betrifft, erregte das Motiv bei den Kirchenoberen zunehmend Anstoss, weshalb es in der kirchlichen Kunst immer seltener wurde und schliesslich um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert fast gänzlich verschwand. Hinweis * Josef Imbach, Franziskaner und Theologe, ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt ist von ihm erschienen: Der gehörnte Mose und eine falsche Madonna. Geheimnisvolle Symbole in der christlichen Kunst, Patmos Verlag, Ostfildern 2015. MEHR ZUM THEMA Morgen in unserer Zeitung: Interview zu Weihnachten mit Bischof Felix Gmür. Botschaft von Weihnachten Erika Trüssel L ieber Leser, liebe Leserin, gehören Sie auch zu den Menschen, die froh sind, wenn Weihnachten vorüber ist, die mit diesem Fest nichts anfangen können oder es sogar hassen? All die Konsumgüter, die uns schon ab Mitte November an Weihnachten erinnern, all die äusseren Zeichen wie Strassenbeleuchtungen, Tannenbäume, Kerzen und vieles mehr, all die Lieder, mit denen wir in der Zeit MEIN THEMA vor dem Fest beschallt werden, machen es Jahr für Jahr immer mehr Menschen schwer, zum Wesentlichen von Weihnachten vorzustossen. Und erst die zum Teil rührseligen Geschichten um ein Kind in der Krippe, die Geburt in einem Stall, frohlockende Engel! Wer kann heute allen Ernstes noch so etwas glauben? Gut, wenn wir all die Äusserlichkeiten weglassen, sogar die Geschichten in der Bibel – denn nur die Evangelisten Matthäus und Lukas haben Kindheitsgeschichten erzählt, aus ganz bestimmten Gründen und für ganz bestimmte Adressaten –, wenn wir also alles weglassen, was bleibt dann von der Botschaft von Weihnachten? Sehr viel, nämlich das Entscheidende: Gott wird in einem Menschen erfahrbar! In Jesus – in seinen Worten und Taten und seinem Sterben – erfuhren die Menschen vor gut 2000 Jahren, dass da ein Gott ist, der alle Menschen bedingungslos liebt, der in und mit ihnen leben will und der Licht in alles Dunkel bringt. Als Wohnstätte suchte und sucht er Herzen, die sich seiner Liebe öffnen. Nicht nur damals, oder nur an Weihnachten, sondern tagtäglich! Haben wir für den besonderen Gast ein Bett bereit? Erika Trüssel, Theologin, Wolhusen Beim Spenden zählt der Wunsch, anderen Gutes zu tun HELFEN Vor Weihnachten unterstützen wir gerne andere Menschen mit Geld. Doch wie, wie viel und an wen wir spenden, sagt immer auch etwas über uns selbst aus. Viermal die Höhe des Zürcher Prime Tower wäre der Dollar-Turm von Mark Zuckerberg, wenn er seine Spende in 100-Dollar-Scheinen aufeinanderstapeln würde. Die Summe: 45 Milliarden Dollar. So viel – 99 Prozent seines Vermögens – will der Facebook-Gründer über die nächsten Jahre für wohltätige Zwecke spenden. Nicht nur Zuckerberg und andere Prominente sind eifrige Spender, auch wir Schweizerinnen und Schweizer gehören zu den grosszügigsten Geldgebern, wenn es darum geht, ein Zeichen der Solidarität zu setzen und weniger Bemittelten zu helfen. Das Spendenvolumen der Schweizer wird auf 1,7 Milliarden Franken jährlich geschätzt. In den vergangenen zwölf Monaten sollen laut einer Umfrage von Demoscope im Auftrag der Stiftung Zewo in der Schweiz 72 Prozent der 15- bis 75-Jährigen einem Hilfswerk Geld gespendet haben. Weitere 9 Prozent können sich vorstellen, in den nächsten zwölf Monaten zu spenden. Nur 15 Prozent spenden gar nicht. Einzig die Iren und Briten mit 74 Prozent sind noch spendabler. ein gutes Gefühl. Denn der Mensch kann Ungleichheiten nicht gut ertragen. Und so ist beim Geben immer auch ein Gewinn dabei. Einerseits ist da zwar ein materieller Verlust, weil man Geld spendet, ohne unmittelbar etwas zurückzuerhalten. «Dem steht aber ein sozialer und emotionaler Nutzen gegenüber.» Spenden beruhe genau auf dieser Reziprozität: Ich helfe in der Erwartung, dass mir auch geholfen wird, wenn ich mal Hilfe brauche. Das ist für von Schnurbein übrigens auch ein wichtiges Indiz für eine gut funktionierende Gesellschaft. Spenden-Spektakel Wie könnte man sich auch in diesen Tagen dem Spenden entziehen, flattern doch derzeit Dutzende von Bettelbriefen ins Haus. Manche locken mit kleinen Geschenken wie Kalendern, Büchlein oder Karten. Andere appellieren direkt ans Gewissen, wie etwa die Caritas, die ihren Einzahlungsschein zwischen zwei Papierbrotscheiben steckt. Mit dem wie echt aussehenden Sandwich wollen sie Geld für arme Familien in der Schweiz sammeln. Am Computerbildschirm poppen Spendenfenster auf, wenn man eine Website anklickt, auf der Strasse versperren junge Fundraiser, die zu humanitären Spenden aufrufen, den Weg. Auch die lieblichen, mit Spendenaufrufen verbundenen Weihnachtsklänge am Fernseher lassen so manche Seele nicht kalt, ebenso wenig das von Radio SRF 3 als wochenlanges Spendenspektakel aufgezogene Happening auf dem Berner Bundeshausplatz rund um die Glasbox. Kein purer Altruismus Das ist alles kein Zufall: Die Vorweihnachtszeit ist die Erntezeit im Spendenbereich. Dann sitzt das Portemonnaie bei den Leuten besonders locker. «Wir Schneller Warm-glow-Effekt Wer spendet, verliert zwar Geld, gewinnt jedoch in anderer Form etwas zurück. Getty sind dann grundsätzlich in einer Dankeshaltung, weil wir im Jahresrückblick sehen, dass es uns gut gegangen ist», sagt Georg von Schnurbein. Er ist Leiter des Center for Philanthropy Studies in Basel und beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema. Deshalb weiss er auch genau, warum wir spenden. Mit Altruismus hat das heute wenig zu tun. Wir geben schliesslich von unserem Überfluss. Aber: Geben gibt – und zwar Man könnte den Betroffenen freilich auch direkt helfen, spendet aber doch meistens einfach Geld. «Es ist eben einfacher», so von Schnurbein. Vor allem aber: «Es setzt ein schneller Warm-glow-Effekt ein.» Eine wohlige Wärme, ein angenehmes Gefühl beim Zeitpunkt der Überweisung. «Helper High» nennt er es auch. Nur ein Drittel der Menschen engagiert sich direkt. «Zeit ist heute wertvoller als das Geld.» Ein wichtiger Grund, weshalb wir spenden, ist die Wahlfreiheit, die wir dabei haben. Während wir als Steuerzahler beim Staat oft wenig Einfluss haben, wie unser Geld eingesetzt wird, können wir hier selbst entscheiden, wer eine Spende erhält und wie hoch diese sein soll. Dabei spielt übrigens das persönliche Budget weniger eine Rolle. Es spenden nicht nur die Superreichen. Zwar hat eine Untersuchung ergeben, dass tendenziell solche mit höherem Einkommen mehr Geld ausgeben. Relativ gesehen, geben aber ärmere Menschen mehr Spenden im Vergleich zu ihrem Einkommen. Besonders spendabel sind ältere Menschen und Protestanten. Deshalb ist es auch wichtig, dass man richtig spendet. Wie man das macht, kann man zum Beispiel bei der Stiftung Zewo (www.zewo.ch) erfahren. Die LZ-Weihnachtsaktion wiederum ist eine selbstständige, von der Zeitung unabhängige Stiftung, die der Zentralschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht (ZBSA) untersteht. Auch da ist man auf der richtigen und sicheren Seite. Besser eine grössere Spende Allgemein macht es Sinn, gezielt eine Institution auszuwählen, der man spenden will. Es ist nicht sinnvoll, viele kleine Einzelspenden zu machen, weil das für die Organisationen teurer ist und man in der Folge immer als aktiver Spender angeschrieben wird. Lieber spendet man 100 Franken an eine Organisation als je 20 Franken an fünf. Letztlich zählen aber der Wille und der Wunsch, anderen etwas Gutes zu tun – egal, welcher Spendertyp man auch ist und welches Budget man hat. SILVIA SCHAUB
© Copyright 2024 ExpyDoc