Rede Entwurf Kundgebung gegen Rassismus und Gewalt– Dr

Rede
Entwurf VSt 16.01.2016 Kundgebung gegen Rassismus und Gewalt –
Dr. Stefan Wolf; Stuttgart, 16. Januar 2016
Meine Damen und Herren, liebe Versammelte, kein Thema beschäftigt unser Land gerade mehr als die Frage, wie wir mit den vielen asyl‐ und schutzsuchenden Menschen, die zu uns gekom‐
men sind und immer noch kommen, umgehen sollen. Allein im vergangenen Jahr waren es mehr als eine Million. Und auch in diesem Jahr könnten es ähnlich viele werden. Wir haben uns heute hier aber nicht versam‐
melt, um politisch zu diskutieren, sondern um ein Zeichen zu setzen. Denn in einem Punkt be‐
darf es meines Erachtens, und auch aus Sicht der gesamten Wirtschaft Baden‐Württembergs, kei‐
ner Debatte. Dafür genügt ein Blick auf Artikel 1 unseres Grundgesetzes, wo es heißt: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘ Rede gegen Rassismus und Gewalt, 16.01.2016 Dieser Artikel macht keinen Unterschied zwi‐
schen Deutschen und Nicht‐Deutschen, zwi‐
schen Menschen mit oder ohne Migrationshin‐
tergrund, zwischen Europäern und Nicht‐
Europäern. Deshalb steht auch für uns als Ar‐
beitgeber unverrückbar und ohne Spielraum für Interpretationen fest: In unserer Gesellschaft ist kein Platz für Rassismus, Diskriminierung, Se‐
xismus oder gar Gewalt in jeglicher Form. Was wiederum für alle gilt: Für diejenigen, die schon lange hier leben, aber auch für diejenigen, die gerade zu uns kommen. In Baden‐Württemberg leben fast drei Millionen Menschen und damit mehr als jeder Vierte mit Migrationshintergrund, knapp die Hälfte davon mit ausländischem Pass. Genauso bunt ist viel‐
fach die Zusammensetzung in unseren hundert‐
tausenden Betrieben im Land. Hier arbeiten Menschen mit weit mehr als 100 Nationalitäten zusammen – und sie arbeiten gut zusammen. Mit ihrer Arbeit leisten sie einen ganz wesentli‐
chen Beitrag zum Wohlstand in unserem Land. 2 Rede gegen Rassismus und Gewalt, 16.01.2016 Unsere Betriebe profitieren dabei von der Viel‐
falt ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Be‐
schäftigung und damit insbesondere die Unter‐
nehmen leisten im Übrigen auch einen maßgeb‐
lichen Beitrag zu einer gelingenden Integration. Das funktioniert aber nur mit gegenseitigem Respekt. Fremdenfeindlichkeit dürfen wir daher keinen Platz geben – in den Betrieben, aber auch außerhalb. Deutschland hat eine besondere Geschichte und eine besondere Verantwortung – für unser Land, aber auch in Europa. Mit Bildern von brennen‐
den Asylunterkünften wird man dieser Verant‐
wortung nicht gerecht. Wir haben daher als Ar‐
beitgeber im Land nicht gezögert, als wir gefragt wurden, uns an der heutigen Veranstaltung zu beteiligen. Uns ist es wichtig, dass wir hier und heute als Teil der Zivilgesellschaft ein klares Sig‐
nal geben: Wir akzeptieren weder verbale noch echte Brandstiftung. Hetzparolen sind keine Lö‐
sung. Und Gewalt noch weniger! 3 Rede gegen Rassismus und Gewalt, 16.01.2016 Hier ist mir das klare Bekenntnis ein persönli‐
ches Anliegen: Ich warne eindringlich vor popu‐
listischen Rattenfängern, die Ängste vor Über‐
fremdung schüren, um politisch Kapital daraus zu schlagen. Ich warne vor jenen, die dabei be‐
reit sind, sämtliche rechtsstaatlichen Prinzipien über Bord zu kippen. Die aber Null‐Komma‐Null Lösungen für die tatsächlichen Herausforderun‐
gen anbieten. Auch diesen Leuten kann ich nur einen Blick ins Grundgesetz empfehlen, wo noch mehr Grundrechte niedergeschrieben sind. Es wäre aber genauso ein fataler Fehler, wenn wir aus Angst, Beifall von der falschen Seite zu bekommen, keine redliche Debatte mehr führen über die tatsächlichen Herausforderungen, vor denen wir objektiv stehen. Denn wenn wir die Sorgen und Ängste der Bürger nicht mehr ernst nehmen, seien sie auch teils unbegründet, ist das Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulis‐
ten und Rechtsextremisten. 4 Rede gegen Rassismus und Gewalt, 16.01.2016 Und die Herausforderungen sind tatsächlich ge‐
waltig: Es gilt, eine Million Menschen, vielleicht bald zwei Millionen bei uns aufzunehmen, ihnen menschenwürdige Unterkunft zu geben, ihnen Perspektiven aufzuzeigen, sie in unsere Gesell‐
schaft zu integrieren. Das ist keine einfache Auf‐
gabe. Wer sagt, wir schaffen das, muss auch sa‐
gen, wie. Wir müssen auch darüber reden, dass viele die‐
ser Menschen eben nicht die Voraussetzungen mitbringen, die eine schnelle gelingende In‐
tegration erhoffen lassen – bei Sprache und Qualifikationen, aber auch hinsichtlich der Wer‐
te. Hierbei müssen wir diesen Menschen unter‐
stützen. Und: Wir müssen eine ehrliche Antwort darauf finden, ob irgendwann unsere Kapazitä‐
ten erschöpft sind und unser gesellschaftlicher Zusammenhalt unter den Belastungen leidet. 5 Rede gegen Rassismus und Gewalt, 16.01.2016 Es gehört Mut und Augenmaß zu dieser Diskus‐
sion. Wer aber ein klares Wertegerüst und einen funktionierenden Kompass hat, muss diese Aus‐
einandersetzung nicht fürchten. In dieser Debatte müssen wir aber auch an jeder Stelle deutlich machen, was wir nicht akzeptie‐
ren und weshalb wir heute zusammengekom‐
men sind: Diese Debatte muss rein politisch ge‐
führt werden, mit politischen Mitteln. Und in‐
nerhalb unseres rechtsstaatlichen Rahmens. Das Schüren von Ängsten darf nicht zur Debatte gehören. Der Großteil der Menschen, die in den letzten Monaten zu uns gekommen sind, ist vor Verfolgung, Bürgerkrieg und Gewalt geflohen. Viele sind dankbar, dass ihnen geholfen wird. Und sie sind motiviert, die Chancen zu ergreifen, die wir ihnen bieten. Wer diese Menschen dis‐
kriminiert, sie pauschal unter Verdacht stellt, gewalttätig oder gar ein Terrorist zu sein, macht sie ein zweites Mal zu Opfern. Wir tun das nicht! 6 Rede gegen Rassismus und Gewalt, 16.01.2016 Solchen Stimmen treten auch wir als Arbeitge‐
ber in Baden‐Württemberg entschieden entge‐
gen. Ja, auch wir können intolerant sein – ge‐
genüber Rassismus und Gewalt. Vielen Dank! 7