Watzmanntour Allgäu oder Berchtesgaden?! -diese Frage stellten wir uns, als es an unsere diesjährige Urlaubsplanung ging. Während ich die Gegend rund ums Allgäu favorisiert habe, war Sarah sofort vom Watzmann beeindruckt und wollte deshalb gern ins Berchtesgadener Land. So viel unerwartete Bergbegeisterung konnte ich natürlich unmöglich bremsen und stimmte zu. Bei unserer Gebietsrecherche stießen wir auf die vielumworbene 4-tägige Watzmanntour und waren sofort begeistert. Also nicht lange gefackelt, Reisezeit überlegt und Hütten gebucht. Schließlich sollte es auf einige der bestbesuchten Berghütten Deutschlands gehen. Unsere Anreise am 26.06. verlief weitgehend problemlos. Kurz vor unserem Zeltplatz konnten wi r auch schon die ersten schönen Blicke auf unser Ziel werfen. Diese Freude wurde lediglich auf dem Zeltplatz etwas getrübt, als ich festgestellte, dass ich sämtliche Heringe vergessen hatte. Nach einigem Fluchen und Schimpfen konnte uns aber ein kleiner Outdoorladen im Ort weiterhelfen. 27.06. Sarah hatte im Vorfeld einiges über den Jenner gelesen und wollte diesen aussichtsreichen Berg sehr gern besteigen. Also ernannte ich den Jenner kurzerhand zu unserer Eingehe-Tour. Auf diese Weise wollten wir unsere Kondition prüfen und weiter unsere verhältnismäßig neuen Bergschuhe einlaufen. Also machten wir uns bei mäßigem Wetter auf den Weg und erreichten nach etwas 3,5 Stunden den Gipfel. Nach schönem Blick und kurzer Gipfelrast stiegen wir auf anderem Wege wieder ab. Als wir wieder unten waren, hatte sich meine Unbedarftheit bereits gerächt. Blasen an den Füßen und schmerzende Knie waren die Quittung für diese tagesfüllende Eingeh-Tour. 1200 Hm sind zu Beginn eben doch kein Pappenstiel. Andere Leute fahren halt mit der Bahn… 28.06. Wir müssen uns von unserer „EingehTour“ erholen und beschließen für diesen Tag Schonprogramm. Schließlich soll es schon morgen mit unserer Hüttentour losgehen. Also beschließen wir, eine kleine Rundtour zum vielbesuchten Malerwinkeln über dem Königssee zu unternehmen. Abends bereiten wir unsere Sachen für die nächsten Tage vor. 29.06. Heut ist es soweit, das Abenteuer „Watzmanntour“ beginnt. Wir brechen kurz nach 10 Uhr am Zelt auf (603 m). Zuerst führt uns der Weg zur modernisierten Rennrodelbahn direkt am Königssee. Wir laufen rechts neben der Bahn auf betoniertem Wege steil bergauf und biegen rechts über dem Starthäuschen auf einen kleinen steinigen Pfad ab, der sich allerdings bald zu gut ausgebauten, aber steilen Serpentinen erweitert. Rechterhand können wir die Klettersteiggeher in den neuen Steigen auf den Grünstein beobachten. Doch schon bald sind wir wieder völlig allein. Unser erstes kleines Etappenziel heißt Kührointhütte (1420 m). Es ist erstaunlich, wie sehr sich dieses, auf der Karte gradezu lächerlich kurze Stück hinzieht. Der breite Weg hinauf ist nass, kieselig und steil. Zudem machen uns die Unmenge an Pferdefliegen zu schaffen. Eine sticht mich genau zwischen Daumen und Zeigefinger. Sehr unangenehm wenn man wie ich auf die Stöcke angewiesen ist. Doch der scharfe Start zahlt sich aus und schon bald können wir einen ersten beeindruckenden Blick auf König Watzmann genießen. Der restliche Weg zur Kührointhütte gestaltet sich unkompliziert. Wir machen kurz Rast, nehmen Erfrischungen in Form von Radler und Apfelschorle ein (was in diesem Urlaub noch erschreckend häufig passieren wird) und machen uns auf den weiteren Weg. Das Gelände verändert sich stetig. Unterhalb von Watzmannfrau und Watzmannkindern laufen wir durch die Waldausläufer und bewegen uns auf schmalen Pfaden durch Latschen immer weiter westwärts Richtung Watzmannhaus. Eine unerwartete kleine Hürde bildet hier der Falzsteig. Dieser Steig wird in der DAVBeschreibung überhaupt nicht erwähnt und führt durch das drahtseilgesicherte Absturzgelände unterhalb der Falzalm. Der Steig ist zwar für einigermaßen geübte Wanderer kein Problem, wäre jedoch auf jeden Fall eine Erwähnung wert. Der abschließende Anstieg über endlose Serpentinen führt unkompliziert aber anstrengend durch die schöne Landschaft. Hierbei hat man immer das Watzmannhaus über sich im Blick. Das kann gegen Ende ganz schön nerven… Trotzdem kommen wir wohlbehalten auf dem Watzmannhaus (1930 m) an. Mit gehörigem Respekt treten wir ein, da wir vom Hüttenwirt und der Belegschaft nicht nur Gutes gelesen haben. Hier sei aber erwähnt, dass wir diese Berichte NICHT bestätigen können. Wir wurden freundlich eingewiesen und gut bewirtet. Einziger Wermutstropfen waren unsere 2 Zimmerkollegen, die nicht nur recht unfreundlich waren, sondern auch erheblich geschnarcht haben. Somit starteten wir wenig ausgeruht in unsere wichtigste Etappe. 30.06. Der Tag beginnt früh… sehr früh sogar. Wie mehr oder weniger angekündigt, standen unsere beiden Zimmergenossen pünktlich um 5 Uhr lautstark auf und machten sich auf „ihren“ Weg. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass wir die beiden noch oft sehen we rden. Die Watzmanntour macht man wohl selten alleine. So trafen wir zwischendurch immer auf die gleichen Leute. Auf jeden Fall starteten wir nach kurzem Frühstück gegen 7.30 Uhr auf unsere 2. Etappe. Bei perfektem Wetter ging es zuerst auf weit ausladenden Serpentinen das erste Stück Richtung Hocheck hinauf. Trotz schlechter Nachtruhe waren wir gut unterwegs und das obwohl die Enttäuschung tief saß, dass es sich bei der auf der Webcam sichtbaren Spitze nicht um das Hocheck, sondern eine vorgelagerte Felskuppe handelte. Doch wir ließen uns nur kurz beirren und erreichten nach deutlich kürzerer Zeit als angegeben, um kurz nach 10 Uhr das Watzmann-Hocheck (2651 m). Gemeinsam freuten wir uns, bei diesem Wetter an diesem schönen Ort sein zu können, machten eine halbe Stunde Gipfelrast, schossen Fotos und beobachteten die mehr oder weniger gut vorbereiteten Begeher der Überschreitung. Einer übertraf jedoch alle: Als wir uns ausruhten, erschien an besagter Felskuppe ein Bergläufer. In weniger als 5 Minuten war er bei uns angekommen, grüßte und rannte weiter Richtung Mittelgipfel. Nach geschätzten 10-15 Minuten war er kurz unter dem Mittelgipfel. Angegebene Gehzeit: 1 Stunde. Unglaublich… Wir allerdings genossen noch einen Moment der Ruhe und stiegen dann wieder Richtung Watzmannhaus ab. Dort angekommen, gab es abermals Apfelschorle und Radler. Nach kurzer Pause und der Aufnahme unseres dort deponierten Gepäcks, bedankten wir uns beim Hüttenpersonal und stiegen erneut die Falzalm hinab. Unser nächstes Ziel hieß Wimbachbrücke über die Mitterkaseralm. Dieses Stück Weg gestaltete sich ähnlich, wie unser Aufstieg zur Kührointhütte. Ein schotteriger, steiler Fahrweg, auf dem man ständig darauf achten musste, Tempo aus dem Schritt zu nehmen. Das geht natürlich gehörig auf die Füße und die Knie. So ging das mehrere Stunden. Kurz vor der Wimbachbrücke nahm mir ein Wegweiser beinahe jeden noch verbliebenen Mut den Weg fortzusetzen. Darauf stand „Wimbachgrieshütte 3 ¾ h). Zu diesem Zeitpunkt war es etwa 15.15 Uhr. Ich hatte die Faxen gehörig Dicke und hab schon überlegt, wann wohl der nächste Bus rüber nach Berchtesgaden fährt. Hier aber sprang Sarah in die Bresche, die auf dem Abstieg ebenso gelitten hat wie ich und munterte mich wieder auf. Also ging es doch noch mal los. Der vom DAV beschriebene „Spaziergang durch das malerische Wimbachgries“ wurde für mich persönlich zur Tortur. Während sich der Weg um den halben Watzmann herum bis zum Wimbachschloss (936 m) auf größtenteils schattigen Pfaden abspielte, wurde das Stück von dort bis zur Wimbachgrieshütte zur grenzwertigen Schinderei. Endlos Schuttfelder, glühende Hitze durch die direkte Sonneneinstrahlung und nur noch begrenzte Wasservorräte verlangten mir alles ab. Nur Sarah lief wie ein Perpetuum Mobile ohne optisch erkennbare Anstrengung hinter mir her. Nach etwas über 3 Stunden erreichten wir endlich die Wimbachgrieshütte (1340 m). Dort wurden wir erneut hervorragend mit Speis- und Trank bewirtet. An dieser Stelle sei bemerkt, dass sich unser Vereinsshirt (mein Hüttenshirt) stets auf großes Interesse stieß und sofort die Neugier des Hüttenpersonals weckte. Die zweite Nacht verlief deutlich ruhiger als die erste. Somit stand einer gelungenen 3. Etappe nichts im Wege. 01.07. Der 3. Tag begann wie der 2. Draußen war traumhaftes Wetter. Da unsere 3. Etappe nicht ganz so lang war, hatten wir früh keine große Eile und brachen etwa um 9 Uhr auf Richtung Hundstodgatterl, einem Pass direkt neben dem Kleinen und Großen Hundstod. Der Name dieser Örtlichkeit stammt wohl aus der Watzmannsage. Hier sollen seinerzeit die Hunde des König Watzmann umgekommen sein. Unser Weg führte uns zunächst ebenerdig in den hintersten Winkel des Wimbachgries. Dort stiegen wir wieder auf Serpentinen i n die Höhe und bekamen unglaubliche Blicke zur Watzmann-Südwand und das Wimbachgries hinab. Allein dieser Blick machte einen Großteil der Strapazen vom Vortag vergessen. Doch noch lag ein Großteil des heutigen Weges vor uns. Bei erneut großer Hitze führte uns der Weg über stark schroffige Wege und Altschneefelder hinauf zum Hundstodgatterl. Diese Hochscharte stellte den höchsten Punkt auf unserer Etappe dar (2188m). Von dort hatten wir einen beeindruckenden Blick über das gesamte Steinerne Meer. Weit östlich von uns konnten wir unseren Abstiegspfad zum Kärlingerhaus (1630m) im Wald verschwinden sehen. Bis dahin hatten wir aber fast eine Stunde schweren Weg hinab in den Talkessel vor uns. Ein bereits angeschlagenes Knie sorgte dafür, dass jeder 2. Schritt mit viel Bedacht gesetzt werden musste. Die Ruhe und die Weite des Hochplateaus entschädigten dafür aber ausreichend. Etwa eine dreiviertel Stunde vor dem Kärlingerhaus verbrauchten wir, wie schon am Vortag, unser letztes Wasser. Bei der hochstehenden Nachmittagssonne war dieser Umstand zum Schluss noch mal eine ziemliche Hürde und ich hatte kurz vor der Hütte den Kanal ehrlich gesagt wieder gestrichen voll. Sarah machte mir aber auch hier wieder Mut und so kamen wir nach 7 Stunden (angegeben waren 5-6 Stunden) auf dem Kärlingerhaus an. So viel zur vermeintlich leichteren Etappe der Tour. Viele Stunden nach uns schleppten sich immer noch Nachzügler, die den gleichen Weg genommen hatten, in die Hütte. Das Kärlingerhaus ist sehr schön gelegen, ein Stück oberhalb des Funtensees, der angeblich Deutschlands kältester Ort ist. Über dem See wird das Panorama von der Schönfeldspitze dominiert. Wie dem auch sei. Nachdem das Schlimmste vorbei war, gönnten wir uns die Annehmlichkeiten einer kalten Dusche (gratis). Warmes Wasser hätte es für 3 Euro auch gegeben, aber man ist ja mittlerweile durch unsere Kirnitzschtalhütte etwas abgehärteter. Wir ließen den Abend mit Bier, Speisen und feinem Enzian ausklingen. 02.07. 4. Tag, Abschlussetappe. Wir haben im Lager, dem Enzian sei Dank, relativ gut geschlafen. Wir haben früh keine große Eile, weil die Abschlussetappe mit ca. 3 Stunden recht kurz angegeben wird. Bei schönstem Wetter machen wir uns etwa halb 9 auf den Weg und nehmen die letzten 50 Meter Anstieg der Tour mit leichten Kopfschmerzen (doofer Enzian). Danach ist es einfach nur noch schön. Durch schöne Täler schlängelt sich der Weg hinab zur sogenannten Saugasse, einer beeindruckend schmalen und steilen Felsgasse, die von hohen Felswänden eingerahmt ist. Der Bereich macht einen ziemlich steinschlaggefährdeten Eindruck. Deshalb bummeln wir nicht und sehen zu, dass wir die Gasse zügig absteigen. Der weitere Weg führt sehr malerisch oberhalb einer Klamm entlang Richtung Königsee, bis man diesen durch die Bäume blitzen sieht. Über steile Serpentinen steigen wir die letzten Meter bis zu dessen Ufer hinab. Bereits hier fallen uns die vielen Tagesausflügler auf. Wie wir erfahren haben, ist das Kärlingerhaus besonders bei Familien beliebt, die mal eine Übernachtung auf einer „echten Berghütte“ machen wollen. Dadurch ist das Haus wohl auch meist sehr gut besucht. Trotzdem genossen wir den Abstieg, das Wetter und die Landschaft und schauten mit einer Mischung aus Freude und Bedauern auf das nahende Ende unserer Tour. Die Zeitangabe hat diesmal gut gepasst. Am Kloster St. Bartolomä angekommen, werden wir sofort in die Zivilisation zurückgeholt. Obwohl uns bewusst war, dass jährlich viele Leute das Kloster besuchen, waren wir von der Masse der Besucher überrascht. Also verzogen wir uns in die letzte Ecke des Biergartens, schauten die Ostwand hinauf und ließen unsere Gedanken zu den erlebten Tagen kreisen. Ein gut beladenes Boot brachte uns zurück nach Königsee. Da wir außer Ausruhen keine konkreten Pläne haben, beschließen wir am nächsten Tag abzureisen. Noch oft denken wir den folgenden Wochen und Monaten an unsere schöne, aber anspruchsvolle Tour. Nun ist es bereits Mitte November und nachdem ich ein neues Knie verpasst bekommen habe, schmieden wir schon neue Pläne für das Jahr 2016. Kevin und Sarah
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