Tierschutz in Andalusien
Ein Bericht von Marieta Villar Lloreda
Vor fünfzehn Jahren gab es in unserem andalusischen Dorf eine kommunale Tötungsstation, in
der die streunenden Hunde eingesperrt wurden, die von Lassowerfern eingefangen worden
waren. Nach zehn Tagen wurden sie getötet.
Es waren die Augen eines streunenden Welpen, die es vermochten, eine Gruppe von Menschen
zusammenzuführen, die sich bislang gar nicht kannten, aber die eines gemein hatten: ihre Liebe
zu den Tieren.
An diesem Tag im Juni des Jahres 2000 wurde aus der Tötungsstation, die Eigentum der
Gemeinde gewesen war, ein Tierschutzverein. Auf einem kleinen Grundstück standen fünf
Hüten zu beiden Seiten, ihre Eternitdächer wurden von großen Steinen beschwert, damit sie bei
starkem Wind nicht wegfliegen konnten.
Das war das erste „Heim“, in dem wir die verlassenen Hunde unterbrachten, es wurde zum „El
Hogar de Asís“, zum „Assisi –Heim“.
Von nun an wurden alle streunenden Hunde in La Carolina beschützt, gepflegt und geliebt.
Sobald die Hunde ins Heim kommen, werden sie gebadet, entwurmt und von Ungeziefer befreit.
Sie werden geimpft und ihre Blutproben werden ins Labor geschickt, damit die Tests auf
Leishmaniose und Ehrlichiose durchgeführt werden können. Später, wenn die Tiere sich erholt
haben, werden für sie verantwortungsvolle Familien gesucht, die sich für immer liebevoll um sie
kümmern.
Zweifelsohne war die Gründung von „El Hogar de Asís“ ein bedeutsamer Schritt für den
Tierschutz unserer Region. Es war allerdings auch der erste Schritt auf einem Weg voller Mühen
und Leid, dessen Ergebnisse uns aber noch nicht befriedigen können.
Die Hunde, die in unser Heim kommen, werden an Tankstellen, in Industriegebieten, an
Autobahnen, in ländlichen Siedlungen und in den umliegenden Gebirgsdörfern gefunden. Sie
sind in den Bergen an Bäume angebunden gewesen oder in Müllcontainern geworfen worden.
In unser Heim kommen zwischen 150 bis 200 Hunde im Jahr. Sie sind hungrig, durstig und
krank. Viele weisen Verletzungen auf, die vereitert und manchmal voller Würmer sind. Ihre
Augen sind entzündet. Oft sind alte, unbehandelte Hüft- und Beinbrüche zu erkennen, die falsch
verheilt sind. In den Augen dieser Hunde ist das Leid abzulesen, das sie über lange Zeit haben
ertragen müssen.
Manch einer kam mit einem gebrochenen Kiefer. Andere leiden unter Entzündungen der Haut,
Pilz- und Flechtenbefall und Räude. Und alle haben Angst, denn die Menschen haben ihre
Körper und auch ihre Gefühle verletzt.
Besonders betroffen sind die Hunde, die in Spanien zur Jagd eingesetzt werden, die Galgos und
die Podencos. Sie haben nie ein Wort der Zuneigung gehört, sondern nur Schreie. Sie werden
geschlagen und grausam in den Bergen ausgesetzt. Bei lebendigem Leib sind sie in tiefe Brunnen
geworfen worden. Und gerade die Galgos werden oft an Bäumen aufgehängt.
Und dann sind da noch die Hunde, die wir aus den Tötungsstationen holen, die es immer noch in
Spanien gibt. Aus diesen grausamen Orten kommen völlig verstörte Tiere zu uns. Und uns wird
der Zugang verweigert, selbst wenn wir eines der Tiere adoptieren wollen!
Diese Tötungsstationen werden übrigens von der jeweiligen Gemeinde unterhalten, während die
Tierheime nur die Subventionen bekommen, die die Stadtverwaltung unserer Gemeinde ihnen
zugesteht. Wir hatten vier Jahre lang überhaupt kein Geld erhalten. Da aber nun erneut Wahlen
stattfinden werden, haben wir in diesem Jahr von der Stadtverwaltung unseres Dorfes 860 € für
die Unterhaltung des Heimes und 860 € für die Veranstaltungen bekommen, die wir durchführen.
Es handelt sich dabei um Vorträge und andere Informationsveranstaltungen in den öffentlichen
Schulen und den Gemeindeversammlungen, die der Aufklärung und Bewusstseinsbildung dienen.
Es werden z.B. das Aussetzen von Tieren in den Ferienmonaten, aber auch viele andere Themen
behandeln.
Unsere finanziellen Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Aber mit viel Liebe und Fürsorge
begegnen wir jeden Tag aufs Neue der Herausforderung, den Hunden zu helfen, die wir bei uns
aufnehmen und die unter den Folgen ihrer verschiedenen, oft schweren Misshandlungen leiden.
Ein großes Problem stellt die tierärztliche Behandlung und Betreuung im weitesten Sinne dar. In
unserer Gemeinde haben wir nur einen Tierarzt. Zwar gewährt er uns freundlicherweise bei den
Tierarztrechnungen immer eine Ermäßigung, da wir ein Tierschutzverein sind, aber er verfügt
über keine eigentliche Tierklinik, also über die notwendige Technologie um die
Röntgenaufnahmen, Elektrokardiogramme und andere Untersuchungen vornehmen zu können,
die oft von Nöten wären. Um in solchen Fällen zu einer genauen Diagnose der Erkrankung zu
gelangen, müssen wir die Tiere in unseren privaten Fahrzeugen in das ungefähr 40 km entfernte
Städtchen bringen. Dort gilt es dann viele Stunden im Wartezimmer zu warten, bis wir an der
Reihe sind. Wenn es sich bei den Hunden um sehr große Hunde handelt, müssen wir sogar einen
Kleintransporter in Linares mieten und abholen, dann nach La Carolina fahren, um den Hund zu
holen und ihn in die Tierklinik bringen zu können. Später gilt es den Hund wieder in unser
Tierheim und den gemieteten Wagen nach Linares zu fahren.
Diese Vorhaben kosten viel Zeit und auch viel Geld, da ja die entstehenden Kosten bezahlt
werden müssen. Nicht immer können wir uns die Tierarztbesuche leisten. Noch schwieriger wird
es, wenn es z.B. gilt, eine Röntgenaufnahme im Falle einer Hüftdysplasie vorzunehmen. Dann
müssten wir von unserem Dorf aus nicht nur nach Linares, sondern mindestens 80 km weit
fahren.
An jedem Tag stellen wir uns erneut der Herausforderung Wege zu suchen und zu finden, die
uns erlauben, trotz unserer materiellen Schwierigkeiten handlungsfähig zu bleiben, um unsere
Vorhaben durchführen zu können.
Die Nachhaltigkeit unseres Handelns sieht sich aber auch dadurch eingeschränkt, dass wir uns
einer „Kultur” entgegengestellt sehen, die weiterhin rigide an den überlieferten Traditionen aus
der Vergangenheit festhält, wonach die Tiere bloß als Gegenstände gesehen werden, die man
besitzt.
In hohem Maße ist gerade diese Grundeinstellung dafür verantwortlich, dass die Menschen
unserer Gesellschaft nur schwer von der Notwendigkeit überzeugt werden können, sich für die
Vorhaben eines Tierheimes einzusetzen.
Sie sind auch schwer von der Sinnhaftigkeit jener Aktionen zu überzeugen, durch die bei den
Menschen eine Sensibilität für die Tiere erreicht werden soll und sie lernen, die Tiere zu lieben
oder zumindest zu respektieren.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Regierung offensichtlich auch kein politisches Interesse an
solchen Vorhaben hat. Sie entzieht sich ihrer Verantwortung und nutzt unser Engagement für die
Tiere skrupellos aus, denn die ehrenamtliche Tätigkeit, die wir aus Liebe zu den Tieren ausüben,
wird von unserer Stadtverwaltung weder als Dienst für das Gemeinwohl anerkannt noch
unterstützt. Im Gegenteil, oft und in verschiedenen Zusammenhängen werden wir wegen unserer
Arbeit als Tierschützer kritisiert und verbal angegriffen.
Wie ich bereits ausgeführt habe, ist es unser Anliegen für die ausgesetzten Hunde, die im Heim
aufgenommen und versorgt wurden, eine verantwortungsvolle und liebe Familie zu finden, die sie
adoptiert. Auch diese Aufgabe war anfangs sehr schwer, bis drei Jahre nach unserer Gründung
sich eine Tür der Hoffnung für „unsere“ Hunde öffnete: Das Licht der Morgendämmerung kam
in unser Tierheim durch ALBA [Im Spanischen bedeutet „alba“ die Morgendämmerung]. Diese
Vereinigung nahm unsere andalusischen Hunde auf in ihr bereits bemerkenswertes Vorhaben zur
Rettung ausgesetzter Tiere in Spanien. Durch ALBA haben wir für die Hunde eine neue Welt in
einem Land kennengelernt, in dem zwar oft kalte Temperaturen herrschen, aber die Menschen
warmherzig sind, und Verantwortungsbewusstsein und ein großes Einfühlungsvermögen zeigen.
Hier wurde den misshandelten Hunden die Möglichkeit geboten, die ihr Land ihnen verweigert
hatte. Dieses Land ist Deutschland.
Seitdem reisen alle sechs oder acht Wochen Hunde, die einst lange und schmerzvolle Wege durch
Andalusien zurück gelegt hatten, zu ALBA nach Madrid, um dann von dort aus nach
Deutschland zu fahren.
Wieder einmal sehen wir uns Schwierigkeiten gegenüber. In unserem kleinen Dorf können wir
keinen Kleintransporter mieten, nur im 30 km entfernten Städtchen. Außerdem müssen wir zwei
Freiwillige finden, die sich frei nehmen und den Lieferwagen abholen und bis zum Tierheim
fahren können. Dann brauchen wir einen Freiwilligen, der den Wagen dann nach Madrid fährt.
Das alles gilt es derart zu organisieren, dass die Hunde um 9 Uhr in Madrid ankommen und der
Kleintransporter dann zurück gefahren und rechtzeitig wieder abgegeben werden kann, ohne dass
weder die 24 Stunden-Grenze noch die vereinbarte Kilometerzahl überschritten wird, damit der
Preis nicht noch höher ausfällt. Das klappt nur, wenn wirklich alles rund läuft!
Erst werden die Hunde in die Käfige des Kleintransporters gesteckt, der sie nach Madrid bringt.
Von dort aus werden sie in einem größeren Lieferwagen nach Deutschland gefahren. Wir wissen,
dass sich die Hunde nun auf ihre Fahrt ins Glück begeben. Sie fahren dorthin, wo man sie immer
lieben und umsorgen wird. Aber erst, wenn sie dort angekommen sind, werden sie sich geliebt
fühlen und so glücklich wie noch nie in ihrem Leben sein. Leider können wir es ihnen nicht
schon jetzt erklären. In ihren Transportboxen beginnen sie zu zittern vor Angst. Unserer Herzen
ziehen sich erneut zusammen, wenn wir ihren flehenden Blick erkennen, der sich in unser Herz
bohrt: Sie glauben, dass nun auch wir sie wieder aussetzen werden...
Vielleicht sollte ich euch noch schreiben
- von der immens großen Anstrengung, mit der wir unser Ehrenamt ausüben;
- von den vielen Stunden der Hingabe, die oftmals dazu führen, dass Freundschaften zerbrechen
und das Familienleben leidet;
- von den grausamen Augenblicken bei der Rettung schwerverletzter oder sehr kranker Hunde;
- von den schlimmsten Momenten, wenn wir sie nicht mehr retten können;
- von den vielen langen Stunden des hartnäckigen Kampfes gegen die politisch Verantwortlichen,
die sich weiterhin taub stellen;
- von den Auseinandersetzungen mit jenen, die uns angreifen;
- von unserer bewussten Verachtung derjenigen, die uns kritisieren;
- von der verzweifelten Suche nach finanzieller Unterstützung, um die Hunde füttern und heilen
zu können;
- von der Ohnmacht, die wir empfinden, wenn das Tierheim überquillt und immer noch
schwerverletzte Hunde auf der Straße sind, die wir nicht aufnehmen können,
und auch
- von der Mutlosigkeit, die uns befällt, wenn Familien, die die Hunde adoptiert haben, uns einen
Fehler oder eine falsche Diagnose vorwerfen, und weder auf unsere Erklärungen antworten,
noch uns mitteilen, dass ein Fehler vorgelegen hat.
All das möchte ich euch schreiben, um zu erklären, aber wahrscheinlich bleibt dennoch
unbegreiflich, warum wir keine nachhaltigeren Erfolge vorweisen können.
Vielleicht reicht all unser Bemühen nicht aus, aber versteht, es ist eben das, was wir „auf dieser
Seite“ tun können, und glaubt mir bitte, dass wir uns dieser Aufgabe aus tiefer Überzeugung und
unter Einsatz all unserer Kräfte stellen.
Durch ALBA hat sich für uns eine Tür der Hoffnung geöffnet, und es zeigte sich uns eine
vollkommen unbekannte Welt, die uns immer noch staunen lässt und rührt. Es war wie die
Ankunft im Paradies, nachdem man die Hölle durchlitten hatte.
Ich hoffe, dass ihr uns durch diese Zeilen noch besser kennenlernt und versteht. Es geht nicht
darum zu vergleichen, sondern vom Guten zu lernen, um das Böse vernichten zu können. Es gilt
ein anderes Bewusstsein im Umgang mit den Tieren anzustreben, und zu erreichen, dass der
Tragödie der ausgesetzten Hunde, der an Bäumen aufgehängten Galgos, der in Brunnen
geworfenen oder in den Bergen ausgesetzten Podencos, der vielen misshandelten wehrlosen
Tieren endgültig ein Ende gesetzt werden kann.
Diese Handlungen, für die keiner zur Rechenschaft gezogen und bestraft wird, entlarven und
bringen jene in Verruf, die sie ausführen, und auch das Land, das diese Taten geschehen lässt.
FOTOS vom „Hogar de Asis“