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MiniM ax nr. 13
nicht-vorschläge
Welcher Lehrer kennt das nicht: Ein Schüler schildert ein
Problem, man freut sich, dass man für dieses Problem einen guten Rat hat, macht einen wirklich guten Vorschlag,
begründet alles auch noch sehr stichhaltig, und dann wird
dieser Vorschlag mehr oder weniger kategorisch abgelehnt!
Oder der Schüler »ja-abert«, indem er sagt: »Ja, das ist wirklich ein guter Vorschlag, aber ich kann ihn leider nicht
annehmen.« Manchmal beteuert der Schüler auch, dass er
»wirklich versuchen« werde, diesen Vorschlag umzusetzen. Als engagierter Lehrer drängt man den Schüler sehr,
das auch wirklich zu versuchen, man weiß aber innerlich
schon, dass außer wortreichen Entschuldigungen (»Es tut
mir leid, ich habe es echt versucht, aber …«) am Ende nichts
dabei herauskommen wird. Der Ärger über diese offene
oder versteckte Ablehnung guter Vorschläge bestätigt die
unerfreuliche Erkenntnis: Direkte gute Vorschläge erleben
viele Menschen leider vor allem als »Schläge«. Viele Menschen können auch wirklich gute Vorschläge einfach nicht
annehmen und reagieren nach dem Motto: Ratschläge sind
auch Schläge.
Die Ablehnung von guten Ratschlägen und die dadurch
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Aus: MiniMax für Lehrer. 16 Kommunikationsstrategien mit maximaler Wirkung
© 2009 Verlagsgruppe Beltz, Weinheim Basel
http://www.beltz.de/de/nc/sachbuch/beltz-sachbuch/titel/minimax-fuer-lehrer.html
Nicht-Vorschläge
hervorgerufene ärgerliche Enttäuschung kann man sich
künftig ersparen. Die Annahmequote von Vorschlägen und
Ratschlägen steigt erheblich, wenn man seine Vorschläge
in Negationen verpackt und Nicht-Vorschläge macht. Dabei
nutzt man die Erkenntnis, dass alles, was hinter einer Negation steht, unweigerlich für kurze Zeit innerlich aktiviert
wird. Das können Sie leicht an Ihrer Reaktion beim Lesen
der folgenden Sätze überprüfen. Sie werden merken, dass
Sie das, was Sie eigentlich aufgefordert werden nicht zu
tun, für kurze Zeit doch tun:
• »Denk jetzt nicht an ein rosa Kaninchen!«
• »Spüre nicht, wie es wäre, wenn du jetzt einen Esslöffel
voll mit frischem Zitronensaft im Mund hättest und dieser saure Zitronensaft im Mund alles zusammenziehen
würde …«
• »Stell dir nicht vor, wie dein Direktor mit einem großen
Cowboyhut auf dem Kopf aussehen würde …«
Diesen »Denk-nicht-an-ein-rosa-Kaninchen-Effekt« kann
man nutzen, wenn man seine guten Vorschläge in Negationen verpackt:
• »In der Vergangenheit hast du dich bei Klassenarbeiten
auch nicht erst mal auf die einfacheren Fragen einstellen
können und darauf, dass du gut vorbereitet bist …« (Aber
demnächst wirst du das können).
• »Um vom Kunstunterricht profitieren zu können, muss
man gar nicht glauben, dass jeder Mensch (und folglich
auch man selbst) eine künstlerische Begabung hat oder
ein Bedürfnis, etwas kreativ auszudrücken. Wichtiger
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MiniMax Nr. 13
•
•
•
•
kann es sein, sich an dem Spaß zu orientieren, den es
macht, seine Möglichkeiten zu erweitern, etwas zu Papier
zu bringen oder zu gestalten …«
»In der nächsten Zeit brauchst du dir auch nicht immer
wieder bewusst die Frage zu stellen: ›Was willst du mit
der Schule erreichen? Was willst du nach der Schule machen?‹ …, denn diese Frage wird dich möglicherweise eher
innerlich beschäftigen und im Hintergrund begleiten …«
»Mir ist einfach wichtig, dass ich in deiner Klassenarbeit lesen kann, was du geschrieben hast. Meinetwegen
brauchst du mir das ja gar nicht abzunehmen, dass es
deine Gedanken ordnen hilft, wenn du ordentlich und leserlich schreibst …«
»Du musst ja gar nicht denken, dass Rhythmus etwas ist,
was man lernen kann. Wenn man viel mitzählt, eins-tata,
zwei-tata, dann verinnerlicht sich das automatisch …«
»Wahrscheinlich macht das bei dir keinen Sinn, als Experiment eine Woche lang erst die Hausaufgaben zu machen und dann Computer zu spielen und es zu genießen,
dass man für die Schule alles erledigt hat …«
Wenn der Lehrer seine Vorschläge in eine solche, durch
die vorangestellte Negation relativierte Form bringt, hat
der Schüler immer die Freiheit zu sagen: »Nein, das geht
ja auch aus folgenden Gründen nicht …«, und wird dann
auf einen verständnisvollen oder zumindest um Verständnis bemühten Lehrer treffen. Oder der Schüler reagiert
mit: »Hm, das hätte ich eigentlich machen können. Das ist
ja eine gute Idee …« Und oft kommt es dem Schüler dann
hinterher so vor, als sei diese gute Idee von ihm selbst gekommen. Der Schüler hat also alle Freiheiten, die für ihn
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Nicht-Vorschläge
passenden Anregungen aufzugreifen und die unpassenden zu ignorieren. Fruchtlose Kämpfe um Annahme oder
Ablehnung des Vorschlages werden vermieden. Die Positionen von Ablehnung und Annahme sind sinnvoll besetzt:
der Lehrer bezieht mit seinen Nicht-Vorschlägen vorsichtig
die »Das-geht-nicht!«-Position oder hat die Haltung: »Du
brauchst nicht …«. »Warum eigentlich nicht?« ist eher die
Position des Schülers.
Die Haltung, mit der man diese Nicht-Vorschläge macht,
sollte der sprachlichen Formulierung entsprechen: Man
macht eigentlich gar keinen Vorschlag, man will auch keinen machen. Man stellt vielmehr schon im Vorwege mehr
oder weniger beiläufig fest, dass das Gesagte aus Sicht des
Schülers wahrscheinlich eher nicht machbar oder möglicherweise nicht sinnvoll ist, sagt es aber trotzdem. Wenn
der Schüler das Gesagte dann ebenfalls als nicht machbar
und unsinnig bezeichnet und das begründet, hat man dafür Verständnis. Man lässt sich aber auch gerne vom Schüler widerlegen und bezüglich der Machbarkeit eines Besseren belehren. Der Schüler entscheidet selbst darüber, was
für ihn sinnvoll, machbar und möglich ist.
Besonders einladend und verführerisch ist es, gute Ideen
mit folgenden vorangestellten Verneinungen einzuleiten:
• Und du brauchst dir jetzt noch nicht zu erlauben,
dass …
• Und es ist nicht nötig …
• Und es muss jetzt noch nicht so sein, dass …
• Und du musst jetzt noch nicht …
• Und du brauchst jetzt noch nicht zulassen, dass …
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Dabei ist es sinnvoll, das Prinzip der kleinen Schritte zu
beachten: »Du brauchst dir mit diesen Matheformeln keinen Spaß zu erlauben, z. B. dadurch, dass du ihnen Namen
von Comicfiguren gibst und sie dir dadurch leichter merken
kannst …«
»Und du musst dir jetzt nicht vorstellen, wie es wäre, wenn
du dir die Vokabeln auf eine Kassette sprechen würdest, die du
dir dann auf dem Schulweg oder auf anderen Wegen ins Ohr
spielen kannst, sodass einige Vokabeln dir dadurch etwas bekannter vorkommen …« (Prinzip der kleinen Schritte!)
»Und noch ein bisschen mehr Selbstbewusstsein davon,
dass du in Wirklichkeit ganz gut lernen kannst, wäre
möglicherweise gar nicht so gut für dich …« Schüler: »Warum nicht?« Lehrer: »Es könnte ja sein, dass du dann insgeheim
befürchtest, arrogant zu werden oder zu wirken …?«
Wenn Sie Nicht-Vorschläge machen, hat der Schüler die
größtmögliche Freiheit, diese Nicht-Vorschläge anzunehmen oder abzulehnen. Aus dieser Freiheit heraus kann er
ganz gelassen auf seine Brauchbarkeit hin überprüfen, wovon der Lehrer redet und was er implizit vorschlägt. Ablehnungsreflexe werden überflüssig oder laufen ins Leere.
Sie müssen jetzt aber nicht in jedem Ihrer nächsten Gespräche mit einem »auf Nein gepolten« Schüler zur Übung
ganz bewusst einen Nicht-Vorschlag machen – auch wenn
das dazu führen könnte, dass Nicht-Vorschläge zu einem
sehr nützlichen Teil Ihrer kommunikativen Möglichkeiten werden. Denn Nicht-Vorschläge haben Sie schon oft
gemacht, ohne sich dessen bewusst zu sein. Um vorübergehend häufiger an diese gute Möglichkeit erinnert zu
werden, Vorschläge so zu machen, dass sie auch von eher
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Nicht-Vorschläge
ablehnenden Schülern wohlwollend überdacht werden, ist
es nicht für jeden die richtige Methode, einen kleinen Zettel
mit dem Wort »Nicht-Vorschläge!« an seinen Unterrichtsvorbereitungen oder einem anderen ins Auge fallenden
Ort seines kommunikativen Arbeitsplatzes anzubringen.
Und um die Konzentration auf die Erleichterung von Gesprächen im Unterricht zu erhalten, ist es wahrscheinlich
auch besser, sich jetzt noch nicht zu fragen, bei welchen
Gesprächspartnern außerhalb der Schule solche Nicht-Vorschläge eine gute Wahl wären.
»So, jetzt geht’s weiter mathematisch: a–Qua…« »Protest,
Herr Brumm, heut’ nicht! Wir sind die Mehrheit, das ist
demokratisch!« »Na gut, Schluss mit der Debatte! Lassen
wir’s, wer braucht später denn schon Mathe?« »Wer? Ich Herr
Brumm! Ich werd’ doch mal Bioniker und da kann …« »Hey
Mann, der Brumm, der trickst uns doch nur aus! Da, in dem
Buch: Stichwort ›rosanes Karnickel‹! Stimmt’s, Herr
Brumm?« »Na ja, aber … Herr Prior meint, wenn man … also
… nun: versucht mal, nicht an ein rosa Kaninchen zu
denken!« »Hä? Einfach so aus’m Nix? Is’ doch’n Witz!
Könn’se sich schenken!« »Wieso?« »Na, man muss sich doch
erst einmal eins vorstellen sollen, um’s hinterher wieder
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vergessen zu wollen!« »Wie? Nun gut, dann stellt euch halt
mal kurz eins vor!« »Aus Plüsch?« »Nein, lebendig« »Wie
süß!« »Geht auch ’ne weiße Ratte? Der Urs hat eine
mitgebracht, für Bio, heißt Theo« »Und ich’n blaues Pferd,
allerdings nur auf Papier, für Kunst, von Macke« »Na
meinetwegen, aber dann denkt gefälligst auch an den Bock,
den ihr nicht habt!« »ha ha ha! Und jetzt soll’n wir an’s
Karnickel also nicht mehr denken?! Herr Brumm, das ist
jetzt aber stark!« »Mit dem blauen Gaul, da klappt’s, an den
erinnern wir uns überhaupt nicht mehr – ist übrigens von
Marc!« »Und auch nicht an Sie, Herr Brumm, mit Ihrem
Füller!« »Mann, ich krieg die Krise, Sie tricksen wohl nach
der Devise ›was verboten ist, das macht uns grade scharf‹?.
Übrigens, wir hätten auch für Ihr Problem ’ne Lösung:
Denken Sie doch einfach nicht daran, was wir für tolle
Schüler sind!«
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