Partnerschaft ohne Liebe, geht das?

Aktuell
Heute sind
sie ein Team,
das auch
beruflich
harmoniert
Partnerschaft ohne Liebe,
geht das? Dieses Paar hat
es ausprobiert – mit Erfolg
„Sexuelle Anziehung muss da sein“
Interview mit Wolfgang Krüger, Psychotherapeut
aus Berlin,
Buch-Tipp:
„Freiraum
für die Liebe“, Kreuz
Verlag, 14,95 Euro
Wir haben
die rosarote
Brille zu Hause
gelassen
FvH: Kann eine
Beziehung
ohne Liebe
funktionieren?
Wolfgang Krüger:
Nein, etwas Liebe
muss schon da sein.
Aber es gibt die
Freundschaftsliebe,
in der man sich wohlfühlt. Gute Partnerschaften basieren auf
dem Verstehen und dem
Sich-Helfen, und dies sind
Elemente der Freundschaft.
Insofern ist jede gute Liebesbeziehung vor allem auch eine
Freundschaft.
Aber was ist dann mit
Romantik?
Es muss schon auch eine
sexuelle Anziehung vorhanden sein. Sonst ist es
Verliebt waren sie nicht ineinander. Susanne und FrankThomas haben sich bewusst füreinander entschieden. Ihre These:
Wenn man die gleichen Dinge will, kommt die Liebe von ganz allein.
Die Geschichte einer selbst arrangierten Beziehung
Fotos: Horizon (6), PR (2)
S
onne, Blüten, Frühlingsgefühle. Überall halten verliebte Paare wieder Händchen, busseln, schauen sich tief
in die Augen. Aber geht das auch
alles ohne diese flatterhaften
Gefühle, die einen außer Rand
und Band bringen?
Susanne Wendel aus München
sagt Ja. Drei Jahre lang war sie
Single, datete in der Zeit über 30
Männer, wollte unbedingt einen
neuen Partner, in den sie sich
bis über beide Ohren verknallt.
„Ich war verliebt in das Verliebtsein. Sehnte mich nach Schmetterlingen im Bauch, Sehnsucht,
Herzklopfen und ganz viel
Romantik“, sagt die 41-Jährige
lächelnd. Aber es funktionierte
nicht. Sie fand nicht den Partner, der zu ihr passte. Und vor
allem nicht den, mit dem sie
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endlich eine Familie gründen
konnte. „Wenn man Ende 30 ist
und dann einen Mann sucht,
der auch noch einen Kinderwunsch hat, wird es eng.“
„Optisch gefiel mir Thomas
anfangs überhaupt nicht“
Dann traf sie während eines
Seminars in Kapstadt/Südafrika
2008 Frank-Thomas Heidrich
(heute 45), ebenfalls Single, aber
leider überhaupt nicht ihr Typ.
„Optisch ging er gar nicht. Mir
gefiel seine Glatze nicht, und
seine ruhige Art machte mich
auch nicht an. Ich wollte jemanden, der so ist wie ich. Laut und
lustig und kommunikativ“,
erinnert sie sich.
Die Verlobung
wird mit
einem
innigen Kuss
besiegelt
Thomas bietet
Motorradtouren
in Südafrika an
Und
auch
FrankThomas fand
keinen Gefallen
an Susanne: „Sie hatte mir zu viel Hummeln im Hintern“, sagt er
schmunzelnd. So offen reden
sie heute über sich, während
sie mit Söhnchen Amadeus
(15 Monate) in ihrem Wohnzimmer in Grünwald südlich
von München sitzen. Denn es
gibt – oh Wunder – tatsächlich
ein Happy End!
Normalerweise wäre an dieser
Stelle ihre Geschichte zu Ende.
Doch Susanne und FrankThomas trafen sich 2011 wieder
in einem Seminar. Und eine
eine Hänsel-und-Gretel-Beziehung, und es ist sehr wahrscheinlich, dass einer fremdgeht.
Viele machen sich Listen, wie der
Partner sein soll. Ist das falsch?
Man sollte schon genau wissen,
was man will und sucht – aber
nicht zu eingefahren sein. Man
braucht auch Ausdauer und eine
gute Orientierung, auf die man
notfalls wieder verzichtet, wenn
der Richtige vor einem steht.
Kann man sich bewusst für Liebe
entscheiden?
Ja. Häufig entsteht doch die Leidenschaft erst im Laufe der Zeit.
Es sind nicht die schlechtesten
Beziehungen, die mit Vernunft
beginnen. Oft sind es die zuverlässigen, teamfähigen Männer,
die gut zu uns passen, obwohl
unser Herz nicht bis zum Halse
schlägt. Und die wilden Kerle,
die unser Herz klopfen lassen,
machen uns oft nicht glücklich.
Wird das Gefühl des Verliebtseins
generell überbewertet?
Nein. Die Liebe ist wichtig, Liebe
ohne Verstand macht unglücklich, und Verstand ohne Liebe ist
trübsinnig.
Interview: Erika Krüger
Thomas ist
heute stolzer
Vater des
kleinen
Amadeus
Eine Familie wie aus
dem Bilderbuch –
wann immer es zeitlich
passt, spielen die
Eltern mit ihrem Sohn
unkonventionelle Idee wurde
geboren. „Wir hatten beide das SingleDasein und die Partnersuche total satt. Ganz pragmatisch beschloss ich, mich
innerhalb von fünf Tagen zu
verloben. Ich hatte keinen Partner, aber es gab fünf Männer,
mit denen ich mir das vorstellen konnte.“
„Eine Beziehung braucht
Geduld und Toleranz“
Und ausgerechnet Frank-Thomas
fragte Susanne spontan, ob sie
sich mit ihm verloben möchte.
Ohne rosarote Brille ließen sie
sich aufeinander ein. Noch am
selben Abend zog Frank-Thomas
bei Susanne ein. „Wir haben festgestellt, dass wir bei allen wichtigen Dingen wie Wohnung,
Kind, Lebensstil das Gleiche
wollten.“ Fünf Tage später gaben
sie ihre Verlobung bekannt. Eine
Schnapsidee? „Nein, wir merkten einfach, dass eine Beziehung
Geduld und Toleranz und gleiche Lebensziele braucht und
nicht unbedingt Schmetterlinge
im Bauch, die schnell auch wieder wegflattern“, sagt Susanne.
Aber wie reagierten Freunde
und Familie auf diese unge-
wöhnliche Entscheidung? „Die
haben sich gefreut und stehen
bis heute voll hinter uns“, sagt
Frank-Thomas. Knapp anderthalb Jahre nach der Verlobung
kam Söhnchen Amadeus zur
Welt. Und mit der Zeit wuchs
auch die Liebe.
„Klar, anfangs war es schwierig, und mir fehlte auch das
Verliebtsein. Aber wahre Liebe
entsteht dann, wenn beide sich
gemeinsam entwickeln“, ist sich
Susanne heute sicher. Baby zwei
ist jedenfalls schon in Arbeit ...
Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, aber mit einem echten
Happy End.
Erika Krüger
Buch-Tipp
Susanne Wendel/
Frank-Thomas
Heidrich: „Wie
wär’s mit uns
beiden?“ Horizon
Verlag, 15,90 Euro
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