Spangenberg, im Advent 2015 Liebe Freundinnen und Freunde vom Himmelsfels, liebe Weggefährten, Gäste, Geschwister, Nachbarn, Unterstützer und Interessierte, all Ihr, denen wir uns verbunden wissen und deren Gemeinschaft wir von Herzen suchen. Wir wünschen Euch eine hoffnungsvolle Weihnachtszeit und einen guten Start ins neue Jahr. Dieser Brief fällt mir schwerer als in den Vorjahren. Wie es euch wohl geht in dieser Adventszeit, in der rings um uns der Frieden auf Erden scheinbar für lange Zeit verloren geht? Es reicht langsam. Es ist Zeit, sich zurückzuziehen. So denke ich manchmal. Es ist Zeit, aufzugeben, die Welt wird zu komplex. Kennt ihr das Gefühl? Eigentlich müsste man etwas sagen. Man müsste etwas tun. Aber wenn du heute deine Stimme erhebst, wirst du auf jeden Fall etwas Falsches sagen. Wer jetzt für Frieden ist, wird garantiert ausgelacht, weil er den Weg dahin nicht zeigen kann. Im Moment scheint jeder Krieg realistisch, aber kein einziger Friede. Es wird Zeit, das endlich einzusehen. Wahrscheinlich ist die Welt ja zu recht genervt von all uns Weltverbesserern, von uns Multi-Kulti-Himmelsfels-Spinnern. Manche nennen Leute wie uns die „Gut-Menschen“, weil wir so gerne gut sein würden und anscheinend nicht einsehen, dass nichts wirklich gut ist. Ihr habt recht, denke ich dann. Es wird wirklich auch gar nichts besser, nur weil wir mal wieder versuchen, Gutes zu tun. Gutes tun hieße halt auch auf Böses verzichten - und wie schwer das ist, das kann sich ja jeder vorstellen. Ich möchte einen neuen Gedanken mit Euch teilen. Vielleicht fängt dieses Jahr Weihnachten gar nicht mit großer Freude und den nächsten guten Ideen und Vorsätzen an, sondern mit einer tiefen Traurigkeit über das, was uns nicht gelingt, obwohl wir uns danach sehnen. Vielleicht lohnt es sich, einmal wirklich hilflos zu sein, verletzt und verängstigt, unsicher, machtlos und bedürftig, nicht naiv, aber doch kindlich. Von Herzen traurig, weil wir das große Fest des Lebens einfach nicht fröhlich machen können, so sehr wir es auch versuchen. Die Jahreslosung für das kommende Jahr heißt „Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“. Ein ungewöhnlicher Satz über Gott, für den wir sonst immer so viele männliche Bilder haben. Es geht bei diesem alten Bibelvers aus dem Jesaja-Buch tatsächlich um eine Mutter, die ihr Baby stillt. Das schluchzende Kind wird an der Brust der Mutter ruhig über all seine Schmerzen, seinen Hunger und seine Traurigkeit. Wo eben noch große Verzweiflung war, ist jetzt absoluter Frieden. Der Frieden des gestillten Kindes ist keine Täuschung, schau es dir einmal an, so ein sattes Baby, sein Frieden ist viel realer als alle Verzweiflung, die ihm voranging. Gott täuscht mit seinem Trost auch nicht über den Schmerz hinweg, sondern er tröstet mitten im Schmerz. Er sagt nicht „Frieden auf Erden“, weil es so friedlich auf Erden ist, sondern weil wir den „Frieden auf Erden“ bitter nötig haben. Einen Frieden, der realer ist als jeder Krieg. Wir schenken Euch auch dieses Jahr wieder ein Transparent, das Ihr an ein Fenster kleben oder vor eine Kerze stellen könnt. Das Transparent zeigt das neue Dach unserer „Jubelkirche“ auf dem Himmelsfels, die wir im Oktober gemeinsam mit VertreterInnen vieler Konfessionen und Nationen einweihen durften. Wenn Ihr genau hinschaut, entdeckt Ihr in dem Deckengemälde zwölf Birken, die sich über den Köpfen in den Himmel strecken und die sich in all ihrer Pracht freuen über den neuen Morgen, der da langsam anbricht. So stellen wir uns die Freude vor, wenn eines Tages alle Völker gemeinsam jubeln über den echten Frieden, den Gott bringt. Können wir diesen Frieden schaffen, darauf hinarbeiten? Viel Gutes tun, damit es endlich gut wird? Das wird kaum gelingen. Aber wir können diesen Frieden erwarten, mit ihm rechnen. Wir können auf ihn hinleben. Und nicht aufgeben. Wissen, dass er unsere Zukunft ist - nicht der ewige Krieg. Wir können der Hoffnung mehr Raum geben als den Sorgen. Wir können in Feinden Menschen erkennen statt in Menschen Feinde. Wir können Bäume pflanzen als Zeichen, dass wir die Zukunft nicht unserer Angst überlassen, sondern dass wir uns freuen auf das, was kommt. Wir können den Frieden wachsen lassen in unserer Mitte und uns von Gott trösten lassen, damit wir lernen, die Verletzungen auszuhalten ohne direkt blind zurückzuschlagen. Wir haben wirklich kein leichtes Jahr hinter uns auf dem Himmelsfels. Manchmal fühlt es sich so an, als seien wir unserer Aufgabe gar nicht gewachsen, als sei der Gegenwind am Ende zu hart, als seien die Menschen um uns und wir selbst auch zu träge, um die Grenzen zwischen Konfessionen, Nationen und Kulturen zu überwinden und aufeinander zuzugehen. Daneben haben wir viel Großartiges erlebt in 2015, wir durften die „Jubelkirche“ einweihen, wir hatten ein tolles One-Spirit-Camp an Himmelfahrt, haben Konzerte und Gottesdienste in der ganzen Bundesrepublik durchgeführt, ein tolles Team von Freiwilligen hat uns bereichert, bei Konfi-Camps und Ferienfreizeiten gab es etwa 5000 Übernachtungen in unserer Weltstadt auf Rädern und viele Kinder und Jugendliche haben mit uns erlebt, wie Einheit, Gemeinschaft und Glaube in unserer Mitte wachsen. Aber am Ende der Saison waren wir vor allem müde und abgekämpft und nicht ohne Sorgen vor dem Winter. Und dann ... kamen auch noch die Flüchtlinge. Seit Mitte Oktober begleiten wir bis zu 150 Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft direkt neben dem Himmelsfels hier in der Kulturhalle in Spangenberg. Wir haben die Quartiere mit aufgebaut, heißen die Leute jede Woche neu willkommen und bemühen uns mit einem tollen Team von Spangenberger MitstreiterInnen, den Menschen eine würdevolle Zeit zu schenken und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Eigentlich hatten wir schon vorher genug zu tun und auch ausreichend eigene Sorgen, wir hatten wirklich „keinen Platz mehr in der Herberge“, aber das Verwunderliche ist, die Flüchtlinge kamen nicht einfach obendrauf, sie sind nicht nur eine zusätzliche Aufgabe, sondern sie öffnen uns auch ein Fenster in die Weite und zeigen uns, worauf es in allem ankommt. Man könnte sagen, sie geben uns erst die Gelegenheit, heute schon den Frieden auf Erden zu leben – hier mit ihnen mitten in einer zerstörerischen Welt. Und deswegen danke ich Gott für diese zusätzliche Herausforderung. Ich danke Gott, dass wir in unserer Arbeit auf unserem kleinen Berg in den vergangenen Jahren schon die Augen geöffnet bekommen haben für das Geschenk unserer Menschheits-Geschwister aus aller Welt. Vielleicht können wir Euch ermutigen, gemeinsam mit uns auf diesem Weg zu sein. Fürchtet Euch nicht! Wenn ihr mit uns ein Zeichen setzen wollt, pflanzt mit uns Hoffnungsbäume. Das Saatgut für eine besondere Papier-Birke schicken wir Euch mit. Eine kleine Friedensfahne aus Birkenpapier mit dem Wort Frieden in Arabisch (Salaam) und Hebräisch (Schalom) haben wir Euch auch gebastelt. Ihr könnt sie neben das Saatkorn in die Erde oder den Topf stecken. Wir sind gespannt, wieviele Bäume gepflanzt werden und ob sie wachsen und blühen. Vielleicht schreibt ihr ja in zwanzig Jahren einmal lauter kleine Briefe auf der Papierrinde Eures Baumes an die Menschen aus aller Welt, die ihr bis dahin als neue Geschwister gewonnen habt. In diesem Sinne wünschen wir Euch allen von Herzen tröstliche und gesegnete, jubelnde und vor allem o du fröhliche und gnadenbringende Weihnachts- und Festtage und hoffen, dass ihr ab und an den Chor der Engel hört, wenn sie für uns singen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen, die er liebt.“ Herzlich, für das Team vom Himmelsfels Johannes Weth P.S. Auf der Rückseite findet Ihr noch einen Lesungs-Text aus den diesjährigen Trostkonzerten falls ihr noch nicht geschafft seid von den vielen Worten. DANKE FÜR ALL EUER MITTRAGEN, MITFIEBERN, MITHOFFEN UND MITBETEN. WIR SIND EUCH DARIN SEHR VERBUNDEN UND WISSEN UNS VON VIELEN SEITEN GETRAGEN UND GESTÄRKT. Werner Pfetzing Stiftung Himmelsfels Dörnbach 12 34286 Spangenberg 05663-274017 www.himmelsfels.de / [email protected] Spendenkonto Stiftung Himmelsfels IBAN DE90 5206 0410 0000 8019 33 // BIC GENODEF1EK1 // Ev. Bank Meine Seele ist still. Ich zittere, aber ich stehe fest. Bei Gott komme ich zur Ruhe. Jeden Tag warte ich auf seine Hilfe. Er ist mein schützender Fels und meine sichere Burg. Wo bist du jetzt, Tod? Wo bist du jetzt, du feiger Hund? Wie lange willst du noch über mich herfallen? Wie oft willst du mich noch zu Fall bringen? Es wird dir nicht gelingen, denn du hast nicht länger das letzte Wort. Eben noch wolltest du mich in den Abgrund schubsen und vor aller Welt zusammenfallen lassen wie eine brüchige Mauer, die keinen Halt mehr hat. Aber ich kenne dich. Du spielst dich nur auf. Du bist wie ein blamierter Mann, dem man den Spiegel vorgehalten hat. Du blähst dich ein letztes Mal auf und redest uns allen nur ein, du seist unüberwindbar. Aber du wirst meinen Gott noch richtig kennenlernen. Denn meine Seele ruht auf dem Fels. Er ist mein Anwalt. Er stellt meine Ehre wieder her. Du kannst mich nicht länger wie nackt bloßstellen in meinen Tränen. Denn er trocknet sie mit behutsamer Hand. Das hier ist eine Nachricht an alle, die auf den Tod setzen. An alle, die mit unserer Angst spielen und uns in die Hände des Terrors treiben wollen. An alle, die sich in diesen Tagen aufblähen. Die feige morden und nennen es „für Gott“. Das ist eine Nachricht an Euch alle! Diesen Gott, den ihr anruft, den gibt es nicht mehr. Der ist längst besiegt. Er wird Euch nicht hören. Er freut sich nicht an Eurer Lebensverachtung und er belohnt nicht Euren Terror. Das könnt ihr vergessen. Denn ihr dient dem Tod und nicht dem Leben. Und der Tod hat längst verloren. Das leere Kreuz ist unser Zeichen. Jesus Christus hat den Tod besiegt. Aller Todesterror ist vergeblich. Denn die Liebe überwindet den Tod. Glaubt mir nur. Unser Gott ist ein Gott voller Stärke und Kraft. Und dies ist auch eine Nachricht an alle, die heute Tod mit Tod und Terror mit Furcht beantworten wollen. An all die, die jetzt auch einmal stark sein wollen. Und so tun, als wären sie immer auf der richtigen Seite. Auch ihr könnt auf unseren Gott nicht setzen. Denn unser Gott ist ein Märtyrer der Liebe. Mit ihm werden wir die Feindschaft dieser Welt nicht annehmen. Wir werden den Hass und die Bitterkeit nicht in unserem Herzen wohnen lassen, nicht einen Tag. Denn wir gehören zu Christus, dem Märtyrer der Liebe. Wir sind Überwinder, wir sind Erdulder, wir sind Feindes-Liebhaber. Und unser Kampf hat gerade erst begonnen. Macht Euch darauf gefasst, dass wir all denen mit ungetrübter Liebe begegnen werden, die bei uns Schutz suchen. Macht Euch darauf gefasst, dass wird alle Heimatlosen in Sicherheit bringen werden, ja auch die, die uns selbst tief verunsichern. Und dass wir auch denen die Füße waschen werden, die uns am Ende verraten und uns nach dem Leben trachten. Macht Euch darauf gefasst. Denn unser Gott ist ein Gott der Liebe. Und seine Liebe ist stärker als der Tod. Ihm gehört unser Leben für allezeit. Leute, hofft auf ihn, immer. Schüttet Euer Herz vor ihm aus, jederzeit. Er ist unsere Zuversicht. In Ewigkeit. Und achtet nicht länger auf die anderen und all das, was sie wohlmeinend sagen. Auch die größten Leute täuschen und die meisten setzen nur auf Reichtum oder Macht. Aber wir – wir hängen unser Herz an Gott, denn er ist gnädig. Ja, Gott ist der HEILIGE, mächtig und hoch erhaben und nichts kann ihn antasten. Aber Gott ist auch die LIEBE, von Herzen demütig und in der Tiefe zu finden und mein Leid berührt sein Herz. Meine Seele ist still. Ich zittere noch, aber ich stehe fest, denn du bist der Fels. Ich weine, aber du bist an meiner Seite, denn du bist die Hilfe. Ich habe Angst, aber ich bin sicher, denn du bist der Schutz. Ich werde nicht mehr fallen. Du bist der Fels. Meine Seele ist still. Amen. Johannes Weth - Lesung nach Psalm 62 Trostkonzert in Kassel am 21.11.2015 // eine Woche nach den Anschlägen von Paris
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