# OUTDOOR I TESSIN SAN CARLO Felsen als Lebensgrundlage Wo die Natur das Sagen hatte Im Bavonatal oberhalb von Bignasco eröffnet sich eine beeindruckende alpine Anpassung der Talbewohner an ihre Umgebung und ihrem unermüdlichen Kampf gegen Überschwemmungen und Bergstürze. er einst im Bavonatal zwischen Cavergno und dem Basodino-Gipfel wohnte, der brauchte vor allem eines: eine ausgeprägte Anpassungsfähigkeit an die Kräfte der Natur. Das Tal – durch das sich der Fluss Bavona und mehrere Bäche schlängeln – hat zwar eine Ausdehnung von 124 Quadratkilometern, die nutzbare Fläche beträgt aber gerade mal 1,5 Prozent. Die restliche Landschaft ist übersät von grossen Steinbrocken und umgeben von steilen Felswänden. Entsprechend hart war das Leben der Bevölkerung in früheren Zeiten. Die Standorte für das Vieh mussten ständig gewechselt werden, und jeder einzelne Quadratmeter zum Nahrungsanbau für Mensch und Tier wurde der Natur mühselig abgerungen. Not macht erfinderisch Für die Viehwirtschaft und den Ackerbau nutzbare Böden durften auf keinen Fall zum Hausbau vergeudet werden. Was blieb den Bewohnern anderes übrig, als ihre Häuser, Ställe oder die Kirche zwischen, unter und auf den unverrückbaren Felsen zu errichten. Auch Gemüsegärten und Heuwiesen wurden auf den grössten Felsblöcken angelegt. Diese hatten den Vorteil, dass sie für die Ziegen unerreichbar waren und die meisten Hochwasser trocken überstanden. Einige dieser sogenannten hängenden Gärten oder Dachwiesen waren nur mittels eigens dafür gebauten Steintreppen erreichbar. Wie die Bavonesi bei ihrem übervollen Tagesprogramm überhaupt noch Zeit fanden, Erde auf die Felsen zu schleppen und Steintreppen zu bauen, bleibt ein Rätsel. Der Lohn für die mühevolle Arbeit war meist eine Anbauzone von wenigen Ueli Rickenbach HERAUSTRENNEN UND SAMMELN Kulturlandschaft, die geprägt ist von der a Vom Fels geprägt. Das Bavonatal ist mit Felsbrocken übersät, die von zahlreichen Bergstürzen und Überschwemmungen in das karge Tal transpor tiert wurden. Die nutzbare Fläche beträgt heute noch knapp 1,5 Prozent der Gesamtfläche. 21 Bilder: sandra papachristos ! tour info San Carlo – Foroglio – Bignasco – Visletto Im Tal der Felsen START San Carlo. ZIEL Visletto. CHARAKTERISTIK Flusswanderung durch das wilde Bergtal Valle Bavona. Der Weg führt vorbei an mehreren Weilern mit eindrücklichen Kulturbauten im und am Fels, deren Bedeutung auf Informationstafeln beschrieben KULTUR wird. Das letzte Wegstück führt durch die urtümliche Waldlandschaft an der Maggia. ROUTE San Carlo – Sonlerto – Faedo – Roseto FAMILIE – Foroglio – Ritorto – Sabbione – Fontana – Cavergno – Bignasco – nach der Busstation in Bignasco links über Brücke und direkt KONDITION nach der Brücke rechts abzweigen (alter Wanderweg, kein Wanderwegschild bei der Abzweigung) – zuerst auf einer JAHRESZEIT schmalen Strasse, dann durch idyllisch urtümlichen Wald dem linken Maggiaufer entlang (vereinzelt sind alte Wanderwegweiser zu fin den) – vorbei an alter Hängebrücke San Carlo – Visletto, Busstation am linken Maggiaufer. ZEIT 4 h. DIS km. ANREISE TANZ ca. 14 Foroglio 7.13 Uhr oder 9.13 Uhr ab Locarno (Nr. 10) bis Bignasco und ab Big Bignasco nasco 8.15 Uhr oder 10.15 Uhr (Nr. 11 oder 13), Ankunft in San Visletto Carlo: 8.45 Uhr oder 10.45 Uhr. RÜCKREISE Stündlich Busse ab Vis letto (Nr. 10). EINKEHREN Ristorante «La Froda» in Foroglio, Tel. 091 754 11 81; Ristorante «Basodino» in San Carlo, Tel. 091 755 11 92. LITERATUR Bücher und Prospekte zum Valle Bavona bei der Fondazione Valle Bavone, Tel. 091 754 25 50, www.valle-bavona.ch oder Broschüre «Baukultur entdecken im Valle Bavona», erhältlich beim Schweizer Heimat schutz, Tel. 044 254 57 00, www.heimatschutz.ch, Buch von Plinio Martini «Nicht Anfang und nicht Ende», Limmat Verlag 2006. KARTEN Landes karte 1: 25 000, Blatt 1271 Basodino, Blatt 1291 LOWA-TIPP Renegade GTX Mid Ls Bosco/Gurin, Blatt 1292 Maggia. NATUR Balanceakt mit Fussbad. Immer wieder kreuzt der Wanderweg den Fluss Bavona oder einen der vielen Bäche, die talabwärts fliessen. Wer kein Fussbad möchte, balanciert über die zahlreich vorhandenen Steinbrocken. Einzigartige Kulturlandschaft. Der Wanderweg von San Carlo nach Visletto führt durch mehrere Weiler mit den typischen Stein bauten, deren einstige Verwendung auf Informationstafeln detailliert beschrieben ist. Va l le B av o Quadratmetern, die einen weiteren kleinen Beitrag zur Erhaltung von Mensch und Tier leistete. Gnadenlose Gewalten Um jeden Quadratmeter gekämpft. Die einstigen Bewohner nutz ten mit viel Erfindergeist den wenigen felsfreien Boden und bauten Ställe, Häuser und Kirchen zwi schen, unter oder auf den unverrückbaren Felsen. Kaum hatten sich die Bavonesi wieder mit ihrer kargen Umgebung arrangiert, brach die Gewalt der Natur wieder über sie herein. Innert Sekunden war die Arbeit der Talbewohner durch Überschwemmungen, Bergstürze oder Lawinen zunichte gemacht und die nutzbare Fläche weiter zusammengeschrumpft. Der Tessiner Schriftsteller Plinio Martini beschreibt dies eindrücklich in seinem Buch «Nicht Anfang und nicht Ende»: «Jahrhundertelange, beharrliche Mühe, und dann rutschte der Berg ab, kaum dass man Zeit hatte, ein Ave zu sagen, oder das Hochwasser durchbrach die Dämme, fegte die Felder hinweg und riss die ganzen Ställe mitsamt dem Heu und den Kühen mit sich fort. Wenn der Fluss heute keine Verheerungen mehr anrichtet, so nur, weil er uns schon alles angetan hat, was in seiner Macht stand, das sage ich dir.» An die Grenzen der Überlebensmöglichkeit gebracht, verliessen viele das Tal und wanderten bis nach Holland, Australien oder Kalifornien aus. Die Mühe hat sich gelohnt Für die Nachwelt ist aber dank dem anstrengenden Tagwerk der Bewohner eine der schönsten alpinen Kulturlandschaften des gesamten Alpenbogens entstanden, die dank erfolgreichen Bemühungen der Stiftung Fondazione Valle Bavona und anderen Organisationen grösstenteils erhalten geblieben ist. k Sandra Papachristos 22 HERAUSTRENNEN UND SAMMELN na Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA081377) J F MAM J JASOND
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