Akuter Kopfschmerz ein Vortrag von Matthias Bußmeyer

Klinik für Neurologie
Klinik für Neurologie
und klinische
Neurophysiologie
und Klinische
Neurophysiologie
Akuter Kopfschmerz
Matthias Bußmeyer
Klinik für Neurologie und Klinische Neurophysiologie
Klinikum Vest
Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen
Paracelsus Klinik Marl
M. Bußmeyer: Akuter Kopfschmerz
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Was sagen die Experten?
Klinik für Neurologie
und Klinische Neurophysiologie
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie von 09/2012:
Diagnostik und apparative Zusatzuntersuchungen bei
Kopfschmerzen
„Zusammenfassend ist eine kranielle Bildgebung bei typischer Anamnese
und normalem neurologischem Befund zumindest bei primären
Kopfschmerzen entbehrlich. Eine Ausnahme machen die Erstmanifestation
aller unter Punkt [3] (trigeminoautonome Kopfschmerzen) […] und 4
(primärer Donnerschlagkopfschmerz, Sexualkopfschmerz, primärer
Hustenkopfschmerz) […] der IHS-Klassifikation gelisteten primären
Kopfschmerzen, bei denen nicht selten sekundäre Formen auftreten [...].“
Was heißt das für akute Kopfschmerzen?
http://www.dgn.org/leitlinien/2276-ll-52-diagnostik-bei-kopfschmerzen, eingesehen am 09.01.2016
M. Bußmeyer: Akuter Kopfschmerz
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Was heißt das für akute
Kopfschmerzen?
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und Klinische Neurophysiologie
Bei lang bestehender primärer Kopfschmerzerkrankung
→ Diagnostische Einordnung nach Anamnese und Klinik häufig möglich
Bei akutem, neuen Kopfschmerz?
Entweder klare Zuordnung zu Migräne oder Spannungskopfschmerz
möglich, sonst weitere Abklärung!
M. Bußmeyer: Akuter Kopfschmerz
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Anamnese!
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Differenzierte Kopfschmerzanamnese
Zeitlicher Verlauf:
Erstmaliges Auftreten (seit wann?)
Beginn (perakut vs. schleichend)
Persistenz (durchgehend vs. attackenförmig)
Bei Attacken:
Frequenz (wie oft pro Tag / Woche / Monat)
Dauer der Attacke (Blitzartig / Sekunden / Minuten / Stunden / Tage)
Häufung in Clustern? Abhängigkeit von Tageszeit?
Lokalisation (beidseitig vs. einseitig / nuchal vs. frontal vs. holocephal)
Schmerzcharakter (stechend, drückend, pochend/pulsierend, brennend,
ziehend, bohrend, reißend usw.)
Intensität (Numerische Rating-Skala von 0-10, 0=keine Schmerzen, 10=
schlimmster vorstellbarer Ohnmachtskopfschmerz)
M. Bußmeyer: Akuter Kopfschmerz
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Anamnese!
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Differenzierte Kopfschmerzanamnese
Auslöser:
Lageabhängigkeit (im Stehen / Liegen, beim Vornüberbeugen)
Triggerfaktoren (Schlafentzug, Alkohol, Kauen, Schlucken, Sprechen,
kalte/warme Speisen usw).
Trauma?
Begleitsymptome:
Autonom (Nasenlaufen, Augentränen, gerötetes Auge,
Schweißsekretionsstörung)
Vegetativ (Synkope, Übelkeit, Erbrechen, Photo-/Phonophobie,
Geruchsempfindlichkeit)
Medikamenteneinnahme?
Welche Maßnahmen helfen?
Neurologische Ausfälle bemerkt? (Aura, sonstige Ausfälle?)
M. Bußmeyer: Akuter Kopfschmerz
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Klinische Untersuchung
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Allgemeinmedizinische Untersuchung:
AZ? Infektzeichen? Fieber? Blutdruck? Temporalarterien tastbar? Petechien? Exanthem?
Zoster (auch Gehörgang)?...
Neurologische Untersuchung:
Vigilanz, Meningismus, Hirnnervenstatus, Motorik, Reflexe, Sensibilität, Gang, Stand,
Koordination, Extrapyramidales System
Verhaltensauffälligkeiten?
Kortikale Defizite: Aphasie? Apraxie? Neglect? Gesichtsfelddefekte?
Vegetatives System: Horner-Syndrom? Schweißsekretionsstörung? Ziliäre Injektion?
Rhinorhoe? Lakrimation?
...
M. Bußmeyer: Akuter Kopfschmerz
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Migräne ohne Aura
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A.Mindestens fünf Attacken, welche die Kriterien B-D erfüllen
B.Kopfschmerzattacken, die (unbehandelt oder erfolglos behandelt) 4-72 h anhalten
C.Der Kopfschmerz weist mindestens zwei der folgenden Charakteristika auf:
 einseitige Lokalisation
 pulsierender Charakter
 mittlere oder starke Schmerzintensität
 Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten (z.B. Gehen oder
Treppensteigen)
oder führt zu deren Vermeidung
D.Während des Kopfschmerzes besteht mindestens eines:
 Übelkeit und/oder Erbrechen
 Photophobie und Phonophobie
E.Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen
http://ihs-classification.org/de/02_klassifikation/02_teil1/01.01.00_migraine.html, eingesehen 24.01.2016
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Migräne mit Aura
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A. Mindestens 2 Attacken, welche die Kriterien B-D erfüllen
B. Die Aura besteht aus mindestens einem der folgenden Symptome, nicht aber aus einer
motorischen Schwäche
 vollständig reversible visuelle Symptome mit positiven (z.B. flackernde Lichter, Punkte oder
Linien) und/oder negativen Merkmalen (d.h. Sehverlust)
 vollständig reversible sensible Symptome mit positiven (d.h. Kribbelmissempfindungen)
und/oder negativen Merkmalen (d.h. Taubheitsgefühl)
 vollständig reversible dysphasische Sprachstörung
C. Wenigstens 2 der folgenden Punkte sind erfüllt
 homonyme visuelle Symptome und/oder einseitige sensible Symptome
 wenigstens ein Aurasymptom entwickelt sich allmählich über ≥ 5 Minuten hinweg und/oder
verschiedene Aurasymptome treten nacheinander in Abständen von ≥ 5 Minuten auf
 Jedes Symptom hält ≥ 5 Minuten und ≤ 60 Minuten an
D. Kopfschmerzen, die die Kriterien B-D für eine 1.1 Migräne ohne Aura erfüllen, beginnen noch
während der Aura oder folgen der Aura innerhalb von 60 Minuten
E. Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen
http://ihs-classification.org/de/02_klassifikation/02_teil1/01.02.00_migraine.html, eingesehen 24.01.2016
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Spannungskopfschmerz
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B.Der Kopfschmerz hält für Stunden an oder ist kontinuierlich vorhanden
C.Der Kopfschmerz weist mindestens 2 der folgenden Charakteristika auf:
 beidseitige Lokalisation
 Schmerzqualität drückend oder beengend, nicht pulsierend
 leichte bis mittlere Schmerzintensität
 keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten wie Gehen oder
Treppensteigen
D.Beide folgenden Punkte sind erfüllt:
 Höchstens eines ist vorhanden: milde Übelkeit oder Photophobie oder
Phonophobie
 weder Erbrechen noch mittlere bis starke Übelkeit
E.Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen
http://ihs-classification.org/de/02_klassifikation/02_teil1/02.00.00_tension.html, eingesehen 24.01.2016
M. Bußmeyer: Akuter Kopfschmerz
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Die entscheidenden
Differentialdiagnosen
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Subarachnoidalblutung
Merkmale:
Donnerschlagkopfschmerz (!), evtl. nuchal
Meningismus
Hirnnervenausfälle
Vigilanzstörung (auch passager!)
Neurologische oder psychiatrische
Auffälligkeiten
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Die entscheidenden
Differentialdiagnosen
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Intrazerebrale Blutung
Merkmale:
Akuter Kopfschmerz
Vigilanzstörung
Erbrechen
Neurologische oder psychiatrische
Auffälligkeiten
Epileptische Anfälle
Orale Antikoagulation?
Hypertensive Entgleisung?
M. Bußmeyer: Akuter Kopfschmerz
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Die entscheidenden
Differentialdiagnosen
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Subduralhämatom
Merkmale:
Subakute Kopfschmerzen
Progrediente Vigilanzstörung
Erbrechen
Neurologische oder psychiatrische
Auffälligkeiten
Epileptische Anfälle
Vorausgehendes (Bagatell-)Trauma?
Orale Antikoagulation? Alkohol?
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Die entscheidenden
Differentialdiagnosen
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Intrazerebraler Tumor
Merkmale:
Subakute oder chronisch progrediente
Kopfschmerzen
(Nüchtern-)Erbrechen
Neurologische/psychiatrische Auffälligkeiten
Epileptische Anfälle
Progrediente Vigilanzstörung
Bekannte Tumorerkrankung?
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Die entscheidenden
Differentialdiagnosen
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Sinusvenenthrombose
Merkmale:
Akute bis subakute Kopfschmerzen
Erbrechen
Neurologische/psychiatrische Auffälligkeiten
Epileptische Anfälle
Progrediente Vigilanzstörung
Sehstörung (Stauungpapillen,
intrakranielle Hypertension)
D-Dimere akut in 97% erhöht, negative DDimere aber kein Ausschluß!
Orale Kontrazeptiva? Schwangerschaft?
Nikotin?
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Die entscheidenden
Differentialdiagnosen
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Arterielle Dissektion
Merkmale:
Akute, lokalisierte Kopfschmerzen, vom
Hals ausstrahlend, NICHT
bewegungsabhängig
Horner-Syndrom
Hirnnervenausfälle
Neurologische Auffälligkeiten, oft
zeitversetzt
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Die entscheidenden
Differentialdiagnosen
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Meningitis
Merkmale:
Akute bis subakute, ggf. nuchale
Kopfschmerzen
Meningismus (Vgl. Inklination/Rotation)
Fieber
Vigilanzstörung
→ bei 2 der 4 Kriterien besteht Verdacht
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Die entscheidenden
Differentialdiagnosen
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Enzephalitis
Merkmale:
Oft subakute Kopfschmerzen
Fieber
Epileptische Anfälle
Neuropsychiatrische Auffälligkeiten
Vigilanzstörung
Prodromalstadium mit Allgemeininfekt?
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Die entscheidenden
Differentialdiagnosen
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Arteriitis temporalis
Merkmale:
Neue umschriebene Kopfschmerzen
Pulslose, druckdolente Temporalarterien
Alter > 50 Jahre
BSG > 50mm/1h
Sono-/Biopsieauffälligkeiten
→ 3/5 Kriterien erfüllt (ACR-Kriterien,
Sensitivität 75%, Spezifität 92%)
Claudicatio masticatoria?
Amaurosis fugax?
Polymyalgische Beschwerden?
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Die entscheidenden
Differentialdiagnosen
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Hypertensive Krise
Posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES)
Reversibles Vasokonstriktionssyndrom (RVCS)
Ischämischer Schlaganfall im hinteren Stromgebiet
Hypophyseninfarkt
Glaukomanfall
Optikusneuritis
Idiopathische intrakranielle Hypertension
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Red Flags
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Wann Bildgebung / weitere Diagnostik ?
 Erstmanifestation von Kopfschmerzen im Alter > 40 Jahre
 Änderung des Kopfschmerzcharakters bei bekannter Kopfschmerzerkrankung
 Donnerschlagkopfschmerz (!)
 Zügig progrediente Kopfschmerzanamnese (Attacken oder Intensität)
 Morgendlicher Kopfschmerz mit Nüchternerbrechen
 Unklares Fieber / Meningismus
 Neurologische oder psychiatrische Auffälligkeiten (v.a. nach Kopfschmerzbeginn)
 Epileptische Anfälle
 Immunsupprimierte Patienten
 Kinder
 Uneindeutige Anamnese
 Tumorphobie des Patienten
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Clinical Pathway
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http://www.dgn.org/images/red_leitlinien/LL_2012/CP_LL52_2012.pdf, eingesehen am 09.01.2016
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Vielen Dank.
Fragen?
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