Forschungsprojekt „EyeTrack4all“ [email protected] [email protected] [email protected] Sprechen, Lachen, Rückwärts- hier und wollte gerade für morgen spielen sie auch zusammen Memory: Tobias zeigt die Karten auf dem Bildfahren – was Talker mit Augen- üben. Und wer bist du?“ Auch Tobias‘ Bildschirm erhellt schirm und Felix sucht mit den Augen steuerung im Alltag erleben W enn ein Kind, ein Geschwisterkind oder eine Mitschülerin eine Kommunikationshilfe mit Augensteuerung bekommt, haben Kinder viele Fragen: Was ist das? Darf ich auch mal? Warum braucht die das? Wir haben eine kleine Geschichte geschrieben, die diese Situation aufgreift. Eltern, Lehrerinnen, Erzieher und andere Interessierte können sie Kindern vorlesen oder auch sich davon inspirieren lassen, um eigene Geschichten von Kommunikationshilfen zu erfinden. Die Geschichte erzählt Alltags-Erlebnisse aus einer ungewöhnlichen Sichtweise, nämlich aus der Sicht des Hilfsmittels selbst. Dadurch sollen Kinder in der Kita oder Grundschule zu Gesprächen über die Augensteuerung angeregt werden. Beim Vorlesen oder Erzählen können Fragen der Kinder gemeinsam besprochen werden. Es ist Mittwochabend. Gerade ist die Sonne untergegangen. Die Kinder in der Wohngruppe „Igel“ gehen ins Bett. Frau Frank, die Gruppenleiterin, geht durch die Zimmer und sagt allen „Gute Nacht!“. Die Zimmer der Kinder sind jetzt dunkel. Im Büro der Wohngruppe leuchtet ein kleines, orangenes Licht: Tobias, die Kommunikationshilfe, liegt hier und seine Ladeanzeige leuchtet, weil seine Akkus aufladen. Er mag diese Ruhe in der Nacht sehr. Es ist ja sein Job, den ganzen Tag zu sprechen. Und das kostet viel Energie. Doch – was ist das? Blinkt da nicht noch etwas? „Tschüß! Ich möchte etwas trinken. Nein, ja, danke“, hört er eine Mädchen-Stimme sprechen. „Hallo, ist da jemand?“ fragt Tobias erschrocken. Plötzlich leuchtet ein anderer Bildschirm auf, und Tobias sieht eine Kommunikationshilfe. Die spricht mit ihm! „Oh, hallo“, begrüßt ihn das andere Gerät. „Ich bin Aleandra! Ich bin neu sich. „Ich heiße Tobias und bin der Freund von Felix. Felix ist ein Junge, der hier in der Wohngruppe lebt. Er ist 10 Jahre alt und sitzt im Rollstuhl. Felix liebt Musik! Ich bin seine Kommunikationshilfe, ich unterstütze Felix beim Sprechen. Er kann nicht mit seinem Mund sprechen und nutzt seine Blicke, um anderen etwas zu sagen. Ich kann ganz genau erkennen, was Felix auf meinem Bildschirm anschaut, und dann kann ich es für ihn vorlesen. Blicke-Lesen ist meine Spezialität!“ erklärt Tobias. „Wie war denn dein erster Tag bei uns hier?“ „Ach“, seufzt Aleandra, „ich fand es nicht einfach. Meine Aufgabe ist wie deine: Ich muss erkennen, wo jemand hinschaut. Ich habe heute Emine kennengelernt, die ich ab jetzt beim Sprechen unterstütze. Emine sitzt auch im Rollstuhl. Sie ist noch nicht so lange hier in der ‘Igel’-Wohngruppe, sie geht in den Kindergarten. Als wir heute Vormittag zusammen gespielt haben, lief es gut. Später aber konnte ich ihre Blicke manchmal nicht gut lesen, weil ich ihre Augen nicht sehen konnte. Emine lacht viel. Ich wollte immer mitlachen, aber ich musste mich total konzentrieren, um ihre Blicke zu verstehen!“ Tobias lacht und sagt: „Mach dir keine Sorgen! Felix und ich hatten am Anfang auch unsere Probleme. Wir haben aber viel geübt, und inzwischen sind wir ein gutes Team geworden. Emine und du, ihr werdet das auch noch lernen. Ich verstehe Felix inzwischen fast besser als jeder andere. Manchmal passiert es aber auch mir noch, dass ich seine Blicke nicht lesen kann. Also, das ist am Anfang völlig normal!“ „Danke“, meint Aleandra, „das beruhigt mich. Ich hoffe, dass ich Emine bald ganz gut verstehe.“ Tobias erzählt Aleandra, dass er jeden Tag mit Felix in der Schule ist. Sie lösen zusammen Matheaufgaben, lernen Neues über die Tiere und Pflanzen auf dieser Erde, und manchmal aus, welche Karte er aufdecken will. Aleandra fragt neugierig: „Und was macht ihr nach der Schule?“ „Am liebsten hören wir Musik oder wir quatschen mit dem Zimmernachbar von Felix über neue Lieder“, erzählt Tobias. „Wir fahren aber auch gern mit Felix‘ Rolli durch das Haus und besuchen Leute. Meistens machen wir das zusammen mit Frau Delgado. Die arbeitet hier im Haus und hilft den Kindern, die beim Sprechen Unterstützung brauchen. Jede Woche besucht sie Felix und mich und macht spannende Sachen mit uns. Frau Delgado hat Felix beigebracht, wie er mit meiner Hilfe richtige Wörter und Sätze sagen kann. Sie weiß auch ganz genau, wie ich funktioniere, und bringt mir neue Wörter bei: Zum Beispiel hat sie mir ‘Emine’ als neuen Namen beigebracht, als Emine in die Gruppe gekommen ist! Frau Delgado passt auf, dass Felix mit mir alles sagen kann, was er gern sagen möchte: Wie er heißt und wo er wohnt, aber auch die Namen der anderen Kinder in der Gruppe, und Namen von Sängern, über die er mit den anderen Kindern spricht.“ Tobias will nun mehr über Aleandras ersten Tag wissen. Er hat noch nie mit einem anderen Gerät gesprochen, das so ähnlich funktioniert wie er selbst! Aleandra erzählt aufgeregt von ihrem ersten Tag: Emine liebt es, ganz schnell mit ihrem Rolli durch den Flur zu fahren. Heute war Aleandra ihre Mitfahrerin. Da Aleandra nichts sehen konnte, weil sie rückwärtsfuhr, ist ihr richtig schlecht geworden. Aber sie hat noch mehr erlebt: „Als Emine mich heute den anderen Kindern in ihrer Wohngruppe vorgestellt hat, waren alle total neugierig auf mich. Die Kinder haben immer wieder ihre Köpfe zwischen Emine und mich gedrängelt. Ich konnte dann Emines Augen nicht mehr sehen, das hat mich sehr gestört. Die anderen Kinder haben einfach ohne zu fragen mit mir gespielt!“ Forschungsprojekt „EyeTrack4all“ [email protected] [email protected] [email protected] „Das kenne ich auch“, erklärt Tobias. „Ich finde es total nervig, wenn ich Felix nicht mehr sehen kann. Ich glaube, dass Felix das nicht immer schlimm findet: Er ist stolz, dass die anderen Kinder auch mit mir spielen wollen und mich so toll finden.“ Ja“, meint Aleandra, „das glaube ich auch. Emine hat beobachtet, welche Wörter die anderen Kinder gefunden haben. Danach hat sie die Wörter selbst gesucht und ich durfte sie vorlesen.“ Tobias erzählt Aleandra, was ihn noch stört: „Doof finde ich es, wenn ich Felix nicht begleiten kann. Zum Beispiel wenn er ins Schwimmbad geht. Dann muss ich in meiner Tasche am Rollstuhl warten. Leider darf ich nicht ins Wasser! Aber am schlimmsten ist es, wenn die Erwachsenen vergessen, mich wieder aus der Tasche zu holen!! Einige haben noch nicht verstanden, wie wichtig es für Felix ist, dass ich immer bei ihm bin.“ Tobias und Aleandra quatschen noch eine ganze Weile miteinander. Plötzlich werden sie von einem Geräusch unterbrochen. „PIEP-PIEP-PIEP.“ Aleandra fragt erstaunt: „Was ist das denn?“ Tobias erklärt ihr: „Das war wohl mein Akku. Vielleicht sollten wir uns jetzt ein bisschen ausruhen und auftanken. Sehen wir uns morgen beim Frühstück?“ – „Ja, bestimmt! Vielleicht zeigt mir Emine dann, wie das alles heißt, was die Kinder essen. Dann kann ich morgen Abend wieder Vokabeln lernen. Gute Nacht, Tobias! Schön, dass ich hier nicht allein bin!“ aschky Oh, hallo! Ich heiße Tobias. Julia Bel Hallo, ich bin Aleandra. Wer bist du? Aus der Sicht der Kommunikationshilfe, oder: Eine ganz andere „Talkerrunde“ Erklärungen für Fachkräfte und Eltern Die Idee einer Geschichte aus der Sicht der Kommunikationshilfen entstand aus Beobachtungen im Forschungsprojekt „EyeTrack4all“ (Augensteuerung in der UK) der Alice Salomon Hochschule Berlin. Wir haben u.a. beobachtet, dass Kinder, die nicht über die Komplexität eines Geräts nachdenken, ohne Hemmungen einfach damit herumspielen. Die Fachkräfte und Eltern haben die Verantwortung für die Kommunikationshilfe und auch viel Respekt vor dem teuren Gerät. Sie finden seltener die Zeit, um abseits der Routineaufgaben mal Neues auszuprobieren oder sich selbst einfach eine Stunde vor das Gerät zu setzen. Gerade das ist aber auch eine wichtige Erfahrung. Im Anschluss an die kleine Geschichte, die Sie mit Kindern besprechen können, möchten wir Ihnen als verantwortlichen Erwachsenen ein paar Tipps für den Umgang mit einem Sprachausgabegerät mit Augensteuerung geben, die besonders an Augensteuerungs-Neueinsteiger gerichtet sind. Wir haben zum Beispiel gemerkt, dass es hilfreich ist, wenn die Bezugspersonen den Umgang mit einer Augensteuerung erst mal bei anderen UK-Fachkräften beobachten. Sie können dadurch praktische Einblicke bekommen, wie Sie mit dem Gerät umgehen können. Wenn Sie dann regelmäßig mit der Augensteuerung arbeiten und das Gelernte schnell selbst anwenden, ist das von großem Vorteil. Für die Organisation des Einsatzes der Kommunikationshilfe im Alltag sind klare Regeln und Verantwortlichkeiten sinnvoll: Wer ist wofür verantwortlich? (Aufladen, Befestigen und Einschalten, Ausrichtung prüfen, Seitensets individualisieren, Fotos und Musik einrichten etc.) Wann wird das Gerät eingesetzt, wann wird es aufgeladen? Wo ist das Zubehör? (Rolli-Halterung, Stehständer, Tischständer, Ladekabel bzw. Akkuladestation, Handbuch u.Ä.) Wie soll der Nutzer bzw. die Nutzerin am besten sitzen/liegen, wie soll das Gerät befestigt werden? Wie wird die Ausrichtung geprüft? (Trackstatus aufrufen) Wozu wird die Kommunikationshilfe eingesetzt? In welchen Situationen wird auf anderen Wegen kommuniziert? Dürfen andere Kinder das Gerät auch mal ausprobieren? Wenn ja, in welchen Situationen? Woher bekommt man Hilfe und wem berichtet man, wenn es Probleme gibt? (Ansprechpartner für verschiedene Probleme, mit Telefonnummer) Wenn Sie diese Fragen klären und die Antworten notieren (z.B. auch in Form eines Wochen- oder Tagesplans), haben Sie eine Kurzanleitung mit den wichtigsten Informationen. Die Anleitung könnte sichtbar in der Tasche am Rolli stecken o.Ä, sodass jede Bezugsperson darauf zugreifen kann. Wichtig ist es, immer wieder selbst das auszuprobieren und anzuwenden, was man gelernt hat, damit man es sich besser merkt. Wir freuen uns sehr über Ihre Rückmeldungen, was die Kinder zu der Geschichte von Aleandra und Tobias gesagt haben oder auch dazu, wie Sie die Geschichte weitererzählt haben! Autorinnen: Anna Lena Grans Maxine Saborowski Ingrid Kollak Dieser Text ist als PDF verfügbar unter: ääwww.ash-berlin.eu/forschung/forschungsprojekte/eyetrack4all/publikationen/
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