COMPLIANCE – FLUCH ODER SEGEN? Im Jahr 2008, als in es in Deutschland eine Häufung von Unternehmensskandalen gab, soll „Compliance“ durchaus in die engere Wahl zum Wort des Jahres gekommen sein. Und auch wenn es eine Wahl zum Wort des Jahrzehntes oder gar des Jahrhunderts gibt, würde „Compliance“ vermutlich in die engere Auswahl kommen. Was aber bedeutet Compliance? Sucht man in einem älteren Wörterbuch nach der deutschen Übersetzung für diesen Begriff, kann es sein, dass man ihn überhaupt nicht findet. Schaut man weiter, so findet man das Verb „to comply“, welches mit „willfahren“, „sich fügen“ übersetzt wird1. Zumindest das letztere beschreibt vielleicht die Gefühle vieler Mitarbeiter, die mit Compliance-Regeln konfrontiert werden, „man fügt sich“! Heute wird das Wort „Compliancy“ im Deutschen mit „Ordnungsmäßigkeit“ oder auch „Regeltreue“ übersetzt, Compliance selbst u. a. mit „Befolgung“, „Einhaltung“ „Folgsamkeit“, „Konformität“, aber auch mit „Lernfähigkeit“. In der Betriebswirtschaft wird das Wort „Compliance“ als Begriff für die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien, aber auch von freiwilligen Kodizes benutzt. Daraus abgeleitet hat sich der Begriff Compliance-Management, mit dem üblicherweise die Gesamtheit der Grundsätze und Maßnahmen zur Einhaltung bestimmter Regeln und damit verbunden der Vermeidung von Regelverstößen in einem Unternehmen bezeichnet wird.2 Durch den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), der börsen1 Junckers Wörterbuch Englisch Deutsch, Axel Juncker Verlag, 22. Auflage, Februar 1966 2 Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer, Prüfung von Compliance Management Systemen: WPg Supplement 2/2011, S. 78 ff., FN-IDW 4/2011, S. 203 ff notierte Unternehmen in Deutschland zu einer Compliance Organisation verpflichtet, wird Compliance definiert als die in der Verantwortung des Vorstands liegende Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und unternehmensinternen Richtlinien. Dieses Verständnis, und die darauf aufbauende Empfehlung, wurde inzwischen auch von vielen nicht börsennotierten Unternehmen übernommen, und es trifft damit vermutlich auch am häufigsten die geltende Meinung, was Compliance in Unternehmen bedeutet. Historisch gesehen kann durchaus behauptet werden, dass in Deutschland die Grundsätze guten, kaufmännischen Handelns, die in vielen Werken niedergelegt sind, schon immer auch Elemente, die heute unter den Begriff Compliance fallen, enthalten haben. Der Begriff „Compliance“, und das Verständnis, wie wir es heute verwenden, hat seinen Ursprung – zumindest teilweise – sicher im Sarbanes-Oxley-Act (SOX). Hierbei handelt es sich um ein Gesetz, das in den USA für börsennotierte Aktiengesellschaften gilt. SOX war die Reaktion des amerikanischen Gesetzge- bers auf Bilanzfälschungen und Manipulationen in Unternehmen. In diesem Gesetz ist beispielsweise die verschärfte Haftung der Geschäftsführung für Bilanzen, die Transparenz von Unternehmensprozessen, das Vorhandensein einer gesetzeskonformen IT-Landschaft, aber auch das Vorhandensein von Ethikrichtlinien in den Unternehmen geregelt. Dabei erfasst SOX auch Tochtergesellschaften von in den USA börsennotierten Aktiengesellschaften, selbst wenn diese ihren Sitz nicht in den USA haben. Dadurch waren von Beginn an auch Unternehmen außerhalb der USA betroffen und die „Compliancewelle“ erreichte auch Europa und damit Deutschland. Was bedeutet dies nun für Unternehmen und wie wirkt sich Compliance in der Praxis aus? Zunächst einmal aus meiner Sicht interessant ist die Tatsache, dass viele Unternehmen „Compliance“ als ein Risiko ansehen. So sehen in einer aktuellen Ace Studie, die in Zusammenarbeit mit dem Longitude Research Institut erstellt wurde, Risk Manager in den EMEA-Staaten Regulatorische und Compliance Anforderungen in der Liste der Top-Risiken, die ihre Unternehmen betreffen, bereits an dritter Stelle unter den Top 10 Risiken. Wenn man Mitarbeiter in Unternehmen befragt, was Compliance bedeutet, wissen diese häufig nur unzureichend, was dies bedeutet. So ergab eine Umfrage des Softwareunternehmens Recommind Zunächst einmal aus meiner Sicht interessant ist die Tatsache, dass viele Unternehmen „Compliance“ als ein Risiko ansehen. VersicherungsPraxis 11/2015 3
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