Nr. 9/2015 • Bob McCarthy – Jimmy Reiter – Pass Over Blues • Album des Monats: Gary Clark Jr. – The Story of Sonny Boy Slim • Antje Marsch: Naturfotografie • Mit Erzählungen von Constanze John und A.J. Mordtmann 2 EDITORIAL IMPRESSUM Die Wasser-Prawda ist ein Projekt des Computerservice Kaufeldt Greifswald. Das pdf-Magazin erscheint in der Regel monatlich. Es wird kostenlos an die registrierten Leser des Online-Magazins www.wasser-prawda.de verschickt. Wasser-Prawda Nr. 8/2015 Redaktionsschluss: 27.08.2015 Titelseite: Roland Beeg (Pass Over Blues) links: Larry Griffith Hintere Umschlagseite: Indian beim Mardi Gras REDAKTION: C he f r e d a k t e u r : R a i mu nd Nitzsche (V.i.S.d.P.) Redaktion: Mario Bollinger, Bernd Kreikmann, Matthias Schneider, Dave Watkins, Darren Weale Mitarbeiter dieser Ausgabe: Gary Burnett, Iain Patience, Markus Reimer Die nächste Ausgabe erscheint am 24. September 2015. Adresse: Redaktion Wasser-Prawda c/o wirkstatt Gützkower Str. 83 17489 Greifswald Tel.: 03834/535664 [email protected] Anzeigenabteilung: [email protected] Wasser-Prawda | September 2015 I N H A LT 3 INHALT SEPTEMBER 2015 4 5 13 14 19 21 25 27 33 39 40 53 54 56 62 65 71 Editorial Auf Tour Musik Stimmen des Blues - 3. Hamburg Blues Nights am 30./31. Oktober Jimmy Reiter: „Ich hab´s euch ja gesagt!“ Blues von einem anderen Stern Bob McCarthy: A Satisfied Mind Pass Over Blues im Sotano Netzfundstücke: Jochen Volpert Gehört wird, was dem Reiseleiter gefällt. Blueskalender Rezensionen Gary Clark Jr. – The Story Of Sonny Boy Slim Rezensionen A bis Z Wiederhören Meilensteine Feuilleton Antje Marsch: Naturfotografie Constanze John: Anna Seghers und ihr Grubetsch Der Untergang der Carnatic Die Vestalinnen 85 Enghlish Articles Wasser-Prawda | September 2015 4 EDITORIAL EDITORIAL VON RAIMUND NITZSCHE Fußballübertragungen oder Live-Musik? Coverbands, Single-Parties oder Konzerte mit unbekannteren Musikern? Womit kann ein Laden heute leichter wirtschaftlich überleben? Ich glaub, vor solchen Überlegungen stehen heute viele Kneipen und Clubs, vor allem wenn sie sich musikalisch in Richtung Blues und ähnlicher Genres orientieren. Es vergeht kaum eine Woche, wo mich nicht Musiker nach Tipps fragen, wo sie in unserer Region oder in Deutschland überhaupt auftreten können. Und ich kann ihnen immer nur die gleiche Handvoll Adressen und Webseiten nennen, die mir beim Blick in die Tourpläne auffallen. Neue kommen scheinbar kaum hinzu. Und selbst die etablierten Läden sind wirtschaftlich kaum in der Lage, orderntlich Werbung zu machen. Jedenfalls schließe ich das daraus, wie wenig Bereitschaft besteht, in Magazinen wie unserem Werbung zu schalten. Und dabei scheinen die Verhältnisse in Deutschland noch weitaus besser zu sein als etwa in den USA oder Großbritannien, wo selbst bekannte Künstler in kleinen Kneipen spielen. Doch auch hierzulande sind immer mehr dazu bereit, auf Gagen zu verzichten und statt dessen „gegen die Tür“ zu spielen oder einen Hut herum gehen zu lassen. Denn ein wirtschaftliches Risiko können gerade kleinere Läden nicht eingehen. Und daher ist auch die Bereitschaft, unbekannteren Musikern eine Chance zu geben, ziemlich gering. Da freut es einen dann jedes Mal, wenn man in ein Konzert geht, dass dann gegen alle Erwartungen im Vorfeld gut besucht ist. Denn eigentlich ist – und hier denke ich zunächst wirklich nur an die hiesige Region, wo ich einen gewissen Überblick habe – die Sehnsucht nach guter handgemachter Live-Musik vorhanden. Leute jenseits des Jugendalters wollen eben nicht die jeweils neueste Hitparaden-Sensation erleben. Die Leute sind es auch, die regelmäßig nach neuen Hörempfehlungen Ausschau halten, die gerne auch Wasser-Prawda | September 2015 unbekanntere Alben antesten würden – wenn es denn in den Plattenläden auch derartige Schätze zu entdecken gäbe. Live-Konzerte, Plattenhandel und Medien (gedruckt, im Netz oder im Äther) gehören zusammen. Aber wenn es um Blues geht, ist die Lage da wirtschaftlich angespannt. Hat jemand da eine wirkliche Lösung in petto? Euer Raimund Nitzsche TERMINE Festivals WDR Crossroads Festival 21.-23.10. Harmonie Bonn Mit: Love A, The Volcanis, Die Nerven, The Sun And The Wolf, Sonny Landreth, Miraculous Mule, Wolf Maahn und The Buttshakers 3. Hamburg Blues Nights 30./31. 10. Sasel-Haus The Delta Boys, Tommie Harris & Kai Strauss Band, Larry Griffith & Band, Dany Franchini Band, Lisa Lystam Family Band, Wanda Johnson & Band 7. Volksdorfer Blues Festival 13./14.11. Hamburg-Volksdorf Luca Sestak Duo, Jazz-Combo des Walddörfer Gymnasiums, Meena Cryle & The Chris Fillmore Band, Abi Wallenstein, The Double Vision Auf Tour 3 Dayz Whizkey 02.10. Bad Friedrichshall, Lemmy‘s 03.10. Donauwörth, Doubles 09.10. Luzern, The Brunch Brothers (CH) 10.10. Habach, Village 16.10. Ingolstadt, Diagonal 30.10. Hambach, Bluesnight 31.10. Dortmund, Blue Notez 08.11. Freising, Schlüter Bar Abi Wallenstein 02.10. Bielefeld, Jazzclub (BluesCulture) 03.10. Rhauderfehn, Bluesclub im Hotel Westerfehn (BluesCulture) 08.10. Stralsund, Anker Werkstatt 09.10. Rostock, Pumpe 10.10. Grossbeeren, Blues Festival 11.10. Parchim, IRISH PUB 5 16.10. Petershagen, Windmühle Großenheerse 17.10. Ratingen, Manege, Blues Festival 06.11. Trossingen, Kesselhaus 13.11. Neumünster, Volkshaus Tungendorf 20.11. Leipzig, Geyserhaus (BluesCulture) 21.11. Oederan, Volkskunstschule im „Spital“ (BluesCulture) Bad Temper Joe 08.10. Kassel, Café Neu 09.10. Marburg, Molly Malone‘s 10.10. Frankenberg, Klimperkasten 23.11. Bielefeld, Spökes (mit Greyhound George) B.B. & The Blues Shacks 03.10. Münster Jazzclub Münster 06.10. Bonn CD-Release Bonita & The Blues Shacks 08.10. Osnabrück Blue Note 10.10. Hildesheim Heimspiel 2015 14.10. Chur Folkclub (CH) 16.10. Sins Seiser Kurve (CH) 23.10. Eisenach Jazzclub Eisenach 02.11. Köln Soundstation im Bahnhof Köln 06.11. Bachs Blues Night Bachs (CH) 07.11. Itzehoe Lions Blues Night 13.11. Czechowice-Dziedzice ROCK & BLUES FESTIWAL (PL) 16.11. Kassel Theaterstübchen 17.11. Fürth Kofferfabrik 19.11. Wien BlueSimon (A) 20.11. Frauental Blue Garage (A) Big Daddy Wilson 16.10. Husum / Speicher 17.10. Toulouse / Jazz Sur Son (FR) 24.10. Ellerstadt / Misson in Blues 06.+07.11. Dresden / Jazztage Dresden 13.11. Kiel / Räucherei 14.11. Twist / Heimathaus 19.11. Menen / Culturcentrum (BE) Wasser-Prawda | September 2015 6 TERMINE Blue Note Blues Band 18.10. Potsdam, BNaBB Schiffsrestaurant John Barnett 27.11. München, Alfonso’s 28.11. Bad Aibling, Campus Bar 05.12. Kolbermoor, Nikolausi im Grammophon 11.12. Bad Soden, Franky’s 12.12. Würzburg, Omnibus Cologne Blues Club 2.10. Thedinghausen/Bremen, In Concert 3.10. Algermissen, Reiners Rockhaus 4.10. Herford, Bluesfestival 7.11. Rhede, Blues 12.11. Wien, Reigen Live (A) 13.11. Steyregg, Weissenwolf (A) 14.11. Frauental, Bluegarage (A) Dana Fuchs 19.10. Aschaffenburg, Colos Saal 20.10. Bensheim, Musiktheater Rex 21.10. Hannover, Blues Garage 23.10. Dresden, Tante Ju 24.10. Affalter, Zur Linde 25.10. Bonn, Harmonie 26.10. Kassel, Theaterstübchen Daniel Puente Encina 03.10. Braunschweig, Barnaby’s Blues-Bar 14.10. Eckernförde, Spieker (Trio) 20.11. Eckernförde, Carls (Trio) Dr. Will & The Wizards 17.10. Straubing, Raven Bar 24.10. MÜNCHEN, Hide Out 7.11. Zürich, El Lokal (CH) 13.11. Runding, Robinson 14.11. München, Anton‘s East Blues Experience 06.11. Markneukirchen, Framus & Warwick Music Hall Wasser-Prawda | September 2015 07.11. Hainichen, Ratskeller 13.11. Stralsund, Alte Brauerei 20.11. Sondershausen, Jazzclub 21.11. Mülsen, Rock- und Bluesnacht 27.11. Pirna, Q24 28.11. Langenlipsdorf, Kulturkantine Engerling 26.09. Affalter, Zur Linde 03.10. Magdeburg, Feuerwache 10.10. Loitz, Alte Bauernstube Düvier 23.10. Byhlenguhre, Kastanienhof 24.10. Neustadt, Wotufa Saal 31.10. Steinbrücken, Scheune Steinbrücken 07.11. Chemnitz, Kabarettkneipe 20.11. Rostock, Pumpe 21.11. Stralsund, Anker Werkstatt 27.11. Eisenach, Schlachthof Flemming Borby 29.10. Lübeck, Tonfink 04.11. Cottbus, Grenzenlos 05.11. Dresden, Laika 06.11. München, Trachtenvogl 07.11. Emerkingen, Café Ohne 11.11. Landau, Akzent Kaffehaus 12.11. Basel, Caff è Bologna (CH) 13.11. Thun, Mundwerk (CH) 14.11. Aarau, Garage (CH) 15.11. Karlsruhe, Wohnzimmerkonzert 25.11. Halle, Café Ludwig 26.11. Grevenbroich, Café Kultus 27.11. Bochum, I am LOVE 28.11. Köln, Kulturcafé Lichtung 29.11. Stuttgart, Sideways Georg Schroeter & Marc Breitfelder 02.10. Berlin, Schloss Britz 03.10. Görlitz, Café Gloria 09.10. Tarp, Haus an der Treene 08.11. Rohrbach, incontri 14.11. Garching, Bürgerhaus TERMINE Glen David Andrews & The Sazerac Swingers 20.11. Gütersloh, Weberei 21.11. Heerlen (NL), Jazz Out Festival 22.11. Gronau, Benefiz Gospel Gala 25.11. Heiligenhaus, Jazz im Museum 26.11. Paderborn, Jazzclub 27.11. Mannheim, Jazz Night im Hauptbahnhof 28.11. Brackenheim, Kulturforum 29.11. Tübingen, Gospelkonzert, Jakobuskirche Greyhound George 09.10. Lüerdissen, Fresenhof - m. Andy Grünert 12,10. Bielefeld, Spökes - Solo 17.10 Lemgo, Cafe Vielfalt - m. Poor Howard Stith & Andy Grünert 18.10. Herford, Musikschule Lenze - m. Poor Howard Stith & Andy Grünert 21.10. Hannover, Minchens Livemusik Club - m. Poor Howard Stith & Andy Grünert 22.10. Bielefeld, Chamber Unlimited - m. Poor Howard Stith & Andy Grünert 23.10. Gütersloh, A Tasca - m. Poor Howard Stith & Andy Grünert 26.10. Bielefeld, Spökes - m. Waschbrett Wolf 31.10. Bielefeld, Ostbahnhof - m. BBP 09.11. Bielefeld, Spökes - m. Thomas Feldmann 23.11. Bielefeld, Spökes - m. Bad Temper Joe Hamburg Blues Band 1.10. Bensheim, „New Rex Eröffnung“ 02.10. Thedinghausen, „Rathausscheune“ 03.10. Plauen „Ranch“ 13.11. Ascheberg „Landgasthof Langenrade“ 14.11. Magdeburg, „Festung Mark“ 20.11. Oldenburg, „Charlys“ 21.11. Goslar, „Kubik“ 04.12. Isernhagen, „Bluesgarage“ 05.12. Hamm „Kulturwerkstatt“ 19.12. Worpswede, „Music Hall“ 23.12. Vechta, „Gulfhaus“ 7 Hattler 16.10. Ravensburg, Zehntscheuer 17.10. Wetzlar, Franzis 23.10. Idstein, Scheuer 24.10. Esslingen, Dieselstraße 30.10. Hamburg-Bergedorf, Lola 31.10. Weißenhäuser Strand, Jazzville Festival 16.11. Bonn, Harmonie 17.11. Aschaffenburg, Colossaal 18.11. Göttingen, Musa 27.11. Markneukirchen, Warwick Musichall 28.11. Altenburg, Jazzklub Henning Pertiet 18.10. Verden, Dom (Orgelimprovisation) 24.10. Süstedt, Scheune 13.11. Isernhagen, Isernhagenhof (mit: Axel Zwingenberger) 15.11. Bremen, Club Moments (mit: Axel Zwingenberger) Jessy Martens & Band 01.10 . Bensheim, Musiktheater REX 15.10. Kayl, Schungfabrik (L) 17.10. Freudenburg, Ducsaal 22.10. Kassel, Theaterstübchen 23.10. Reichenbach, Die Halle 24.10. Frelsdorf, Kulturtransport 25.10. Hamburg, 16. Alstertaler Jazzmeeting 07.11. Twistringen, Alte Zieglei 13.11. Berlin, Ratskeller Köpenick 14.11. Affalter, Gasthof Zur Linde Jewish Monkeys 16.10. Schwerin, Angler 2 17.10. Kopenhagen, Global CPH (DK) 18.10. Dresden, One Love Concert 19.10. Jena, Café Wagner 23.10. Bamberg, Sound-n-Arts Music Club 24.10. Schönau bei Passau, Posthalterstadl Wasser-Prawda | September 2015 8 TERMINE 25.10.Frankfurt, Ignatz Bubis-Gemeindezentrum 04.11. Berlin, Badehaus Szimpla 05.11. Augsburg, Kresslesmühle 07.11. Dresden, Scheune Jimmy Reiter 12.11. Enschede, Nixenmeer (NL) Netherlands 13.11. Weert, De Bosuil (NL) 14.11. Hannover, Blues Garage 10.10. Friedersdorf - Zur Grenzschänke 04.12. Cuxhaven - Captain Ahab‘s 16.10. Wetzikon, Scala (CH) 17.10. Fricktaler Blues Festival (CH) 18.10. Böblingen, Blaues Haus 22.10. Münchensteiner Bluesnight (CH) 23.10. Jünkerath, Großer Bahnhof 24.10. Rheinberger Bluesparty Klaus Major Heuser Band 22.10. Fürth - Kofferfabrik 23.10. Backnang - kulturgut 24.10. Freudenburg - Ducsaal 30.10. Gerolstein - Lokschuppen 06.11. Bonn - Pantheon Theater 14.11. Stemwede - Life House 15.11. Leer (Ostfriesland) - Zollhaus 20.11. Gelsenkirchen - Kaue 27.11. Eppelborn - Big Eppel Marius Tilly Band 30/.10. Bielefeld JAZZCLUB 27.11. Bremen, VILLA SPONTE 28.11. Lauenau, KESSELHAUS Meena Cryle 02.10. Rimsting, Blues Club Chiemgau 03.10. Remchingen, Bluesfest 07.10. Wien, Americana Fest ehem. Ostclub (A) 25.10. Wörgl, Bluesnacht (A) 06.11. Visp, Blues Night (CH) 07.11. Baden Baden, Bluesclub 10.11. Offenbach, KJK 13.11. Melle, Kulturwerkstatt 14.11 HH-Volksdorf, Bluesfestival 17.11. Bremen, Meisenfrei 19.11. Eppstein, Wunderbar Mike Zito 09.11. Bonn, Harmonie Bonn 10.11. Bensheim, The Rex Wasser-Prawda | September 2015 Morblus Pass Over Blues 27.10. Suhl, Moist Corner 29.10. Ilmenau „Cafe Bohne“ 30.10. Apolda Gasthaus „Zum Schlachthof“ 31.10. Bad Salzungen, Haunscher Hof Pop Chubby 15.10. Kaiserslautern, Blues Festival 16.10. Siegen, Lyss 17.10. Neustadt Orla, Wotufa 21.10. Leverkusen, Scala 22.10. Hannover, Bluesgarage 23.10. Berlin, Quasimodo 24.10. Halle, B&W Blues Festival Richard Bargel & Dead Slow Stampede 16.10. FREIBURG | Wodan Halle 18.11. PULHEIM | Kultur- und Medienzentrum Samantha Fish/Laurence Jones 24.10. Rheine, Hypothalamus 25.10. Lindewerra, Gemeindesaal 27.10. Kassel, Theaterstübchen 28.10. Karlsruhe, Jubez 29.10. Esslingen, Dieselstrasse 30.10. Siegen, Jazzclub Oase 31.10. Rosmalen, Rosblues (NL) 01.11. Grolloo, De Hofsteenge (NL) 03.11. Köln, GreensClub TERMINE 04.11. Hamburg, Downtown Bluesclub 05.11. Kerteminde, Samlingsstuen (DK) 06.11. Berlin, Quasimodo 08.11. Rheinberg, Schwarzer Adler Savoy Brown 18.11. Dortmund, Musiktheater Piano 19.11. Lindewerra, Gemeindesaal 20.11. Rubigen, Muhle Hunziken (CH) 21.11. Hannover, Blues Garage 22.11. München, Garage Deluxe 24.11. Wien, Reigen Live (A) 26.11. Weinheim, Cafe Central Weinheim 27.11. Hamburg, Downtown Bluesclub 28.11. Berlin, Quasimodo Sena Ehrhardt 02.10. Görlitz, Cafe Gloria 03.10. Heringsdorf, Hotel Maritim 04.10. Swinoujscie, Jazzclub Centrala (PL) 08.10. Münster, Jovel Club 09.10. Bielfeld Chambers Unlimited 10.10. Berlin, Alt Kopenick 21 11.10. Stemwede, Life House 12.10. Weinheim, Muddy’s Club 15.10. Fürth, Kofferfabrik 16.10. Feldkirchen, Rathaus 17.10. Donauworth, Star Club 19.10. Schopfheim, Berggasthof Waldhaus 20.10. Freiburg, Jazzhaus 21.10. Wien, Club Reigen (A) 23.10. Hard, Kulturwerkstatt Kammgarn (A) 27.10. Bielfeld, Chambers Unlimited E.V. 28.10. Hamburg, Downtown Bluesclub 29.10. Isernhagen, Bluesgarage 30.10. Stollberg, Burgergarten 31.10. Neuruppin, Kulturhaus 01.11. Kodersdorf, Weinscheune The Dynamite Daze 03.10. Kircheimbolanden, Blues Haus 9 16.10. Rhede, Blues 17.10. Nierstein, Altes E-Werk 23.10. Postbauer-Heng, KIISH 24.10. Schmölln, Musicclub 30.10. Rastatt, Reithalle 31.10. Weissenheim Am Sand, Adler 02.11. Lahnstein, JUKZ 14.11. Nürtingen, Kuckucksei 28.11. Offenbach, Wiener Hof The Sugarhills 02.10. Lippstadt, Kneipenfestival 09.10. Holzminden, Essighof 10.10. Weimar, Zwiebelmarkt (nachmittags) 10.10. Aerzen, Schrappmühle (abends) THORBJØRN RISAGER 12.11. Dortmund, Musiktheater Piano 13.11. Übach, Rockfabrik 14.11. MontbEliard, Atelier des Moles (F) 15.11. Beverstedt, Kulturtransport 27.11. Hildesheim, Bischofsmühle 28.11. Rheinberg, Schwarzer Adler Wille and the Bandits (UK) 19.11. Münster, Hot Jazz Club 20.11. Hamburg, Rock Café St. Pauli 21.11. Worpswede, Music Hall 23.11. Aschaffenburg, Colos-Saal 24.11. Köln, Yard Club 26.11. Berlin, Auster Club NEW 27.11. Isernhagen, Blues Garage 28.11. Lorsch, Kulturhaus Rex Wolf Maahn 03.10. Ahlen, Schuhfabrik 16.10. München, Backstage 17.10. Kassel, Schlachthof 24.10. Bonn, Harmonie 06.11. Torgau, Kulturbastion 07.11. Schrecksbach, Mylord 20.11. Worpswede, Live Music Hall 21.11. Bad Lippspringe, Kongresshaus Wasser-Prawda | September 2015 10 TERMINE 27.11. Berlin, Tempodrom 28.11. Göttingen, MUSA Clubs Barnaby‘s Blues Bar Braunschweig 03.10. Daniel Puente Encina 10.10. The Hot Wheels 15.10. Phil Shoenfelt & Southern Cross 17.10. Good & Dry 23.10. 4D.fonk 29.10. Wild T & The Spirit Bielefelder Jazzclub 02.10. Abi Wallenstein 09.10. Ali Claudi Trio 16.10. KAHL Fusion 23.10. Richie Arndt & The Bluenatics 30.10. Marius Tilly Band Bischofsmühle Hildesheim 09.10. Mojo Blues Band 16.10. Melanie Dekker 17.10. A Forest 24.10. The Outside Track 31.10. Tobias Meinhart Quartett Blue Notez Dortmund 07.10. Morre 17.10. Jimmy Cornett & The Deadmen 24.10. Climax Blues Band 30.10. Subshignal 31.10. 3 Dayz Whizkey 06.11. Daniela Rothenburg 07.11. Chantel McGregor Blues & More Eiscafe Temmler, Chemnitz 07.11. Eb Davis & Superband (Exil/Schauspielhaus) Wasser-Prawda | September 2015 20.11. The Desperate Blues Girls 28.12. Ballroomshakers feat Roberta Collins Bluesgarage Hannover Isernhagen 01.10. Ryan McGarvey 02.10. Jared James Nichols 09.10. Brian Augers Oblivion Express 10.10. Stacie Collins 16.10. Dan Baird & Homemade Sin 17.10. Demons Eya 21.10. Dana Fuchs 22.10. Popa Chubby 23.10. Jami Faulkne 24.10. Y&T 29.10. Sena Ehrhardt 30.10. Eric Gales Band 31.10. Martin Barre 06.11. Nikki Hill 07.11. Mike Osborn Band 12.11. Stef Burns League 13.11. Hundred Seventy Split 14.11. Mike Zit & The Wheel 20.11. Brother Dege & The Brotherhood of Blues ChaBah Kandern 30.09. Jonn Del Toro Richardson & Bad Mules 07.10. Tony Spinner 14.10. Lord Bishop Rocks 21.10. JP Soars & The Red Hots 28.10. Walt‘s Blues Box 04.11. Larry Griffith 11.11. Joe Filisko & Eric Noden 18.11. The Blues Bones 25.11. Marily Oliver and Gas Blues Band Cotton Club Hamburg 01.10. One Trick Pony 02./03.10. 11. Cotton Club Boogie Nights 05.10. McEbels Lucky Punch 06.10. Hard Blooze TERMINE 09.10.. Skiffle Track 12.10. Jo Bohnsack 17.10. Hot Jumpin Six 19.10. Billbrook Bluesband 28.10. Suzie & The Seniors 29.10. Boogie Connection Downtown Bluesclub 26.10. Gransheiks feat. Napoleon Murphy Brock 27.10. Bratsch 28.10. Julia Hülsmann Trio 29.10. Inga Rumpf & Friends 30.10. Purple Schulz Kulturspeicher Hamburg 30.09. Brian Augers Oblivion Express 07.10. Caro Josée 10.10. Dave Goodman Band 11.10. Pete York 14.10. Dan Baird & Homemade Sin 17.10. The Real Partners In Crim 21.10. Martin Barre 23.10. Thirsty Mamas 25.10. Y&T 28.10. Sena Erhardt 30.10. Rob Tognoni Birthday Show 04.11. Samantha Fish/Laurence Jones Extra Blues Bar (Bergstraße, Ueckermünde) 10.10. Kai Degenhardt 24.10. Angela Klee 14.11. Eisbrenner 28.11. Hubertus Rösch Bielefeld 02.10. The Hoodoo Two 02.10. Horst with no name 10.10. The Doing Nothings 31.10. Varmints and Vagrants Bremen Hankenstr. 30.09. Kneeless Moose/Aqualung 03.10. Mad Dog Blues Band 06.10. Hogjaw 07.10. Jimmy Gee 08.10. Stacie Collins 10.10. Checkin‘ Up 13.10. Mitch Kashmar 17.10. Climax Blues Band 21.10. Neal Black & The Healers 22.10. Tony Spinner 24.10. Michael Dühnfort & The Noize Boys 27.10. Eric Cales/Bettina Schelker 30.10. Crossfire Harmonie Bonn 03.10. Mama Afrika 05.10. Nektar 06.10. B.B. & The Blues Shacks feat Bonita 07.10. Stacie Collins 12.10. Nils Wülker & Band 13.10. Floatiz 14.10. Judith Owen 15.10. Stick Men 17.10. Irish Stew 18.10. Brian Augers Oblivion Express 21.-23.10.: WDR Crossroads Festival 25.10. Dana Fuchs 11 Laboratorium Stuttgart 15.10. Paul Lamb & The King Snakes 22.10. Aynsley Lister 31.10. Lüül & Band 06.11. Erja Lyytinen 26.11. Danny Bryant Meisenfrei Music Hall Worpswede 09.10. Quadro Nuevo 17.10. Addys Mercedes 23.10. Mrs. Greenbird Wasser-Prawda | September 2015 12 TERMINE 30.10. Bratsch 06.11. NDR Bigband feat. Pee Wee Ellis Musiktheater Piano Dortmund 04.10. Nektar 17.10. Undercover Crew 24.10. Eric Gales Musiktheater Rex Bensheim 01.10. The Clenn Clempson Band 02.10. Tanzwut 03.10. Evi & das Tier 06.10. Ryan McGarvey 09.10. The Busters 20.10. Dana Fuchs 22.10. Mellow Mark 23.10. UFO 24.10. Los Dos Y Companeros 29.10. Martin Barre O‘ Man River Friedensstraße 27, Ostseebad Heringsdorf 29.09. Uli Kirsch 02.10. Gotte Gottschalk 09.10. Catfish 16.10. Peter Schmidt ( EBE ) 23.10. Richard Smerin 30.10. BluesRausch Quasimodo Berlin 10.10. FUNK DELICIOUS (Funk, Soul) 17.10. DELLA MILES (Soul) 23.10. POPA CHUBBY & BAND 24.10. SCHWARZKAFFEE (Funk) 30.10. RANDY HANSEN & BAND 06.11. SAMANTHA FISH & LAURENCE JONES 07.11. ERIC GALES 13.11. NIKKI HILL 20.11. JC DOOK‘S MOTOWN PROJECT Wasser-Prawda | September 2015 21.11. BABA SOUL & THE PROFESSORS OF FUNK 27.11. LAYLA ZOE & BAND 28.11. SAVOY BROWN Savoy Bordesholm 03.10. David Knopfler 09.10. BalticSeaChild 17.10. Thomas Godoj 23.10. Edo Zanki & Band 30.10. The Anatomy of Frank 07.11. Ulla Meinecke & Band Troisdorfer Bluesclub Realschule Heimbachstrasse 10, Troisdorf 23.10. Wrecia Ford 20.11. Meena Cryle & Chris Fillmore Band Yorckschlösschen Yorckstr. 15, Berlin 30.09. Blues Rudy & The Domino Snakes 02.10. Harl Schloz Basement Band 07.10. Mitch Kashmar & Band 09.10. Bruno de Sanctis & Jakkle! 11.10. Stand-Arts 14.10. Mike Greene Band 15.10. Leo‘s Blues Jam Bang 16.10. Alex Maiorano and The Black Tales 17.10. Willi Lohmann Kapelle 18.10. Sarah Alles & Die Oberbaum Band 18.10. Soulemane Toure 21.10. EB Davis 23.10. Kat Baloun Band 24.10. Mad Dogs 28.10. Lorenz & das Taschenbluesorchester 29.10. Chat Noir 30.10. Juergen Bailey Blues Band 31.10. Bruno de Sanctis & Jakkle! 01.11. Ulrike Haller & Lionel Haas 04.11. Premier Swingtett MUSIK 13 Wanda Johnson S TIMME N D ES BL U E S - 3. HA M B U R G B LUES NIGHTS A M 30./31. OK T OB ER Eine bunte Mixtur zwischen Tradi on und Moderne steht auf dem Programm der 3. Hamburg Blues Nights, die am 30. und 31. Oktober im SaselHaus in Hamburg sta inden. Musiker aus Deutschland, den USA, Italien und Schweden werden Chicagoblues und Bluesrock ebenso wie Deltablues, Soulblues und Funk spielen. Auf dem Programm stehen die Delta Boys um Micha van Merwyk, Tommie Harris, der gemeinsam mit der Kai Strauss Band auf der Bühne stehen wird, die Dani Franchi Band aus Italien, Lisa Lystam Family Band (Schweden), Wanda Johnson und Larry Griffith. In diesem Jahr sollten vor allem die gegensätzlichen Stimmen im Vordergrund stehen, heißt es in der Ankündigung des Baltic Blues eV: Wanda Johnson (USA), „the voice of South Carolina“, steht mit ihrer tragenden Stimme eher für die sanften und traditionellen Klänge, während Lisa Lystam (Schweden) mit einer jugendlichfrischen Powerstimme zu begeistern versteht. Bei den Männern phrasiert der großartige Tommie Harris den Chicagoblues in Perfektion, während die kraftvoll-charismatische Stimme von Larry Griffith bestens zum modernen Rhythm´n´Blues und Soulblues passt. Eine akustische Vorschau auf das Programm wird es am 20. Oktober ab 20 Uhr im Crossroad Cafe auf radio 98eins geben. Wasser-Prawda | September 2015 14 INTERVIEW „ I CH HA B´S EUCH JA GE S A GT ! “ BLUES VON E INEM A ND E R E N S T E R N TORSTEN ROLFS IM INTERVIEW MIT JIMMY REITER ZU SEINER NEUEN CD “TOLD YOU SO” T: In einer CD-Ankündigung war zu lesen, es habe vier Jahre gedauert, bis eine neue CD von dir veröffentlicht wurde. Dies klingt in meinen Ohren fast vorwurfsvoll, dass Bluesmusiker in Deutschland jedes Jahr eine neue CD zu veröffentlichen haben. J: Ich hätte mir tatsächlich gewünscht, dass es schneller zu einer Veröffentlichung gekommen wäre, denn der eigentliche Plan war, nach zwei Jahren eine neue CD herauszubringen. Aber wie das immer so ist, Wasser-Prawda | September 2015 aus den verschiedensten Gründen kommt es dann immer mal wieder zu Verzögerungen Obwohl wir bereits vor zwei Jahren mit den ersten Studiosessions für das Album INTERVIEW begonnen haben, zog es sich dann doch etwas hin... T: Wie muss man sich eigentlich eine CD-Produktion der JimmyReiter-Band vorstellen? J: Die erste CD „High Priest of Nothing“ entstand z.B. in mehreren Studiosessions, mit der jeweiligen Besetzung, die gerade an dem Tag im Studio war. Deswegen sind auf dieser Scheibe ganz unterschiedliche Besetzungen dabei. Die neue Platte ist komplett mit meiner festen Band entstanden. Die eigenen Stücke habe ich zumeist alleine komponiert, Demos aufgenommen und dann im Heimstudio mit der Band zusammen arrangiert und ausprobiert. Die Aufnahmen für die CD wurden in drei Sessions zu jeweils zwei oder drei Tagen im Studio gemacht. Im Anschluss daran folgten noch ein paar Tage mit Overdubs - Gesang, mal ein Klavier, die Bläser dazu, aber eigentlich sind die Stücke größtenteils live eingespielt. Und dann noch mischen – schon fertig! T: Wie viele Takes macht ihr so, bis die Aufnahme steht? Auf einer CD von James Harman hört man z.B. am Anfang „Take three, Tapes rollin`“. J: Na ja, schön wäre es, wenn es gleich beim ersten Take passen würde, aber die Regel sind drei bis vier Takes - wenn‘s dann noch nicht geklappt hat, wird das an dem Studiotag erfahrungsgemäß sowieso nichts mehr oder aber es stimmt etwas Grundlegendes mit dem Stück nicht und es muss überarbeitet werden. Mit der modernen Technik lassen sich dann ja auch kleinere 15 noch einen dritten Luther Johnson, nämlich Luther „Houserocker“ Johnson, vielleicht hätten wir von dem auch noch was aufnehmen T: Kommen wir doch mal zu den sollen, um noch mehr Verwirrung Stücken auf der CD. Mir ist auf- zu stiften. gefallen, dass sowohl auf High T: Kommen wir zu deinen eigenen Priest of Nothing als auch auf Stücken – Folgen diese einer stilisTold you so in jeweils einem Stück tischen Vorliebe? von Nitty Gritty die Rede ist. Und J: Ja, meiner! Ich möchte Stücke beim genauen Betrachten stellte komponieren, die mir selbst Spaß ich fest, es sind beide Stücke von machen beim Aufnehmen und Luther „Snake Boy“ Johnson. Wie Vortragen und da ich mich für verbist du auf ihn gekommen? schiedene Musikstile interessiere, J: „Snake Boy“ Johnson habe ich spielt das alles mit hinein, wobei vor fünf, sechs Jahren für mich ent- der Schwerpunkt schon Blues, deckt. Er ist hierzulande gar nicht Bluesverwandtes, R´n´B, New so bekannt. Er war eine Zeit lang in Orleans ist. der Band von Muddy Waters und T: Deine Stücke fallen mir auf, hat auch ein paar Soloaufnahmen weil sie oft nicht dem traditigemacht. Die habe ich gehört und sie onellen 12-Takt-Bluesschema haben mich gleich total umgehauen, folgen? (Ein kleiner Ausflug in deswegen auf der ersten Platte Get die Musiktheorie auf Wunsch des Down To The Nitty Gritty – Lass Fragenden.) uns mal ans Eingemachte gehen – J: Bei dieser Platte habe ich wieder und jetzt hier Woman Don‘t Lie. festgestellt, dass es gar nicht so leicht Zunächst war ich mir gar nicht ist, interessante Stücke nach diesem sicher, ob das klappt, aber wir haben scheinbar einfachen Schema zu komes dann ausprobiert, und ich finde ponieren. Aus diesem Grund kommt es ist richtig gut geworden. Dass die anstatt der vierten und fünften Stufe Textpassage in beiden Nummern eben mal die dritte oder sechste, aber vorkommt, ist Zufall. Vielleicht das ist ja auch alles kein Hexenwerk. hatte Herr Johnson ein Faible dafür. T: Na ja kein Hexenwerk, ich T: Und dann ist da ja noch ein fi nde es spannend und reizvoll, Stück von einem anderen Luther wenn das klassische Schema verJohnson, nämlich Luther „Guitar lassen wird. Das macht für mich Junior“ Johnson drauf. Entwicklung im Blues aus, bedeuJ: Ja, noch ein lustiger Zufall. Der tet für mich einen Aha- Effekt, das spielte auch einmal in der Band finde ich so toll. von Muddy Waters und einer meiner Gastmusiker auf der CD, J: Es freut mich sehr, wenn es dir Sax Gordon Beadle, gehörte übri- gefällt. gens mal zur seiner Band. Es gab T: Ist Blues für dich nur immer Änderungen und Korrekturen später noch vornehmen, so dass man nicht wie früher 20 oder 30 Takes machen muss, bis alles perfekt ist. Wasser-Prawda | September 2015 16 INTERVIEW Herz-Schmerz-Musik? Oder wovon handeln Deine Texte? bei einigen Texten habe ich übrigens von meinem alten Bandchef Doug J: Oh nein, ich freue mich immer, Jay erhalten, der zwei Stücke mitgewenn ich einen Text höre, der mich schrieben hat. Als besonderen Service zum Schmunzeln bringt, wo sich gibt es jetzt auf meiner Homepage jemand lustige Gedanken gemacht alle Texte zum Nachlesen. Ich nutze und diese in Reime gepackt hat, diesen Service häufig, weil ich meine mit einem Augenzwinkern eine Texte auch gerne mal vergesse! Geschichte erzählt. So etwas T: Kannst du dir vorstellen auch Ironisches und Selbstironisches, das deutsche Texte zu machen? habe ich ja auch schon bei I‘ll Take J: Blues ist amerikanische Musik The Easy Way auf High Priest of und mit deutschen Texten klingt Nothing versucht und auch auf der es für mich nicht mehr wie Blues. neuen CD finden sich einige Beispiele Es gibt Leute, die tolle deutfür diese Vorliebe. Herzschmerzsche Texte für diese Musik schreiSongs gibt’s aber auch. Ich will ben, aber es ist dann nicht mehr nicht mit meiner Musik belehren „meine“ Bluesmusik. Wäre es mit oder politische Botschaften und Ansichten vermitteln. Unterstützung Wasser-Prawda | September 2015 französischen oder italienischen Texten übrigens auch nicht. T: In deinem zurückliegenden Programm hast du den unsäglichen Werbeslogan deiner Heimatstadt „Ich komm´ zum Glück aus Osnabrück“ zitiert. Welche Rolle spielt deine Heimatstadt für deine Entwicklung als Bluesmusiker? J: Ohne diesen Standortvorteil wäre ich womöglich gar nicht Musiker bzw. Bluesmusiker geworden. Seit Anfang oder Mitte der 90er Jahre bin ich regelmäßig ins Pink Piano gegangen, einer kleinen Kneipe mit einer wöchentlichen BluesSession, wo immer alles, was Rang und Namen in der Gegend hatte, INTERVIEW auflief. Da habe ich meine ersten Blues-Erfahrungen gesammelt und Kontakte geknüpft. 17 ist m.E. schon sehr hoch. Wie bekommt man junge Leute dazu, in Blueskonzerte zu kommen? spektakulärer anhört als „Gitarre, Kabel, Verstärker“... Und das haben wir auf dem Cover aufgriffen. Ich hab‘s euch ja gesagt – I Told You So. T: Du hast lange Zeit mit Doug J: Es ist wichtig, dass die Musik von Ist doch vollkommen logisch! Jay, der aus Washington D.C. jungen Leuten entdeckt und gespielt nach Osnabrück kam, zusammen wird, wie z.B. die jungen Musiker, T: Aha! gearbeitet. Welche Rolle spielte die regelmäßig zur Lagerhallen- J: Mir gefällt das Cover sehr gut und Dougs Rückkehr in die Staaten Session kommen, dem Nachfolger es ist auch ein Kunstwerk für sich, 2009/2010? der bereits erwähnten Pink Piano und die Leute sprechen drüber. Da J: Das hat schon die Entstehung Session… hat sich Jan Karow mal wieder selbst einer eigenen Platte vorangetrieben. übertroffen. Ich hatte schon reichlich Material T: … wie z.B. die Musiker der T: Wenn man das Cover öff net, und der Wunsch etwas Eigenes zu Bluesanovas … sieht man deine Band – Jasper machen war schon frühzeitig da, J: … ja genau, und die bringen auch Mortier am Bass, Björn Puls am aber das schob ich immer wieder Freunde mit, die dann Blues hören Schlagzeug und Moritz Fuhrhop raus, da wir mit Doug immer regel- und regelmäßig wieder kommen. So an Orgel und Klavier. Wie mäßig auf Tour und gut beschäftigt verjüngt sich das, zumindest ist das wichtig ist es dir deine eigene feste waren. Auch in der Bluesnightband, meine Hoffnung. Formation zu haben? in der die Begleitung anderer T: Kommen wir noch einmal Frontleute im monatlichen Wechsel zur CD. Das Cover, auch dieses J: Total wichtig! Ich spiele gerne mit im Vordergrund stand, war kaum wie bei der ersten Platte gestaltet anderen Musikern, z.B. auch auf Raum für Eigenes. Und so verfestigte von Jan Karow, zeigt ein kleines Sessions zusammen, aber dann meissich der Gedanke, ein Soloprojekt grünes Wesen. Was hat es damit tens nicht das eigene Repertoire. Aber auf die Beine zu stellen, was ja mit auf sich? wenn ich sage meine eigenen Stücke, der ersten Platte gut geklappt hat. J: Am Ende der Konzerte kommen muss ich eigentlich sagen unsere T: Im Projekt Bluesnightband oftmals interessierte Gitarristen Stücke, denn obwohl ich schon die hast du viele Musiker beglei- und fragen, wie ich eigentlich meisten Stücke selbst komponiere, tet und im monatlichen Wechsel meinen Sound machen würde. werden sie mit der Band arrangiert, in verschiedenen Städten wie Denen sage ich immer „Gitarre, geprobt und aufgenommen. Sie entu.a. Osnabrück, Emsdetten, Kabel, Verstärker. Das ist offenbar stehen also mit der Band gemeinDelmenhorst Konzerte gemacht. unbefriedigend, weil die sich gerne sam! Es ist schon etwas Besonderes, Welche Musiker waren dir dabei über Effektgeräte und verschiedene dass wir in der Formation über die am wichtigsten? Lautsprecher unterhalten wollen. Jahre mit eigenen Songs unseren eigenen Sound entwickelt haben. J: Ich habe sehr gerne mit R.J. Mischo Davon habe ich aber leider keine und Darrell Nulisch zusammenge- Ahnung! Meine Gitarre und mein T: Was schätzt du an jedem spielt, das waren Bluesnights, an die Verstärker sind alles, was ich brauche Einzelnen so besonders? ich mich gerne erinnere, mit Larry bzw. halbwegs bedienen kann. Naja, J: Mo ist ein wahnsinnig musikaGarner hat es viel Freude gemacht, und für diese Menschen habe ich lischer Mensch, er hat ein super Sax Gordon war schon ein Knaller. mir überlegt zu sagen, dass hinter Gefühl für die Musik, tolle Ideen meinem Amp ein kleines, grünes, Wir hatten viele tolle Gäste. außerirdisches Wesen sitzt, das mit und groovt unglaublich. Jasper T: Das Durchschnittsalter des einem Megaphon meinen Sound ist wie der Fels in der Brandung, Publikums bei Blueskonzerten macht, in der Hoffnung, das sich das unfassbar solide, durch nichts aus der Ruhe zu bringen und hat einen Wasser-Prawda | September 2015 18 INTERVIEW Supergroove – das kann ich sowieso für alle drei sagen, und sie grooven v.a. zusammen besonders. Jasper hat außerdem einen tollen Ton. Björn hat Jazz studiert, schlägt sich aber immer geduldig mit uns einfachen Bluesleuten herum. Er probiert viel aus, kommt mit vielen Ideen, von denen wir bestimmt auch schon mal eine umgesetzt haben. Nein, im Ernst, Björn ist total vielseitig und spielt super banddienlich, der perfekte Mann für unsere Band. Björn und Jasper sind übrigens auch hervorragende Backgroundsänger! Alle drei Bandkollegen haben immer konstruktive Meinungen zu unserer Musik und es macht einfach Spaß, mit ihnen unterwegs zu sein, was ja auch nicht ganz unerheblich ist. ‚Ne super Band eben! T: Zu den Gästen auf deiner CD – J: Da ich Anfang des Jahres 2015 mit Sax Gordon auf Tour war, klappte es wunderbar, dass er bei einigen Stücken auf der CD mitspielen konnte. Er ist ja auch schon auf der letzten Platte dabei gewesen. Und Kollege Kai Strauß ist auch mit von der Partie. Ich spiele häufig bei verschiedenen Gelegenheiten mit Kai und habe auf seiner letzten CD mitgewirkt. Der Titel „Instinctively Wrong“ war Kais Idee und ich habe dann das Lied dazu komponiert, so war das ziemlich logisch, dass er mit dabei ist. Zumal wir beide aus der Osnabrücker Szene stammen, und ich es immer klasse finde, wenn man sich in dieser Form gegenseitig unterstützt. Auf meinem ersten Rock´n´Roll Stück “The Only Thing That‘s Wrong With You (Is Him)“ ist Kai auch zu hören, das kann auch mir kaufen und eine CD ins Regal echt kaum jemand besser spielen als stellen, ganz einfach. Ich hoffe, da er. bin ich nicht der einzige, aber auf Konzerten zumindest verkaufen wir T: Abschließend noch die Frage zu nach wie vor viele CDs, und für die den Vermarktungsmöglichkeiten. neue CD gibt es auch bereits etliche Wie schätzt du ein, wie sich CDVorbestellungen. Verkäufe entwickeln. J: Ich glaube, dass unsere Musik T: Zur allerletzten Frage: Welches noch von Menschen gehört wird, die ist für dich das wichtigste Stück auch CDs kaufen. Der Download- auf der Platte? Anteil war bei der ersten CD eher J: Ich finde, I‘m Givin‘ In ist uns überschaubar. Über Spotify und gut gelungen. Das hat auch lange Co. ärgere ich mich immer – gebraucht, fast zwei Jahre. Es tauchte wenn man für lächerliche 10€ im immer wieder beim Komponieren Monat immer und überall Zugriff auf, mit Doug Jay habe ich dann den auf die ganze Musikgeschichte Text geschrieben. Eine Ballade vom hat, welchen Wert hat die Musik Aufgeben… das wird kein Hit, ist dann noch? Die Antwort will man einfach ein schönes Stück. Aber auch lieber nicht hören... Wenn man als Instinctively Wrong und das „popKünstler weiß, wie viel Arbeit, Zeit pigere“ Can‘t Stop Thinking About und Geld man für ein Album auf- You gefallen mir… es gibt dann wendet, kommt man sich bei den doch viele wichtige Stücke. Streaming-Vergütungen völlig ver- T: Vielen Dank Jimmy für albert vor. Ich bin auch tatsächlich dieses interessante Gespräch, ich noch nie auf die Idee gekommen, wünsche dir und deiner Familie einen Streaming-Dienst zu nutzen, alles Gute und einen einschlägidas ist mir irgendwie völlig fremd - gen Erfolg für die Platte! wenn mir Musik gefällt, will ich sie Wasser-Prawda | September 2015 MUSIK 19 BOB MC C A RTHY: A S AT I S FI E D M I ND VON IAIN PATIENCE Für Freunde des guten und beseelten BluesPicking ist Bob McCarthy ein echter Schatz. Leider kennt man ihn noch viel zu wenig. Seine fast fünfzigjährige Karriere begannt in den 60ern in den Cafehäusern von New Yorks Greenwich Village ein Ort, wo viele bekannte Künstler begannen. Unter ihnen waren Topleute wie Bob Dylan, Tom Paxton und Dave van Ronk. Die Gegend bot dem jungen McCarthy eine offene Tür und jede Menge musikalischer Erfahrungen, um sein Selbstbewusstsein aufzubauen. Er eröffnete Shows und stand gemeinsam auf Bühnen mit Leuten wie Jorma Kaukonen, Bonnie Rai , Neil Young, Nanci Griffith, Taj Mahal, The Beach Boy, Linda Ronstadt und zahllose andere. Das war kurz gesagt ein Who Is Who der modernen US-amerikanischen akus schen Rootsmusik. Inzwischen lebt er in den schönen Waldgebieten von New Hampshire. Noch immer kann man McCarthy an der Ostküste als Gitarristen erleben. Und er engagiert sich großzügig für zahlreiche lokale Projekte. Seine Plattenkarriere erstreckt sich über viele Jahre. Zuletzt erschienen „Sudden Light“ und „Where I Live“, beide mit einem starken Hang zu einem leichten Jazz voller Soul und gegründet in der Tradition der alten Bluesmeister. McCarthys Gitarrenspiel ist immer geschmackvoll und packend, es garantiert Fans von guter altmodischer Musik ein gehöriges Vergnügen. Und er ist auch als Mandolinespieler großartig. Oft Wasser-Prawda | September 2015 20 MUSIK wird er von seinem alten Kumpel James Montgomery begleitet, einem der besten Bluesharp-Spieler der Vereinigten Staaten. Immer bleibt er dicht an seinen Wurzeln, bringt Bluessongs hervor und liefert die Hintergrundmusik für ein ereignisreiches und zufriedenes Leben auf den geschäftigen und oftmals überfüllten Straßen der amerikanischen Musikszene. Für viele Jahre war McCarthy der Gitarrist eines der bekanntesten Musikexporten Irlands, des mittlerweile verstorbenen Tommy Makem, einem exzellenten Spieler auf dem fünfsaitigen Banjo, gekleidet in traditionelle Stickpullover und ausgezeichnet mit einem enzyklopädischem Wissen der traditionellen irischen Musik. Und auch wenn in seinen Adern auch irisches Blut fließt und er die traditionelle irische Musik mag, bekennt McCarthy, dass er sich am meisten zu Hause fühlt im Blues, seiner ersten Liebe und lebenslange Leidenschaft: „Ich bin ein arbeitender Musiker mit Betonung auf der Arbeit. Ich erinnere mich, wie ich einmal gelesen hab, dass Robert Johnson am St. Patricks Day irische Songs spielte. Denn er war bei der Arbeit und es ist schwer, seinen Lebensunterhalt als Musiker zu verdienen. Ich mochte das Touren mit Tommy Makem sehr und er behandelte mich sehr gut. Ich mag es, den Blues gemeinsam mit James Montgomery zu spielen, ebenso liebe ich auch den Jazz und das Spielen auf der elektrischen Gitarre. Denn ich hab es gerne, wenn ich meine Hypothek bezahlen und meine Familie unterstützen kann. Das ist nicht sehr romantisch, aber wahr. Einmal spielte ich im Duo mit Larry Coryell, spielte Gitarre auf einem bei Columbia (CBS) veröffentlichten Hitalbum des Poprockers Andy Pratt und war auf Tour mit der Band Appaloosa, die wie Pratt auch bei Clive Davis unter Vertrag stand. Ich liebe auch das gemeinsame Spiel mit der schwarzen Gospelsängerin Lilian Buckley. Es war eine interessante Karriere, aber sie ist, wie sie ist. Heute spiele ich meist akustische Blues und Ragrimes als Solist oder mit James Montgomey oder mit meinen Freunden Tom Logan und Reed Butler, der als Bassist bei Paul Rishell und Annie Raines spielte. Ich verwende kein Plektrum, manchmal einen Daumen-Pick. Iach spielte im Stil von Merle Travis, Chet Atkins und im Piedmont-Stil von Mississippi John Hurt und Rev. Gary Davis. In der Vergangenheit hab ich auch mit Paul Geremia gespielt und liebe es, auf meiner Blue National Slide zu spielen. Das alles mache ich schon seit 50 Jahren. Pops Staples brachte mich auf die Idee, in Pflegeheimen und Krankenhäusern zu spielen. Zu solchen Auftritten bringe ich auch meinen Hund Beau mit. Einmal kam Roy Bookbinder vorbei, um mich in meinem Haus in New Hampshire zu besuchen. Ich war nicht zu Hause. Und so mietete er ein Boot und ging fischen, bis ich wiederkam. Und dann spazierten wir die Bahngleise entlang und sprachen über das Leben und die Musik. Wir kannten einander viele Jahre lang.“ In vieler Hinsicht kann man McCarthys persönliche Philosophie Wasser-Prawda | September 2015 im Titel seines vielleicht besten Albums „Satisfied Mind“ erkennen. Erschienen ist es vor ein paar Jahren 2006 und enthält großartige Versionen von „Pallet On The Floor“, „When The Lord Gets Ready“, „Deep River Blues“, „Trouble In Mind“ und einige anderej Bluesstandards sowie seine eigene Komposition „No Score In Baltimore“, ein Stück in dem der Geist der akustischen Konzerte in den 60er Jahren widerhallt, als Künstler wie Jackson Browne für Trinkgeld in den Bars des Village spielten. Soeben hat McCarthy ein neues Album mit sieben Stücken auf seinem eigenen Label Wandra Recordings veröffentlicht. „Trouble in Mind“ präsentiert beispielhaft die Facetten seiner Musik. Vier Stücke mit Montgomery an der Harp wurden vom früheren Album „Satisfied Mind“ übernommen. Die anderen drei Stücke sind Instrumentals mit leichtem JazzFeeling, die von einem anderen älteren Album „Star of The Sea“ stammen. Jeder, der diesen Künstler und seine Musik noch nicht kennt, sollte den Hinweis auf seine Fähigkeiten von Jorma Kaukomen ernst nehmen, der einmal gesagt hat: ‚If there were any jusƟce in the world, you‘d be a well-known BIG DOG!‘ MUSIK 21 PASS OVE R BLU E S I M S OTA NO KONZERTFOTOS VON RAIMUND NITZSCHE Spätestens seit ihren letzten beiden Alben „Be er Ways“ und „the …“ gehören Pass Over Blues zu den bemerkenswertesten Bluesbands in Deutschland. Aber eigentlich geht die Geschichte der Band zurück bis in die Zeit der Wende. Schon seltsam, dass es erst 2015 zum ersten Konzert der Gruppe in Greifswald kam. Am 19. September spielten Roland Beeg (g), Harro Hübner (voc, harp), Lutz Mohri (b, bg) und Schlagzeuger Michiel Demeyere im Sotano und setzten damit die Reihe der Blueskonzerte in der Tapas-Bar am Markt fort. Wasser-Prawda | September 2015 22 MUSIK Wasser-Prawda | September 2015 MUSIK 23 Wasser-Prawda | September 2015 24 MUSIK Wasser-Prawda | September 2015 MUSIK 25 NETZFUNDSTÜCKE: JOCHEN VOLPERT VON MATTHIAS SCHNEIDER Beim Stöbern im Internet stößt man auf interessante Personen und Bands in Sachen Blues. Leider können diese nicht immer gleich eine CD vorweisen oder eine vorhandene CD ist schon etwas älter. Ich möchte Euch diese Sachen nicht vorenthalten und stelle Euch diese Künstler in unregelmäßigen Abständen hier vor. Im ersten Beitrag möchte ich Euch Jochen Volpert vorstellen. zwischen dem warmen Gitarrensound von Jochen Volpert und den intensiven und gefühlvollen Vokalexkursionen von Carola Thieme. Anlässlich seines 50. Geburtstags veröffentlichte er 2013 seine erste eigene CD unter dem Titel Session 50.1. Inzwischen hat er gemeinsam mit Carola Thiema, Linda Schmelzer (voc), Achim Gössl (keyb), Joachim Lang (b) und Schlagzeuger Stefan Schön dieses Projekt erweitert und veröffentlicht im Oktober den Nachfolger „Session 52.2“ Beide Alben werde ich gemeinsam rezensieren, sobald 52.2 erschienen ist Der Gitarrist Jochen Volpert kombiniert Jazzelemente mit denen des Blues. Dabei ist er sowohl mit eigener Band als auch seit Jahrem im Duo mit der Sängerin/Gitarristin Carola Thieme zu erleben. Im Duoformat verschmelzen die Beiden Einflüsse von Blues, Soul, Pop und Jazz mit freien Improvisationen. Standards und bekannte Songs in überraschenden Interpretationen gehören ebenso zum Programm wie Kompositionen aus eigener Feder. In ihren Konzerten entstehen immer wieder neue musikalisch-kreative Zwiegespräche Wasser-Prawda | September 2015 26 MUSIK Wasser-Prawda | September 2015 MUSIK 27 GEHÖRT WIRD DAS, WA S DEM R E IS E L E I TE R G E FÄ L LT. SCHUBERT’S UNGEWÖHNLICHE PAUSCHALREISEN NACH NEW ORLEANS IN FOTOS VON ROLF SCHUBERT, KLAUS SCHULZE, CARSTEN ECKSTEIN. Seit Jahrzehnten veranstaltet Rolf Schubert (Foto: Der einsame Reiseleiter in der Menge) mit seinem Concertbüro Blueskonzerte und Festivals. Mindestens ebenso interessant sind für Musikfans aber auch seine Musikreisen. Regelmäßig organisert er etwa Touren nach New Orleans und Louisiana und bringt den Reisenden Musik von Jazz über Rhythm & Blues bis hin zum Hiphop nahe. Denn es gilt der Grundsatz: Gehört wird, was dem Reiseleiter gefällt. Die nächste Reise nach New Orleans und in die Bayous Louisianas findet über Ostern 2016 statt. Noch sind dafür freie Plätze vorhanden. Wer näheres erfahren oder gleich buchen will, kann dies im Internet unter http://www.concertschubert.de/schuberttravels/ no-bayou-country.html tun. Wasser-Prawda | September 2015 28 MUSIK Wasser-Prawda | September 2015 MUSIK 29 Noch heute gehören die Street Paraden in New Orleans zum täglichen Leben und sind mehr als ein Highligt für Touristen. Und die Indians sind unverzichtbar beim Mardi Gras (nächste Seite). Wasser-Prawda | September 2015 30 MUSIK Wasser-Prawda | September 2015 MUSIK 31 Wasser-Prawda | September 2015 32 MUSIK Heiße Musik und kreolische Küche gehören zu jeder Reise nach Louisiana unbedingt dazu. Und ob in der Kneipe nun eine Brassband spielt, ein Bluesman seine Lieder singt oder zum Groove der Stadt ein Rapper seine Kunst zum besten gibt, ist eigentlich nicht wirklich wich g. Wasser-Prawda | September 2015 B L U E S K A L E N D E R 33 BLUESKALENDER Zusammenstellung: Matthias Schneider (blueskalender. blogspot.de) 1932 1936 1954 2003 2005 01.10. Albert Collins* George „Wild Child“ Butler* Hans Wintoch* John Brim+ Paul Pena+ Jenn Cleary* 1938 1951 1955 1983 1989 1990 02.10. Nick Gravenites* Coco Montoya* Ulrich Spormann* George „Harmonica“ Smith+ Cousin Joe+ Zuzu Bollin+ Indijana *02.10. Albert Collins 03.10. Nick Gravenites Memphis Minnie 1938 1951 1951 1955 1954 1956 1969 1976 Eddie Cochran* Billy Branch* Keb’ Mo’ * Allen Woody* Stevie Ray Vaughan* Deborah Coleman* Skip James+ Victoria Spivey+ Sandy Carroll * 1936 1948 1953 1970 1977 1994 Big Pete Pearson* Duke Robillard* Oscar Wilson* Janis Joplin Todestag+ Nickolas Galiouris* Danny Gatton+ 04.10. Victoria Spivey 34 BLUESKALENDER 05.10. 1899 1919 1934 1935 1943 1949 1952 1959 1993 Little Hat Jones* Edward Ernest Griffin* Fillmore Slim* Left Hand Frank Craig* Roy Book Binder* Rick Estrin* Lee Brilleaux* Kelly Joe Phelps* Memphis Willie B.+ 1908 1932 1944 1951 2012 06.10. Sammy Price* Little Sonny (born Aaron Willis)* Eero Raittinen* Jimmy Lloyd Rea* Nick Curran + 1939 1939 1962 1966 1983 2012 Mel Brown* Tony Glover* Scrapper Blackwell+ Smiley Lewis+ Belton Sutherland+ Wiley Reed+ 1919 1952 1955 1957 2009 Hal Singer* Steve Devine* Lonnie Pitchford* Sebastian Baur* Abu Talib+ 1935 1939 1943 1957 1965 1973 2006 Johnnie Bassett* O. V. Wright* Ronnie Barron* Mike Stevens* Pat Hunter* Rosetta Tharpe+ Klaus Renft+ Roy Book Binder 07.10. Mel Brown 08.10. 09.10. Sister Rosetta Tharpe B L U E S K A L E N D E R 35 2014 1899 1914 1969 1979 2010 ‚Sista Monica‘ Parker + Ignaz Netzer* 10.10. Mississippi Joe Callicott* Ivory Joe Hunter* Walter Coolen* Paul Karapiperis* Solomon Burke+ 11.10. Nappy Brown 1908 1951 2011 Harmonica Frank* Kate Hart* George Buford+ Howard Glazer 1929 1929 1974 1985 1999 Guitar Gabriel* Nappy Brown* Pink Anderson+ Blind John Davis+ Frank Frost+ 1940 1946 1949 Chris Farlowe* Jörg „Speiche“ Schütze* Rick Vito* Pierre Lacocque* 1895 1926 1945 1950 1957 1962 Edna Hicks* James „Son“ Thomas* Colin Hodgkinson* Rudy Rotta* Kenny Neal* Chris Thomas King* Steve Kozak* 1906 1912 1925 1938 1979 Victoria Spivey* Nellie Lutcher* Mickey „Guitar“ Baker* Robert Ward* Gus Cannon+ 12.10. 13.10. James „Son“ Thomas 14.10. 15.10. Gus Cannon 36 BLUESKALENDER 16.10. 1903 1935 1965 1977 1997 Big Joe Williams* Sugar Pie DeSanto* Carin Bertenbreiter* John Mayer* Jimmy Walker+ John Lee Sanders* 1914 1941 1974 1984 Rosetta Howard* Billy Cox* Rosetta Howard+ Alberta Hunter+ 1906 1907 1923 1925 1926 1941 1947 1975 2006 Johnny Temple* Robert Petway* Jessie Mae Hemphill* Boogie Woogie Red* Chuck Berry* Billy Cox* Julius Daniels+ K. C. Douglas+ Snooky Pryor+ 17.10. Alberta Hunter Chuck Berry Jelly Roll Morton 18.10. 1890 1945 1949 1955 1977 1997 2011 19.10. Willie Perryman (Piano Red)* Buddy Moss+ Son House+ 20.10. Jelly Roll Morton* Ric Lee (born Richard Lee)* Sam Collins+ Mark Feltham* Ronnie Van Zant+ Henry Vestine+ Earl Gilliam+ , born 1930 1925 1931 1941 1942 21.10. Doctor Ross (Charles Isaiah Ross)* Barbecue Bob+ Steve Cropper* Elvin Bishop* 1911 1984 1988 B L U E S K A L E N D E R 37 1962 1990 J.D. Short+ Jo Ann Kelly+ 1945 1953 1963 1981 Leslie West* Carolina Slim+ Walter Davis+ Edward Ernest Griffin+ Stacie Collins* 1892 1933 1947 Speckled Red* Carol Fran* Preston Shannon* Vanesa Harbek * 1911 1925 1936 1936 1943 2000 Sonny Terry* Willie Mabon* Bill Wyman* Jimmy Dawkins* Corky Siegel* Little Mack Simmons+ Tom Ball* Bert Deivert* Victor Puertas* 22.10. 23.10. Stacie Collins 24.10. Sonny Terry 1931 1958 25.10. Little Hatch* Coco Robicheaux* Eberhard Stolle, auch Big Joe Stolle* Jack Bruce+ 26.10. Detroit Junior* Robert Charels* 1909 1948 1977 1991 Henry Townsend* Sherman Robertson* Peg Leg Sam+ Billy Wright+ 1921 1947 1950 2014 27.10. Coco Robicheaux 38 BLUESKALENDER 28.10. 1910 1936 1939 1965 1969 T-Bone Walker* Charlie Daniels* Bobbie Mercy Oliver* Earl Bostic+ Ben Harper* 1946 1971 1974 2008 Peter Green* Duane Allman+ Eric Gales* Mae Mercer+ 1926 1939 1960 2007 2009 Dave Myers* Grace Slick* Rob Tognoni* Larry Lee+ Norton Buffalo+ 1902 1922 1939 1954 1970 1985 1995 2013 31.10. Julia Lee* Illinois Jacquet* Ali Farka Touré* Genevieve Castorena* Johnny Moeller* Johnny Embry+ Albert Lavada „Dr. Hepcat“ Durst+ Bobby Parker+ Paul Winn* 29.10. Duane Allman 30.10. Grace Slick Hinweis: Für weitere Informationen siehe hier: http://blueskalender. blogspot.de/ Ali Farka Touré A L B U M D E S M O N A T S 39 GARY CLARK JR. – THE STORY OF S O N N Y B OY S L I M ALBUM DES MONATS SEPTEMBER 2015 Slim“ ist eine Vergewisserung und Besinnung auf all die Wenn man Gary Clark Jr. in der Vergangenheit schon Musik, die ihm wichtig war und ist. Es ist eine Fusion gerne mal als „Zukunft des Blues“ bezeichnet hat, war im besten Wortsinn. das eine zwiespältige Angelegenheit: Diejenigen, in Eigentlich hatte sich das schon im Majordebüt „Blak & in ihm den nächsten Gitarrenhelden a la Stevie Ray Blu“ angedeutet. Doch damals standen der Plastikfunk Vaughan sehen wollten, sollten spätestens mit seinem a la Prince, der gitarrenlastige Bluesrock und die neuen Studioalbum eines besseren belehrt sein: Klar anderen Zutaten oft noch beziehungslos nebeneinanist hier einer der besten Gitarristen derzeit zu hören. der. Jetzt ist bei aller Vielseitigkeit ein Album wie aus Doch was Gary Clark Jr. auf „The Story of Sonny Boy einem Guss entstanden. Und über all dem schweben Slim“ macht, ist eine faszinierende Fusion aus Hiphop- die Gitarrenlinien Clarks, mal akustisch und sanft, mal Rhythmen, psychedelischem Funk, Bluesrock, Gospel elektrisch und hart bis zur Schmerzgrenze. Und das und mehr. ergibt eines der an- und aufregendsten Alben des Jahres „Ist das alles so heavy hier?“, fragte letztens ein Hörer 2015 quer über die Genregrenzen hinweg. (Warner) meiner Radiosendung. Grad lief ein Track von Gary Raimund Nitzsche Clark Jr.‘s letztjährigem Live-Album, eine achtminütige Nummer, bei der das Gitarrensolo mit voller Verzerrung sämtliche Gehörgänge freiblies. Bei der Härte der Musik konnte man sich schon etwas irritiert fühlen, bin ich doch bekanntermaßen keine allzu großer Freund des aktuellen Bluesrocks. Aber die Nummer hatte ich mit Bedacht gewählt, stand sie doch im großen Kontrast zu den neuen Songs des Musikers. Wenn „The Story…“ mit „The Healing“ losgeht, dann hört man nach einem akustischen Intro eine Nummer, die eher an Soulblues und Gospel erinnert. Clark preist die Musik als seine Heilung und seinen Kraftquell. Und Musik heißt für ihn eben nicht (nur) der heftige Rock, sondern sein ganzes musikalisches Erbe. Mal erinnern seine Songs daher an Marvin Gaye oder Sly Stone, mal nach Prince irgendwann in den 80ern, mal nach ganz klassischem Blues oder Rhythm & Blues. Und die Rhythmen, die dazu pulsieren, haben bei manchen schon Erinnerungen an Outkast oder andere HiphopActs hervorgerufen. Und auch das dürfte in vollem Bewusstsein geschehen sein: „The Story of Sonny Boy Wasser-Prawda | September 2015 40 P L AT T E N REZENSIONEN A BIS Z A Alex Maiorano & The Black Tales – Everything Boom! 41 Andy T-Nick Nixon Band – Numbers Man 41 Angela Lewis Brown – Set Me Free 41 Jim Singleton – 8 O‘Clock In The Afternoon 47 Joel Sarakula – The Imposter 47 Jo Harman – Found A Place 48 John Lee Hooker & Canned Heat – Hooker n Heat 54 B John Mayall – Find A Way To Care 48 Billy The Kid & The Regulators – I Can‘t Change 42 K Bob McCarthy – Trouble In Mind 43 Boo Boo Davis – Oldskool 43 D Duke Robillard – The Acoustic Blues & Roots of Duke Robillard 44 E Eric Bibb & J.J. Milteau – Lead Belly‘s Gold 44 F Flemming Borby – Somebody Wrong 44 Keimzeit – Auf einem Esel ins All 49 M Michael Katon – Live At Moulin Blues 49 R Rab Noakes – I‘m Walkin‘ Here 50 Rosellys – The Granary Sessions 51 Z Zakiya Hooker – In The Mood 51 G Grahams – Glory Bound 45 Grateful Dead – 30 Trips Around The Sun. The Definitive Live Story 19651995 53 Gregg Allman – Live. Back To Macon, Ga 45 Greyhounds – Accumulator/ Heaven On Earth 46 J Wasser-Prawda | September 2015 P L AT T E N Boys In One Night“ ist ein absolut witziger Calypso zwischen fünfziger Jahre Feeling und der Rotzigkeit des Skarevivals der 80er Jahre. Also kurz gesagt: Das ist nix für Schubladendenker. Das ist Musik zum Abtanzen und Abrocken nicht nur für die nächste Sommerparty. off Label Records hat mal wieder eine echt empfehlenswerte Band entdeckt! (off Label/timezone) Nathan Nörgel Alex Maiorano & The Black Tales – Everything Boom! Irgendwann zogen Sänger/ Songwriter Alex Maiorano und Schlagzeuger Alessio D‘Allessandro von Italien nach Berlin. Als Duo wollten sie ursprünglich Blues spielen. Doch als The Duke und Rieko Okuda mit Saxophon und Keyboards zur Band kamen, änderte sich die Musik gehörig. Auf dem Debüt „Everything Boom!“ treffen Rock und Punk auf Soul und Funk und Rock & Roll. Und die Mixtur ist ein Fest für alle, die handgemachte Musik mit jeder Menge Leidenschaft zu schätzen wissen. Manchmal lässt einen ein Album keine Chance, eine passende Schublade zu finden: Wenn „Everything Boom!“ mit „Blacksnake“ loslegt, dann ist das deftiger Rock mit Blueswurzeln. Doch schon bei „Get, Get It“ ist man irgendwo im souligen Poprock mit Punkattitüde gelandet. „Desperado With The Ukelele Sound“ ist (ganz ohne Ukelele dafür mit röhrendem Saxophon) ein Song, an dem auch Texasmusikerin Patricia Vonne ihre Freude haben könnte. Und „Three 41 Alben von ihnen so bemerkenswert. Egal of jazzige Sounds erklingen oder Akkordeons aus den Bayous von Louisiana: Nick Nixon singt mit einer Stimme, die gleichermaßen im Sonntagsgottesdienst oder die Nacht vorher in verräucherten Bluesclubs funktioniert. Und Andys Gitarre spielt ebenso zeitlos, mal etwas ruppig, dann wieder strahlend und elegant. Wenn beim Sundown Blues noch die Harp von Kim Wilson hinzu kommt, dann spätestens ist jeder echte Bluesfan begeistert. Schön, dass diese tolle Band jetzt bei Blind Pig eine neue musikalische Heimat gefunden hat. Dieses Album ist ein Pflichtkauf! (Blind Pig) Raimund Nitzsche Andy T-Nick Nixon Band – Numbers Man Schon „Drink Drank Drunk“ hatte 2013 gehörig aufhorchen lassen. Auch für die im Jahr drauf folgende Scheibe „Livin It Up“ gab‘s Kritikerlob und jetzt hat die Andy T-Nick Nixon Band (wiederum produziert von Anson Funderburgh) mit Numbers Man schon wieder ein beeindruckendes Album auf den Markt gebracht. Texasblues in der Art von T-Bone Walker, Soulblues, fast klassischer Rhythm & Blues oder etwas Zydeco: stilistisch hatten sich Gitarrist Andy Talamantez und Nick Nixon noch nie wirklich festlegen lassen. Und gerade das macht Angela Lewis Brown – Set Me Free Wie findet eine Sängerin heute zum Blues? Angela Lewis Brown liegen die Wurzeln und Anregungen im Northern Soul und den Hits der „Soul-Divas“ der 80er und 90er Jahre. Am Anfang ihrer Karriere sang sie außerdem noch Dancemusic, wurde aber schnell unzufrieden mit der Musik, die sie auf die Bühnen Wasser-Prawda | September 2015 42 P L AT T E N brachte. Mit „Set Me Free“ fängt sie jetzt neu an als Bluessängerin mit einer gehörigen Dosis Soul. Ist es überhaupt möglich, Musik der Vergangenheit zurück in den Mainstream der Gegenwart zu holen? Sängerinnen wie Sharon Jones haben das Label „Retro“ niemals abschütteln wollen oder können. Bei Balladen wie „Summer Nights“ merkt man, dass Angela Lewis Brown durchaus in Richtung Radiotauglichkeit schaut: Ohne die Wurzeln zu verleugnen sind das Stücke, die auch Hörern gefallen können, die sonst eher zeitgenössischen RnB hören. Auch ein Lied wie „I‘m Feeling Good About Me“ hat zwar ganz deutliche Blueswurzeln und Brown bellt zuweilen wie eine der Powerladies zwischen Koko Taylor und Janiva Magness. Doch gleichzeitig ist das ein in Ohren und Beine gehender Popsong über eine starke Frau, die endlich den Platz im Leben gefunden hat, wo sie sich zu Hause fühlen kann. Aber um niemanden in die Irre zu führen: Angela Lewis Brown ist kein Popsternchen. Hier hören wir eine Powerfrau mit Ecken und Kanten, eine Blueslady, die eine lange Geschichte fortschreibt mit eigenen Liedern und einer eigenen kraftvollen Stimme. Eine echte Entdeckung! Nathan Nörgel Billy The Kid & The Regulators – I Can‘t Change Bei der International Blues Challenge 2014 landete die Band aus Pittburgh auf dem dritten Platz. Als ein Kollege jetzt das aktuelle Album „I Can‘t Change“ hörte, stellte er die Frage, wo sie denn damals noch bessere Bands haben finden können als die Truppe um Sänger/Gitarrist Billy Evanochko. Denn soviel ist klar: Angesichts ihres Albums wird diese Band nicht mehr lange ein gut gehüteter Geheimtipp bleiben. Sowohl reine Bluesfans als auch Bluesrocker werden an „I Can‘t Change“ ihre helle Freude haben. Dass eine Bluesband gleich drei Leadgitarristen am Start hat, kommt selten vor. Mir fällt auf die Schnelle jetzt eigentlich nur Fleetwood Mac zu den besten Zeiten ein. Billy The Kid & The Regulators haben neben Evanochko noch Jon Vallecorsa als „normalen“ Gitarristen und James Doughery an der Slide-Gitarre am Start. Und neben dem Bandleader sind diese auch als Songwriter auf dem aktuellen Album zu hören. Und das sorgt für eine äußerst gelungene Stilvielfalt zwischen fun- Wasser-Prawda | September 2015 kigem Bluesrock, klassischen Bluessounds und feinem Rhythm & Blues. Und auch die anderen Musiker der Regulators sind erwähnenswert: Keyboarder Ublai Bey (inzwischen aus Gesundheitsgründen leider nicht mehr dabei), Bassist Arnold Stagger und Drummer Brian Edwards setzen ihre jeweils eigenen Glanzpunkte. Und wenn das noch nicht genug wäre, wurden für das von Damon Fowler produzierte Album noch absolut hochkarätige Gäste eingeladen: Jason Ricci bläst bei der Hälfte der Songs seine unvergleichliche Harp, bei drei Songs bilden die Steel Town Horns die passend soulige Hornsection, Sean Karney kommt zweimal als weiterer Gitarrist zum Einsatz. Und auch Fowler selbst greift bei „Saturday Night“ noch zur Gitarre (damit sind bei diesem Lied gleich fünf Gitarren zu hören!). Und dann ist da noch Yolanda Barber. Diese fantastische Sängerin macht wesentlich mehr, als man von einer Backgroundsängerin erwarten würde: Sie ist Duettpartnerin im besten Sinne des Wortes. Eigentlich ist es nicht wirklich nötig, hier einen Anspieltipp zu nennen. Denn nicht nur „Saturday Night“ oder der Titelsong sind absolute Empfehlungen wert. Auch bei den anderen Songs (ob nun selbstgeschrieben oder von Leuten wie Robert Johnson („Me And The Devil) bzw. Jimmy Reed („Can‘t Stand To See You Go“) gibt es keine Ausfälle zu vermerken. Das ist eine wirklich überraschende Entdeckung des Jahres 2015. Von dieser Band werden wir ganz sicher P L AT T E N noch viel hören! Auf den Titelsong folge Fred Nathan Nörgel McDowells „You Gotta Move“, leitet über in W.C. Handys alten „Atlanta Blues“ bevor eine tolle Version von „Sittin On Top Of The World“ zu McCarthys drei Instrumentals überleitet. Die sind alle von ihm selbst geschrieben und kombinieren SlideGitarren mit leichtfüßigen JazzAkkorden. Das ist ein AkustikbluesAlbum von Topqualität von einem absoluten Meister. Ohne Zweifel eine starke Empfehlung! (Wandra Music) Iain Patience Bob McCarthy – Trouble In Mind Ein wunderbares Album mit sieben Stücken von einem der weniger bekannten Akustikbluesgitarristen/ Singer/Songwriter sänger aus den USA. Bob McCarthy hat seine Schulden als Profimusiker viele Jahrzehnte lang abbezahlt. Er spielte und arbeitete zusammen mit zahllosen Hauptfiguren der Szene, unter anderem mit Jorma Kaukonen, Pentangle, Tom Paxton, Roy Book Binder und viele mehr. „Trouble In Mind“ ist ein Album, das sein tolles Gitarrenspiel ebenso herausstellt wie seinen Gesang. Hinzu kommt bei den ersten vier Stücken die starke Harp von James Montgomery. Diese Nummern stammten ursprünglich von McCarthys vor einigen Jahren veröffentlichten herausragendem Album „Satisfied Mind“ – eines meiner Lieblingsalben, das mich niemals ermüdet. Die drei anderen Stücke sind Instrumentals von seinem danach veröffentlichten (und gleichermaßen großartigen) Album „Star Of The Sea“. Boo Boo Davis – Oldskool Rauh, ungeschliffen und bei aller lebendigen Bluestradtion aktuell und zwingend: Die Songs von Boo Boo Davis kommen aus dem tiefen Mississippi, sind von Künstlern wie Charley Patton oder Robert Pete Williams ebenso beeinflusst wie von Elmore James oder John Lee Hooker. Aber gleichzeitig sind sie aktuell, entstehen eigentlich erst im Moment des Spielens. Gemeinsam mit seinen europäischen Musikern Jan Mittendorp (g) und John Gerritse (dr) hat Davis die Stücke von Oldskool live, ohne Proben und im First Take aufgenommen. 43 Boo Boo Davis ist wahrscheinlich einer der letzten Bluessänger, die selbst noch Erfahrungen auf den Bauwollfeldern sammeln mussten. Sein Vater Davis war Baumwollfarmer und spielte diverse Instrumente. Schon als Kind konnte Boo Musiker wie John Lee Hooker, Robert Pete Williams oder Elmore James erleben, wenn sie im Haus der Familie probten. Und so nimmt es auch nicht Wunder, dass er schon mit fünf Jahren anfing die Bluesharp zu spielen und in der Kirche zu singen. Als Teenager spielte er dann auch noch Gitarre und begann mit Vater und Brüdern im Delta als Musiker umherzuziehen. In den 60er Jahren zog er dann mit ihnen in die Gegend von St. Louis, damals einer der Brennpunkte der Bluesentwicklung mit Stars wie Albert King, Ike Turner oder auch Chuck Berry. Dass zwischen Arbeit und Musik für ihn nie Zeit und Geld übrig war, um die Schule zu besuchen, ist leider für die damalige Zeit kein Einzelfall. Doch Davis hat es im Laufe der Zeit geschafft, sich auch als jemand, der weder lesen noch schreiben kann, in der modernen Zeit zurecht zu finden. Der Blues ist sein Weg, um mit dem Leben und seinen Herausforderungen umzugehen: Rauh bellt er seine Alltaggeschichten, die Harp setzt ebenso ungeschliffene Akzente. Und Oldschool ist auch die stoische Begleitung von Gitarre und Schlagzeug. Sowas ist keine Musik für diejenigen, die auf Politur und Instrumentalsport stehen. Das ist zeitloser Blues mit ungeheurer Wasser-Prawda | September 2015 44 P L AT T E N Energie. Und daher ist „Oldskool“ unbedingt empfehlenswert. (Black & Tan Records) Raimund Nitzsche Duke Robillard – The Acous c Blues & Roots of Duke Robillard Als Mitgründer von Roomful of Blues war Duke Robillard einer derjenigen, die dem Jumpblues wieder zum Leben erweckten. Doch auf diesen Stil hat sich der Gitarrist niemals festlegen lassen. Immer wieder hat er neue Stile in sein Spiel integriert, ob Swing und Jazz, Country und mehr. Mit seinem neuen Album veröffentlicht er jetzt erstmals ein rein akustisches Album und spielt eine höchst eingängige und elegante Mixtur aus Blues, Jazz, Folk aus den Appalachen ganz im Stil der 20er bis 40er Jahre. Man könnte fast sagen, dieses Album ist eine musikalische Definition dessen, was man heute gerne als Americana bezeichnet. Schon der Opener, Stephen Fosters uraltes „My Kentucky Home“ sollte jedem eines klar machen: Dies ist kein Album für die lauten Momente. Hier wird feinsinnig und diffenziert fast kammermusikalisch musiziert. Egal ob Robillard mit seinen Gästen (unter anderem Maria Muldaur, Sonny Crownover, Marty Flower, Jerry Portnoy oder Jay McShann) Klassiker von Hank Williams, Jimmy Rodgers oder Big Bill Broonzy anstimmt oder eigene Songs zu Gehör bringt, immer sind es die feinen akustischen Nuancen, die eleganten Läufe und nicht der oberflächliche Effekt, die im Mittelpunkt stehen. Ähnliches hab ich in der Vergangenheit in dieser Großartigkeit höchstens auf Ry Cooders Album „Jazz“ gehört. Robillard präsentiert sich hier nicht nur als Meister auf sämtlichen akustischen Saiteninstrumenten zwischen Banjo, Mandoline und Gitarren. Er ist hier auch als Sänger zu erleben, der ebenso swingenden Jazz singt wie er Rodgers „Jimmies Texas Blues“ jodelt. Ähnlich vielseitig wie die musikalischen Quellen des Albums sind auch die verschiedenen klanglichen Welten, die er mit seinen Mitmusikern findet: mal klaische Bluesbands mit Harp und Piano, mal Jazzcombos mit Klarinette und mehr. Das ist mit Sicherheit eines der besten akustischen Bluesalben des Jahres 2015!.(Dixie Frog/H‘ART) Raimund Nitzsche Wasser-Prawda | September 2015 Eric Bibb & J.J. Milteau – Lead Belly‘s Gold Quer über sämtliche Genregrenzen hinweg ist Lead Belly einer der einflussreichsten Somgwriter und Intepreten von Blues und Folk gewesen. Sein Repertoire wurde von Sinatra und den Beach Boys ebenso aufgegriffen wie von Nirvana, Tom Waits oder den Red Hot Chili Peppers. Auf „Lead Belly‘s Gold“ haben sich jetzt zwei der faszinierendsten Vertreter des akustischen Blues den von Lead Belly gesungenen und geschriebenen Lieder angenommen. Den größten Teil des Albums haben Eric Bibb und JeanJaques Milteau bei einem Konzert in Paris aufgenommen. Klar erinnern sich viele bei der Erwähnung von Huddie Ledbetter zuerst an Stücke wie „Good Night Irene“ oder an „Rock Island Line“. Und natürlich kommt keine Würdigung des Songsters nicht ohne solche Hits aus. Doch was Lead Belly‘s Gold zu einem nicht nur musikalisch faszinierenden Album macht, die Auswahl unbekannterer Songs, die vor allem auch das Streiten des Künstlers für eine würdige, ge- P L AT T E N rechte und brüderliche Gesellschaft über die Rassengrenzen hinweg deutlich macht und die von einer beängstigenden Aktualität geblieben sind. Schon der Opener „Grey Goose“ ist ein Stück, das man angesichts der tausenden Flüchtlinge, die zur Zeit unter Lebensgefahr den Weg nach Europa suchen, nicht aus einem rein historischen Blickwinkel hören kann. Letztlich sind auch Nummern wie der Chauffeur Blues oder der Bourgeois Blues in Zeiten, wo die sozialen Spaltungen in der Gesellschaft immer größer werden aktuell wie damals. Klar: Eric Bibb ist nicht der wütende Prediger. Als Sänger und Gitarrist zählt er schon immer zu denen, die Unzufriedenheit eher mit stiller Melancholie ausdrückten, die eher die kleinen Veränderungen im privaten predigen als öffentlich zur Revolution aufzurufen. Aber genau durch seine stille Interpretation jenseits von oberflächlichem Showgehabe macht die Lieder hier umso eindrücklicher. Und Milteaus Harp setzt dazu absolut großartige Kontraste. Überhaupt gehört der französische Musiker für mich neben Sugar Blue oder Jason Ricci zu den wenigen Virtuosen, die bei aller Meisterschaft in den klassischen Spielweisen immer wieder nach neuen akustischen Möglichkeiten für die Bluesharp suchen und finden. Ein äußerst empfehlenswertes Album! (Dixie Frog/H‘ART) Nathan Nörgel 45 And The Moon“ die sofort ins Ohr gehen und sich nur schwer wieder vertreiben lassen. „Somebody Wrong“ ist ein höchst unterhaltsames Album mit Songs, die man gerne auch häufiger im Radio hören möchte. Und bei aller musikalischer Geschichtsverliebtheit klingt die Scheibe garantiert nicht vorgestrig. Nathan Nörgel Flemming Borby – Somebody Wrong Ein in Berlin lebender dänischer Songwriter fährt nach Texas, um sein erstes Soloalbum einzuspielen. Und in seinen Liedern kann man nicht nur Anklänge an Folkrock und Americana hören sondern auch die Auseinandersetzung mit Bluesern wie Elmore James und Blind Willie Johnson. Mit Bands wie Greene wurde er in Dänemark populär, später spielte er bei Labrador oder verdiente sich seine Brötchen als Sessionmusiker in Deutschland und den USA. Doch Flemming Borby gehört auch zu den Musikern, die sich immer auch ausgiebig mit der Musikgeschichte befassen, wenn sie ihre eigene Musik schreiben. Der Titelsong seines Albums etwa nimmt Bezug auf Elmore James‘ „Done Somebody Wrong“ Doch das ist eine eher augenzwinkernde Bezugname des Musiknerds: Somebody Wrong klingt eher nach Americana a la The Jayhawks. Und genau das macht von Anfang an Spaß. Andere Songs sind eher in die „normale“ Ecke Songwriter-Rock/Pop zu sortieren. Und dann gibt es auch noch großartige Balladen wie „Me And You The Grahams – Glory Bound Das ist eines von denjenigen Alben, die eine sofort schon mit ihrem Cover packen: Ein faszinierender und verführerischer Hintergrund mit altem und vor sich hinrostendenden amerikanischen Eisenbahnwagen dürfte garantiert das Interesse aller Country- und Americana-Fans finden. Und der Titel „Glory Bound“ spricht natürlich Bände über den sogenannten amerikanischen Traum zu den Zeiten, als das Fahren mit der Bahn ein Grundbestandteil der Veränderung des Lebens in einem Land war, das von sozialen und rassischen Rissen und Abgründen geprägt war. Ein Thema, das für viele heute immer noch aktuell ist. Alle zwölf Songs wurden gemeinsam mit dem Bandkumpel Bryan McCann selbst geschrieben. Und Wasser-Prawda | September 2015 46 P L AT T E N tatsächlich denken und glauben The Grahams‘ (ein Duo aus dem Ehepaar Alyssa und Doug Graham), dass es lange Zeit eine ziemlich einzigartige Verbindung zwischen der US-amerikanischen Countrymusik/ Americana und den Eisenbahnen und Bahngleisen des Landes gab. Sicherlich sind es zeitlos großartige Stücke wie Steve Goodmans „City of New Orleans“ und George Hamiltons „Canadian Pacific“, die ein Denken in diese Richtung unterstützen. Und das ohne noch weiter zurück in die Geschichte zu blicken hin zu Woody Guthries oder Cisco Houstons eigenen Beiträgen zum Thema. „Glory Bound“ ist das zweite lange Album des Duos und erscheint gleichzeitig mit einem Dokumentarfildm über die Rolle von Musik und Eisenbahn in den USA. „Rattle The Hocks“ ist ein Film, der die eigene Reise der Grams auf dem Schienenstrang durchs Land dokumentiert. Byron Berline (ehemals bei Bill Monroe, Dillard & Clark oder Stephen Stills) ist als Gast dabei und fügt ihre tolle vom Country geprägte Fiddle dem musikalischen Mix hinzu. Das ist eine sehr tolle Musik für moderne Cowboys mit einprägsamen Texten und umwerfenden instrumentalen Fähigkeiten. Wie schon der Opener sagt: ‚Sometimes I need to put the hammer down, this heart may bleed but it still gets me around, these engines whine when the pistons pound, this train is glory bound.‘ (12 South Records GRAM003) Iain Patience Gregg Allman – Live. Back To Macon, Ga Was war ich traurig als ich erfuhr, dass Gregg Allman nach dem Ausscheiden von Derek Trucks und Warren Haynes entschied, das Projekt Allman Brothers Band zu beenden. Immerhin begleitet mich die Band seid Anfang der 70´iger durch mein Leben. Wer erinnert sich nicht gerne an die Titel wie „Jessica“, „Ramblin´ Man“, „Whipping Post“, „Stand Back“ und „Trouble no More“ um nur einige zu nennen. Auch wenn die Band sich über die Jahre immer wieder veränderte, denken wir nur an die tödlichen Motorradunfälle von Duane Allman und Berry Oakley. Gregg Allman schaffte es immer wieder eine gute Band zusammenzustellen. Eines blieb über die Jahre immer beständig – der Sound der Band. Hierfür sind zwei Faktoren zuständig: Der unvergleichliche Gitarrensound und die Stimme von Gregg Allman. Trotz der verschiedensten Gitarristen von Dickey Betts über Dan Toler, Derek Trucks bis zu Warren Haynes blieb der Sound der Gitarren immer Wasser-Prawda | September 2015 ähnlich. Auch Scott Sharrard aus der neuen Formation Gregg Allman and Friends setzt diese Tradition fort. Wie geht das? Auf der Seite http:// www.learningguitarnow.com/blog/ tone/how-to-get-an-allman-brothers-guitar-tone/ gibt es eine gute Erklärung mit Klangbeispielen. Die Technik macht es, mehr kann ich als Gitarrenlaie nicht dazu sagen, dass überlasse ich dann lieber den Fachleuten. Das hier vorliegende Album ist ein Konzertmitschnitt von einem Konzert in Macom, vom 14.01.2014. „Macon ist ein schöner, zauberhafter Ort (eine 100000-Einwohnerstadt in der Nähe von Atlanta) und er war wirklich ein zu Hause für den Allman Brothers Band“, sagte Gregg. „Wir spielten, lebten, lachten und weinten dort, und ich schrieb viele, viele Lieder in dieser Stadt. Es ist immer gut, in Macon zu spielen, Mann.“ Mit Scott Sharrard an der Gitarre, dem Bassisten Ron Johnson, Ben Stivers an den Keyboards, Schlagzeuger Steve Potts, Allman Brothers-Veteran Marc Quinones am Schlagzeug, den Saxophonisten Jay Collins und Art Edmaiston und Dennis Marion an der Trompete, bildeten diese acht Spieler eine der besten Formationen, mit denen Gregg Allman jemals spielte. Besonders der Einsatz der Bläsergruppe tat der Aufnahme gut. Das Konzert beginnt mit dem guten alten „Statesboro Blues“. Hier bringt der Einsatz der Bläsergruppe einen neuen Swing in den Song. Auffällig ist auch das Spiel von Ben Stivers P L AT T E N am E-Piano. Nach „I’m No Angel“ folgt „Queen of Hearts“, einem Titel von Gregg´s erster Soloproduktion „Laid Back“ aus dem Jahr 1973. Mit „ I Can’t Be Satisfied“ nimmt das Konzert wieder Fahrt auf. Der Meister spielt hier die zweite Gitarre (nicht die zweite Geige). Mit dem sentimentalen Titel „These Days“ von Jackson Browne nimmt Gregg die Fahrt gleich wieder raus. „ Ain’t Wastin’ Time No More“ war das erste Lied, dass Gregg nach dem tödlichen Motorradunfall von seinem Bruder Duane am 29. Oktober 1971 in Macon schrieb. Hier gefallen schöne Solis von Art Edmaiston und Scott Sharrard. „Brightest Smile In Town“, „Hot’Lanta“ und „I’ve Found a Love“ runden den ersten Teil des Konzertes ab. Das Konzert ist eine Zeitreise durch die Geschichte der Allman Brothers, die ja unzertrennlich mit der Geschichte von Gregg Allman verbunden ist. Das setzt sich im zweiten Teil fort. Hier möchte ich noch die Titel „Melissa“, „Whipping Post“ und „One Way Out“ erwähnen. „Whipping Post“ wurde total neu arrangiert, Saxophonund Gitarrensolo werten diesen Titel enorm auf. „One Way Out“ schließt das Konzert ab, hier spürt man zum ersten mal so richtig das Publikum. Jeder der Musikern kann in Solopassagen noch einmal zeigen, was in ihm steckt. Man muss auch erwähnen, dass im zweiten Teil Devon Allman (Gitarre) als Gastmusiker mit von der Partie ist. Gregg bemerkte: „Vielen, vielen Dank, es war ein riesiger Spaß. Wir müssen dies irgendwann wieder tun“ Um die Zukunft muss uns nicht bange sein, solange Gregg Allman musiziert, wird uns der Südstaatenstil der Allman Brothers erhalten bleiben. Was ich ein wenig bemängele, die Reaktionen des Publikums wurden nie so richtig eingefangen. Matthias Schneider Greyhounds – Accumulator/ Heaven On Earth Wer die letzten Ausgaben der WasserPrawda verfolgt, sieht, wie wir uns immer mehr in das Netz der musikalischen „South East Mafia“ oder den Southies verzweigen. Gemeint sind die Musiker und Bands aus dem Gebiet von Florida, Louisiana und Texas. Greyhounds ist eine Formation, die sich teilweise aus der Begleittruppe von JJ Grey & Mofro rekrutiert. Der Gitarrist Andrew Trube, der Keyboarder Anthony Farrell und der gelegentlich mitspielende Drummer Anthony Cole haben eine spannende Mischung aus Soul und Swampmusik, sehr reduzierte Instrumentierung, aber mit Gefühl eingesetzte Stimmen, die vor allem den Soul bringen. Die Melodien sind einprägsam, einfach und mit viel Gefühl. Wer 47 Anthony Coles kleines Schlagzeug sieht, glaubt nicht, dass man da so viel Rhythmus rausholen kann. Andrew Trubes Gitarrenspiel ist simpel und genial zu gleich. Trockene Sounds ohne viel Effekt, maximal Raumhall dazu. Der Band ist es gelungen, einen Plattendeal mit Ardent Records über 3 Alben zu unterzeichnen. Das erste Album „Accumulator“ erschien 2014 und die Live CD „Heaven on Earth“ kam erst vor wenigen Wochen in den Handel. „Heaven on Earth“ entstand Ende 2014 während der Begleittour mit The Tedeschi Trucks Band. Als Produzent fungiert Reed Turchi. Beide CDs überschneiden sich etwas in den eingespielten Titeln, bescheren aber dadurch eine Studio- und eine Livevariante einige Schlüsselsongs. Andrew Trube und Anthony Farrell waren schon lange Zeit vor JJ Grey & Mofro als Musiker und Komponisten für viele andere Künstler unterwegs. Mit den beiden Alben stellen sie ihre Eigenständigkeit als Studiound Liveband unter Beweis. Meine Favoriten auf beiden CDs sind „What’s on Your Mind“ und „Soul Navigator“, weil sie den weiten Bogen der Band vom R&B zum Soul überspannen. Auch „Amazing“ gehört zu meine Favoriten. Die Musik ist so „cool“ dass man sie in einer Edellounge in Berlin oder auch in einem Konzerthexenkessel in Texas hören kann. Aber eigentlich bestehen die beiden Alben nur aus „Favoriten“, weil sie einem einfachen Strickmuster folgen: Soulige Stimmen und bluesige Instrumentieren - ein Patentrezept Wasser-Prawda | September 2015 48 P L AT T E N für die beiden respektive drei Herren chen, fügt der mit Grammy ausder Greyhounds. gezeichnete Charlie Musselwhite Mario Bollinger seine heulende Harp hjnzu. Die aus Australien stammende Fiona Boyes hören wir als Sängerin und Gitarristin. Wenn dann noch Gary Clark Jr‘s. „Don‘t Owe You A Thang“ loslegt ist klar: Hier ist ein überraschend erwachsenes Debüt zu hören, das das Hörens wert ist. Iain Patience Jim Singleton – 8 O‘Clock In The A ernoon Ein absolut cooles Debüt mit zehn Stücken von dem aus Pensylvania stammenden Gitarristen Jim Singleton. Zu hören sind paar von seinen alten Freunden in Begleitrollen. Die Musik ist geprägt von einem tollen Gespür für Tempo und Abwechslung. Singleton versteht eindeutig, dass sich die Musik verändern muss, um die Aufmerksamkeit des Hörers zu halten. Und so verändert er ständig Tempo und Stimmung. Zum Start nach dem wunderbaren Lobgesang auf die Selbstdarstellung, Peter Greens „Rattlenake Shake“, rast er durch zwei Stücke des leider verstorbenen großartigen irischen Blueshound Rory Gallagher („What‘s Going On“, „A Million Miles Away“) des morderneren meisterlichen Komponisten Bernie Marsden hinzu („Place In My Heart“, „Here I Go Again“), der auch zuweilen als Begleitgitarrist und Backgroundsänger zu hören ist. Um die überraschende Qualität dieses Debüts noch zu unterstrei- diese zwölf Songs hervorragend. Melancholie und Groove, elegant polierte Jazz-Linien und Soulpop: Wenn Joel Sarakula loslegt, dann ist klar: Hier ist ein Songwriter und beeindruckender Sänger zu erleben, der sich in der Gegenwart nicht wirklich zu Hause fühlt. Seine Lieder perlen dahin und gehen ins Ohr. Denn er beherrscht sein Handwerk und ist in jeder Sekunde mit vollem Einsatz dabei, ob er den „Northen Soul“ abfeiert oder behauptet, alleine glücklich zu sein („Happy Alone“. Hier wird nirgendwo experimientiert oder halbfertige Melodien serviert: „The Imposter“ ist als Popalbum so perfekt, wie es nur irgendwie geht. Ob man davon begeistert ist, hängt vom persönlichen Musikgeschmack ab. Dieser Hochstapler, der seit Jahren in London lebt, ist wirklich überzeugend. Nathan Nörgel Joel Sarakula – The Imposter Angefangen hat der aus Australien stammende Joel Sarakula als Entertainer in Pianobars. Auf seinem aktuellen Album „The Imposter“ hört man eine unbändige Liebe zum Pop der 70er. Als „Betrüger“ oder „Hochstapler“ klaut er Einflüsse von Disco und Soul ebenso wie von Songwritern wie Elvis Costello und Beck. Und heraus kommt eine Musik, die man nicht nur in den 70er Jahren als Soundtrack für hochglanzpolierte Agentenfilme verwendet hätte. Auch als Untermalung des Sommers zwischen schwülen Nächten in düsteren Kellerbars oder heißen Mittagsstunden im Asphaltdschungel funktionieren Wasser-Prawda | September 2015 Jo Harman – Found A Place Wo geht es hin nach den phänomenalen Debüt „Dirt On My Tongue“? Dass diese Sängerin in ganz Europa zu den besten Sängerinnen zwischen Blues, Soul und Pop gehört, stellt sie jetzt mit der EP „Found A Place“ erneut unter Beweis. P L AT T E N Oh, diese Stimme! Mal kräftig und kantig, mal melancholisch, dann wieder so voller Emotionen, dass selbst hartgesottene Kritiker Schwierigkeiten haben, ihre Coolness zu bewahren: In ganz reduzierten Arrangements (vor allem mit dem tollen Piano von Mark Edwards) hat Jo Harman fünf Lieder eingespielt, die ihre Stimme in allen Nuancen immer in den Mittelpunkt setzen. Balladen wie der Titelsong bringen zum Piano noch ganz dezente Streicher hinzu, um die gleichzeitig starke und zerbrechlich wirkende Stimme zu kontrastieren. Ein Stück wie Cat Stevens‘ „Father and Son“ baut seine Spannung von Takt zu Takt fast unmerklich auf - vom resignativen Beginn bis hin zur Ermutigung des Endes. Und Michael McDonalds „I Can Let Go Now“ ist schlicht und einfach umwerfend und großartig. In der Luxus-Ausgabe dieser EP wird noch ein Livemitschnitt aus Brighton mitgeliefert: Acht Songs, neben Stücken der EP finden sich hier unter anderem noch Harmans Interpretationen von Dylans „Forever Young“ und eine großartige Fassung des Spirituals „Oh Freedom“. Und spätestens bei „Through The Night“ kann Harmans tolle Band dann auch so richtig Gas geben. Welchen Platz hat Jo Harman gefunden? Wo geht es jetzt musikalisch hin? Die engstirnigen Bluesfans werden die musikalische Vielseitigkeit von Jo Harman vielleicht nicht begrüßen. Für alle anderen ist klar: Ob Soul, Jazz, Pop oder Blues: Jo Harman singt all das mit einer Leidenschaft und Reife, dass man eigentlich alles von ihr voller Vorfreude erwarten kann. Raimund Nitzsche John Mayall – Find A Way To Care Andere denken ans Sterben und er macht ´ne neue CD - Find a Way to Care. John Mayall wird 82 dieses Jahr, aber beim Hören seiner neuen CD kann man davon nichts spüren. Der Blues ist sein Jungbrunnen. Gewohnt kraftvoll und mit seiner ganzen Erfahrung legt er eine CD-Veröffentlichung hin, die ein Bluesfan haben muss. Wenn man bedenkt, mit welchen bekannten Bluesmusikern John Mayall schon CD´s eingespielt hat, so scheint die Besetzung für diese CD eher bescheiden, aber nur von der Quantität her, nicht von der Qualität der Musiker. Rocky Athas (Gitarre), Greg Rzab (Bass) und Jay Davenport (Drums) und natürlich der Meister (Gesang, Piano, Harp, Organ, Gitarre), das ist die Besetzung, die wie man hört, eine hohe Qualität hat. Und das kommt auch nicht von ungefähr. Denn schließlich ist er mit dieser Band schon seit einigen Jahren beständig 49 auf Tour unterwegs. John Mayall spielt auf dieser CD neben eigenen Songs viele Bluesklassiker („Drifting Blues“), welche er neu arrangiert hat. Dabei wird ganz das Piano in den Mittelpunkt gestellt, das ist ein Markenzeichen dieser Scheibe. Nur hin und wieder greift Mayall auch zur Bluesharp oder zur Gitarre. Der Titel des Albums ist Programm, Blues kann für eine kranke Seele die genau passende Pflege sein, vielleicht gibt es ja diese Scheibe demnächst auf Rezept… Eigentlich möchte ich keinen Titel aus der homogenen Bluesmasse herausheben, tue es aber doch. „Long Distance Call“, der Titel liefert alles, was so ein Blues braucht. Dieser Klassiker von Muddy Waters wurde von John Mayall neu arrangiert und dabei wurden Muddy´s Gitarrenriffs auf das Piano transferiert. Mir gefällt das. Und als hätte ich es geahnt, fängt man an einen Titel hervorzuheben, kann man gar nicht mehr aufhören damit. Gleich der nächste Titel „I Want All My Money Back“ ist ein Super- Blues, etwas schneller vielleicht. Für einen Grammy wird es auch dieses Mal nicht reichen (da liegt für mich Buddy Guy vorne), aber dennoch eine sehr gute Bluesscheibe. Vielleicht bekommt John ja einen Grammy für sein Lebenswerk - verdient hätte er es. Matthias Schneider Wasser-Prawda | September 2015 50 P L AT T E N Keimzeit – Auf einem Esel ins All ich sie live erlebte, wie sie ihre alten Songs in einen Indierocksound pressten. Die Magie war fort und kam nicht wieder. Bis jetzt, als ich erstmals die neuen Lieder hörte: Schluss mit der Elektronik - dafür wieder verspielte Gitarren (die manchmal gar gehörig losrocken). Es ist im besten Sinne altmodischer Keimzeitsound: Rock mit ein wenig Blues, nicht ganz so verspielt wie früher, aber sofort identifizierbar. Und dann die Texte: Großmutter, die Zigaretten schnorrt, eine Welt, die insgesamt mehr oder weniger aus Bekloppten besteht, Sehnsucht nach dem Ausbruch in die Ferne und ein Deutschland zwischen wohlerzogenem Köter und wilder Bestie: Das sind Keimzeitlieder, die wieder sofort ins Ohr gehen und die man gerne bei Konzerten mitsingen möchte. Insgesamt ein höchst erfreuliches Lebenszeichen von einer Band, die endlich wieder bei sich angekommen scheint - und gleichzeitig eines der schönsten deutschsprachigen Alben des Jahres für mich. Raimund Nitzsche Manche Bands erfinden sich neu, andere besinnen sich danach aber an ihre ursprünglichen Stärken zurück. So auch Keimzeit, die personell über die Jahre fast komplett umbesetzte Band um die Brüder Leisegang. Mit ihrem im Frühjahr 2015 veröffentlichten Album „Auf einem Esel ins All“ kehren sie zurück zu Sound und Lyrik ihrer besten Jahre zwischen „Kapitel Elf“ und „Primeln & Elefanten“. Endlose Konzerte und Lieder mit Texten, die nur scheinbar kindlich naiv daherkamen aber eigentlich ein hochlyrisches Spiegelbild der Welt waren wurde Keimzeit schon vor der Wende zu einer der beliebtesten Livebands Deutschlands. Dank des Musikfernsehens schaffte die Band auch den Sprung über die verschwundene Grenze nach Westen. Doch irgendwann wollte man in die Zukunft aufbrechen. Plötzlich hatten Produzenten das Sagen und verordneten statt handgespielter Instrumente elektromagnetische Felder. Und Norbert Leisegangs Texte verloren die sympathische Naivität. Keimzeit waren für mich Geschichte. Besonders nachdem Michael Katon – Live At Wasser-Prawda | September 2015 Moulin Blues Wenn man gerade John Mayall rezensiert hat, muss man sich um 180 Grad drehen. Michael Katon wird ja nicht umsonst „The Booogieman from Hell“ genannt. Darum geht es hier, schnörkelloser, harter Bluesrock vom Feinsten. Hier gibt es auf die Ohren, da muss man aufpassen, dass die Seele keinen Schaden nimmt. Für zarte Gemüter muss man wohl einen Warnhinweis auf die Hülle drucken: Attention – Bluesrock from Hell! Lautstärkeregler auf und angehört! Wem so etwas gefällt, der wird es nicht bereuen. Starke Gitarrenriffs, raue Stimme und harte Rhythmen, so geht es die ganze CD. Die hier beschriebene CD „Live At Moulin Blues“ wurde schon am 03.05.2008 auf dem Moulin Blues Festival in Ospel aufgezeichnet. Schlagzeuger Johnny ‚ Bee ‚Badanjek, Bassist Sid Cox und natürlich Michael Katon mussten für diesen Killerrhytmus harte Arbeit abliefern, da es ziemlich heiß war an diesem Tag. Trotzdem kamen die Zuschauer in Scharen. „No More Whiskey“ möchte ich hervorheben, weil der Titel so richtig ins Blut geht,wie der Whiskey auch und nun noch dieser Entzug… Hier ein kurzer Auszug aus einem Interview mit Katon: Q: You’re voice is really raw, kind of a whisky drinker voice… Michael: Oh yeah, well, I used to drink a lot of whiskey (laughs). I used to smoke a lot too. Actually I liked my voice better when I smoked but I got bad asthma and this other stuff called phistoplasmosis [I’m no doctor but I P L AT T E N hope I got it right :-)]that you catch from animals. You can’t spread it to people because you catch it off animals. I used to catch birds and stuff and when I was like 10 years old I caught it and you never get rid of it for the rest of your life. It’s in you lungs and smoking is bad for that. As a matter of fact a doctor told me several years ago that I’m not supposed to have alcohol, cigarettes, caffeine, salt or any of that shit… Kurz zusammengefasst sagt Michael lachend, dass er für seine raue Stimme eine Menge Whiskey trinken musste und dass seine Stimme noch besser klang, als er rauchte. Da er aber an Asthma leidet riet ihm sein Arzt auf alles (Alkohol,Zigaretten, Koffein, Salz usw.) zu verzichten. Der Verzicht scheint gewirkt zu haben, denn wie man hören kann, hält er so ein Konzert locker durch. Zum Abschluss gibt es dann als Zugabe einen Boogie aus der Hitzehölle von Ospel. Das ist ein passender Abschluss für ein sehr gutes Konzert, das man nicht nur auf CD sondern auch in voller Länge und guter Qualität bei youtube finden kann. Matthias Schneider 51 & The Shados, bervor er dann auch noch eine toll an John Hurt erinnernde Gitarre und eine hammermäßige Version von Elizabeth Cottons „Freight Train“ einschiebt, die er mit umwerfender Sensibilität spielt. Für mich ist letztlich Disc 2 die bessere des Paares. Das liegt wahrscheinlich mehr an den etwas bluesigeren Untertönen und weniger an wirklichen Qualitätsunterschieden. Die meisten Stücke stammen aus Rab Noakes – I‘m Walkin‘ der Feder von Noakes, der von Here Ein wundervolles Doppelalbum Barbara Dickson und einer Menge von einem der echten „Schätze“ anderer schottischer Könner toll beSchottlands und unbesungenem gleitet wird. musikalischen Helden. Noakes Was bei diesem Album am meisten kann seine musikalische Herkunft heraus sticht, ist dass Noakes einzurückvervolgen in die stürmischen deutig Spaß hat. Es ist ein relaxtes 60er, in den 70ern war er Mitglied und schönes Album, das den Geist von Stealers Wheel neben dem mitt- der Rootsmusik wirklich einfängt lerweile verstorbenen Gerry Rafferty und von Zeit zu Zeit mit modernen (der von „Baker Street“ mit seinem Wendungen anreichert. Zu hören ist phänomenalen Saxophonsolo) ein Künstler auf dem Zenit seines und war oft gemeinsam mit Rod Könnens. Höchst empfehlenswert! Clemens von Lindisfarne auf der (Neon Records CD0017) Iain Patience Bühne und im Studio. Mit den Füßen fest in der akustischen Folktradition verwurzelt bewegt er sich ohne Anstrengung zwischen den Genres, ist dabei niemals hektisch und immer geschmackvoll. „I‘m Walkin‘ Here“ ist einfach eine weitere seine exzellent eingespielten Veröffentlichungen, voller Saft und Kraft. Bei 26 Stücken auf zwei CDs ist es schwer eine einzelne Nummer heraus zu heben. Überraschenderweise The Rosellys – The Granary covert Noakes alte Filmsongs wie Sessions „Buttons & Bows“, spielt „Bye Ein Album mit elf Songs von einer Bye Blackbird“ ebenso wie das alte jungen fünfköpfigen Band aus dem „Traveling Light“ von Cliff Richard Vereinigten Königreich, bei der Wasser-Prawda | September 2015 52 P L AT T E N die Stimmen von Rebecca Rosellys und ihrem Partner Simon Rosellys im Vordergrund stehen. Hinzu kommen zarte Pedal Steel und Resonatorgitarren von Allan Kelly „The Granary Sessions ist ein sanft klingendes modernes AmericanaAlbum aus England. Alle Titel wurden von der Band selbst geschrieben und spiegeln ihre Liebe zu den USA und deren starken Einflüssen wider. Titel wie „Maryland“, „Ashville 1784“, „Red, White & Blue“ sind ein eindeutiger Spiegel der Liebe zum Land, wo diese Musik noch immer Millionen beeinflusst. Es gibt hier einfach keinen treibenden abgebrühten modernen Country und keinen auf Hochglanz polierten Sound. Statt dessen ist das Album überraschend geschnmeidig, gefühlvoll und packend. The Rosellys ziehen ihre Inspiration zwar klar aus den modernen USA, spielen aber mit den Rhythmus und Stil der Klassiker aus Texas und den Appalachen. Denk hier einfach an weiche harmonische Rhythmen und Stimmen und du liegst nicht falsch. Wenn für mich ein Stück, herausragt, dann ist das Nummer zehn, „Rose Tinted Glasses“, ein Loblied auf das Finden und Verlieren der Liebe im charakteristischen und charaktervollen Stil des US-amerikanischen Country. Die Produktion ist top. Und die Band ist voller Talen und Geschmack, eine Besetzung mit einem sicheren Stand in der modernen Country-Szene. Schon jetzt wächst ihre Popularität in der Countryszene im UK und in Europa. Mit diesem Album wird sich die Band sicherlich auf zieht sich aber dem Redakteur. Der rote Faden des Albums bleibt der Blues, wie er in ihrer Familie gelebt und erlebt wurde. „Receipt to Sing the Blues“ erzählt wie es Vater und Mutter und auch ihren Mann erwischte. Ja, sie hat ihren Beitrag zum Blues einbezahlt und weiß, wie man den Blues singt. Mir gefallen immer Alben, die vielfältig sind. Chicago Blues, New Orleans Blues, Country Blues. Es ist alles da, wenn sie von „Another Kind of Blues“ singt und dabei aber die Tiefschläge des Beziehungslebens besingt. Mal begleiten Bläsersätze ihre Stimme, mal ist es die Bluesharp, die einen auf den tiefen Grund des Blues herunZakiya Hooker – In The Mood ter bringt. Mit „In The Mood“ zeigt Wer auf diesem Album die Nähe sie, dass sie als Gerichtsangestellte von Zakiya Hooker zu ihrem Vater in Rentenstand noch keine Ruhe John Lee Hooker sucht, liegt musi- gibt, um immer noch etwas mit und kalisch falsch. Mit „In The Mood“ um den Blues zu erleben. Auch die hat Zakiya Hooker ein eigenstän- Jazznummer „Drowning In Your diges Album mit elf größtenteils Love“ überrascht! Leise gespielt, mit selbst mitkomponierten Songs auf- Bläsern im Hintergrund, oktavengelegt. Eigenständig, weil es bis auf spielende Gitarre und immer wiedie Titeltextzeile keinen musikali- der Zakiyas zärtliche Stimme. Das Album ist brandneu, also geschen Bezug zu JLH gibt. Sie hat eine ganz eigene Stimme, die rade erschienen und derzeit nur phantastisch zwischen den Welten bei ihr auf der Webseite www.zader musikalischen Reise wandert. kiyahooker.com bestellbar oder als Die CD entstand nämlich teilweise Download bei cdbaby.com (http:// in Argentinien wie auch in den USA. www.cdbaby.com/m/cd/zakiyahooIhre sanfte warme Stimme erreicht ker2) zum käuflichen Laden. Mario Bollinger mit souligen Nummern wie „Let’s Do Something“ den Redakteur genauso wie die Folkbluesnummer „Hang on For Awhile“. Gerade diese Nummer entspricht ihrem Naturell, nämlich zu reden und zu erzählen, so wie wir von der Redaktion mehrmals erleben durften. Was dann in ihrer Küche so alles passiert, entein neues Level erheben. Und eine Promotour durch die USA ist bereits gebucht. (Clubhouse Records CRUK0032CD) Iain Patience Wasser-Prawda | September 2015 P L AT T E N 53 WIEDERHÖREN KLASSIKER, RARITÄTEN, WIEDERVERÖFFENTLICHUNGEN Grateful Dead – 30 Trips Around The Sun. The Defini ve Live Story 19651995 Ein unveröffentlichtes Live-Konzert pro Jahr: Mit 30 Trips Around The Sun haben Grateful Dead zum 50. Geburtstag eine ambitionierte Box veröffentlicht. Insgesamt 80 CDs mit einer Spielzeit von 73 Stunden umfasst das in limitierter Auflage veröffentlichte Projekt. Für Neugierige gibt es außerdem noch die Kurzfassung mit 30 Songs aus 30 Jahren auf 4 CDs. Grateful Dead waren eine der beliebtesten Live-Bands der Rockgeschichte. Ihre Auftritte waren immer beliebter als Grateful Dead 24,11.1978 (Foto: Bob Minkin) Studioaufnahmen. So ist der Branford Marsalis am Saxophon Versuch, die Geschichte der Band wird hier zelebriert, wie Jamrock an Hand ihrer Konzerte nachzu- für einen Deadhead sein sollte: zeichnen der wahrscheinlich sinn- Kaum ein Song kommt ohne elevollste Weg. Wobei man dabei al- gische Improvisationen einzelner lerdings nicht wirklich die umfas- Musiker oder der ganzen Band sende Megaedition des Live-Kanons aus. Ob Blues, Country, Folk oder braucht. Die mit einem lesenswer- Rock die Grundlage des Songs bilten Essay von Jesse Jarnow verse- den wird dabei fast nebensächlich. hene Einleitung reicht für Neulinge Immer wieder hebt die Band ab vollkommen aus. Hier kann man zu neuen Trips durch sphärische erleben, wie sich die Band im Laufe Räume. der Jahre nicht nur personell verän- Wer wissen will, was für die zahllodert hat, sondern wie stark sie sich sen Deadheads in der ganzen Welt musikalisch immer wieder neu er- die Faszination der Band ausmacht: funden hat. Von einer der ersten Hier bekommt er eine umfassende Sessions 1965 noch unter ande- Einführung. (Rhino/Warner) rem Namen bis hin zu Auftritten Raimund Nitzsche mit Bruce Hornsby am Piano und Wasser-Prawda | September 2015 54 P L AT T E N MEILENSTEINE BEST BLUES ALBUMS EVER. VON MATTHIAS SCHNEIDER In dieser Reihe werde ich Bluesalben vorstellen, die jeder Bluesfan kennen sollte. Es wird ja wieder Winter und man hat mehr Zeit Musik zu hören, aber warum immer neue Scheiben kaufen, die alten sind mitunter besser. M.S. John Lee Hooker & Canned Heat – Hooker n Heat Heute ist ein Album dran, dass einen der besten, schwarzen Bluesmusiker mit einer der besten weißen Bluesbands vereinigt hat. Man hätte es auch gut Black & White nennen können. Den Hörer erwarten spannende Duelle zwischen John Lee´s Gitarrenriffs und den Harpklängen von Al Wilson. Aufgenommen wurde Hooker n Heat 1971. Doch was macht dieses Album eigentlich so einzigartig? Zum einem: Das ist ein Album, das von John Lee Hooker dominiert wird. Er hat alle Songs geschrieben und prägt mit seinem einzigartigen Boogie die beiden Platten des Doppelalbums. Außerdem ist es das letzte Studioalbum, an dem Al Wilson (Canned Heat) mitgewirkt hat. Als das Albumcover entstand, weilte er schon nicht mehr unter den Lebenden. Und so er- scheint er auf der Plattenhülle nur auf einem Foto im Hintergrund des Gruppenbildes. Die erste CD liefert ausschließlich Delta Blues von John Lee Hooker, auf der zweiten CD jammt John Lee Hooker dann mit Canned Heat. Ich persönlich halte mehr von der zweiten CD dieses Albums. „Boogie Chillen No 2“, wer kennt diesen Titel nicht. Hier kommt die Wasser-Prawda | September 2015 Symbiose von John Lee Hookers harten Gitarrenriffs, seiner Stimme und der Harp von Al Wilson am besten zur Geltung. Weitere herausragende Titel der Session mit Canned Heat sind „Whiskey and Wimmen‘“, „I Got My Eyes on You“, „Just You And Me“ und „Let‘s Make It“. Ob man nur Fan von John Lee Hooker oder von Canned Heat ist: Hier gelingt P L AT T E N die Symbiose des Deltablues von Hooker mit dem Boogierock von Heat perfekt. „The World Today“ ist ein weiterer Titel, den man beachten sollte. Das Thema ist leider immer noch aktuell. Acht Minuten lang singt Hooker und wird von Alan Wilson auf dem Piano begleitet, statt Schlagzeug hören wir nur Hookers rhythmisches Stampfen. Er kündigt den als Sprechgesang gehaltenen, langsamen Song zunächst an: „It’s a slow-goin’ thing ... it’s about what happenin’ today, there will be happenin’ maybe four, five years from today ... all over the world. I want you listen to this.“ Das Lied ist vor dem Hintergrund der weltweiten 68-er Bewegung, eines bezüglich der Frage der Gleichbehandlung Weißer und Schwarzer gespaltenen Amerikas und, speziell das Aufnahmedatum betreffend, des Kent-State-Massakers zu verstehen, bei dem am 4. Mai 1970 vier gegen den Vietnamkrieg demonstrierende Studenten von Soldaten der amerikanischen Nationalgarde erschossen und neun weitere teilweise schwer verletzt wurden. Der zu diesem Zeitpunkt 52-jährige Hooker beklagt den Zustand einer von Konflikten zerrissenen Welt als „Alptraum“ und stellt sich auf die Seite einer Jugend, die aus den Fehlern der Generation ihrer Eltern lernen und sie ablösen werde. „Look at here now, you’ll find some of them old people. They’re not hip to the modern days. They want their kids to live like they live. But no, them days are gone. It’s a brand new world. […] The old folks, when they’re gone, […] it’ll be a better world to live in.“ Auch die erste CD enthält ein paar Titel , die ein Bluesfan kennen sollte. „You Talk Too Much“ und „Bottle Up And Go“ sollen hier als Beispiele reichen. CD 1 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Messin‘ With The Hook The Feelin‘ Is Gone Send Me Your Pillow Sittin‘ Here Thinkin‘ Meet Me In The Bottom Alimonia Blues Drifter You Talk Too Much 9. 10. Burning Hell Bottle Up And Go CD 2 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. The World Today I Got My Eyes On You Whiskey & Women Just You And Me Let‘s Make It Peavine Boogie Chillen No=2 55 Line up: • John Lee Hooker – guitar/ vocals • Al Wilson – harmonica, piano, guitar • Henry Vestine – lead guitar • Fito de la Parra – drums • Tony de la Barreda – bass Wasser-Prawda | September 2015 56 F E U I L LTO N ANTJE MA RSC H : NAT U R FOT OGR A F I E (MEHR DAZU: STROHWIRDGOLD.DE/) Wasser-Prawda | September 2015 F E U I L LTO N 57 Wasser-Prawda | September 2015 58 F E U I L LTO N Wasser-Prawda | September 2015 F E U I L LTO N 59 Wasser-Prawda | September 2015 60 F E U I L LTO N Wasser-Prawda | September 2015 F E U I L LTO N 61 Wasser-Prawda | September 2015 62 SPRACHRAUM AN NA S E G HER S U N D IH R GR UB E T S CH EINE ERZÄHLUNG VON CONSTANZE JOHN. AUS: BLAUE ZIMMER. TEXTE 1983-2014. FREIRAUM-VERLAG GREIFSWALD, 2015. 1 Über die Autorin Constanze John wurde 1959 in Leipzig geboren, wo sie heute als freiberufliche Schriftstellerin lebt und arbeitet. Sie studierte Germanistik, Geschichte und Pädagogik an der Universität Leipzig und absolvierte 1983–1986 ein Fernstudium am Literaturinstitut Leipzig. Seit 1993 engagiert sie sich im Bereich der literarischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, so u. a. in der Jugendliteraturwerkstatt Graz und in einer Schreibwerkstatt für Kinder am Literaturhaus Leipzig. 2008 war sie Gründungsvorsitzende des FriedrichBödecker-Kreises im Freistaat Sachsen e. V. Constanze John schreibt nah am Alltag, sie setzt an bei dem, was eigentlich jeder kennt, zuweilen aber unterschätzt und einfach übersieht. Ihr Erzählen ist höchst sensibel, voller überraschender Wendungen und es deutet nur an, wenn es um essentielle Fragen geht. „Blaue Zimmer“ versammelt Prosa und Lyrik aus den Jahren zwischen 1983 und 2014. Constanze John: Blaue Zimmer. Erscheinungsdatum: Oktober 2015 freiraum-verlag Greifswald 160 Seiten; Softcover; 14,8 x 21,0 cm ISBN: 978-3-943672-67-1 13,95 EUR (D) Wasser-Prawda | August 2015 Ein kurzes, dumpfes Signal kam aus der Tiefe unter ihrem Fenster. Wie aus der Tiefe eines Herzens. So soll sie es behauptet haben. Das Signal war so ganz anders als das Aufheulen einer Fabriksirene oder das Hupen eines Automobils. Es war das Signal eines Lastkahnes, der stromabwärts nach Holland fuhr. Ein Schwimmer kreuzte ihm den Weg, um den Rhein zu überqueren. Anna stellte sich auf die Zehenspitzen: So ein Schwimmer erschien ihr ungewöhnlich. Darüber ließ sie den Lastkahn bis nach Holland treiben, wo die Tage gelb und die Häuser klein und schneeweiß waren. Märchenhaft also, wie es Anna selbst gesehen hatte während einer Sommerreise gemeinsam mit den Eltern. Für den Schwimmer aber war schon das andere Rheinufer Holland genug. Als Kind stand Anna am Fenster, um auf den Fluss zu schauen, wie auch später, als sie das Elternhaus schon längst verlassen hatte. Da sie als Kind oft kränkelte, war es so. Sie konnte allem zuschauen und machte sich ihre Vorstellungen dazu. War das auch nur eine Vorstellung von ihr oder fuhr da eines Tages wirklich ein Floß unter ihrem Fenster dahin gleich einem Lastkahn? Auf dem Floß saß ein Mann. Neben ihm stand ein Holzkasten. Oder war das ein Käfig? Das Floß besaß ein Steuer. Aber der Mann, Anna nannte ihn jetzt bei sich den Grubetsch, ließ sich nur treiben. SPRACHRAUM 63 Er sah vor sich hin aufs Wasser, ohne das Steuer in die Grubetsch saß weder in einem Käfig noch waren ihm die Hand zu nehmen. Dabei schauten seine Augen so zufrie- Hände gebunden. Wenn er nur wieder an Land wäre, den drein, als könne er Holland schon sehen. würde er sich schon des Tags holen, was er brauchte; und des Nachts hatte er dann gute Träume. Manchmal Keiner wusste, wie Anna es geschafft hatte, auf das Floß ließ er sich von den Revolutionen erzählen, und vergaß zu steigen. Von ihrem sicheren Ausguck war sie abgestie- es gleich darauf wieder; allein mit seinem Vogel. gen, um das Steuer nun selbst in die Hand zu nehmen. Eines Tages verschenkte Grubetsch den Vogel. Oder wollte sie bloß diesem Grubetsch näher sein? 2 Und so zog es Anna fort von ihrer Mutter. Die Mutter Die Hofl aterne beleuchtete eine Pfütze im gerissenen winkte ihr noch nach, als sei das ihre Aufgabe. Sie hatte dunkles Haar und stand beim Winken sehr aufrecht auf Holzpflaster, einen weggeworfenen Pantoffel, einen der kleinen Veranda, und zwischen den Geranienkästen. Haufen verfaulter Äpfel … Auch von ihrem Vater zog es Anna fort. Vielleicht hätte sie noch warten sollen, um den Vater mitzunehmen? Aber er musste im Dom geblieben sein, oder bei einem der Nachbarn, oder inzwischen an irgendeiner Straßenecke stehen, oder an einem Tapetenladen, oder an einem Brunnen, um zu reden – über dies und über das. Anna sprach später immer vom Grubetsch, als wäre sie wirklich in seiner Nähe gewesen. So genau beschrieb sie das abgeschabte Leder seiner Schuhe. Schon die Vorstellung dieses Mannes rührte sie an. Und sie schrieb über ihn auch eine Geschichte auf. „Dich rühre ich nicht an“, ließ sie Grubetsch sagen, auf den Fluss hinaus. „Dich nicht, obwohl du auch nicht so gewöhnlich bist.“ „Und? Wie bin ich?“, wollte Anna wissen. Aber um sie ging es schon gar nicht mehr. Und noch während Anna mit dem Grubetsch den Rhein entlangfuhr, ging sie schon durch Städte, die hießen Mainz und Köln und Heidelberg. In einer dieser Städte beobachtete sie dann auch einen Mann, der über den Marktplatz geführt wurde. Seine Hände waren gebunden. Von ihrem Ausguck aus, damals, hatte sie nie einen Gefesselten gesehen. Wenn der Fluss nun selbst schon die Steuerung übernommen hatte? Vorn auf dem Floß saß also der Grubetsch; neben sich den Vogelkäfig, den Anna zuerst für einen Holzkasten gehalten hatte. Und im Käfig saß ein Vogel. Vielleicht war Grubetsch nur ein Gasstrumpf. So einer wie in der Laterne über Munks Kellertür. Vielleicht war Grubetsch selbst eine Grubenlampe in diesem Schacht von Hof. Vielleicht hängte Anna ihre Wäsche nur ins Fenster zum Trocknen, damit sie das Licht anlockte mit diesem Weißflatternden, Lebendigen. Denn wie lange wartete Anna nun schon auf ihr rotes, glühendes, leuchtendes Unglück? Anna lebte erst fünfzehn Jahre auf der Welt. Anna lebte auf einem Hof am Ende der Welt. Aber auf diesem Hof war noch Welt übergenug. Anna lebte mit ihrem Bruder Martin. Annas Bruder Martin lebte mit Marie. Und Marie hatte zur Anna gesagt, der Grubetsch sei wieder da, und es werde ein Unglück geben. Dann hatte Anna ihre Wäsche ins Fenster gehängt. Verlieh die Marie einen Korb, und holte die Anna den Korb zurück, und das kam vor, dann musste die Anna über den Hof gehen. Wenn die Anna aber über den Hof ging, dann durfte sie nicht mit den Hüften wiegen oder gar vor sich hin trällern, denn auf dem Hof lebten wilde Tiere und die langweilten sich und warteten nur darauf, jemanden wie sie zu entdecken … Grubetsch ging sein Leben lang nicht nur über einen Hof. Grubetsch kam und ging und kam dann wieder. Im späten Herbst kam Grubetsch wieder und ging über den Hof. Er fasste eines der kleinen wilden Tiere am Wasser-Prawda | August 2015 64 SPRACHRAUM Kinn und ließ es zu sich aufschauen: „He, du!“ Noch keiner hatte es je so angesehen. Noch keiner hatte es gefragt, ob es mit auf den Fluss hinaus wolle, des Sommers, auf einem Floß. Und hätte Grubetsch das Kinn des kleinen wilden Tieres nicht so festgehalten, dann hätte es nicken können. Von der anderen Seite des Flusses her kam Schlenker. Der holte sich die Mietgelder für diesen Schachthof. Aber selbst dann, als er die Mietgelder schon in der Tasche hatte, blieb er noch und suchte hier nach etwas, das sein altes schläfriges Herz klopfen ließ. Martins Herz klopfte. Martins Herz klopfte, wenn er zur Marie nach Hause kam. Früher einmal war Martin in die Stadt gegangen, um sein Glück zu suchen. Jetzt kam Martin nach Hause zurück. In der Stadt ging er seiner Arbeit nach. Grubetsch hatte weder Grund noch Boden, kein Dach und kein Fach, keine Frau und auch keine Familie. Dem Martin tat der Grubetsch leid. Und der Grubetsch dachte vom Martin: „Der gefällt dir.“ Bevor der Grubetsch nun wieder auf den Fluss ging, begann er diese Geschichte: „So nimm doch!“ „Was ist das?“ „Nimm doch, das ist für dich!“ „Für mich? Warum denn?“ „Nur so, so nimm doch! Der Vogel war immer bei mir. Was anderes hab ich nicht.“ Die Wäsche hing im Fenster zum Trocknen. Anna dachte: „Das soll mir gehören? Etwas Lebendes soll mir gehören!“ Und nun hatte sie also ihr Unglück: Der Vogel flog aus dem Käfig fort, und der Mann nahm sich eine andere Frau, weil er nicht ohne das sein konnte, was er brauchte. Schlenker ging wieder über den Hof. Jeden Monat holte er sich ja die Mieten. Schlenker hatte eine Angst: „Jemand sieht mich, ist hinter mir her.“ Wer sollte da hinter ihm her sein? Anna lag auf ihrem Bett vor lauter Unglück. Martin trank in Munks Keller vor lauter Unglück, und vor lauter Langeweile, und ganz ohne Marie. Denn der Wasser-Prawda | August 2015 Grubetsch hatte sich Martins Frau genommen und war mit ihr vom Hof gegangen. Aber noch im Sommer kam er zurück und nahm sich die Anna wieder: Etwas von ihrer Stirn, das musste er haben; und noch etwas in ihrem Leib. War denn Grubetsch eine Laterne? Was suchten sie alle bei ihm das Licht? Grubetsch sagten sie von ihrer Langeweile. Was aber rückten sie zusammen, wenn er wieder vom Hof ging, und sangen und tanzten? Als Grubetsch zurückkam, hörte er sie stampfen in Munks Keller. Die Harmonika spielte. Grubetsch roch endlich den Schweiß der anderen wieder und legte seine Hand auf irgendeine Hüfte. Grubetsch wurde müde in der Wärme des Kellers, und die anderen sahen, wie Grubetsch müde wurde und sich über den Tisch beugte. Also wurde auch Grubetsch müde. Eine Frau sagte: „Jetzt kann man ihn loswerden.“ Dass er sich auch alles genommen hatte, was er brauchte. So wurden sie ihn los. Alles andere ohne Grubetsch ging dann gewöhnlich: Sie sagten, er wäre schon wieder hinaus auf den Fluss gegangen. Und als im Winter immer noch jemand auf Grubetsch wartete, sagten sie, man bräuchte nun nicht mehr zu warten. Und alle nickten dazu. Nur die Anna schaut auf. Immer, wenn sie wieder ihre Wäsche ins Fenster hängt. SPRACHRAUM 65 DER UNTERGANG D ER CA R NATI C VON A.J. MORDTMANN. Kapitän Clifford, unser Kapitän, war mit seiner Jugendgeliebten Fanny, der er mit leidenschaftlicher Liebe zugetan war, seit zwei Jahren verheiratet, als er, von ihr begleitet, auf seinem damaligen Schiffe, der englischen Bark »Carnatic«, eine Reise von Rio de Janeiro nach Batavia antrat. Das Unglück wollte, daß das Schiff weit aus seinem eigentlichen Kurse nach Süden verschlagen wurde und dem Gürtel des antarktischen Treibeises näher kam als rätlich. Bald war die Carnatic von Eisbergen und Eisfeldern umgeben, die ihre Fahrt immer gefährlicher gestalteten. Anstatt sich aus dem Eise herauszuarbeiten, geriet sie durch den andauernd ungünstigen Wind immer tiefer hinein; nach einer kalten und stürmischen Nacht war sie zwischen Schollen von fast unabsehbarer Ausdehnung geraten, die sich zusammenpreßten und das Schiff hoben, so daß es, ohne im übrigen Schaden zu nehmen, festsaß; es war, da starker Frost eintrat, bald vollkommen eingefroren. Ein Bleiben auf dem Schiffe würde nur das Verderben der ganzen Mannschaft im Gefolge gehabt haben; der vom Kapitän zusammenberufene Schiffsrat entschied sich einstimmig für das Verlassen der Bark. Die beiden Boote wurden mit großer Anstrengung in offenes Wasser gebracht und mit Kompaß, Wasser und Mundvorräten versehen. Dann brach man auf. Das Boot, welches zuerst abfahren sollte, wurde unter den Befehl des Steuermanns gestellt; in ihm sollte die Frau des Kapitäns Aufnahme finden, weil es größer war und mehr Bequemlichkeiten bot als das andere, das der Kapitän in Person führen wollte. Als die Mannschaft des ersten Bootes fort war, schickte Kapitän Clifford die des zweiten nach und beeilte sich, nachdem er das Schiffsjournal an sich genommen und noch einmal im Raume nachgesehen hatte, ihnen zu folgen, weil von Süden her eine unheimliche weiße Wand heranrückte, einer jener Nebel, die in Polargegenden oft einfallen und so außerordentlich dicht sind, daß man tatsächlich auf drei Schritt Entfernung nichts mehr unterscheiden kann. Als der Kapitän sich über den Bug der Carnatic hinabließ, war es höchste Zeit, denn schon umhüllte ihn der Nebel; er war froh, als er in der undurchdringlichen, lichtlosen Luft sein Boot erreichte und die fünf Mann, die außer ihm die Besatzung ausmachten, beisammen fand. Das andere Boot war schon fort, aber niemand hatte es abfahren sehen. Man steuerte in dem dichten Nebel nordwärts, immer nach dem größeren Boot auslugend, aber man bekam es nicht wieder zu Gesicht. Den ganzen Tag und die ganze Nacht setzte man die düstere Fahrt fort. Als der Morgen graute, sprang ein heftiger Südost auf, der das Gute hatte, daß er den Nebel vertrieb. Gegen Mittag flaute der Wind ab; bald darauf schimmerte durch die einförmig graue Masse der erste Fetzen blauen Himmels, er dehnte sich immer weiter aus, und nach einer halben Stunde lagen heller Sonnenschein und heitere Himmelsbläue auf den unruhig wogenden und mit leichten Schaumspitzen gekrönten Meeresfluten. Vom Eise war weit und breit nichts mehr zu sehen, dagegen wurde ein anderer, erfreulicherer Anblick der Bootsmannschaft zu teil: in einer Entfernung von etwa zwei Seemeilen lag eine Brigg unter kleingemachten Segeln bei; sie mußten dort an Bord guten Ausguck halten, denn kaum war das Schiff in Sicht gekommen, als dieses auch schon Manöver einleitete, um sich ihnen Wasser-Prawda | August 2015 66 SPRACHRAUM zu nähern. Kapitän Clifford schloß daraus, daß die Brigg das erste größere Boot schon aufgenommen haben müsse und, von diesem benachrichtigt, nach dem zweiten ausgeschaut habe. Das erwies sich als richtig, denn der erste, der Clifford, als er hinaufgeklettert war, auf dem Verdeck entgegentrat, war sein Steuermann. Aber trotzdem erstarrte dem Kapitän beim Anblick seines Untergebenen das Blut in den Adern, und das Antlitz des Steuermanns war totenbleich, als er mit heiserer Stimme fragte: »Wo ist denn Ihre Frau, Kapitän? Haben Sie sie nicht bei sich?« »Ich! Meine Frau? Sie war doch in Ihrem Boot!« »Allmächtiger Gott – nein!« Die übrigen Matrosen drängten sich mit verworrenen Rufen um Steuermann und Kapitän. Denn die wunderliebliche Frau Fanny Clifford war für sie alle wie ein höheres Wesen gewesen. Man hatte sie das Glück der Carnatic genannt. Aus dem in abgebrochenen Sätzen gestammelten Bericht des Steuermanns kam rasch die niederschmetternde Wahrheit zutage: die Frau des Kapitäns, der allgemeine Liebling, war an Bord des im Eise eingeschlossenen Schiffes zurückgeblieben, allein, hilflos, einem sicheren Tode preisgegeben. Der Zusammenhang, so unerklärlich er anfangs schien, war doch im Grunde sehr klar und einfach. Frau Clifford war mit der Mannschaft des ersten Bootes bis an den Rand des Eises gegangen, wie sie aber abfahren wollten, bemerkte sie den heraufziehenden Nebel, und der erfahrenen Frau des Seemanns war alsbald klar, daß eine Trennung der Boote nicht nur möglich, sondern vollkommen gewiß sei. »Ich bleibe bei meinem Manne!« rief sie entschlossen und sprang wieder auf das Eis zurück. Allen erschien das so natürlich, daß niemand daran dachte, sie zurückzuhalten. Die Mannschaft des zweiten Bootes war noch nicht eingetroffen; die Frau winkte dem Steuermann zum Abschied zu und rief: »Ich gehe ihnen entgegen! Fahrt ab!« Das Boot stieß denn auch ab und war nach wenigen Sekunden bereits so von Nebel eingehüllt, daß sie das Eis und alles darauf Befindliche aus dem Gesicht verloren. Das war das Letzte, was man von ihr gesehen hatte. Sie mußte in dem dichten Nebel ihren Weg verfehlt haben Wasser-Prawda | August 2015 und in einiger Entfernung von dem Kapitän und seiner Mannschaft vorbeigekommen sein, ohne sie zu bemerken oder von ihnen bemerkt zu werden. Den Seelenzustand des unglücklichen Kapitäns kann man sich vorstellen; er war wie wahnsinnig und wollte über Bord springen und den tollen Versuch machen, das Eis schwimmend zu erreichen; nur mit Anwendung von Gewalt gelang es, ihn zurückzuhalten. Der Kapitän der Brigg war von diesem furchtbaren Verhängnis so ergriffen, daß er mehr tat, als er eigentlich seinen Reedern gegenüber verantworten konnte. Er wich von seinem Kurs ab und steuerte südwärts, bis man das Treibeis erreichte; hier kreuzte er zwei Tage, aber ohne Erfolg; die Carnatic wurde nicht gesehen, und der Brigg war es ohne große Gefahr unmöglich, bis zum festen Eise vorzudringen; sie mußte unverrichteter Sache ihren alten Kurs wieder aufnehmen. Die Verzweiflung Cliffords hatte einem stumpfen Dahinbrüten Platz gemacht. Erst als man sich Kapstadt näherte, trat in diesem Zustande eine Änderung ein; er wurde wieder etwas redseliger, seine umdüsterte Miene nahm einen ruhigen, sinnenden, man möchte sagen fernschauenden Ausdruck an; er hatte das Wesen eines Mannes, der sich zu einem unabänderlichen Entschlusse durchgerungen hat. In Kapstadt rüstete Clifford einen kleinen Schoner aus, mit dem er auf eigene Faust eine Aufsuchungsreise nach den antarktischen Gewässern unternahm; seine Frau, davon war er unerschütterlich überzeugt, lebte noch. Seine gesamte Mannschaft blieb ihm treu und begleitete ihn. Die Reise war erfolglos, obgleich sie allen Gefahren trotzten, um die mit schwimmendem Eise bedeckten Gewässer nach allen Richtungen zu durchforschen. Man kehrte erst um, als die Proviantvorräte vollständig aufgezehrt waren. Noch einmal wiederholte Clifford diesen Versuch – abermals vergebens. Dann waren seine Mittel erschöpft, und er mußte das in den Augen jedes Verständigen aussichtslose Unternehmen aufgeben. Wenn ich sage: jedes Verständigen, so sind darunter die Mannschaften Cliffords nicht mit einbegriffen. Er selbst ist ja unzurechnungsfähig und hat dafür eine vollwichtige Entschuldigung, aber es ist merkwürdig, seine fixe Idee hat auf eine so nüchterne und erfahrene SPRACHRAUM Schar von Leuten wie seine ehemaligen Offiziere und Mannschaften ansteckend gewirkt. Denn, um das hier zu erwähnen, die Leute, die jetzt auf meinem Schiff, der »Lady Godiva«, dienen, sind noch immer dieselben, die auf der Carnatic gewesen sind, und sie alle teilen den unverbrüchlichen Glauben ihres Kapitäns, daß sie eines Tages doch noch die Carnatic und Frau Fanny Clifford wiederfinden werden. Darum nehmen sie nur Dienst auf Schiffen, deren Dienst sie nach den südlichen Teilen des Atlantischen und des Indischen Ozeans führt. Sogar der Steuermann ist geblieben; er hätte längst selbst Kapitän sein können, aber er verläßt seinen alten Vorgesetzten nicht und macht dessen Torheiten mit. Der Steuermann hat mir diese ganze Geschichte erzählt, und sein fester Glaube an die Illusionen des Kapitäns rührt wohl daher, daß er ein Norweger und, wie viele seiner Landsleute, eine mystisch veranlagte Natur ist. Ole Johannesen hat einen ganzen Abend auf seiner Wache mit mir darüber gesprochen und meinen ursprünglichen Skeptizismus stark erschüttert. Die Carnatic war, als sie verlassen wurde, noch vollkommen dicht und seetüchtig. Man konnte daher, wenn sie in offenem Wasser trieb, darauf rechnen, daß sie trotz ihres Mangels an jeglicher Besatzung nicht gleich verunglücken würde. Sie war allerdings im Eise eingefroren und daher mancherlei Gefahren ausgesetzt, aber die sind nicht so schlimm, wie man glauben könnte. Das Eisfeld, auf das sie gehoben war, hatte eine große Ausdehnung, so daß ein Zusammenstoß mit Eisbergen eine sehr fernliegende Eventualität war. Vielmehr mußte diese eisige Umklammerung eher als eine Art Schutzwall dienen. Da sie nun bei den verschiedenen Expeditionen nicht aufgefunden worden ist, so ist die Annahme gerechtfertigt, daß sie mit seinem treibenden Eisfelde noch weiter südwärts in den Gürtel des festen Eises geraten und dort vollkommen eingefroren ist. Die letzten Winter sind ungewöhnlich streng, die Sommer kalt und unfreundlich gewesen; ein milderer Winter und ein früherer Sommer werden das feste Eis wegschmelzen und die Carnatic befreien; sie wird ins Wasser sinken und von den vorherrschenden Strömungen nordwärts getrieben werden. Gegen diese Ausführungen Johannesens hatte ich nicht viel einzuwenden. Ein Bedenken jedoch konnte ich 67 nicht unterdrücken. Ich fragte ihn: »Nach Ihren Mitteilungen ist der traurige Vorfall vor ungefähr drei Jahren passiert, nicht wahr?« »Genau drei Jahre und fünf Monate.« »Wie wird, angenommen, daß alles so verlief, wie Sie sich vorstellen, Frau Clifford sich während dieser langen Zeit ernähren?« Da kam ich aber schön an! Johannesen lachte gerade hinaus: »Wir hatten für unsere gesamte Mannschaft für ein Jahr Proviant an Bord; davon war höchstens ein Viertel verbraucht, mit dem Reste könnte ein starker Esser über zehn Jahre leben.« Ich schwieg. Wie ich schon vorhin bemerkte, die Zuversicht dieser wackeren Leute hat mich mit angesteckt. So unterdrückte ich meine Besorgnis, Fanny Clifford könnte der Kälte erlegen sein oder in einem Anfall leicht begreiflicher Verzweiflung Hand an sich selbst gelegt haben. Die Antwort würde lauten: »Das könnte sein, aber es müßte nicht sein.« Übermorgen fahren wir von hier weiter. Ich bin von derselben unvernünftigen und fieberhaften Spannung ergriffen wie meine Schiffsgenossen; es sollte mich nicht wundern, wenn eines schönen Morgens die Carnatic vor uns auftauchte, eine weiße Gestalt an der Brüstung stehend, die uns zuwinkte! ... Das Abenteuer des Kapitän Clifford hat ein so hochdramatisches Ende genommen, daß ich noch jetzt nicht ohne die tiefste Erschütterung daran denken kann. Bis in meine Träume hinein verfolgt mich das Erlebnis, und ich fahre in Schweiß gebadet und an allen Gliedern zitternd auf, wenn ich noch einmal sehe und höre, was ich dort sehen und hören mußte. – Die Eisverhältnisse waren dies Jahr besonders günstig, und man durfte darauf rechnen, daß wir dem Pol näher kommen würden, als sonst möglich war. Unter diesen Umständen wuchs die Spannung an Bord unserer Lady Godiva mit jeder Stunde, und als eines Mittags der Kapitän ankündigte, wir hätten heute den Breitengrad erreicht, unter dem damals die Carnatic eingefroren war, da ging es durch uns alle wie ein Erschauern. Noch segelten wir südwärts und diesen Kurs änderten wir erst am nächsten Tage, als wir an das feste Packeis Wasser-Prawda | August 2015 68 SPRACHRAUM kamen; dann wurde der Bug des Schiffes nach Osten gerichtet, und wir blieben, soweit es ohne Gefahr geschehen konnte, dicht an der Grenze des Eises. Nachts wurden die Segel beschlagen, und wir legten bei, damit wir nicht etwa in der Dunkelheit an der Carnatic vorbeifuhren. So waren wir drei Tage gesegelt und hatten dabei auch den Längengrad erreicht, unter dem die eingefrorene Carnatic lag. Wir fuhren unmittelbar über den Fleck hinweg, wo sie gelegen haben mußte, und obgleich die Sonne bei heiterer Luft hell schien und weit und breit keine Spur von einem Schiff zu sehen war, hatten wir doch alle ein Gefühl, wie man es haben mag, wenn man die Nähe eines Geistes ahnt. Wir warfen das Blei und hatten mit hundertzwanzig Faden Grund; der Talg am unteren Ende des Bleies brachte Kies und Sand herauf; hier lag kein versunkenes Schiff. Am nächsten Morgen winkte mir der Steuermann Ole Johannesen zu, um mir heimlich etwas mitzuteilen. Sein Gesicht war aschfahl. »Ich will‘s dem Alten nicht sagen,« flüsterte er mir zu, indem er auf den Kapitän zeigte, der mit einem Fernrohr den ganzen Horizont absuchte. »Aber Sie sollen es wissen, weil Sie von uns allen der ungläubigste sind. Merken Sie auf meine Worte, und denken Sie daran, wenn Sie wieder zweifeln wollen: heute nachmittag werden wir die Carnatic sichten.« Ich starrte den Mann mehr erschrocken als ungläubig an. »Ja, Sie werden es erleben,« fuhr Johannesen fort. »Ich bin heute nacht aufgewacht, und da habe ich es gesehen. Die Carnatic schwimmt noch, und in wenigen Stunden werden ihre Masten am Horizont auftauchen – dort im Nordosten – und dann ...« »Sie haben geträumt, Mensch,« sagte ich. »Das ist der Alp – da bildet man sich ein, daß man wacht, und in Wirklichkeit schläft man ...« »Na ja, wie Sie meinen,« erwiderte Johannesen gleichmütig. »Wir werden ja sehen. Passen Sie nur auf, wie‘s kommt. Ich habe deutlich den Namen Carnatic am Bug gesehen – so nahe war ich heran.« »Und die Frau des Kapitäns?« »Davon weiß ich nichts. Das Gesicht erlosch mit dem Augenblick, da wir das Boot aussetzten. Aber aus dem Nebel ist dann noch ein anderes Bild aufgestiegen ...« Er neigte sich zu mir und flüsterte mir etwas ins Ohr, Wasser-Prawda | August 2015 was mich bis an die Lippen erbleichen machte. Das Mittagessen ging sehr schweigsam vorüber; Clifford war von einer Unruhe erfaßt, als habe er ebenso wie Johannesen eine Ahnung, daß die Erfüllung seiner Wünsche unmittelbar bevorstehe. Kaum hatte er einige Löffel Hühnersuppe gegessen, als er aufstand und wieder auf das Verdeck eilte. Johannesen sah ihm gedankenvoll nach und nickte. »Wir haben noch eine Stunde Zeit«, sagte er. »Lassen Sie uns essen; wer weiß, ob wir nachher noch Appetit haben!« Trotzdem beeilten auch wir uns nach Möglichkeit und folgten dann dem Kapitän nach oben. Merkwürdig! Die gesamte Mannschaft war von demselben Fieber verzehrender Ungeduld ergriffen und stand vollzählig an Deck, vom Bug und über das Bollwerk hinweg nach Nordosten blickend. Vier Glasen zum Zeichen der abgelaufenen vollen Stunde schlug der Mann am Steuer an: es war ein Uhr nachmittags. Das Fieber meiner Erwartung war auf einen unerträglichen Grad gestiegen. Noch eine Viertelstunde verging, da ertönte vom Mastkorb herunter der Ruf: »Ship ahoy!« Ein Schiff in diesen Breiten! Es konnte kein anderes sein! Johannesen stand bei mir – stumm sahen wir beide uns an – jedem war der letzte Blutstropfen aus dem Gesichte gewichen. »Wo?« rief der Kapitän hinauf. Der Mann wies mit der Hand nach links und vorn, Clifford sprang ans Steuer und drehte selbst das Rad, bis der Bug des Schiffes gerade nach dem Himmelsstriche wies, wo unser Ausguck das Schiff gesichtet hatte. »So – stetig!« unterwies Clifford den Mann am Steuer. »Nord-Nord-West – 2 West ...« »Ay, ay,« erwiderte der Matrose. Der Kapitän nahm nun sein Fernrohr und stieg selbst in den Mastkorb hinauf. Fünf Minuten sah er unausgesetzt nach der Gegend, wo das fremde Schiff sichtbar war; dann schob er das Fernrohr zusammen und kam langsam herunter. »Es ist ein Dreimaster,« sagte er. »Und es ist – ich kenne ihn – es ist die Carnatic.« Und nun zuckte es plötzlich in seinem starren Gesicht, und die Tränen stürzten ihm aus den Augen; er nahm seine Mütze ab und hielt sie, wie betend, in den gefalteten SPRACHRAUM Händen vor das Gesicht. Von den Matrosen wischten sich einige mit dem Ärmel über die Augen, andere starrten unverwandt ins Weite – die Masten knarrten, der Wind pfiff im Tauwerk – sonst war es an Bord der Lady Godiva still wie in einer Kirche. Das Kielwasser schäumte und gurgelte hinter unserm Heck in schnurgerader Linie, nach einer Viertelstunde konnte man die drei Mastspitzen mit bloßem Auge erkennen – noch eine Viertelstunde weiter, und wir sahen, daß der Fremde segel- und steuerlos in der Dünung schlingerte. Das Boot wurde hergerichtet, um gleich zu Wasser gelassen zu werden, sobald wir dem verlassenen Schiffe so nahe gekommen sein würden, daß eine weitere Annäherung gefährlich wurde. Es war fast keine Überraschung mehr für uns, als wir nach Verlauf von anderthalb Stunden den vom Wetter hart mitgenommenen Rumpf so weit unterscheiden konnten, daß sein Zustand das jahrelange Verlassensein des Dreimasters zur Gewißheit machte. Nun drehte sich der Rumpf schwerfällig ein wenig, und der letzte Zweifel schwand: dort stand es in verblichenen goldenen Buchstaben: Carnatic. Ein Bild trostloser Öde und Melancholie war das unglückliche Schiff, dessen Planken von Farbe entblößt waren, dessen Segelbruchstücke in kurze Fetzen zerrissen an den Rahen hingen, dessen Taue und Wanten jene Lockerung aufwiesen, die dem Auge des sorgsamen Seemanns ein so widriger Anblick ist. Wir waren so nahe, daß wir das Knarren der Masten und das Knirschen der rostigen Ruderketten hören konnten. Das Boot wurde bemannt, Kapitän Clifford, Ole Johannesen, ich und sechs Matrosen stiegen ein, und wir ruderten nach dem Schiffe hin. Während der ganzen Fahrt wurde kein Wort gesprochen. Für einen Nichtseemann wäre es schwierig gewesen, auf das Verdeck des ziemlich hoch aus dem Wasser aufragenden Schiffes zu gelangen, da keine Treppe und kein Tau hinaushing; Johannesen aber und der Kapitän kletterten ohne große Mühe hinan, und der erstere half mir hinauf; als ich fröstelnd und aufgeregt vom Bollwerk auf das Deck sprang, war der Kapitän schon die Kajütentreppe hinuntergeeilt; wir folgten langsamer. 69 Zwei der Matrosen, die ebenfalls an Bord geklettert waren, begaben sich in den Raum und in das vorn gelegene Mannschaftslogis, um auch diese Örtlichkeiten zu durchsuchen. In der Kajüte fanden wir nichts, auch im Schlafzimmer des Kapitäns nichts; das Suchen der Matrosen blieb ebenfalls erfolglos; stundenlang setzten wir unsere Nachforschungen fort, und wir würden jetzt das Schiff wieder verlassen haben, wenn uns nicht ein eigentümlicher und unheimlicher Umstand zurückgehalten hatte. Die Luft in der Kajüte und im Mannschaftslogis war dick und muffig, wurde aber, da wir alle Türen und Luken öffneten, bald besser. Und nun merkten wir, daß ein beängstigendes Gefühl, das wir in der Kajüte nicht los werden konnten, nicht, wie wir anfänglich geglaubt hatten, der schlechten Beschaffenheit der Luft, sondern etwas anderm zuzuschreiben war. Während uns auf dem Verdeck und in allen übrigen Räumlichkeiten des Schiffes nichts auffiel, hatten wir in der Kajüte ein beklemmendes Gefühl, vor dem sich mir die Haare sträubten. »Wie ist Ihnen hier?« fragte mich Johannesen, und ich las in seinen Augen, welche Antwort er erwartete. »Wie Ihnen, Maat,« erwiderte ich. »Ich sehe niemand, aber ...« »Es ist außer uns noch jemand da,« vollendete Johannesen den Satz. Das war es, und wir merkten Clifford an, daß es ihm ebenso gehe wie uns. Darum ließen wir mit Suchen nicht nach und suchten an den unmöglichsten Stellen, auch an solchen, wo wir schon gesucht hatten, immer wieder. Die Sonne stand schon tief am Horizont, als wir endlich, voll müder Traurigkeit, unsere Bemühungen aufgaben. Der Kapitän bedeutete uns, daß er noch einmal in die Kajüte gehen wolle, um nachzusehen, was von dort zu bergen der Mühe wert sei. Wir wußten aber, daß dies nur ein Vorwand sei, und Clifford noch einmal allein und ungestört an dem Orte sein wollte, wo er so lange mit seinem Weibe glücklich gewesen war; wir achteten dies Gefühl und blieben oben an der Treppe stehen. Zwei Minuten mochten verstrichen sein, da hörten wir einen lauten Schrei und stürzten hinunter. Indem wir in die Kajüte eintraten, sahen wir deutlich, wie die Tür zu einer der Seitenkabinen zugeschoben wurde. Wasser-Prawda | August 2015 70 SPRACHRAUM Ein einfacher und doch grauenhafter Umstand! Denn außer uns und dem Kapitän war kein irdisches Wesen im Zimmer. Doch etwas anderes nahm unsere Aufmerksamkeit zunächst in Anspruch. Der Kapitän saß starr und regungslos auf dem Sofa. Er war tot. In der Hand hielt er einen Fetzen bunten Wollenzeuges, seine offenen Augen trugen den Ausdruck des Entzückens, sein Antlitz war wie zu einem freudigen Lächeln verzogen. Johannesen und ich drückten uns wortlos die Hand. Das war es, was wir gefürchtet hatten, seit wir Johannesens Vision kannten. Er hatte nämlich geschaut, wie man die Leiche des Kapitäns nach Seemannsart in das Meer versenkte. Doch waren damit die grauenhaften Umstände noch nicht erschöpft. Der Schrei, den wir oben gehört hatten, war ein weiblicher gewesen. Und in der Kabine, deren Tür vor unsern Augen zugeschoben worden war, fanden wir, als wir endlich den Mut faßten, einzutreten, eine zur Mumie eingetrocknete weibliche Leiche, die von Johannesen und den Matrosen als Frau Fanny Clifford erkannt wurde. Sie trug ein buntes wollenes Kleid, dem am Ärmel das abgerissene Stück fehlte, das wir in Cliffords Hand gefunden hatten. Noch eins darf ich nicht unerwähnt lassen; jene Kabine war von uns wie jeder andere Raum des Schiffes vorher genau durchsucht worden, ohne daß wir darin eine Spur von Frau Clifford gefunden hätten. Wir hatten nur den einen Gedanken, von dem unheimlichen Schiffe so rasch wie möglich fortzukommen. Wir ruderten nach der Lady Godiva zurück, und erst nach geraumer Zeit hatten wir uns so weit überwunden, daß wir noch einmal an Bord der Carnatic zurückkehrten, um den Verstorbenen ein christliches Begräbnis zuteil werden zu lassen. Wir holten die Leiche des Kapitäns zu uns an Bord und bahrten sie in der Nacht in der Kajüte auf, nachdem wir sie in Segeltuch eingenäht und eine eiserne Kugel an ihren Füßen befestigt hatten. Meine Anregung, auch die verstorbene Frau des Kapitäns in gleicher Weise für das Begräbnis vorzubereiten, war auf den hartnäckigen Widerstand der Seeleute gestoßen. Keiner wollte, um die Leiche zu holen, an Bord des verfluchten Schiffes zurückkehren. Alle meine Wasser-Prawda | August 2015 Vorstellungen und Bitten waren vergebens; ich nahm mir vor, diese am nächsten Morgen zu wiederholen, aber was in der Nacht geschah, war derartig, daß ich selbst um alle Schätze der Welt nicht auf die Carnatic zurückgekehrt wäre. Ich war nämlich, wie wir alle, lange wach geblieben; da, kurz vor dem Schlafengehen, wurde ich noch einmal von Johannesen auf das Deck hinaufgerufen, um etwas zu sehen, was die gesamte, auf dem Hinterdeck stehende Mannschaft mit Staunen und Grausen erfüllte. Die Carnatic trug die vorgeschriebenen Lichter, grün an Steuerbord und rot an Backbord, und die Kajütenfenster waren hell erleuchtet. – Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Und doch sollte auch mit diesem nächtlichen Spuk noch nicht die letzte Szene der furchtbaren Tragödie gekommen sein. Als wir die Leiche des Kapitäns über die Reling in ihr nasses Grab hinabgleiten ließen, erhob sich, unser stilles Gebet unterbrechend, plötzlich ein gemeinsamer Ruf aus allen Kehlen. Die Carnatic, die nur wenige Kabellängen von uns entfernt dahintrieb, krängte ohne ersichtliche Ursache stärker als bisher erst nach Backbord und darauf nach Steuerbord über und schoß dann jählings, mit dem Buge voran, in die Tiefe. Die Wellen liefen in wirbelnden Strudeln über der Stelle ihres Untergangs zusammen, der Schaum spritzte in die Luft, die Lady Godiva schwankte in den von dort herüberkommenden Wogenreihen, die ihren Weg weiter nach Süden fortsetzten, und dann war alles vorbei. Wir hatten gestern die Carnatic genau untersucht und wußten gewiß, daß sie nur sehr wenig Wasser im Rumpf und nirgends einen Leck hatte. Der Untergang des gespenstischen Schiffes war ebenso unerklärlich wie alles andere, was mit ihm zusammenhing. – – SPRACHRAUM 71 DIE VESTALINNEN Eine Reise um die Erde. Abenteuer zu Wasser und zu Lande. Erzählt nach eigenen Erlebnissen. Band 1. Von Robert KraŌ 29. YAMYHLAS RACHE Der ›Blitz‹ lag im Hafen von Bombay zwischen der ›Vesta‹ und dem ›Amor‹. Wie damals in Alexandrien hatten Ellen, wie auch Harrlington ihre Schiffe unter Aufsicht des Deutschen Ingenieurs zurückgelassen; da dieser aber mit vierzig von seinen Leuten selbst der Gesellschaft gefolgt war, um sie bei ihrer Expedition nach Indien zu begleiten, so hatte er seinen ersten Steuermann damit beauftragt, mit dem Rest der Mannschaft über die Schiffe, und besonders aber die zurückgebliebenen fünfzehn befreiten Mädchen zu wachen. Jetzt stand der Steuermann, ein kleiner, untersetzter Mann mit intelligentem Gesicht, welches den Deutschen verriet, an Deck des ›Blitz‹ und verhandelte mit einem fremden Seemann. Ersterer schien in großer Verlegenheit zu sein; denn er drehte unaufhörlich seinen Schnurrbart, schob nervös den Kautabak von einer Backe zur anderen und schritt dann wieder einige Male auf und ab. »Es ist so, wie ich Euch sage,« fing endlich der fremde Seemann wieder an, der den Steuermann spöttisch lächelnd betrachtete, »ich kann mir Euer Mißtrauen nicht erkären. Wenn es ein Telegramm wäre, so wäre Grund dazu vorhanden, aber ein Brief mit ihrer eigenen Unterschrift, müßte doch Euer Bedenken beseitigen.« »Aber warum giebt mir mein Kapitän nicht den Bescheid, daß ich die ›Vesta‹ mit Euch segeln lassen soll? Offen gestanden, ich mißtraue Euch.« »Hahaha,« lachte der andere. »Seid Ihr ein Hasenfuß! Ganz einfach, der Kapitän Hoffmamn ist nicht bei der Miß Petersen; wer weiß, wo er gerade steckt, und das Mädel bekam mit einem Male den Einfall, ihr Schiff nach Madras kommen zu lassen und sich von dort einzuschiffen. Wie gesagt, ich und meine Mannschaft haben gerade nichts zu thun, weil unser Schiff stark leckt und im Dock liegt. So kam nun Kapitänin Petersen zu mir, weil sie mir, dem Kapitän Green von der ›Eleanor‹ am meisten traute, und hieß mich mit meiner ganzen Mannschaft nach Bombay reisen, um die ›Vesta‹ nach Madras zu bringen. Ebenso wie Ihr, hat auch der Hafenbeamte den Befehl bekommen, die ›Vesta‹ unter meinem Kommando auslaufen zu lassen. Was giebt‘s da noch für Bedenken?« Adam Nagel, der erste Steuermann des >Blitz< holte einen Brief aus der Brusttasche, der vom vielen Auseinander und Zusammenfalten schon ganz zerknittert war. »Ja, es stimmt,« sagte er, nachdem er ihn wenigstens zum hundertsten Male gelesen hatte, »hier sagt Miß Petersen, die ›Vesta‹ soll unter dem Kommando von Kapitän Green und mit dessen Mannschaft nach Madras segeln, und Eure Papiere beweisen, daß Ihr wirklich der Kapitän Green von der ›Eleanor‹ seid. Auch Wasser-Prawda | August 2015 72 SPRACHRAUM schreibt sie, daß die Hafenbeamten davon benachrichtigt sind. Der Poststempel ist Madras, ihre Unterschrift kenne ich und sie ist die richtige, ich habe, weiß Gott, keinen Grund, Euch zu mißtrauen.« »Dann begebe ich mich an Bord der ›Vesta‹, meine Matrosen liegen am Quai, und ich steche sofort in die See. In zwei Stunden haben wir Flut.« »Stimmt,« entgegnete der Steuermann, »und ich sage Euch, in zwei Stunden sollt Ihr an Bord gehen dürfen, aber nicht eine Minute früher. Bis dahin werde ich von meinem Kapitän per Telegraph eine Antwort erlangen; ich weiß sein Hotel.« »Thut das,« entgegnete Kapitän Green, stieg in sein Boot und ließ sich ans Land rudern, um Vorbereitungen für seine Abreise treffen zu können. Adam Nagel schrieb einige Zeilen auf ein Blatt Papier. »Georg,« rief er dann durch eine Luke ins Zwischendeck hinab. »Schnell auf die nächste Poststation und dieses Telegramm abgeben, halte Dich aber nicht so lange wie gewöhnlich auf.« Damit händigte er der Ordonnanz das Papier ein. »Well, Steuermann,« sagte Georg, als er über die Bordwand ins Boot stieg, »hin komme ich schnell, rückwärts aber desto langsamer.« Der Steuermann schritt unruhig an Deck auf und ab und kaute an den Fingernägeln; es kam ihm zu sonderbar vor, daß ein fremder Kapitän mit der ›Vesta‹ nach Madras segeln sollte; ebensogut hätten diese Uebersiedelung doch einige Leute vom ›Blitz‹ besorgen können; denn nur zwölf Leute waren zu dieser kleinen Reise nötig, und so hätte er immer noch zehn Matrosen an Bord behalten. Aber Adam Nagel gab etwas auf das Aeußere von Personen, und dieser Kapitän hatte mit seinem kühnen, treuherzigen Gesicht einen guten Eindruck auf ihn gemacht, nur daß er die Haare über die Stirn bis in die Augen gekämmt hatte, gefiel ihm nicht. Uebrigens mußte ja bald ein Postbote mit der Antwort Kapitän Hoffmanns kommen, wenn nicht, so traf ihn trotzdem keine Schuld – es ging alles vorschriftsmäßig. Ehe noch der neugierige Georg, der sich immer, wenn er seinen Auftrag erledigt hatte, gern in der Stadt herumtrieb, an Bord zurückgekommen war, durchschnitt ein Postboot mit zwölf eingeborenen Ruderern wie ein Wasser-Prawda | August 2015 Pfeil die Wellen und legte zur Seite des ›Blitz‹ bei. Hinter ihm folgte langsamer das des fremden Kapitäns. »Steuermann Adam Nagel, Vollschiff ›Blitz‹«,« rief unten der Postbeamte. »Hier,« antwortete der Gerufene und nahm das Telegramm ab. »Das ging ja ungeheuer fi x, aber unmöglich ist es nicht, alles Schlag auf Schlag.« Er öffnete es und las. »Die ›Vesta‹ segelt unter Kapitän Green nach Madras. F. Hoffmann.« »Die Sache ist in Richtigkeit,« sagte er zu dem nun an Bord kommenden fremden Seemann. »Ihr könnt an Bord der ›Vesta‹ gehen und die Anker lichten.« »Sagte ich es nicht? Lebt wohl! In einer Stunde stechen wir in See.« Green begab sich wieder an‘s Land zurück, und Adam Nagel sah, wie er bald darauf mit fünfzehn Matrosen vom Lande abstieß und sich auf das Damenschiff begab. Die fremden Seeleute, anscheinend verschiedenen Nationen angehörend, trafen Vorbereitungen zur Abreise, ordneten die Takelage, schmierten die Ankerrollen, und eine Stunde später verließ die ›Vesta‹ den Hafen von Bombay, den Lootsen an Bord. Der nachblickende Steuermann sah noch, wie das Vollschiff unsicher hin- und herkreuzte, bis es das offene Fahrwasser erreichte, der Wind legte sich in die Segel, und bald war die weiße Leinwand seinen Augen entschwunden. »Georg!« rief wieder der Steuermann. »Georg ist noch nicht wieder zurück,« autwortete ihm der Bootsmann. »Was,« schrie Nagel, »nach zwei Stunden noch nicht wieder an Bord? Der Bursche übertreibt die Sache denn doch etwas, ich werde es einmal dem Kapitän erzählen!« Er schritt mit auf den Rücken gelegten Händen an Deck hin und her, manchmal nach der Uhr sehend. Seine Züge nahmen einen immer besorgteren Ausdruck an, wenn er auf die Frage nach Georg eine verneinende Antwort erhielt. »Rätselhaft,« brummte er vor sich hin, »Georg ist zwar ein Bursche, der sich gern alles ansieht, aber er braucht zu seinen Wegen nicht länger Zeit als ein anderer, weil er auf dem Hinwege rennt und erst auf dem Rückwege SPRACHRAUM gemütlich schlendert. Sollte ihm etwas zugestoßen sein? Weiß der Teufel, ich bekomme einen Verdacht gegen den Kapitän Green nicht aus dem Hirnkasten. Werde einmal selbst an Land gehen und nach Georg forschen.« Er ließ sich an Land rudern, nahm einen Wagen und fuhr nach der nächsten Poststation. Ein Telegramm jenes Inhalts, wie der Steuermann angab, war hier nicht aufgegeben worden — Nagels Gesicht zog sich in die Länge. Er wollte wieder gehen, doch er drehte wieder um und füllte ein Telegrammformular aus. »Kapitän Felix Hoffmann, Madras, Hotel France. Die ›Vesta‹ ist unter Kapitän Green nach Madras abgesegelt. Richtig? A. Nagel.« Dann gab er die Weisung, daß die Antwort hier liegen bleiben sollte, bis er sich selbst das Telegramm abholen würde, und fnhr nach dem Haupttelegraphenamt. Fast eine Stunde verging, ehe der Steuermann den ihn niederschmetternden Bescheid erhielt, daß in ganz Bombay kein Telegramm mit angegebenem Inhalte aufgegeben worden sei. Wie ein Verzweifelter langte er auf der ersten Station wieder an, wo bereits eine Antwort seiner wartete, und das Papier zitterte in seinen Händen, als er las: »Kreuzt die ›Vesta‹ noch vor dem Hafen, bringt sie zurück, ist sie außer Sicht, macht den ›Blitz‹ seebereit Komme sofort. Felix Hoffmann.« »Meine Ahnung,« stöhnte der Steuermann und stürzte nach dem Wagen. Der zum ersten Male so Hintergangene dachte vorläufig gar nicht an den verschwundenen Georg; er trieb den Kutscher zur höchsten Eile an. Ehe er sich über die Bordwand schwang, erfuhr er schon, daß Georg noch immer nicht zurück sei; aber das galt ihm jetzt gleich, erst mußte er den Auftrag des Kapitäns erfüllen. Hell schrillten die Töne seiner Pfeife durch das Schiff, wiederholt vom Bootsmann, und im Inneren des stählernen Baues begann ein Laufen und Arbeiten, daß die Masten bis in die Spitzen erzitterten. »Wie verhalten sich die Weiber?« fragte an Bord der ›Vesta‹ Kapitän Green einen vierschrötigen Kerl mit einer Galgenphysiognomie, der sich neben ihm über Bord lehnte und dem Spiel des Kielwassers zusah. »Sie glauben mir alles, nur die eine Schwarze ist mißtrauisch,« antwortete er, »die scheint überhaupt 73 ein Teufelsweib zu sein. Augen hat sie im Kopfe, wie glühende Kohlen, und merkwürdig, ich bin doch ein guter Schläger, aber mit der möchte ich nicht boxen, ich glaube, die kann einem die Knochen im Leibe zerschlagen.« Der Kapitän lächelte. »Hat jedenfalls auf einer Plantage schwere Arbeiten verrichten müssen.« »Fesselt sie lieber, Kapitän, ich traue ihr nicht. Viel ausrichten kann sie nicht, aber die ist so eine, die über Bord springt und dabei jemanden zur Gesellschaft mitnimmt.« »Unsinn, Jack. Wir wollen lieber möglichst harmlos die Sache erledigen. Sind sie erst an Bord der ›Seenixe‹ dann kann uns gleichgiltig sein, was weiter mit ihnen geschieht.« »Der Demetri hat immer wundervolle Namen für sein Schiff, erst ›Undine‹ und nun wieder ›Seenixe‹. Möchte wissen, welchen Namen er dann ausfindig macht. Wann will er Euch die Ladung abnehme?« »Weiß nicht, Jack,« antwortete der Kapitän zerstreut, denn er hatte die Takelage gemustert und gab jetzt ein Kommando, an dessen Ausführung sich alle Matrosen beteiligten, ausgenommen, der mit Jack Angeredete, der ruhig neben dem Kapitän stehen blieb. Als die Segel in Ordnung waren, sagte Green: »Demetri kreuzt in diesen Breiten, wir können ihn jede Stunde treffen.« »Was habt ihr für einen Vertrag mit ihm abgeschlossen?« fragte Jack, der mit dem Kapitän auf sehr vertraulichem Fuße zu stehen schien. »Ich behalte die ›Vesta‹, und er bekommt die Mädchen, ein sehr gutes Geschäft für mich. Ich hätte mich ja eigentlich nicht in seine Angelegenheiten mischen dürfen, da aber die Sache geglückt ist, so schadet es nichts. Demetri wird glücklich sein, wenn er seine Ladung hat; besser ist es, es fehlen nur drei Sklavinnen, als wenn sie alle weg wären. Den Schlag würde er nicht aushalten können; der Meister hat dafür gesorgt.« »Der Tausch ist nicht schlecht,« meinte Jack. »Habt Ihr die Einrichtung der ›Vesta‹ schon genauer angesehen? Sie ist pompös!« »Wertloser Plunder!« sagte der andere geringschätzend. »Das Schiff ist mir die Hauptsache. Als mein Wasser-Prawda | August 2015 74 SPRACHRAUM voriges wrack wurde, hätte ich nicht gedacht, daß ich hier ein solches bekommen würde.« Beide schwiegen einige Zeit. »Die Geschäfte gehen jetzt schlecht,« begann wieder der Kapitän. Jack stieß einen furchtbaren Fluch aus. »Nichts ist es mehr,« sagte er ingrimmig, »wohin man auch hört, überall wird eiem von Mißerfolgen erzählt. Dem Demetri werden die Sklavinnen abgenommen, und jene verfluchten Weiber, welche es gethan haben, eutziehen sich allen Schlingen des Seewolfs. Wenn der übrigens nicht schnell einen Handstreich ausführt, wird er seine Rolle bald ausgespielt haben. Mein Kollege Bill munkelte davon, daß bereits andere vom Meister auf die Mädchen gehetzt worden wären.« »Was macht denn dein Kollege? Kocht er noch immer seine schmackhaften Gerichte?« lachte der Kapitän. Jack fluchte wieder. »Dem ist ebensowenig wie mir jemals etwas mißglückt, das wißt Ihr auch, Green,« sagte er prahlerisch, »aber wenn wir keine Aufträge bekommen, können wir natürlich nichts machen. Nun fahre ich schon ein Vierteljahr mit Euch herum und habe uoch keine Gelegenheit gehabt, ein Schiff auf den Grund zu senken. Des Meisters Kasse muß gut gefüllt sein, daß er kein Versicherungsgeld braucht.« »Sagt, Jack, was wird mit dem Burschen gemacht, dem wir das Telegramm abnahmen?« »Weiß nicht, so ein indischer Großer hat ihn gleich mit Beschlag belegt, will wahrscheinlich von ihm etwas über den ›Blitz‹ erfahren. Seht da,« unterbrach sich der Sprecher, »ein Segel.« verschwanden im Zwischendeck. Die Brigg kam schnell näher und lag nach einer halben Stunde längsseit der ›Vesta‹. Wie erschraken die armen Mädchen, als sie, sich über die durch das Aneinanderstoßen entstandene Erschütterung ängstigend, an das Deck kamen und in das vor Freude strahlende Gesicht des Demetri blickDer Kapitän hatte während des Gesprächs nicht acht ten, der eben über die Bordwand sprang. »Habe ich Euch wieder, meine Täubchen?« frohlockte auf den Horizont gehabt. Das ankommende Schiff hatte sich soweit genähert, daß man seine Bauart mit den er. »Diesmal werde ich Euch besser behüten.« Ohne sich zu sträuben, begaben sich die Mädchen bloßen Augen erkennen konnte. an Bord des Schiffes, welches sie einst mit solchem »Endlich,« rief er, »die ›Seenixe‹!« »Dann rate ich Euch nochmals, bindet die Schwarze, Entzücken verlassen hatten. Ihre Hoffnung war dahin. Yamyhla wurde gebunden hinübergeschaff t. Mit fest sie macht Euch sonst Schwierigkeiten, wenn sie die zusammengepreßten Lippen schritt sie an dem Griechen Täuschung bemerkt.« »Ihr seid ja furchtbar ängstlich!« lachte Green. »Doch vorüber, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. »Wohin segelt Ihr, Demetri?« fragte Green diesen. ich werde Euren Rat befolgen.« Er gab einigen Matrosen Befehle, und diese »Nach Smyrna, wohin Ihr sie zuerst bringen solltet?« »Seid Ihr verrückt? Nachdem diese dummen Wasser-Prawda | August 2015 SPRACHRAUM Amerikanerinnen ihre That in der Welt ausposaunt haben? Nein, ich gehe nach einem Schlupfwinkel an der Ostküste Afrikas, in der Nähe von Mogador, und hole mir dort weitere Befehle vom Meister. Und Ihr?« »Wir segeln westwärts, nach Sumatra zu. Unterwegs müssen wir das Aussehen der ›Vesta‹ ändern. Nehmt Euch in acht, daß die Weiber Euch die Mädchen nicht wieder abjagen!« Sie sprachen noch einige Zeit zusammen, dann schlug jedes Schiff seinen Kurs ein. Die Gefühle der Mädchen lassen sich nicht beschreiben, als sie sich wieder in dem niedrigen Zwischendeck befanden, an demselben Platze, wo sie vor einigen Monaten gesessen hatten. Doch über jene Treppe war Ellen zu ihnen gekommen, wie ein Engel, und hatte ihnen die Freiheit verkündet, und nun – alles vorbei. Wie glücklich waren ihre drei Gefährtinnen, welche bereits in die Heimat zurückgebracht worden waren! Ach, wären sie doch damals lieber gleich verkauft worden, als daß sie sich so lange mit Hoffnungen und Zukunftsträumen herumgetragen hätten. Yamyhla war nicht bei ihnen. Sie war gebunden in eine enge Kabine gesperrt, denn Demetri war jetzt vorsichtig geworden und traute der wildblickenden Negerin nicht mehr. Der Grieche weidete sich an der Furcht der Mädchen und konnte es nicht unterlassen, dieselben zu verhöhnen. Leider gelang es ihm nicht, sie zu reizen, denn die armen Geschöpfe waren viel zu geängstigt, als daß sie seine beißenden Witze verstanden hätten. Er versprach sich besseren Erfolg bei Yamyhla und begab sich zu dieser, denn er hatte von Green erfahren, daß sie jetzt ziemlich gut Englisch spräche. Als er in die Kabine trat, lehnte die Negerin, die Hände auf den Rücken gebunden an der Wand der Koje und hatte den Blick zu Boden geheftet. »Nun, Schatz,« begann der Grieche, »ist es hier nicht viel schöner, als auf der ›Vesta‹? Hier brauchst du nicht zu arbeiten, sondern bekommst dein Essen umsonst. Was meinst du?« Die Negerin beachtete ihn nicht. »Nur nicht so stolz,« lächelte er, »wenn du erst die hundertste Frau eines Türken oder Persers bist, dann ist immer noch Zeit dazu, es zu werden. Was sagst du zu 75 meinem Vorschlag, willst du nicht so lange mein angetrautes Eheweib werden?« Yamyhla schwieg beharrlich. »Ihr Negerinnen seid doch sonst nicht so spröde,« fuhr er lachend fort und streckte die Hand aus, um sie am Kinn zu fassen, »Sieh mich doch einmal an, bin ich nicht ein ganz schmucker –« Er kam nicht weiter. Wie ein Raubtier sprang die Negerin auf den Griechen zu und grub ihre Zähne in seinen Hals. Der Grieche stürzte rücklings zu Boden und Yamyhla über ihn weg, ohne ihn loszulassen; er versuchte, nach dem Dolch zu greifen, aber das starke Weib lag so fest auf ihm, daß er sich nicht bewegen konnte. Mit blutunterlaufenen Augen – schon verging ihm der Atem – griff er nach dem Halse des furchtbaren Mädchens und würgte es, aber vergebens, es ließ nicht ab, die Zähne tiefer und tiefer in das Fleisch des Verhaßten zu graben. Fast schwand ihm die Besinnung, als einige Matrosen, durch den schweren Fall herbeigelockt, die Thür öffneten und ihren Kapitän von der Negerin überfallen sahen. Aber auch ihnen gelang es nicht, denselben den Zähnen der Wütenden zu entreißen, bis ein Schlag mit dem Pistolenkolben auf den Kopf sie bewußtlos machte. Als Yamyhla wieder zu sich kam, war es Abend. Sie lag an Deck an Händen und Füßen gefesselt, und Demetri stand vor ihr, den Hals mit Tüchern verbunden. Er hatte schon längst auf ihr Erwachen gewartet. »Das sollst du mir büßen, Kanaille,« schrie er mit vor Wut heiserer Stimme und trat sie mit Füßen. »Hast du endlich ausgeschlafen? Dann ist es Zeit, dich für dein Beißen zu belohnen. Habe ich drei Mädchen schon verloren, so kommt es auf eins mehr auch nicht an. An den Mast mit dir, ich selbst will dir die neunschwänzige Katze zu schmecken geben, bis dir das Fleisch vom Rücken fällt!« Yamyhla wurde emporgerissen und an einen Mast gebunden, das Gesicht diesem zugewandt, ihr Rücken entblößt, und dann begann Demetri, sein Rachewerk auszuüben. Pfeifend sausten die langen Lederriemen der Peitsche, auf Schiffen die geschwänzte Katze genannt, durch die Luft, klatschend fielen sie auf den nackten Rücken der Wasser-Prawda | August 2015 76 SPRACHRAUM Wasser-Prawda | August 2015 SPRACHRAUM Unglücklichen, und jeder der neun Riemen hinterließ stets einen blutigen Streifen. Nicht eher senkte Demetri den Arm, als bis die Ermüdung ihn dazu zwang, und da glich der Rücken der Schwarzen nur noch einer blutigen Masse. Es war eine Wohlthat für sie, daß ihr schon nach den ersten Hieben die Besinnung geschwunden war. Atemlos hielt der Grieche inne, er warf die Peitsche weg und ging, selbst von dem Blute der Gepeitschten über und über bespritzt, in seine Kajüte, um durch einige Gläser Wein seine Nerven zu beruhigen, Einer der Matrosen fühlte in seinem steinernen Herzen wenigstens so viel Erbarmen, daß er die Gemarterte aus ihrer stehenden Lage erlöste, er ließ sie aber mit gebundenen Händen und Füßen liegen, wohin sie fiel. Dann ging auch er in das Zwischendeck, um sich durch Kartenspiel mit seinen Kameraden die Zeit zu vertreiben. Yamyhla wußte nicht, wie lange sie so gelegen hatte; als sie erwachte, war es finstere Nacht. Sie wußte erst nicht, was mit ihr vorgegangen war, aber die heftigen Schmerzen riefen ihr nur zu bald alles ins Gedächtnis zurück. Sie war geschlagen worden, sie, die Anführerin der Dahomeamazonen. Ein brennender Durst quälte sie, der Schmerz der Wunden peinigte sie, aber das alles vermochte nicht, die Nerven dieses Mädchens zu erschüttern. Es war dies nicht das erste Mal, daß sie einen starken Blutverlust erleiden mußte, sie hatte schon öfter in Schwert- und Lanzenkämpfen mit Negern, mit denen sie fortwährend in Streit lagen, Wunden davongetragen, sie war einst schwach, hungrig und fast verdurstet, Tage und Nächte lang durch Wüsten gelaufen, bis ihr Dolch den Weg zum Herzen des Verräters gefunden, und so dachte sie auch jetzt nicht an ihre Leiden, sondern nur daran, wie sie Rache, die furchtbarste, entsetzlichste Rache üben könnte. Schon früher, ehe sie von den Vestalinnen befreit wurde, hatte sie sich mit dem Gedanken an Flucht beschäftigt. Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, zu jeder Zeit sich ihren Wächtern zu entziehen, aber sie hatte es stets hinausgeschoben, bis sie auch weiter fortkommen konnte. Sie hatte ja noch sechzehn Monate Zeit. Jetzt aber galt es zu handeln, denn Rache erleidet keinen 77 Aufschub – so war ihr gelehrt worden. Sie blickte sich um. Ein Matrose stand am Steuerrad, und ein anderer, welcher auf den etwa wechselnden Mond zu achten hatte, ging an Deck auf und ab – die übrigen lagen im Zwischendeck und schliefen. Sie lag neben einem Anker. Geräuschlos wandte sie sich so, daß sie mit den Händen die scharfe Kante desselben erreichen konnte, und fing an, daran die Stricke zu reiben. Jedesmal, wenn der Matrose an ihr vorüberkam, stellte sie ihre Arbeit ein und blieb wie tot liegen. Es dauerte nicht lange, so fielen die Stricke von ihren Händen. Als der rastlos Wandernde am weitesten von ihr entfernt war, zog sie aus den buschigen Haaren einen kleinen Dolch in einer Lederscheide und zerschnitt vorsichtig die Banden an den Füßen. Sie verfuhr dabei so behutsam und langsam, daß sie zweimal den Matrosen vorüberlassen mußte. Dieser ging zum dritten Mal an ihr vorbei und hatte eben das Häuschen, in welchem sich die Küche befand, die Kombüse, zwischen sich und dem am Ruder stehenden Matrosen, als sich eine Hand um seinen Hals legte und ihm ein Dolch in den Rücken gestoßen wurde. Lautlos fiel er, nein, wurde er zu Boden gelegt. Nicht das geringste Geräusch hatte verraten, daß hier eben ein kräftiger Mann seine Seele ausgehaucht hatte. Der Mann am Ruder stand arglos vor dem Kompaß und beobachtete die unruhig zitternde Magnetnadel. Er bemerkte nicht, wie sich gleich einer Schlange ein dunkler Körper an der Bordwand entlang wand. Kein Geräusch, kein Anstoßen warnte ihn. Eine halbe Minute später gab auch er seinen Geist auf, von Yamyhlas Dolch getroffen. Jetzt galt es, schnell zu handeln, denn gleich mußte das Schiff, dessen Ruder nicht mehr gehalten wurde, aus dem Wind drehen. Die Segel schlugen dann klatschend an die Raaen, das Schiff fing stark an zu schwanken, und so konnte leicht die übrige Mannschaft geweckt werden. Aber schon stand Yamyhla unten im Zwischendeck, wo die Matrosen schliefen, und hatte die Thür abgeschlossen, dann stieg sie wieder nach oben und verschloß auch noch die Luke – die Besatzung war gefangen, es kostete große Anstrengung, ehe sie sich befreien konnte. Wasser-Prawda | August 2015 78 SPRACHRAUM Nun schritt Yamyhla nach der Kajüte, leise öffnete sie die Thür, den Dolch in der Hand, trat sie in den Vorraum und dann in das Zimmer des Kapitäns. Er schlief auf dem Sopha. Sie näherte sich ihm behutsam, den Dolch zum Stiche erhoben, und tastete vorsichtig nach der Tasche, in welcher er den Schlüssel zu jener Luke hatte, durch welche man zu den Mädchen gelangte. Yamyhla fürchtete immer, er könnte aufwachen, denn dann mußte sie ihn töten, und nur ein einziger kleiner Stoß von dem vergifteten Dolch brachte sofort den unfehlbaren Tod. Es wäre schade gewesen, wenn er jetzt schon aufgewacht wäre. Als sie den Schlüssel hatte, ging sie zurück, beide Thüren hinter sich zuschmetternd und abschließend. »Kommt, Ihr seid frei!« flüsterte eine Stimme den Mädchen zu, welche zu träumen glaubten und der Aufforderung nicht Folge leisten wollten. Sie wurden mit Gewalt an Deck gedrängt. »Hört Ihr, wie Eure Peiniger gegen die Thür wüten? Schnell dieses Boot ins Wasser gelassen, dort dieses Wasserfaß und diesen Brotsack hineingethan.« So ordnete Yamyhla an und eilte zu den übrigen Booten, deren Taue sie durchschnitt, so daß sie klatschend ins Wasser fielen. »Schnell, in das Boot! Besser wir kommen in den Wellen um, als daß wir länger Sklavinnen sind. Ihr könnt doch nicht gegen die Männer kämpfen, und ich bin jetzt zu schwach dazu, um sie alle einzeln zu überwältigen. Schnell, ins Boot!« Die noch halb schlaftrunkenen Mädchen ließen das Boot ins Wasser und ergriffen auf Geheiß der Negerin die Riemen, während sie sich ans Steuer setzte, sie stießen ab. Glücklicherweise hatten die Mädchen wahrend ihres Aufenthaltes auf der ›Vesta‹ mehrere Male Gelegenheit gehabt, sich im Rudern zu üben, so daß die Handhabung der Riemen ihnen nicht so viel Schwierigkeiten bereitete. »Was wird aus den Matrosen?« fragte scheu eines der Mädchen, als sie sich etwa fünfzig Meter von dem Schiff entfernt hatten. Stumm deutete Yamyhla nach demselben. Sie blickten sich um und sahen, wie eben in der Mitte des Schiffes ein roter Schein sichtbar ward. Einige Wasser-Prawda | August 2015 Sekunden später schlug eine mächtige Feuersäule zum Himmel empor, das Meer im weiten Umkreis erleuchtend und jeden Gegenstand an Deck deutlich erkennen lassend. Da stürzten aus der aufgesprengten Luke die Matrosen, sprangen nach den Booten und fuhren entsetzt zurück – dieselben waren weg. Yamyhla lachte laut auf und winkte mit der Hand, aber die Zurückgebliebenen konnten die Flüchtlinge nicht mehr sehen. Plötzlich erschütterte ein furchtbarer Knall die Luft, eine Feuergarbe loderte zum Himmel – und Schiff und Mannschaft waren für immer verschwunden. SPRACHRAUM 79 DIE VESTALINNEN Eine Reise um die Erde. Abenteuer zu Wasser und zu Lande. Erzählt nach eigenen Erlebnissen. Band 1. Von Robert KraŌ 30. NEUE RÄTSEL Laut Fahrplan sollte der Passagierdampfer ›Medusa‹ Abends 8 Uhr 30 Minuten die Rhede von Madras verlassen. Aus den beiden Schornsteinen quollen dichte Rauchwolken, die Dampfpfeife heulte zu verschiedenen Malen, und die Mannschaft hielt sich an den Winden bereit, die Anker aus dem Grund zu reißen. Aergerlich stand der Kapitän auf der Kommandobrücke, in der Hand die Uhr, deren Zeiger die bestimmte Zeit überschritten hatten, er zögerte aber noch immer, das Zeichen zur Abfahrt zu geben. Von der ›Medusa‹ waren im letzten Augenblick zwei Matrosen desertiert, zuverlässige waren in dieser indischen Hafenstadt schwer wiederzubekommen, und ohne die festgesetzte Anzahl von Leuten, darf ein Passagierschiff nicht in See stechen, weil bei einem eventuellen Schiff bruch jedes Rettungsboot mit den notwendigen Matrosen als Ruderer besetzt werden muß. Da hatten sich endlich noch zwei englische Seeleute gefunden, welche gegen Versprechen einer guten Heuer zur Mitreise bereit waren, und der erste Steuermann war schnell mit ihnen nach dem Seemannsamt gegangen, um der gesetzlichen Form der Anmusterung zu genügen. Jetzt wartete der Kapitän nur noch auf die Rückkehr dieser zwei Leute und des Steuermannes, dann klingelte unter seiner Hand der elektrische Apparat, und unten im Maschinenraum ließ der diensthabende Ingenieur die Schraube sich umdrehen. An der Bordwand lehnten einige Damen und Herren, darunter auch Claus Uhlenhorst, der angebliche zweite Steuermann des ›Blitz‹ der sich mit der ganzen Gesellschaft per Schiff ebenfalls nach Bombay zurückbegeben wollte. Neben ihm stand Ellen, die sich bei diesem Seemann von Profession nach den Formalitäten erkundigte, welche bei einer Anmusterung notwendig sind. »Haben Sie Ihre Papiere vom Hafenmeister empfangen,« fuhr der Steuermann in seiner Erklärung fort – wie wir bereits wissen, war der Detektiv selbst lange Jahre zur See gefahren, »so gehen Sie sofort an Bord Ihres Schiffes, ankern aber vorher noch einmal in einer Bierstube, um auf gute Reise und guten Wind erst einige Gläser zu trinken.« »Aber doch nicht in diesem Falle, wo Hunderte von Passagieren auf Ihr Kommen warten,« sagte Ellen vorwurfsvoll. »Bedenken Sie, welch eine Verantwortung die Leute haben, wenn durch ihr Verschulden das Schiff sein Ziel zu spät erreicht. Durch die Verzögerung können Millionen in Geld verloren gehen, ein Vater kann seinem im Sterben liegenden Kinde vielleicht nicht mehr die Augen zudrücken.« »Matrosen haben immer Zeit, so lange sie an Land sind,« meinte der Detektiv trocken, »Dort kommt das Boot,« unterbrach ihn Ellen, »Ihre Behauptung ist diesmal doch nicht richtig gewesen.« Wasser-Prawda | August 2015 80 SPRACHRAUM Hinter einem anderen Schiff schoß ein Boot hervor, in dem die drei Erwarteten saßen, und lag im nächsten Augenblick an der ›Medusa‹, die Leute kletterten an Deck und hißten ihre Kleiderkisten nach. »Haben die Matrosen kein Glas auf eine glückliche Reise getrunken, so werde ich dies noch besorgen,« sagte Nick Sharp und stand schon auf der Bordwand, »ich kann nicht mit ansehen, daß Sie in Ihr Unglück rennen. Adieu Miß Petersen.« Damit sprang er in das Boot, welches schon wieder mit seinen Ruderern vom Schiff abstieß. Sprachlos schaute das Mädchen diesem seltsamen Benehmen zu, auch der Kapitän und die übrigen Passagiere an Deck wurden auf den Menschen aufmerksam, der seine Reise bereits bezahlt hatte und sie nun im letzten Moment aufgeben wollte. »Was thun Sie denn, Herr Uhlenhorst?« rief Ellen ihm zu, der schon den Ruderern die Weisung gab, ihn an Land zu bringen. »Ich habe Angst vor der Seekrankheit,« lachte der Detektiv zurück, »auf Wiedersehen, meine Damen und Herren! Bringen Sie mein Zeug einstweilen nach Bombay oder sonstwohin.« Die Ruderer legten sich in die Riemen, und das Boot Wasser-Prawda | August 2015 schoß dahin. »Einen solchen Narren habe ich noch nie gesehen,« brummte der Kapitän auf der Brücke. »Bezahlt die Reise, wartet bis das Schiff endlich abgeht und fährt dann an Land zurück.« Er gab das Signal zur Abfahrt. Die Anker rasselten in die Höhe, die Dampfpfeife gab drei schrille Pfiffe von sich, und hinten an Deck entstand durch die Schraube eine kräuselnde Bewegung im Wasser. Langsam setzte sich die ›Medusa‹ in Bewegung, dann, als sie aus den Schiffen heraus war, nahm sie eine schnellere Fahrt an, bis sie endlich draußen in offener See mit achtzehn Knoten Fahrt dem Süden zustrebte. »Wissen Sie, was dieses Benehmen des Steuermannes zu bedeuten hat?« fragte Ellen Lord Harrlington. Auch dieser konnte sich den Vorfall nicht erklären. »Ich weiß nur einen Grund,« meinte Williams lachend. »Jedenfalls hat Uhlenhorst seine klebrige Tabakspfeife im Hotel liegen lassen, und fühlt er diese nicht in der Tasche, so geht er nicht von einer Stube in die andere, um wieviel weniger unternimmt er ohne sie eine Seereife. A propos, Miß Petersen, in wieviel Tagen erreichen wir Bombay?« »In dreiundeinemhalben Tag, wenn wir gutes Wetter haben. Morgen Mittag kommen wir durch die Palkstraße zwischen Ceylon und dem Festland.« »Sie scheinen ja den ganzen Fahrplan im Kopf zu haben,« sagte Charles verwundert. »Das nicht,« lächelte Ellen, »aber die Karte.« »Warum fahren Sie eigentlich in einem Schiff nach Bombay und nicht mit der Eisenbahn? Sie hätten dadurch doch zwei Tage erspart.« »Allerdings, aber die Damen wollen einmal eine Seereise genießen, ohne dabei arbeiten zu müssen, und ich ging auf den Vorschlag ein.« »Und wohin reisen Sie von Bombay aus?« »Solche Fragen sind nicht erlaubt, Sir Williams, und Ihnen würde ich es am allerwenigsten sagen, denn wären Sie damals nicht auf die Raa gestiegen und hätten nach uns ausgespäht, so würden wir Vestalinnen unsere Wette bereits gewonnen haben.« »Ach,« seufzte Charles, »ich bin unglücklich darüber, daß ich diese Dummheit begangen habe, welche mir den Haß aller Damen zugezogen hat. Sehen Sie, ich brauche SPRACHRAUM Miß Thomson nur anzusehen, so dreht sie mir schon den Rücken. Hundertmal habe ich es heute schon probiert und hundertmal mit demselben Erfolg. Nie wieder werde ich einen so voreiligen Ruf ertönen lassen.« »Dann schreibt er es auf, daß die ›Vesta‹ in Sicht ist,« lächelte Miß Thomson. Ellen hatte richtig gerechnet. Als die Gesellschaft am anderen Morgen ihr Frühstück an Deck einnahm, erblickten sie bereits die nördlichste zu Ceylon gehörige Insel Timorathi, und einige Stunden später passierten sie die sogenannte Adamsbrücke, die eigentliche Wasserenge zwischen dem Festland und Ceylon, in welcher die zwei Telegraphenkabel liegen, die Insel und Festland verbinden. Nach kurzer Zeit hatte man das Land hinter sich, und dem Auge bot sich wieder nichts als das unendliche Meer dar. Ab und zu kam der ›Medusa‹ ein anderes Schiff entgegen, da sich aber jetzt das Fahrwasser wieder erweiterte, und da jedem Dampfer ein besonderer Kurs vorgeschrieben ist, so verringerte sich mit den Stunden die Zahl der Schiffe, bis man endlich lange Zeit weder Dampfer, noch Segel zu sehen bekam. Sir Williams besaß ausgezeichnete Augen, und er hielt sich etwas darauf zu gut, daß er stets früher als die anderen etwas genau erkennen konnte. Um diese Eigenschaft noch zu vervollkommnen, trug er immer ein kleines Fernrohr bei sich, mit welchem er jeden am Horizont auftauchenden Gegenstand musterte. So richtete er auch jetzt, als der auf dem Ausguck stehende Matrose den Ruf ›ein Schiff‹ erschallen ließ, sofort sein Fernrohr nach dem dunklen Punkt in der Ferne. Ellen stand mit Johanna, Miß Thomson und noch einigen anderen Damen auf dem Vorderteil und wartete, bis sie sich dem Schiff auf Sehweite genähert hatten, denn auf dem Meere erregt ein anderes Fahrzeug stets das größte Interesse. Plötzlich fühlte Miß Thomson, wie in ihre Hand ein Zettel gesteckt wurde. Hinter ihr stand Charles. »Bitte lesen Sie! Wenn ich es Ihnen sage, glauben Sie es mir doch nicht,« sagte er. »Ich darf übrigens auch gar nicht mehr sprechen.« Miß Thomson warf einen Blick auf das Blatt und 81 entgegnete dann etwas unwillig: »Ich dächte, es würde nun Zeit, daß Sie einmal Ihre Albernheiten ließen. Ich lasse mir gern Ihre Späße gefallen, weil sie gut gemeint sind; wenn Sie mich aber verspotten wollen, so hört unsere Freundschaft auf.« »Aber Miß Thomson,« sagte Charles mit kläglicher Stimme, »habe ich Ihnen denn schon einmal eine Unwahrheit gesagt? Kann ich etwas dafür, daß es wirklich wahr ist?« »Ich finde es sehr unpassend,« fuhr das Mädchen fort und war wirklich sehr ärgerlich, »oder vielmehr lächerlich, daß Sie mir mit solchen Späßen kommen. Was veranlaßt Sie denn zu der Behauptung, daß jenes Schiff dort die ›Vesta‹ ist? Glauben Sie etwa, ich fasse dies als einen Witz auf?« »Na, was wetten wir denn, daß es wirklich die ›Vesta‹ ist?« entgegnete Charles, Entrüstung heuchelnd. »Ich habe Ihnen schon einmal erklärt, wenn Sir Williams sagt, es ist die ›Vesta‹, dann ist sie es, wenn es auch ein anderes Schiff ist.« »Aus Ihnen werde ein anderer klug, ich kann es nicht!« Mit diesen Worten wandte sich das Mädchen ihren Gefährtinnen zu, die das fragliche Schiff betrachteten, von dem man schon mit bloßem Auge die Takelage erkennen konnte. Plötzlich faßte Johanna Ellens Arm und rief: »Ist es eine Täuschung oder nicht? Das kann nur die ›Vesta‹ sein!« Ellen lachte auf über diese sonderbare Vermutung, wurde aber mit einem Male wieder ernst. »Sonderbar, es sieht der ›Vesta‹ zum Verwechseln ähnlich, die zierliche Takelage, die weiße Farbe und doch, es ist unmöglich. Warum haben nur die Matrosen keine Segel gesetzt? Sollte das Schiff verlassen sein? Fast sieht es so aus.« Der Kapitän hatte ebenfalls bemerkt, daß mit diesem Segler, der bei günstigem Wind mit festaufgerollten Segeln dalag, etwas nicht richtig war, und nahm direkten Kurs darauf zu. »Bei Gott, es ist die ›Vesta‹!« rief jetzt Johanna, außer sich vor Staunen. »Ich erkenne sie nun deutlich.« Ellen wollte ihr dies ausreden, aber ein Blick durch das Fernrohr belehrte sie, daß kein Zweifel mehr möglich war. Wasser-Prawda | August 2015 82 SPRACHRAUM Jenes Schiff dort, welches ohne Mannschaft, die Segel festgebunden und wahrscheinlich auch das Steuerrad, weil es nicht schwankte, als ein Spiel der Wellen umhertrieb, neunhundert Meilen von Bombay entfernt, war die ›Vesta‹. »Meine Damen,« sagte Ellen, »wir wollen jetzt alles Staunen beiseite lassen. Es ist kein Zweifel mehr, daß dies die ›Vesta‹ ist, die uns hier auf irgend eine rätselhafte Weise entgegentreibt, und unsere Mädchen sind nicht darauf. Jetzt begebe ich mich zum Kapitän und legitimiere mich als Kapitänin dieses Schiffes, und wir können wieder auf die Suche nach den Sklavinnen gehen.« Sie ging auf die Kommandobrücke. »Mir bleibt der Verstand stehen,« sagte Miß Thomson zu Charles. »Das macht nichts,« war die Antwort, »aber jammerschade ist es, daß Sie uns nun verlassen wollen; ich gucke immer aus, ob der ›Amor‹ nicht auch so freundlich ist, uns entgegenzukommen, aber der Kerl hat keine Lust. Sehen Sie nun ein, Miß Thomson, welch‘ niederträchtiges Unrecht Sie mir angethan haben, als Sie mich einen Lügner, Heuchler, Unverschämten u. s. w. genannt haben?« »Ich sehe ein, verzeihen Sie mir! Aber woher in aller Welt wußten Sie gleich, daß es die ›Vesta‹ war?« »Das ist mein Geheimnis. Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag, Miß Thomson. Lassen Sie die anderen Damen allein weiterfahren; hängen Sie diese Weltreise an den Nagel und begeben Sie sich unter meiner sicheren Führung wieder in kultivierte Länder, wo man nicht von Schlangen gebissen und von Tigern gefressen wird.« Gespannt hingen seine Augen an den Lippen des Mädchens. Es schwieg einige Minuten lang. Dann gab es ihm die Hand und sagte herzlich: »Nein, Sir Williams, noch nicht. Machen wir erst diese Reise zusammen.« »Nein? Dann lassen –« Charles verschluckte eine sehr beliebte Redensart. »Was wollten Sie sagen?« fragte das Mädchen lächelnd, denn es wußte sehr wohl, was er unterdrückte. »Dann lassen Sie es sich recht gut gehen und sich nicht wieder von Schlangen beißen.« Wasser-Prawda | August 2015 Die ›Medusa‹ lag neben dem Vollschiff, ein kurzer Abschied noch, und die Damen waren auf ihrem Schiff. Zehn Minuten später konnten die weiterfahrenden Passagiere sehen, wie sich auf der ›Vesta‹ die weißen Segel entfalteten, wie sich das Schiff auf die Seite legte und zu kreuzen begann. Die Herren blickten sich an und fanden lange keine Worte. »Weinen hilft hier nichts,« unterbrach Charles endlich das Schweigen, »sie sind eben futsch, und wenn uns der ›Amor‹ nicht entgegenkommen will, so müssen wir ihn uns selbst holen.« »Giebt es denn nur gar keine Erklärung?« rief Lord Harrlington. »Das Schiff kann doch nicht allein hierhergefahren sein.« Niemand fand eine Antwort. »Und wie sollen wir die ›Vesta‹ wiederfinden? Ehe wir nach Bombay kommen, vergehen noch zwei Tage, und wer weiß, wo sie sich dann schon befindet,« jammerte man. »Unsere Reise ist zu Ende.« »Nein,« entgegnete Harrlington, »dafür ist gesorgt. Wir werden die ›Vesta‹ wiederfinden.« Als die Vestalinnen an Bord ihres Schiffes waren, überzeugten sie sich sofort, daß die fünfzehn Mädchen verschwunden waren. Ellen eilte durch die Kajüten, durch die Kammern und Räume, sie sah in jede Kabine; nirgends war ein Mensch zu entdecken. Und doch schien es ihr, als ob fremde Hände in ihren Papieren gewühlt hätten. Einige Gegenstände lagen nicht mehr so wie damals, als sie in Bombay das Schiff verlassen hatten, aber es fehlte nichts. Aus ihrer Arbeitsstube eilte sie auf die Kommandobrücke und begab sich in das Kartenhäuschen. Da plötzlich entdeckte sie etwas, was eine Auflösung dieses Rätsels bringen konnte: mitten auf dem Tisch lag ein Couvert, adressiert an Miß Petersen, Kapitänin der ›Vesta‹. Hastig riß sie den Umschlag auf, ein schmaler Pergamentstreifen fiel ihr entgegen, auf welchem nichts weiter stand als: 76° 44‘ 32“ ö. L., 7° 12‘ 57“ s. B. das hieß, 76 Grad 44 Minuten 32 Sekunden östlicher Länge; 7 Grad 12 Minuten 57 Sekunden südlicher Breite. SPRACHRAUM »Seltsam,« murmelte Ellen, »eine ähnliche Aufforderung, einen bestimmten Kurs zu nehmen, wollten damals die englischen Herren von dem Geisterschiff bekommen haben, als wir uns im Boot befanden. Ist dieses gespenstische Schiff, von dessen Vorhandensein ich mich mit eigenen Augen überzeugt habe, auch hier im Spiele? Ich wollte es den Herren fast nicht glauben, nun bekomme auch ich einen solchen Befehl.« Sie suchte die bezeichnete Stelle auf der Karte nach, dort lagen die Lakkadive-Inseln, und gerade da, wo sich die angegebenen Längen- und Breitengrade schnitten, ein winziges Inselchen. Sie waren bewohnt, aber nicht alle, das wußte Ellen. Gerade die bezeichnete war felsig und öde. Die Vestalinnen wurden zusammenberufen, und es wurde beschlossen, sofort dorthin zu segeln. Eine Ahnung sagte allen, daß sie dort die vermißten Mädchen wiederfinden würden. Die Entfernung von der Stelle, wo sie sich gerade befanden, bis nach der Inselgruppe, betrug etwa vierhundert Seemeilen, und da sie günstigen Wind hatten, so konnten sie diese in einundeinenhalben Tag zurücklegen. Unverzüglich wurden dazu Anstalten getroffen. Am Morgen des zweiten Tages kam die erste jener Inseln in Sicht. Ellen nahm die Sonne auf und fand, daß die ›Vesta‹ bereits dicht in der Nähe der vorgeschriebenen Stelle war. »Die Insel ist zu sehen,« rief eine Vestalin von der Raa herab, »aber nichts von unseren Schützlingen.« Es war ein sehr felsiges Eiland, durch frühere Erdbeben entstanden, bergig und zerrissen, sodaß sich die etwaigen Bewohner leicht den Augen der Mädchen entziehen konnten. Als die ›Vesta‹ um einen Vorsprung herumsegelte, rief wieder die Obenstehende herab: »Sie sind dort. Sie haben die ›Vesta‹ gesehen und winken uns.« »Dann werden wir hoffentlich bald eine Lösung dieses Rätsels erwarten können.« Ellen suchte einen guten Platz, ließ die Anker fallen und stieg selbst mit in das Boot, welches die Mädchen nun zum zweiten Male auf die ›Vesta‹ bringen sollte. Sie fanden alle beisammen, unversehrt, aber die 83 meisten vor Angst erschöpft. Yamyhla schilderte nun, was sich zugetragen hatte, und das Erstaunen der Vestalinnen wuchs von Minute zu Minute. Hätten sie nicht selbst ein Wunder erlebt, so würden sie die Erzählung der Mädchen für ein Märchen gehalten haben. Sie erfuhren, wie Kapitän Green von Madras gekommen sei, um auf Befehl Ellens die ›Vesta‹ nach Madras zu bringen; wie er die Befreiten dem griechischen Mädchenhändler ausgeliefert habe, die Züchtigung Yamyhlas, wie sich diese gerächt, und schließlich, wie die Mädchen auf diese Insel gekommen waren. »Als die Explosion der Pulvervorräte das Schiff vernichtet hatte,« erzählte die Negerin, »fuhren wir ziellos in die dunkle Nacht hinein. Wir wußten nicht, wo wir waren, wir wußten nicht einmal, nach welcher Himmelsrichtung wir fuhren; aber dennoch waren wir alle froh, jenem schurkischen Demetri abermals entkommen zu sein. Lieber wollten wir in den Meereswogen umkommen, als daß wir zum zweiten Mal auf den Sklavenmarkt geschleppt würden. Ueberdies hatten wir genügend Wasser mit, verstanden uns einigermaßen aufs Rudern, und so konnten wir hoffen, von einem Schiff gesehen und aufgenommen zu werden, wenn auch nicht gleich am ersten Tage. »Es war eine ruhige, warme Nacht, aber gegen Morgen fiel ein dichter Nebel, daß wir uns bald selbst nicht einmal mehr im Boote sehen konnten. Mir waren kühlende Umschläge auf meine Wunden gemacht worden; ich lag in unruhigem Schlummer, während die Mädchen abwechselnd langsam ruderten, als ich plötzlich geweckt wurde. Der Nebel war so dick geworden, daß ich die Hand nicht mehr vor den Augen sehen konnte, obgleich, meiner Berechnung nach, der Morgen bereits angebrochen sein mußte. »Die Mädchen klagten mir, daß sie nicht rudern könnten, die Riemen würden ihnen förmlich aus der Hand gerissen, und wollten von mir Rat haben. Ich selbst versuchte zu rudern, aber auch ich konnte es nicht. Der Riemen wurde sofort zur Seite geschlagen. Jetzt tauchte ich meine Hand ins Wasser und fand, daß wir mit ungeheurer Schnelligkeit von einem Strom fortgerissen wurden, vielleicht schon stundenlang fortgerissen worden waren, ohne es bis jetzt bemerkt zu haben. Dies Wasser-Prawda | August 2015 84 SPRACHRAUM verschlimmerte unsere Lage jedoch nicht, und so warteten wir geduldig, bis wir aus dem Strom herauskommen würden und der Nebel wiche. »Dann hörten wir, wie der Kiel des Bootes mehrere Male aufscheuerte; den Mädchen wurde es angst, aber ich freute mich darüber, denn jedenfalls trieb uns der Strom an eine Küste. Land konnte ich nicht entdecken, denn noch immer umgab uns ein undurchdringlicher Nebel. Da plötzlich bekam das Boot einen Ruck, daß wir fast von den Ruderbänken geschleudert wurden, und es blieb stehen, es war irgendwo aufgelaufen. »Wir warteten, bis sich der Nebel verzogen hatte. Als es hell wurde, befanden wir uns hier in dieser Bucht, nur wenige Schritte vom Lande entfernt. Das Boot selbst hatte ein Leck bekommen, aber wir merkten es nicht, denn es saß vollkommen fest, und erst bei Ebbe, als es sich auf die Seite legte, wurden wir das gewahr. Wir wateten ans Land, das zwar eine unbewohnte, felsige Insel war; aber zum Glück fanden wir dort eine Kiste mit Büchsenfleisch und ein Faß mit Trinkwasser, die hier angespült worden sein mögen, sodaß wir wohl für einen Monat mit Nahrung versorgt gewesen wären. Das Boot war unbrauchbar, die nächste, sichtbare Insel schien eine eben solche wie unsere zu sein, und so bestand unsere einzige Aufgabe darin, nach einem Schiff auszuspähen, was wir auch thaten. Zwei Nächte haben wir hier geschlafen, das erste Mal im Freien, weil schönes Wetter war, das zweite Mal, als es regnete, in einer Höhle. Die ganze Insel ist mit solchen durchzogen. Vor einer Stunde sahen wir die ersten Segel, und wunderbarerweise waren es gerade die der ›Vesta‹, wir winkten mit Tüchern, ihr bemerktet es, und so habt ihr uns abermals dem Leben wiedergegeben.« Die Damen sahen sich groß an. »Ist dies nicht fast ebenso gewesen, wie damals bei uns, als wir im Boot waren?« sagte Jessy zu Ellen. Diese ging kopfschüttelnd dahin, wo die Kiste mit dem präservierten Fleisch und das Wasserfaß lagen. Nirgends war ein Schiffszeichen oder eine Fabrikmarke zu entdecken. »Wäre die Kiste angespült,« dachte sie, »so müßte das Holz beschädigt sein, aber davon ist nichts zu bemerken. Sie ist ganz neu, ebenso wie das Wasserfaß. Was hat das Geisterschiff hiermit zu thun? Wußte es den Aufenthalt Wasser-Prawda | August 2015 der Mädchen? Warum hat es sie nicht selbst an Bord genommen? Oder halt, könnte es das Boot nicht hierher gelenkt, die Mädchen mit Nahrungsmitteln versehen und uns dann benachrichtigt haben, wo wir sie finden würden? Aber wiederum, wo sind jene Männer, wahrscheinlich auch Sklavenhändler oder etwas Ähnliches, welche die ›Vesta‹ besetzt hatten? Es sind noch viele Rätsel zu lösen.« ENGLISH 85 BOB M C C AR TH Y: A SAT I S F I E D M I N D BY IAIN PATIENCE Bob McCarthy is a sadly lesserknown treat for lovers of good, solid soulful blues picking. His near-fifty year career has seen him climb from the sixties coffeehouses of New York‘s Greenwich Village - a breeding ground that spawned many top names including Bob Dylan, Tom Paxton and Dave Van Ronk, and which offered the young McCarthy an open musical door and bags of confidence-building experience - to opening shows and sharing the stage with the likes of Jorma Kaukonen, Bonnie Raitt, Neil Young, Nanci Griffith, Taj Mahal, The Beach Boys, Linda Rondstadt and countless others; in short, a true who‘s who of modern US acoustic-roots music. Now based in the beautiful, leafy backwoods of New Hampshire, McCarthy can still be found picking guitar around the East Coast and giving his time and talent generously to numerous deserving local causes. His recording credits span many years with his two most recent offerings, Wasser-Prawda | August 2015 86 ENGLISH ‚Sudden Light‘ and ‚Where I Live‘, both leaning towards a deft, light jazz touch, soaked in soul and steeped in the tradition of the old blues masters. McCarthy‘s guitar fretwork is always tasteful and gripping, guaranteeing a pleasant earful for listeners and fans of good old-fashioned quality music. And he is as comfortable picking a Mandolin as a guitar, which he also does with positive zing and class. Often accompanied by his longtime buddy James Montgomery, one of the USA‘s finest blues-harp players, he always remains close to his roots with blues tracks spilling out and providing the background music to an eventful and satisfied life in the busy, oft over-crowded professional music lanes of the USA. For many years McCarthy was the guitar-man with one of Ireland‘s greatest traditional music exports and experts, the late Tommy Makem, an excellent five-string Banjo player with a distinctive line in Aran Knit Sweaters and an encyclopeadic knowledge of and immersion in Irish traditional music. And although he too, with Irish blood in his veins, loves the Irish traditional genre, he confirms he is most at home with blues music, his first love and now a lifelong passion: ‚I am a working musician with emphasis on work. I remember reading where Robert Johnson sang Irish songs during St. Patricks day because he was working and it is hard to make a living as a musician. I liked traveling with Tommy Makem very much and he treated me well. I like playing the Blues with James Montgomery and love playing Jazz too and love playing the electric guitar because I like paying my mortgage and supporting my family. Not very romantic but true. I played a duet once with Larry Coryell, played guitar on hit LP record on Columbia (CBS) with pop rock artist Andy Pratt and toured with the Columbia (CBS) group Appaloosa both signed by Clive Davis; also love playing with Black Gospel singer Lillian Buckley. It has been an interesting career but it is what it is. I play mostly acoustic blues and ragtime these days, solo or with James Montgomery or with my friend Tom Logan and Reed Butler who played bass with Paul Rishell and Annie Raines. I don‘t use a pick but a thumb pick sometimes. I play in the Merle Travis, Chet Atkins and Piedmont finger style of Mississippi John Hurt and Rev Gary Davis. I have performed with Paul Geremia and I love to play slide on my Blue National. I have been doing this for 50 years. Pop Staples gave me the idea about singing in nursing homes and hospitals and I do that as well. I bring my dog Beau on those gigs. Roy Bookbinder came to visit me once here in this house in NH. I wasn‘t home, so he rented a boat and went fishing till I got home and then we walked down the rail road tracks near my Wasser-Prawda | August 2015 house and talked about life and music, we have known each other for many years.‘ In many ways, Bob McCarthy‘s personal philosophy might be found in the title of what is, perhaps, his finest album, ‚Satisfied Mind‘. Released a few years ago back in 2006, ‚Satisfied Mind‘ includes great takes on ‚Pallet On The Floor‘; When The Lord Gets Ready‘; Deep River Blues‘, ‚Trouble In Mind‘ and a raft of other blues standards plus his own fine composition, ‚No Score In Baltimore‘, a track that harks back and echoes the spirit of the acoustic sets of the sixties and guys like Jackson Browne picking for nickels and dimes in Village bars. McCarthy has just released a new seven track disc, ‚Trouble In Mind‘ on his own Wandra recording label, a vignette in many ways of his music, with four tracks featuring Montgomery on Harp, taken from the earlier ‚Satisfied Mind‘ album and the remaining three tracks being instrumentals with a notably light jazz feel, culled from another, earlier release, ‚Star Of The Sea.‘ Anyone yet to catch this guy and his music might take a hint of his ability and quality from Jorma Kaukonen‘s thoughts about him: ‚If there were any justice in the world, you‘d be a well-known BIG DOG!‘ ENGLISH 87 Reviews Top Of The World‘ moves the disc onto McCarthy‘s three instrumentals, all self-written, and echoing slide-work with pace and some light jazzy chording at times. This is an album of positively top-quality acoustic blues from a sure-fired and surefooted master. Highly recommended without doubt. (Wandra Music) Iain Patience Bob McCarthy – Trouble In Mind A wonderful seven track disc from one of the USA‘s sadly lesser-known acoustic guitar pickers and singer/ songwriters. McCarthy has sure paid his dues as a pro-musician for many decades, gigging and working with countless major figures including Jorma Kaukonen, Pentangle, Tom Paxton, Roy Book Binder and many more. ‚Trouble In Mind‘ is a release featuring his strong fretwork and vocals with some top-notch Harpwork from James Montgomery on the opening four tracks which all originally figured on McCarthy‘s superb blues release of a few years ago, ‚Satisfied Mind‘ - one of my own personal favourite albums and one I never tire of. The remaining three tracks are instrumentals from his later equally excellent album ‚Star Of The Sea‘. The title track gives way to Fred McDowell‘s ‚You Gotta Move‘, slips into WC Handy‘s old ‚Atlanta Blues‘ before a delicious take on ‚Sittin‘ On The Grahams – Glory Bound This is one of those albums that initially grab you by its cover; an intriguing, beguiling backdrop of old, rusting American railstock virtually guaranteed to demand the interest of any lover of country music and Americana. And the title, ‚Glory Bound‘, of course, speaks volumes about the so-called American Dream where and when riding the rails was, sadly perhaps, an essential aspect of aspirational change in a country beleagured by social and racial rifts and chasms. A theme that therefore still resonates for many today. All twelve tracks are self-written together with band buddy, Bryan McCann, and indeed reflect The Grahams‘ - a duo comprising husband and wife team Alyssa and Doug Graham - interest and belief that there has long been a near unique bond between US country music/Americana and the nation‘s rolling stock and railroads. Certainly, lauded, ageless tracks like Steve Goodman‘s ‚City of New Orleans‘ and George Hamilton‘s northern cousin ‚Canadian Pacific‘ appear to lend this thinking some support. And that‘s without even looking back historically to Woody Guthrie or Cisco Houston‘s inspired contributions. ‚Glory Bound‘ is the duo‘s second full album release and is paired with the release of a documentary charting the role of music and the railways in the USA, ‚Rattle The Hocks‘, a film that chronicles The Grahams‘ own personal musical journey and travel by steel rail across the country. Byron Berline - ex-Bill Monroe, Flying Burriots, Dillard & Clark and Stephen Stills - guests, lending his sheer-class, country-rooted fiddle-work to the mix. This is mighty fine modern cowboy, ride those rails music, strong on evocative lyricism and driving, pistonpushing instrumental ability. As the opening track says: ‚Sometimes I need to put the hammer down, this heart may bleed but it still gets me around, these engines whine when the pistons pound, this train is glory bound.‘ Iain Patience Wasser-Prawda | August 2015 88 ENGLISH in some wonderful John Hurt-style fretwork plus a cracking version of Elizabeth Cotton‘s ‚Freight Train‘, here played with sumptuous sensitivity and style. For me, at least, Disc 2 is the better of the pair, though that‘s probably because of its slightly more bluesy undertones rather than any genuine qualitative difference. Most of the material is written by Noakes who is amply supported by Barbara Dickson and a host of other Scottish worthies. What comes across most evidently with this release is that Noakes seems to be genuinely enjoying Rab Noakes – I‘m Walkin‘ himself; a relaxed, beautiful album Here A wonderful double album from that truly captures the spirit of roots one of Scotland‘s true treasures and music with a modern twist at times unsung musical heroes. Noakes and an artist at the very top of his traces his musical pedigree way form. Highly recommended. (Neon back into the heady sixties and as Records CD0017) Iain Patience a member of Stealers Wheel in the seventies worked alongside the late Gerry Rafferty (Baker Street, with that fabulous Sax solo) and frequently recorded and played with Rod Clements of Lindisfarne. With his feet firmly rooted in the acoustic folk-roots tradition, he moves effortlessly between genres, never rushing but always tastefully slip-sliding along. ‚I‘m Walkin‘ Here‘ is simply another of his excellently crafted releases, full of pith and purpose. With 26 tracks to choose from over The Rosellys – The Granary two discs it‘s hard to single out any Sessions one number. Noakes covers unex- An eleven-track release from a pected old movie standards like young, five-piece UK band fronted ‚Buttons & Bows‘, moves through by quality vocals from Rebecca ‚Bye, Bye Blackbird‘ and Cliff Rosellys and her partner Simon and the Shadows‘ old chestnut Rosellys, with tasteful, tender pedal‚Travelling Light‘ then also squeezes steel and resonator work from Allan the mix and the overall result is a surprisingly mature debut release positively worth catching. Iain Patience Jim Singleton –8 O‘Clock In The A ernoon A genuinely cool ten-track debut from PA-based guitarist Jim Singleton featuring some of his old buddies in support roles and a mighty fine grasp of purpose, pace and variety. Singleton clearly understands the need to move the music along while also retaining a listener‘s interest by steadily varying both tempo and pitch. Kicking off with the wonderful peaen to self-indulgence, Peter Green‘s ‚Rattlesnake Shake‘, he rips through two tracks by the late, great Irish blueshound Rory Gallaher - ‚What‘s Going On‘; ‚A Million Miles Away‘ - and includes a couple of titles from modern master craftsman Bernie Marsden, (Place In My Heart‘ & ‚Here I Go Again‘) who also guests with backing guitar and vocals on the album. To give a feel for the surprising quality on this first-release, howling Harp is provided by Grammywinner and simply superb soulsearcher, Charlie Musselwhite while Australia‘s Fiona Boyes provides vocals and fine fretwork along the way. Include Gary Clark Jnr‘s thumping ‚Don‘t Owe You A Thang‘ to Wasser-Prawda | August 2015 ENGLISH 89 Kelly, The Granary Sessions is an album of sweet-sounding modern Americana from England. All titles are written by the band and reflect their love of the USA and its strong influence, positive pull on them and their music. Titles such as ‚Maryland‘; ‚Ashville 1784‘; ‚Red, White & Blue‘ all clearly mirror the band‘s love of the country where this music still holds sway with millions. In truth, there‘s nothing here that is driving, hard-nosed modern country or slick-backed sound, but the overall style and feel of this offering is surprisingly sinuous, sensitive and captivating. The Rosellys clearly draw their inspiration from the music of modern USA but with classic Texan and Appalachian rhythm and swell. Think soft harmonic rhythms and vocals here and you won‘t be far wrong. If there is a stand-out track, for me, it goes to number ten, ‚Rose Tinted Glasses‘, a paen to discovery, love and loss in the characterful and characteristic US country style. Production is top-dollar and this is a band full of taste and talent, an outfit with a firm grip and grasp of the modern country scene. Already gaining in popularity in the UK and Europe country music world, this release is surely likely to propel the Rosellys to another level with a planned promotional/support tour of the USA already booked and on the cards. (Clubhouse Records GRUK0032CD) Iain Patience Wasser-Prawda | August 2015
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