2/ 2015 Diskussionsbeiträge aus der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften ISSN 2198-2015 Hendrik Kunz1 Portfolio-Analyse Ein funktionsbasierter Ansatz aus der Unternehmenspraxis Zusammenfassung Die Portfolio-Analyse ist in der Unternehmenspraxis ein weit verbreitetes Instrument der strategischen Planung. Sie kombiniert eine Unternehmensund eine Umweltanalyse und liefert Empfehlungen für die strategische Entwicklung einzelner Geschäftsfelder. Basierend auf der wohl bekanntesten Portfolio-Analyse der Boston Consulting Group, auch als BCG-Matrix bekannt, haben sich in Theorie und Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze entwickelt. In diesem Diskussionsbeitrag wird die Portfolio-Analyse eines deutschen Handelsunternehmens vorgestellt und diskutiert. Im Gegensatz zu vielen traditionellen Portfolioansätzen ist bei diesem Ansatz die unternehmensindividuelle Definition von Geschäftsbereichsfunktionen der Ausgangpunkt der Analyse. Erst im zweiten Schritt wird die Frage der Allokation der Geschäftsbereiche auf die zuvor definierten Funktionen gestellt. Wesentliche Stärken sowie Herausforderungen – insbesondere in der praktischen Anwendung – werden abschließend diskutiert. Schlagworte Geschäftsbereichssteuerung, Portfolio-Analyse, Instrumente des strategischen Managements, BCG-Matrix 1 Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, Moltkestraße 30, D-76133 Karlsruhe, [[email protected]]. Impressum Ausgabe: 2/2015 Herausgeber: Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft Moltkestraße 30 76133 Karlsruhe http://www.hskarlsruhe.de/fakultaeten/w/lehreundforschung/veroeffentlichungen/diskussionsbeitraegederfakultaetfuerwirtschaftswissenschaften.html ISSN 2198-2015 1 1 Einleitung Große Unternehmen sind heute zu etwa 95% in strategische Geschäftsbereiche gegliedert. 1 Hierbei handelt es sich um Mikrounternehmen im Unternehmen mit speziellen ProduktMarkt-Kombinationen und eigener Führungsverantwortung („Unternehmen im Unternehmen“). Geschäftsbereiche unterscheiden sich generell sehr deutlich hinsichtlich Wachstumsraten, Ressourcenbedürfnissen und Rentabilität. Die Unternehmensleitung hat sicherzustellen, dass sich das Portfolio der Geschäftsbereiche hinsichtlich Cashflow-Generierung und Risiken im Gleichgewicht befindet und gleichzeitig zukünftige Erfolgspotenziale erschlossen werden. Zentrale Fragen des strategischen Managements sind damit immer „in welchem operativen Geschäftsfeld operieren wir?“ und „in welchem Geschäftsfeld sollten wir in Zukunft sein?“ 2 Mit diesen Fragen ist immer auch die Allokation von finanziellen, personellen und materiellen Ressourcen auf die einzelnen Geschäftseinheiten verbunden. Bei einem umfangreichen Portfolio mit Geschäftsbereichen in unterschiedlichen Produkten, Märkten und Technologien stellt dies eine komplexe Fragestellung dar. In der Unternehmenspraxis haben sich zur Unterstützung des strategischen Managements bei der Bewältigung dieser Aufgabe sogenannte Portfolio-Analyse-Modelle entwickelt. Eines der ersten PortfolioAnalyse-Ansätze ist das Marktanteils-/Marktwachstums-Modell, auch als BCG-Matrix bezeichnet, welches in den 1960er Jahren von der Boston Consulting Group entwickelt wurde. Die BCG-Matrix stellt das einfachste, aber auch am weitesten verbreitete Modell dar. Aufgrund dieser Einfachheit unterliegt die BCG-Matrix jedoch auch massiver Kritik. Im Folgenden wurden daher neue Varianten und Weiterentwicklungen der BCG-Matrix auf den Weg gebracht, welche die zentralen Schwachpunkte überwinden sollten. In den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gerieten Unternehmen mit breit diversifizierten Geschäftsbereichsportfolios zunehmend unter Druck der Kapitalmärkte. Im Wesentlichen wurde die Kritik vertreten, dass Unternehmen freie liquide Mittel vielfach in teilweise unrentable, unternehmensinterne Projekte steckten, anstatt sie auszuschütten. Dieser Vorwurf basiert auf der Annahme, dass der Kapitalmarkt in der Regel Kapital besser allokiert als Manager von Unternehmen. 3 Eine Diversifikation in unterschiedliche Aktivitäten sollte daher auf Portfolioebene eines Investors, aber nicht auf Unternehmensebene stattfinden. Der Wert von Unternehmen mit einem breit diversifizierten Portfolio wurde in der Folge häufig vom Markt mit einem sogenannten Conglomerate Discount abgestraft. 4 Mit einer zunehmenden Fokussierung der Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen verlor auch die Portfoliosteuerung in Unternehmen an Bedeutung. Die Krisen im neuen Jahrtausend haben jedoch für eine Belebung des Portfoliogedankens gesorgt. Einerseits sind Unternehmen mit einem diversifizierten Portfolio aufgrund des Diversifikationseffektes weit weniger in ihrer Existenz gefährdet. Zweitens hat gerade die Finanzkrise gezeigt, dass in Krisensituationen der Zugang zu Fremd- und Eigenkapitalmärkten gegebenenfalls deutlich erschwert wird und das Unternehmen stärker auf Eigenmittel angewiesen ist. Ein breit diversifiziertes Portfolio kann, unabhängig von externen Finanzierungsquellen, wichtige Wachstumsprojekte absichern. 5 Mit der Renaissance der Portfoliosteuerung 1 Vgl. Hinterhuber, 2011, S.74 Vgl. Matzker/Müller/Mooradian, 2013, S.108 3 Vgl. Nippa/Pidun/Rubner, 2011, S.53 4 Vgl. Hinterhuber, 2011, S.221ff; Hungenberg, 2012, S.506ff 5 Vgl. Hutzschenreuter, 2009 2 2 rücken auch wieder die Portfolio-Analyse-Ansätze in den Fokus. Im Rahmen dieses Beitrages wird der Portfolio-Ansatz eines großen deutschen Handelsunternehmens vorgestellt und diskutiert. Ausgangpunkt des Ansatzes ist – im Gegensatz zu den klassischen Portfolioansätzen – die Definition von Funktionen. Erst im zweiten Schritt wird die Frage der Allokation von Geschäftsbereichen auf die einzelnen Funktionen behandelt. 2 Portfolio-Analyse als Instrument der strategischen Planung 2.1 Ressourcenallokation als zentrale Aufgabe der strategischen Planung Die strategische Planung lässt sich mit der Gesamtunternehmensebene und der Geschäftsbereichsebene grundsätzlich in zwei Planungsstufen unterscheiden. Auf Gesamtunternehmensebene werden die zu bearbeitenden Geschäftsbereiche (Portfolioselektion) sowie die entsprechende Zuweisung von Ressourcen zu diesen Unternehmenseinheiten (Ressourcenallokation) festgelegt. 6 Auf der Geschäftsbereichsebene steht die Festlegung der Wettbewerbsstrategie für einen einzelnen Geschäftsbereich im Vordergrund. Hierbei geht es also beispielsweise darum, überlegene Produkte einzuführen, Marktanteile zu erringen oder eine attraktive Preispolitik zu erreichen. 7 Die Gliederung eines Unternehmens in einzelne Geschäftsbereiche hat sich heute in großen und mittleren Unternehmen überwiegend durchgesetzt. 8 Mit einer Segmentierung versuchen Unternehmen die Heterogenität der verschiedenen Geschäftsaktivitäten und der damit verbundenen Komplexität besser Rechnung zu tragen. 9 Geschäftsbereiche 10 sind „nichts anderes als Zentren für integrierte Maßnahmen, die eine bestimmte Produktlinie, einen bestimmten Markt oder ein bestimmtes Arbeitsgebiet betreffen; sie sind gleichsam „Mikrounternehmen“ im Unternehmen mit eigener Führungsverantwortung, die auf spezifischen Märkten operieren, die Bedürfnisse bestimmter Kundengruppen erfüllen und mit genau identifizierbaren Konkurrenten im Wettbewerb stehen.“ 11 Gemäß der Geschäftsfeldabgrenzung nach Abell sind bei der Bildung von Geschäftsbereichen insbesondere die angebotene Leistung (Customer Functions), der bearbeitete Markt (Customer Groups) sowie die verwendete Technologie (Alternative Technologies) zu berücksichtigen. 12 Ein Geschäftsbereich muss hierbei nicht zwingend mit einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft übereinstimmen. So ist in der Unternehmenspraxis durchaus üblich, dass eine Tochtergesellschaft mehrere Geschäftsbereiche aufweist. Der Leiter eines Geschäftsbereichs operiert für sein Geschäft wie ein Unternehmer mit entsprechender Verantwortung für die Ergebnisentwicklung. Dazu erhält er Ressourcen (v.a. Kapital) sowie den Zugang zu Kompetenzen der Zentralfunktionen (z.B. IT-Knowhow, Forschung & Entwicklung), verpflichtet sich im Gegenzug zur Nutzung von Synergien mit anderen Geschäftsbereichen und hat die Strategie mit der Unternehmensleitung abzustimmen. 6 Vgl. Steinmann/Schreyögg, 2005, S.170, Vgl. Rall/König, 2005, S.14f 8 Vgl. Hinterhuber, 2011, S.74 9 Vgl. Paul/Wollny, 2011, S.199 10 Auf eine Unterscheidung zwischen den Begriffen Geschäftsbereich, Geschäftseinheit und Geschäftsfeld wird in diesem Beitrag verzichtet. Vgl. hierzu: Paul/Wolny, 2011, S.200 11 Hinterhuber, 2011, S.74 12 Vgl. Abell, 1980, S.30 7 3 Die Aufgabe der Unternehmensleitung ist es, die „Geschäfts- und Zentralbereiche zu einem handlungsfähigen Ganzen zusammenzuführen“. 13 Hierbei sieht sich die Unternehmensleitung der Herausforderung konfrontiert, einerseits flexible, autonom entscheidende Organisationseinheiten zu errichten, die mit einer schnellen Anpassungs- und Reaktionsgeschwindigkeit auf Umweltveränderungen reagieren und nicht durch lange Entscheidungs- und Koordinationswege belastet werden. Andererseits ist jedoch auch eine gewisse übergreifende Steuerung der Geschäftsbereiche im Hinblick auf das Gesamtergebnis sicherzustellen. Damit liegt ein schwieriger Balanceakt zwischen zentraler Steuerung und dezentraler Verantwortung vor. Die Unternehmensleitung hat insbesondere sicherzustellen, dass das Unternehmen als Ganzes überlebensfähig ist. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung der Insolvenztatbestände (Illiquidität und Überschuldung nach §§ 17-19 InsO). Nur auf Gesamtunternehmensebene lassen sich existenzgefährdende Risiken sowie die finanziellen Freiheitsgrade beurteilen. Der Allokation von finanziellen, materiellen und personellen Ressourcen auf die verschiedenen Geschäftseinheiten kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. 14 Ressourcen sind vor allem den Geschäftseinheiten zuzuführen, in denen die Marktaussichten günstig sind und aufgrund der Kernkompetenzen eine Position der Stärke herrscht. Fehlallokationen der (knappen) Ressourcen können, wenn überhaupt, nur schwer revidiert werden und gefährden möglicherweise den Unternehmensfortbestand. 2.2 Portfolio-Analyse auf Basis der BCG-Matrix Ein weit verbreitetes Instrument der Unternehmensleitung im Rahmen der strategischen Planung ist die Portfolio-Analyse. Sie kombiniert eine Umwelt- und Unternehmensanalyse und liefert Hinweise für die Strategiewahl von Geschäftsaktivitäten. 15 Das hierbei am häufigsten eingesetzte Instrument ist das Marktwachstums-/Marktanteils-Portfolio, das Ende der 1960er Jahre von der Boston Consulting Group (BCG) entwickelt wurde. 16 Aus diesem Grund wird im Folgenden kurz auf diesen Ansatz eingegangen. Kern des Marktwachstums-Marktanteils-Portfolios, auch als BCG-Matrix bezeichnet, ist die Einsortierung der strategischen Geschäftsbereiche nach einer unternehmensinternen und unternehmensexternen Dimension. 17 Wie der Name des Ansatzes bereits ausdrückt wird die externe Dimension der Portfolioanalyse über das Marktwachstum belegt. Üblicherweise wird das Marktwachstum als prozentuale Steigerung des Marktes ausgedrückt, indem ein Geschäftsbereich operiert. Der Marktanteil eines Geschäftsbereichs repräsentiert die interne Dimension. Generell wird zu dessen Ermittlung der eigene Marktanteil in Bezug zum Marktanteil des stärksten Konkurrenten gesetzt. 18 Auf Basis dieser beiden Dimensionen können alle Geschäftsbereiche in eine zweidimensionale Matrix eingetragen werden. Üblicherweise werden die beiden Dimensionen in zwei Abstufungen unterteilt, d.h. für jede Dimension liegt damit die Ausprägung hoch und niedrig vor. Damit ergeben sich insgesamt vier mögliche Felder für die Einsortierung der Geschäftsbereiche (siehe Abbildung 1). 13 Bühner, 2004, S.141 Vgl. Hinterhuber, 2011, S.169 15 Vgl. Bea/Haas, 2009, S.146 16 Vgl. Weber/Schäffer, 2014, S.402 17 Vgl. Hungenberg/Wulf, 2011, S.117f 18 Vgl. Hinterhuber, 2011, S.170 14 4 Abbildung 1: BCG-Matrix Die vier Felder der BCG-Matrix bestimmen die strategische Positionierung des Geschäftsbereichs. Es werden unterschieden: 19 • Question Marks: Geschäftsfelder liegen in Märkten mit hohen Wachstumschancen, allerdings niedrigem Marktanteil. Aufgrund des erwarteten starken Marktwachstums operiert der Geschäftsbereich in einem attraktiven Marktumfeld. Andere Wettbewerber haben jedoch eine bessere Marktpositionierung. Es gilt für die Aktivitäten in diesem Feld zu überprüfen, ob hohe Investitionen zu tätigen sind, um die vermeintlich schwächere Ausgangsposition kompensieren zu können. • Stars: In diesem Segment befinden sich Aktivitäten mit hohem Marktanteil in einem schnell wachsenden Markt. Zur Sicherung bzw. zum weiteren Ausbau der eigenen Marktposition sind allerdings hohe Investments erforderlich. Idealerweise entwickeln sich diese Hoffnungsträger zu zukünftigen Marktführern mit entsprechender CashflowGenerierung. • Poor Dogs: Bei diesen Geschäftsbereichen liegt eine schwache Wettbewerbsposition in einem unattraktiven Markt vor. Damit liegt die ungünstigste aller Kombinationen vor. Für diese Aktivitäten ist auf jeden Fall über ein Desinvestment nachzudenken, d.h. Verkauf oder Schließung. • Cash-Cows: Diese Aktivitäten weisen einen hohen Marktanteil in einem gesättigten Markt auf. Aufgrund der guten Marktposition (Erfahrungskurveneffekt) sind sie in der Lage, positive Erträge und Überschüsse zu erwirtschaften, die wiederum für andere Aktivitäten (v.a. Stars) genutzt werden können. Aufgrund des Reifegrads des Marktes sind Investitionen nur sehr gezielt einzusetzen. Mit der Einsortierung in die verschiedenen Matrixfelder ist eine klare Empfehlung hinsichtlich der Kapitalallokation (Normstrategie) verbunden. Tabelle 1 fasst die Matrixfelder hinsichtlich der Investitionsstrategie sowie der Fähigkeit zur Cashflow-Generierung zusammen: 19 Vgl. Hendersen, 2008, S.1 5 Tabelle 1: Implikationen für die Felder der BCG-Matrix Investitionen 20 Netto-Cashflow Question marks Niedrig oder hoch Positiv oder negativ (in Abhängigkeit der (in Abhängigkeit der jeweiligen Entscheidung) jeweiligen Entscheidung) Stars Hoch Null oder leicht negativ Poor Dogs Sehr niedrig Positiv Cash-Cows Niedrig Stark positiv Bei einem großen Geschäftsbereichsportfolio werden sich üblicherweise Aktivitäten in allen Feldern befinden. Aus Gesamtunternehmenssicht ist hierbei entscheidend, dass sich ein ausgeglichenes Portfolio an Cashflow-generierenden und Cashflow-zehrenden Aktivitäten bildet. Überwiegen die Cashflow-zehrenden Aktivitäten, z.B. durch hohe Investitionen in Stars und Question Marks, so könnte gegebenenfalls ein Liquiditätsproblem auf das Unternehmen zukommen. 2.3 Kritische Würdigung der BCG-Matrix sowie Weiterentwicklungsansätze In der Praxis überzeugt die BCG-Matrix insbesondere als wirkungsvolles Kommunikationsinstrument. In einfacher und übersichtlicher Weise lassen sich die Geschäftseinheiten in unterschiedliche Felder kategorisieren. Auf dieser Basis kann analysiert werden, ob sich das Unternehmen in einem ausgewogenen Zustand befindet. Hierbei ist vor allem von Bedeutung, dass sich junge, risikoreiche Geschäftsbereiche und reife, risikoarme Geschäftsbereiche die Waage halten. 21 Mit der Einteilung in die unterschiedlichen Quadranten der Matrix ist ebenfalls eine konkrete strategische Implikation verbunden, d.h. die Unternehmensleitung erhält eine klare Handlungsempfehlung hinsichtlich Investitionen bzw. Desinvestitionen für die einzelnen Geschäftsbereiche. 22 Die große Popularität der BCG-Matrix ist mit der deutlichen Informationsverdichtung und Komplexitätsreduktion verbunden, die eine Orientierung bei der von Komplexität geprägten strategischen Planung liefert. 23 Gerade diese Informations- und Komplexitätsreduktion ist jedoch wiederum auch der Ausgangspunkt für umfangreiche Kritik. Auszugsweise soll auf einige wesentliche Aspekte eingegangen werden. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist in der Reduktion des Ansatzes auf lediglich zwei Beurteilungskriterien zu sehen. Weber/Schäffer sprechen in diesem Zusammenhang richtigerweise von einer „radikalen“ Vereinfachung der für den Markterfolg wichtigen Faktoren. 24 So wird die Marktattraktivität allein durch das Marktwachstum bestimmt. Sicherlich müssen hier weitere 20 In Anlehnung an Hungenberg/Wulf, 2011, S.119 Vgl. Hungenberg/Wulf, 2011, S.119 22 Vgl. Drews, 2008, S.52 23 Vgl. Drews, 2008, S.52 24 Vgl. Weber/Schäffer, 2014, S.403 21 6 Faktoren herangezogen werden, wie z.B. die absolute Marktgröße, die Wettbewerbsstruktur, Preiselastizität, etc. Gleiches gilt für die interne Dimension. Der Marktanteil als Maß für die interne Wettbewerbsstärke orientiert sich stark an dem Erfahrungskurvenkonzept, welches eine hohe Korrelation zwischen relativem Marktanteil und Rentabilität unterstellt. Diese Betrachtung fokussiert stark auf eine Kostenführerschaft; Differenzierungs- und Nischenstrategien finden keine Berücksichtigung. 25 Darüber hinaus erscheint die Skalierung der beiden Achsen in hoch und niedrig willkürlich. 26 Es gibt keinen objektiven Maßstab zur Festlegung eines hohen und niedrigen Marktwachstums bzw. Marktanteils. In der Literatur wird häufig vorgeschlagen, die Trennlinie am erwarteten Wachstum des realen Bruttosozialproduktes auszurichten. 27 Je nachdem, wie diese Linie gezogen wird, kann dies massive Konsequenzen für die einzelnen Geschäftseinheiten besitzen. Beispielsweise kann eine Aktivität durch leichte Verschiebung zur Beurteilung des Marktwachstums von einem Star (hohe Investitionen) in das Feld Cash Cow (niedrige Investitionen) rutschen. Des Weiteren unterstellt das Konzept voneinander unabhängige Geschäftseinheiten, was in der Praxis üblicherweise nicht der Fall ist. In der Praxis zeigen sich in der Regel vielfältige wechselseitige Leistungsbeziehungen zwischen den Geschäftsbereichen. So können bei einem Ausstieg eines Unternehmensteils aus einem Markt andere Geschäftseinheiten negativ betroffen sein. 28 Ferner setzt das Modell voraus, dass für jede Geschäftsaktivität ein eindeutiger Markt definiert werden kann, d.h. dass Märkte klar umrissen sind. So zeigt sich beispielsweise im Distanzhandel eine große Problematik bei der Abgrenzung der Märkte. Händler unterscheiden sich beispielsweise hinsichtlich der bespielten Vertriebskanäle (Online, Katalog, Stationär), der fokussierten Kundengruppe sowie der regionalen Ausbreitung. Vor dem Hintergrund der z.T. massiven Kritikpunkte aus Theorie und Praxis wurden über die letzten Jahrzehnte zahlreiche Weiterentwicklungen der BCG-Matrix vorgenommen. 29 Einige der zentralen Kritikpunkte wurden beispielsweise von der Marktattraktivitäts/Geschäftsfeldstärken-Portfolio aufgenommen, die von McKinsey und General Electric entwickelt wurden. Die einzelnen Dimensionen werden nicht in zwei sondern in drei Abstufungen unterteilt, wodurch sich insgesamt neun Felder mit unterschiedlichen Normstrategien ergeben. Darüber hinaus werden die externe und die interne Dimension über mehrere Faktoren erklärt: Die interne Dimension berücksichtigt beispielsweise die relative Produktqualität, Marktanteil, Vertriebsstärke, F&E-Stärke. Bei der externen Dimension fließen Marktwachstum, Marktgröße, Marktqualität, Markteintrittsbarrieren in die Beurteilung ein. Weitere Portfoliokonzepte fokussieren bei der Kategorisierung der Geschäftsbereiche auf Ressourcenstärke (z.B. Geschäftsfeld-Ressourcen-Portfolio 30, Technologieportfolio 31). Gemeinsam ist den Portfolio-Ansätzen, dass Kriterien festgelegt werden, die eine Einteilung von strategischen Geschäftseinheiten in bestimmte Kategorien ermöglichen. Diese Kategorien wiederum liefern dem Management konkrete Handlungsempfehlungen hinsichtlich der 25 Vgl. Macharzina/Wolf, 2010, S.362f Vgl. Johnson/Scholes/Whittington, 2011, S.348 27 Vgl. Drews, 2008, S.50 28 Vgl. Matzler/Müller/Mooradian, 2013, S.113 29 Zu einer umfangreichen Übersicht zu Portfolio-Konzepten: vgl., Bea/Haas, 2009, S.159ff 30 Vgl. Albach, 1979, S.702 31 Vgl. Pfeiffer/Metze/Schneider/Amler, 1991, S.85ff 26 7 Allokation von Ressourcen. Wichtig ist hierbei, dass Portfolio-Ansätze immer nur ein unterstützendes Instrument der Unternehmensführung hinsichtlich der generellen strategischen Stoßrichtung eines Geschäftsbereichs darstellen können. Eine detaillierte strategische Planung der einzelnen Aktivitäten können sie nicht ersetzen. 3 Portfoliosegmentierung im Rahmen einer funktionsbasierten Portfolio-Analyse 3.1 Definition geeigneter Portfoliofunktionen Der Ausgangspunkt der traditionellen Portfolio-Konzepte ist die Definition bestimmter Dimensionen, auf deren Basis die Positionierung der Geschäftsbereiche stattfindet. Die klassischen Portfolio-Analyse-Ansätze beschränken sich hierbei auf zwei Dimensionen, so dass sich die Positionierung anschaulich in einer 2-dimensionalen Matrix visualisieren lässt. Die Lage des Geschäftsbereichs in der Matrix bestimmt letztlich die Normstrategie. Im Folgenden soll nun der Portfolio-Ansatz eines großen, deutschen Handelsunternehmens vorgestellt werden. 32 In diesem Portfolio-Ansatz ist nicht die Definition von Dimensionen der Ausgangspunkt, sondern die Funktionen der Geschäftsbereiche innerhalb des Unternehmens (funktionsbasierter Portfolio-Ansatz). Der erste Schritt ist folglich die Festlegung und Beschreibung geeigneter Funktionen von Geschäftsbereichen. Es geht um die Frage, welchen Beitrag steuert ein Geschäftsbereich zum Erfolg des Gesamtunternehmens bei. Erst nach Klärung dieser Frage, ist die Problematik der Allokation der einzelnen Geschäftsbereiche des Portfolios auf die definierten Funktionen zu diskutieren. Die Festlegung der Portfoliofunktionen der Geschäftsbereiche obliegt letztlich der Unternehmensführung und muss sich an der Unternehmenssteuerung orientieren. Beispiele für klassische Portfoliofunktionen sind das Kerngeschäft, das Finanzierungsgeschäft und das Wachstumsgeschäft: • Das Kerngeschäft stellt das Fundament des Unternehmens dar. Geschäftsaktivitäten in diesen Funktionen sorgen für die wesentliche Ertrags- und Cashflow-Generierung des Unternehmens. In einem ausgewogenen Portfolio müssen sich ausreichend viele Aktivitäten in diesem Bereich befinden, um die Ertrags- und Cashflow-zehrenden Geschäftsmodelle (z.B. Anlaufinvestments) finanzieren zu können. • Bei dem Finanzierungs- bzw. Abschmelzungsgeschäft handelt es sich um Geschäftsmodelle, die sich in der Regel am Ende ihres Lebenszyklus befinden. Es ist demzufolge von einem schrumpfenden Markt auszugehen. Investitionen werden hier (wenn überhaupt) nur sehr selektiv getroffen und dienen dazu, möglichst viel Ertrag und Cashflow aus dem Geschäft herauszuziehen. • Im Wachstumsgeschäft befinden sich Aktivtäten, die in einem sehr attraktiven Markt operieren. Hier lohnen Investitionen, um sich eine starke Wettbewerbsposition zu erarbeiten. Das Wachstumsgeschäft entwickelt sich idealerweise in der Zukunft in ein Kerngeschäft und sichert somit die Ertrags- und Cashflow-Fähigkeit in der Zukunft. Das Wachstumsgeschäft zeichnet sich gegenwärtig durch einen hohen Cashflow-Bedarf aus. 32 Der Verfasser war an der Entwicklung des Portfolio-Konzeptes beteiligt. 8 Bei diesen Funktionen zeigen sich gewisse Ähnlichkeiten zu der Klassifizierung von Geschäftsbereichen gemäß BCG-Matrix. Das Kerngeschäft ähnelt den „Cash-Cows“ der BCGMatrix, während das Wachstumsgeschäft mit den „Stars“ vergleichbar ist. Einem Unternehmen ist es jedoch grundsätzlich freigestellt, weitere Funktionen zu schaffen bzw. Funktionen weiter zu differenzieren. So hat sich beispielsweise das dem hier beschriebenen Ansatz zugrunde liegende Handelsunternehmen entschieden, das Wachstumsgeschäft einer Tochtergesellschaft in zwei Kategorien aufzuteilen: Einerseits in vollständig neu gegründete Aktivitäten („Anlaufinvestments“) und andererseits in Aktivitäten, die ihr bestehendes Geschäftsmodell (z.B. durch Auslandsexpansion) deutlich ausbauen möchten („Think-Big-Aktivitäten“). Neben einer weiteren Differenzierung des Wachstumsgeschäfts ist ebenso denkbar, dass eine Unternehmensführung die Funktion des Abschmelzungsgeschäfts vermeiden möchte, da dies durchaus demotivierende Effekte für die betroffenen Einheiten nach sich ziehen könnte. Unabhängig von der Auswahl und Definition der Portfoliofunktionen wird jedes Unternehmen immer auch Geschäftsbereiche in seinem Portfolio besitzen, welche sich aktuell nicht zufriedenstellend entwickeln. Für diese Geschäftsbereiche hat das Unternehmen zwei Möglichkeiten: restrukturieren oder desinvestieren. • Entscheidet sich das Unternehmen zur Restrukturierung, so wird der Geschäftsbereich weiterhin als wichtiger Bestandteil des Portfolios erachtet. Die Aktivität ist neu aufzustellen, so dass sie wieder ihrer angedachten Funktion im Portfolio nachkommt. Beispielsweise ist ein Geschäftsbereich aus dem Kerngeschäft so zu restrukturieren, dass wieder ausreichend Ertrag bzw. Cashflow erzielt wird. Ein Geschäftsbereich aus dem Wachstumsgeschäft muss durch eine Neuausrichtung wieder in der Lage sein, die Umsatzziele zu erreichen Alle in Restrukturierung befindlichen Unternehmen werden zum Turnaroundgeschäft zusammengefasst. • Schließlich gibt es Aktivitäten, die perspektivisch nicht im Portfolio gesehen werden. Dies kann einerseits daran liegen, dass es sich hierbei um Verlustgesellschaften handelt und die Chancen auf einen Turnaround gering sind. Andererseits kann sich die Unternehmensleitung aus diversen Gründen (z.B. Risikogesichtspunkten) zur Trennung von profitablen Geschäftsmodellen entscheiden. Beide zusammen ergeben das Desinvestmentgeschäft. Mit der Einteilung der Geschäftsbereiche in die einzelnen Funktionen werden konkrete Aufgaben induziert. Nachfolgende Tabelle fasst für die oben dargestellten Portfoliofunktionen die Aufgabe noch einmal zusammen: Tabelle 2: Aufgabe der einzelnen Portfoliofunktionen Aufgabe Kerngeschäft Finanzierungs- Wachstumsgeschäft geschäft Turnaroundgeschäfts Desinvestmentgeschäft Nachhaltige Generierung von Ergebnis und Cashflow Finanzierung von Generierung von Wachstums- und Umsatzwachstum Turnaroundgeschäft Restrukturierung: zukünftig keine Entwicklung zu Aufgabe im Kern- oder Portfolio Wachstumsgeschäft 9 3.2 Kriterienauswahl zur Bestimmung der Portfoliofunktionen Im Anschluss an die Definition der Portfoliofunktionen stellt sich die Frage, mit Hilfe welcher Kriterien Geschäftsbereiche einer Portfoliofunktion zuzuordnen sind. Alleine die beiden Kriterien der BCG-Matrix (Marktwachstum und relativer Marktanteil) werden für diese Aufgabe als deutlich zu schlicht erachtet. Letztlich müssen die Kriterien bei der Beantwortung der folgenden Fragen behilflich sein: • Für die Beurteilung hinsichtlich des Wachstumsgeschäfts: Besitzt das Geschäftsmodell ein ausreichendes Wachstumspotenzial, d.h. sind Voraussetzungen gegeben, die in der Zukunft ein deutliches Umsatzwachstum erwarten lassen? Falls ja, ist im nächsten Schritt zu überprüfen, ob der Geschäftsbereich dieses Potenzial aktuell auch nutzt. • Für die Beurteilung des Kern- bzw. Finanzierungsgeschäfts: Wird gemäß aktueller Ausrichtung der Aktivität eine angemessene Ertrags- bzw. Cashflow-Generierung erzielt? • Für die Beurteilung des Turnaround- bzw. Desinvestmentgeschäfts: Lässt sich ein in Schieflage befindliches Geschäftsmodell restrukturieren? Sollte die Aktivität im Portfolio des Unternehmens verbleiben? Zur Beantwortung dieser Fragen sind verschiedene Kennzahlen bzw. Kriterien heranzuziehen. Im Folgenden werden die zentralen Kriterien des beschriebenen Handelsunternehmens aufgeführt. Hierbei wurde entschieden, die verschiedenen Kriterien in folgende drei Hauptkriterien zusammenzufassen: • Hauptkriterium Marktpotenzial: Das erste Hauptkriterium bezieht sich auf die Attraktivität des Markts, in dem ein Geschäftsbereich tätig ist. Hierbei spielt analog zur BCGMatrix das erwartete Marktwachstum eine wesentliche Rolle. Neben dem reinen Marktwachstum soll ebenfalls beurteilt werden, inwiefern Gegebenheiten vorliegen, zukünftig ausreichend Ertrag und Cashflow in diesem Markt erzielen zu können (z.B. Beurteilung der Markteintrittsbarrieren). Auch die Wettbewerbsposition des Geschäftsmodells im Vergleich zu den Konkurrenten fließt in die Beurteilung ein. Ferner wird die Bedeutung der Aktivität für die übrigen Geschäftsbereiche bewertet, d.h. existieren potenziell Mehrwert schaffende Funktionen für andere Geschäfte. 33 • Hauptkriterium Umsatzpotenzial: Erfasst wird hierbei die zu erwartende, zukünftige Umsatzentwicklung eines Geschäftsbereichs gemäß der aktuellen strategischen Positionierung. In der Unternehmenspraxis kann auf die Planungen der Geschäftsbereiche zurückgegriffen werden (z.B. 3-Jahresplanung). Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings, dass von den operativen Einheiten die eigene Entwicklung überwiegend zu positiv eingeschätzt wird, so dass gegebenenfalls Abschläge von der originären Planung vorgenommen werden müssen. Von der Unternehmensführung sind zentrale Vorgaben festzulegen, ab wann von einem hohen bzw. einem niedrigen Umsatzwachstum zu sprechen ist (z.B. hohes Wachstum entspricht einer Umsatzwachstumsrate größer 10%). Von Geschäftsbereichen mit einem guten Marktpotenzial wird auch ein hohes Umsatzwachstum erwartet, d.h. es findet eine Überprüfung statt, inwiefern die hervorragenden Marktbedingungen (Hauptkriterium 1) aktuell genutzt werden. 33 Weitere Kriterien zu Marktattraktivität: vgl. Hinterhuber, 2011, S.173ff 10 • Hauptkriterium Ergebnis- und Cashflow-Potenzial: Mithilfe dieser Dimension wird beurteilt, inwiefern ein Geschäftsbereich gemäß aktueller strategischer Ausrichtung in der Lage ist, zukünftig einen Beitrag zur Ergebnis-, Cashflow bzw. Wertgenerierung des Konzerns zu liefern. Auch hier findet ein Rückgriff auf die (gegebenenfalls um Abschläge reduzierte) Planung statt. Für die einzelnen Ergebnis- und Cashflow-Kennzahlen (z.B. EBIT, FCF, EVA) müssen analog zum Umsatzpotenzial konkrete Bewertungsgrenzen vorgegeben werden. So kann für eine Geschäftseinheit beispielsweise nur dann eine positive Bewertung der Dimension vergeben werden, wenn eine bestimmte Mindest-EBIT-Rendite erzielt wird. Die Zielvorgabe für Ergebnis und Cashflow muss sich hierbei an Risikoaspekten orientieren. Von Geschäftsbereichen mit einem hohen Risiko ist grundsätzlich auch ein höheres Ergebnis (bzw. Cashflow) zu erwarten. 34 3.3 Allokation der Geschäftsbereiche auf die Portfoliofunktionen Für jede Geschäftseinheit eines Unternehmens sind anschließend die einzelnen definierten Kriterien zu bewerten. Organisatorisch können hierbei mehrere Abteilungen eingebunden sein, was maßgeblich von der Organisation des Unternehmens abhängt. Üblicherweise wird das Controlling als auch die Strategieabteilung in die Bewertung einbezogen. Während beispielsweise die Strategieabteilung den Fokus auf die Kriterien des Marktpotenzials legt, beschäftigt sich das Controlling mit der Einschätzung hinsichtlich Ertrags-, Cashflow- und Umsatzpotenzial. Sind mehrere Abteilungen in den Prozess der Kriterienfestlegung eingebunden, ist eine enge abteilungsübergreifende Abstimmung sicherzustellen. Abbildung 2 zeigt beispielhaft die Festlegung der Kriterien bzw. Dimensionen für einen bestimmten Geschäftsbereich (Spalte 3). Für jedes Kriterium werden bei diesem Ansatz lediglich drei mögliche Ausprägungen zugelassen (hoch, mittel und niedrig). Abbildung 2: Beispiel zu Festlegung der Kriterienausprägungen für einen Geschäftsbereich Beurteilung von Geschäftsbereich ... (1) Hauptkriterium Unterkriterium Marktpotenzial Umsatzpotenzials (3) (2) Marktwachstum Wettbewerbsumfeld Marktpositionierung Wertbeitrag im Portfolio etc. Umsatzwachstum Ergebnis- und Ergebnis (z.B. EBIT) Cashflow (z.B. FCF) CashflowWerteitrag (z.B. EVA) potenzial etc. hoch (+) mittel (o) niedrig (-) (4) Gesamtbeurteilung des Hauptkriteriums x x hoch (+) x x hoch (+) x x x niedrig (-) x x Nach diesem Beurteilungsschritt ergibt sich für jeden Geschäftsbereich ein individuelles Profil, welches eine Aussage hinsichtlich Markt-, Umsatz- und Ergebnis- bzw. CashflowPotenzial ermöglicht. Dieses Profil kann nun die Basis für einen Analysten zur Zuordnung 34 Vgl. Kunz, 2009, S.7ff 11 eines Geschäftsbereichs zu einer bestimmten Portfoliofunktion darstellen. Der Vorteil eines solchen Ansatzes besteht darin, dass keine weitere Aggregation erforderlich ist und damit auch kein Informationsverlust in die Bewertung einfließt. Andererseits wäre die Allokation durch die Einschätzung des Analysten stark subjektiv geprägt und damit Diskussionspunkt von Geschäftsbereichsleitern, insbesondere dann, wenn sich der eigene Geschäftsbereich nicht in der gewünschten Portfoliofunktion befindet. Im beschriebenen Handelsunternehmen wird der Versuch unternommen, diesen Allokationsprozess zu objektivieren. Hierzu wird zunächst einmal für jedes Hauptkriterium auf der Basis der Unterkriterien eine Gesamtbeurteilung ermittelt (siehe Spalte 4 in Abbildung 2). Als unterstützendes Instrument zur Bestimmung der Gesamtbeurteilung eines Hauptkriteriums bietet sich die Verwendung einer Nutzwertanalyse an, bei der jedem Unterkriterium eine bestimmte Gewichtung zugewiesen wird. 35 Durch diesen Aggregationsschritt liegen jetzt für einen Geschäftsbereich drei Hauptkriterien mit jeweils drei möglichen Ausprägungen vor. Trotz dieses Aggregationsschrittes sind die Geschäftsbereiche nicht in einer zweidimensionalen Matrix (siehe BCG-Matrix) darzustellen. Allerdings lassen sich die verschiedenen Varianten mithilfe eines Baumdiagramms veranschaulichen. Mit drei Hauptkriterien und drei Ausprägungen ist die Anzahl maximaler Kombinationen mit insgesamt 33 = 27 noch übersichtlich und lässt sich anschaulich graphisch darstellen. Da nicht alle Kombinationen für die Zuordnung zu Portfoliofunktionen erforderlich sind, reduziert sich der Kriterienbaum auf 15 Kombinationen (Abbildung 3). Abbildung 3: Zuweisung der Portfoliofunktion mit Hilfe des Kriterienbaumes 1. Marktpotenzial + 2. Umsatzpotenzial + 3. ErgebnisCashflowpotenzial + 1 o 2 3 o + 4 o - - o 5 6 + 7 o 8 + 9 10 o 11 - + 12 13 o 14 15 Zuordnung von Portfoliofunktionen zu den 15 Kombinationen Bei den Geschäftsbereichen, die kein hohes Marktpotenzial aufweisen (mittlerer und rechter Ast des Baums), interessiert die Dimension Umsatzpotenzial nicht. Eine Aussteuerung dieser Geschäftsfelder auf Wachstum ist nicht sinnvoll. Damit kann hier lediglich die Fokussierung auf das Kerngeschäft bzw. Finanzierungsgeschäft gerichtet sein. Daher überspringt der mittlere und rechte Ast des Baumes das Kriterium Umsatzpotenzial. Für jede der 15 sich erge35 Zu Nutzenwertanalyse vgl. beispielweise Jung, 2010, S.75f 12 benden Kombinationen gilt es anschließend eine Portfoliofunktionen zuzuweisen. Beispielhaft wird dies für die folgenden Kombinationen erläutert: • Kombination 1: Für diesen Geschäftsbereich liegt ein hohes Marktpotenzial vor, welches gemäß aktueller Ausrichtung auch hohe Wachstumsraten erwarten lässt. Damit sind diesen Aktivitäten die Funktion „Wachstum“ zuzuweisen. Besonders erfreulich ist, dass es diesen Geschäftsbereichen - trotz eines starken Wachstums - gelingt, ein positives Ergebnis- und Cashflow-Potenzial aufzuweisen. Derart hervorragende Geschäftsbereiche werden aber (wenn überhaupt) nur in begrenztem Umfang vorliegen. • Kombination 7: Das hohe Marktpotenzial kann von dem Geschäftsbereich nicht genutzt werden. Allerdings weist der Geschäftsbereich ein gutes Ertrags- und CashflowPotenzial auf. Hier muss letztlich die Unternehmensführung entscheiden, ob die Aktivität hin zu stärkerem Wachstum restrukturiert oder weiterhin als Kerngeschäft ausgesteuert werden soll. • Kombination 10: Hierbei handelt es sich um ein klassisches Kerngeschäft, da hier ein gutes Ertrags- und Cashflow-Potenzial vorliegt. Aufgrund des durchschnittlichen Marktpotenzials entfällt die Funktion „Wachstum“. Auch Abschmelzungsgeschäft ist auszuschließen, da diese Funktion eher von rückläufigem Geschäft, d.h. niedrigem Marktpotenzial, ausgeht. In ähnlicher Weise sind alle 15 Kombinationen durchzudeklinieren. Letztlich steht damit hinter jeder Kombination eine Portfoliofunktion. Mit der Ermittlung der Kriterienkombination eines Geschäftsbereiches wird damit auch die Portfoliofunktion festgelegt. Damit füllen sich nach und nach die „Töpfe“ für Kerngeschäft, Finanzierungsgeschäft, Wachstumsgeschäft, Turnaroundgeschäft und Desinvestmentgeschäft. Auch wenn die vorgestellte Portfolio-Analyse im Vergleich zur BCG-Matrix deutlich differenzierter ausgestaltet ist, so bleibt doch anzumerken, dass es sich um ein festes Bewertungsschema handelt, welches in bestimmten Fällen gegebenenfalls zu „unglücklichen“ Ergebnissen führen kann. Vor dem Hintergrund der umfangreichen Konsequenzen für die einzelne Aktivität ist es daher erforderlich, jede einzelne Zuweisung von Portfoliofunktionen zu Geschäftsbereichen noch einmal kritisch von der bewertenden Institution und der Unternehmensleitung zu hinterfragen. 4 Steuerungsansätze auf Basis der funktionsbasierten PortfolioAnalyse 4.1 Graphische Analyse der Struktur des Geschäftsbereichsportfolios Eine wesentliche Stärke der BCG-Matrix liegt in der übersichtlichen Darstellung des Portfolios durch Anordnung aller Geschäftsbereiche in der zweidimensionalen Marktwachstums/Marktanteils-Matrix. Eine derartige Darstellung ist mit dem oben diskutierten Portfolioansatz nicht möglich. Gleichwohl kann auch bei diesem Ansatz die Portfoliostruktur anschaulich verdeutlicht werden. Im einfachsten Fall wird die Anzahl der Geschäftsbereiche in den einzelnen „Töpfen“ Kerngeschäft, Finanzierungsgeschäft, Wachstumsgeschäft, Turnaroundgeschäft und Desinvestmentgeschäft aufaddiert (vgl. Abbildung 4). 13 Abbildung 4: Verteilung der Geschäftsbereiche über die Portfoliofunktionen Kerngeschäft Finanzierungsgeschäft Wachstumsgeschäft Turnaroundgeschäft Desinvestmentgeschäft So zeigt sich etwa im Beispiel aus Abbildung 4, dass im Kerngeschäft die meisten Geschäftsbereiche (repräsentiert durch Punkte) vorliegen. Gleichzeitig existiert eine große Anzahl an Restrukturierungsfällen. In einem nächsten Schritt lässt sich die Bedeutung von Geschäftsbereichen durch einen Gewichtungsfaktor in die Betrachtung einbeziehen. Als Gewichtungsfaktor kann beispielsweise der Umsatz dienen. In nachfolgender Abbildung 5 wurden die Umsätze aller Geschäftsbereiche einer Portfoliofunktion aufaddiert und die entsprechenden Anteile am Gesamtumsatz in einem Kreisdiagramm dargestellt. Dargestellt sind zwei unterschiedliche Szenarien: Abbildung 5: Umsatzverteilung der Portfoliofunktionen nach zwei Szenarien Aus der Umsatzverteilung der einzelnen Portfoliofunktionen lassen sich Schlussfolgerungen hinsichtlich der Struktur des aktuellen Portfolios ziehen: • In Szenario 1 liegt ein hoher Anteil des aktuellen Geschäfts im Kerngeschäft. Damit wird voraussichtlich ein hoher Ertrag und Cashflow realisiert. Es ist zu erwarten, dass damit die Wachstumsaktivitäten sowie die Restrukturierungsaktivitäten finanziert werden können. Kritisch zu hinterfragen ist, inwiefern das aktuelle Portfolio geeignet ist, auch zukünftig erfolgreich zu sein. Der Anteil der Gesellschaften im Wachstumsgeschäft ist verhältnismäßig gering und das Kerngeschäft befindet sich überwiegend in gesättigten oder gar rückläufigen Märkten. Die zentrale Frage von Szenario 1 lautet: „Bin ich mit diesem Portfolio auch zukünftig noch wettbewerbsfähig?“ 14 • Das Portfolio des Szenarios 2 ist sehr stark von Wachstumsgesellschaften geprägt. Da Wachstum in der Regel immer auch hohe Investitionen erfordert, stellt sich die Frage, ob im dargestellten Portfolio das umsatzseitig verhältnismäßig kleine Kerngeschäft diese Investitionen finanzieren kann. Darüber hinaus ist ebenfalls mit hohen Auszahlungen für die Restrukturierungen der Turnaroundaktivitäten (z.B. umfangreiche Abfindungszahlungen) zu rechnen. Bei diesem Szenario lautet daher die zentrale Frage „Kann ich mir dieses Wachstum (und die Restrukturierungsmaßnahmen) aktuell leisten?“ Abbildung 5 verdeutlicht die Struktur des Portfolios zu einem bestimmten Zeitpunkt, beispielsweise für das aktuelle Geschäftsjahr. Allerdings lässt sich diese Portfoliodarstellung auch auf die zukünftige Jahre übertragen. Auf Basis der Planung der einzelnen Geschäftsbereiche kann die Umsatzentwicklung in den einzelnen Portfoliofunktionen der nächsten Jahre verdeutlicht werden. Damit erhält die Portfolio-Analyse einen dynamischen Aspekt, in dem die Unternehmensleitung die Umsatzentwicklung der Portfoliofunktionen im geplanten Zeitablauf analysieren kann. Analog zum Umsatz lassen sich auch andere Steuerungskennzahlen nach Portfoliofunktionen darstellen. So ist sicherlich ebenfalls interessant, welchen Cashflow-Bedarf die Wachstumsgesellschaften in den kommenden Jahren gemäß Planung benötigen und welchen Anteil davon das Finanzierungsgeschäft voraussichtlich abdecken kann. Graphische Darstellungen zu den Portfoliofunktionen unterstützen das Aufdecken von Schieflagen im Portfolio. Der große Nutzen liegt hierbei in der sehr anschaulichen und damit leicht zu kommunizierenden Präsentation der Ergebnisse. Eine tiefergehende Analyse ist allerdings unabdingbar. Die graphisch aufbereiteten Portfolio-Analysen stellen damit insbesondere einen wichtigen ersten Ausgangspunkt für weiterführende Untersuchungen dar. 4.2 Integration der Portfoliosegmentierung in einen Portfoliomanagementzyklus Ein wesentlicher Vorteil einer Vergabe von Portfoliofunktionen besteht darin, dass hiermit eine konkrete Steuerungsempfehlung für die Geschäftsbereiche verbunden ist. Die Geschäftsbereichsleitung muss dafür sorgen, dass die von ihr verantwortete Aktivität die zugewiesene Funktion im Portfolio ausfüllt. Dies lässt sich in einem nächsten Schritt mit exakten Zielvorgaben für jeden Geschäftsbereich konkretisieren. So erhalten Aktivitäten im Kerngeschäft beispielsweise Vorgaben hinsichtlich der zukünftigen Ertrags-, Cash- bzw. Wertgenerierung. Der Fokus bei den Wachstumsaktivitäten liegt hingegen im Wesentlichen auf Umsatzzielen. Diese Ziele sollten von der Unternehmenszentrale vorgegeben, d.h. Top-down, definiert werden. Damit wird sichergestellt, dass die Zielsetzungen aller Teilbereiche mit der Zielsetzung des Gesamtunternehmens übereinstimmen. Den Geschäftsbereichen obliegt es, die Planungsvorgabe stufenweise in detailliertere Teilpläne umzusetzen. 36 Aufgabe auf der Ebene der Geschäftsbereiche ist es folglich, geeignete Strategien und Maßnahmen zu finden, mit deren Hilfe das Geschäft in die vorgegebene Richtung gelenkt wird. Diese Strategien und Maßnahmen sind die Basis für die geschäftsbereichsspezifische Planung. Die Aggregation der Planungen der einzelnen Gesellschaften mündet schließlich in der Gesamtunternehmensplanung (Bottom-up-Planung). 36 Vgl. Schierenbeck/Wöhle, 2012, S.148 15 Insgesamt liegt damit ein geschlossener Portfoliomanagementzyklus vor. Der Zuweisung von Portfoliofunktionen zu Geschäftsbereichen (Portfoliosegmentierung) folgen die portfolioabhängigen, zentralen Zielvorgaben (Top-Down-Vorgaben). Auf Basis dieser Ziele erstellen die einzelnen Geschäftsbereiche wiederum ihre Planungen, die zur Gesamtunternehmensplanung aggregiert werden (Bottom-up-Planung). Der Abgleich von Zielvorgabe und geplantem Ergebnis eines Geschäftsbereichs fließt wiederum in die Überprüfung der Portfoliofunktion (Portfolio-Segmentierung) in der Folgeperiode ein (Abbildung 6). Abbildung 6: Portfoliomanagementzyklus Top-DownVorgabe PortfolioSegmentierung Bottom-UpPlanung Im beschriebenen Handelsunternehmen findet die Ermittlung der Zielvorgaben im Zeitraum August-September durch das zentrale Beteiligungscontrolling statt. Diese Zielvorgaben basieren zum einen auf den zugeordneten Portfoliofunktionen, berücksichtigen zum anderen aber auch die Planungen und Ist-Werte der vergangenen Jahre. Die Bestimmung der Zielvorgaben unterliegt hierbei einem iterativen Prozess: Zunächst werden für jeden Geschäftsbereich die Vorgaben unabhängig voneinander abgeleitet. Die Aggregation der Zielvorgaben aller Geschäftsbereiche zeigt, ob sich das Gesamtergebnis mit der Erwartungshaltung der Unternehmensführung deckt. Ist dies nicht der Fall, muss der Anspruch an die Zielvorgaben erneut angepasst werden. Spätestens Ende September werden die von der Unternehmensführung verabschiedeten Zielvorgaben an die Geschäftsbereiche kommuniziert. Die Geschäftsbereiche wiederum legen die Zielvorgaben ihrem Planungsprozess zugrunde, der von Oktober bis Dezember reicht. Das Ergebnis dieser Planung wird von Januar bis Februar in den Konzernfunktionen analysiert und fließt in die Überprüfung und gegebenenfalls Neuklassifizierung der Portfoliofunktionen im nachfolgenden Geschäftsjahr ein. 4.3 Herausforderungen in der praktischen Anwendung Mit der Zuweisung von Portfoliofunktionen und konkreten Zielvorgaben zu den Geschäftsbereichen wird versucht, die dezentralen Planungen in Richtung der Gesamtunternehmensziele zu lenken. Nur so können unternehmensübergreifende Ertrags- und Cashflow-Ziele erreicht werden. Darüber hinaus kann den Insolvenztatbeständen (Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit) frühzeitig durch entsprechende Steuerungsmaßnahmen begegnet werden. Bei 16 drohenden Zahlungsengpässen ist beispielsweise eine deutliche Zielverschiebung von Umsatz in Richtung Cashflow denkbar. Den offensichtlichen Vorteilen dieser Portfoliosteuerung stehen in der praktischen Anwendung jedoch einige Herausforderungen gegenüber: • Hierbei ist zunächst auf den Prozess der Portfoliosegmentierung einzugehen. Mithilfe der definierten Kriterien, der Verdichtung der Kriterien zu den drei Dimensionen sowie dem Allokationsprozess (Kriterienbaum) wird versucht, eine möglichst objektive Zuweisung der Portfoliofunktionen auf die Geschäftsbereiche zu erzielen. Gleichwohl fließen an unterschiedlichen Stellen subjektive Komponenten in den Prozess ein. Dies betrifft sowohl die Bewertung der einzelnen Kriterien (insbesondere der qualitativen Marktkriterien) als auch die Verdichtung der Kriterien zur Gesamtbeurteilung einer Dimension. Eine gewisse Subjektivität kann jedoch durchaus von Vorteil sein, wenn dadurch das volle Expertenwissen des Bewertenden in die Beurteilung einfließt und sich die Portfolioallokation nicht auf eine „rein automatische Berechnung“ reduziert. Gleichwohl stellt die subjektive Komponente den Ausgangspunkt für kontroverse Diskussionen dar. • Abhängigkeiten zwischen Geschäftsbereichen (z.B. Risikodiversifikationseffekte) lassen sich nur schwer über Kriterien erfassen. Die abgeleiteten Portfoliofunktionen (v.a. das Desinvestmentgeschäft) sind am Ende der Portfoliosegmentierung noch einmal kritisch vor diesem Hintergrund zu analysieren. • Mit der zentralen Vorgabe von Portfoliofunktion und konkreten Ziele werden gleichzeitig die unternehmerischen Entscheidungen des Managements vor Ort begrenzt. Die Geschäftsbereichsleitung wird im Wesentlichen daran gemessen, inwiefern es ihr gelingt, Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung der zentralen Zielsetzung zu entwickeln. Das kreative, unternehmerische Potenzial des Managements vor Ort wird teilweise kanalisiert. • Zwischen der Unternehmens- und der Geschäftsbereichsleitung können unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der zukünftigen Funktion des Geschäftsbereichs im Portfolio vorliegen. Werden die Geschäftsbereichsverantwortlichen gegen ihre Überzeugung in eine bestimmte Portfoliofunktion „gezwungen“, so kann dies dort demotivierende Effekte auslösen. Umso wichtiger ist es, in diesem Fall die Entscheidung hinsichtlich der Portfoliofunktion ausführlich zu erläutern und transparent zu machen. • Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass insbesondere dann Konflikte zu Tage treten, wenn einem Geschäftsbereich die Funktion Kerngeschäft zugewiesen wird, das Management vor Ort das Geschäft aber auf Wachstum aussteuern möchte. Die Funktion Kerngeschäft wird in diesem Fall von der Geschäftsbereichsleitung als Abstufung gegenüber dem Wachstumsgeschäft wahrgenommen. Auch hier ist eine intensive Kommunikation zwischen den Prozessbeteiligten erforderlich. • Die Portfoliosteuerung unterstellt, dass Aktivitäten klar in Funktionen unterschieden werden können. So ist jedoch durchaus denkbar, dass Tochtergesellschaften, die als eigener Geschäftsbereich geführt werden, sowohl ein Kerngeschäft (z.B. gesättigter Inlandsmarkt) als auch ein Wachstumsbereich (z.B. Auslandsaktivitäten in Emerging Markets) besitzen. Für eine präzise Steuerung muss das Geschäft der Tochtergesellschaft in zwei Aktivitäten mit eigener Portfoliofunktion getrennt werden. Hierzu müssen 17 die Controlling-Abteilungen der Tochtergesellschaften eigene Kennzahlenkränze für diese Aktivitäten bereitstellen. Insbesondere wenn das ausländische Wachstumsgeschäft über das inländische Kerngeschäft gesteuert wird, können hier möglicherweise nicht die erforderlichen Datenumfänge vorliegen. 5 Fazit Die Portfolio-Analyse wird, trotz mancher Rückschläge in der Vergangenheit, weiterhin ein wichtiges Instrument der strategischen Planung bleiben. Auch wird es in Theorie und Praxis immer wieder zu neuen Entwicklung bzw. Anpassungen bestehender Ansätze kommen. Im Rahmen dieses Beitrages wurde die funktionsbasierte Portfolio-Analyse eines Handelsunternehmens vorgestellt. Ein wesentlicher Unterschied zu den klassischen Ansätzen ist hierbei, dass die Unternehmensführung frei über die Definition der Portfoliofunktionen entscheiden kann und nicht in vordefinierte Funktionen eines bestimmten Konzeptes gezwungen wird (z.B. 4-Felder der BCG-Matrix). Für die Zuweisung von Portfoliofunktionen zu Geschäftsbereichen muss im Unternehmen ein Prozess etabliert werden, der für alle wichtigen Aktivitäten des Unternehmens durchlaufen wird. Der in diesem Beitrag vorgestellte Allokationsprozess stützt sich auf eine transparente, dreistufige Vorgehensweise. Ausgangspunkt ist die Definition von Portfoliofunktionen (z.B. Kern-, Finanzierungs-, Wachstums-, Turnaround- und Desinvestmentgeschäft). Im nächsten Schritt werden die Kriterien definiert, welche für eine Portfoliosegmentierung von Bedeutung sind. Die Zuordnung der Geschäftsbereiche zu den Portfoliofunktionen in Abhängigkeit ihrer Kriterienausprägung erfolgt schließlich über einen Kriterienbaum. Die hier vorgestellten Kriterien zur Herleitung der Portfoliofunktionen lassen sich unternehmensindividuell anpassen, was die hohe Flexibilität des Ansatzes unterstreicht. Auf Basis der Portfoliosegmentierung lassen sich diverse graphische Portfolio-Darstellungen ableiten, aus denen Ansatzpunkte für Schieflagen ersichtlich werden. Die Darstellungen stellen darüber hinaus ein geeignetes Kommunikationsinstrument der Ergebnisse dar. Bei Anzeichen für Fehlentwicklungen müssen gleichwohl tiefergehende Analysen vorgenommen werden. Die Portfolio-Analyse stellt folglich eine „Diagnosetechnik“ dar und liefert den Anstoß bzw. den Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen. 37 Ausgehend von den Portfoliofunktionen lassen sich in einem nächsten Schritt top-downdefinierte Zielvorgaben den Geschäftsbereichen zuteilen. Damit können die dezentralen Planungen der Geschäftsbereiche in Richtung einer unternehmensübergreifenden Zielvorgabe (z.B. Mindestanforderungen an Ergebnis und Cashflow) gelenkt werden. Die Herausforderung besteht hierbei insbesondere in dem Finden eines Kompromisses zwischen der schöpferischen, unternehmerischen Freiheit der Geschäftsbereichsleitung und der Lenkung durch zentrale Vorgaben. 37 Vgl. Nippa/Pidun/Rubner, 2011, S.64 18 Literaturverzeichnis Abell, D. F. (1980). Defining a business – The Starting Point of Strategic Planning. New Jersey: Prentice-Hall. Albach , H. (1979). Zeitschrift für Betriebswirtschaft. Strategische Unternehmensplanung bei erhöhter Unsicherheit, 703-715. Bea, F. X., & Haas, J. (2009). Strategisches Management. Stuttgart: Lucius & Lucius. Bühner, R. (2004). Betriebswirtschaftliche Organisationslehre. München : Oldenbourg Verlag. Drews, H. (2008). Abschied vom Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio nach über 35 Jahren Einsatz? Eine kritische Überprüfung der BCG-Matrix. Zeitschrift für Planung & Unternehmenssteuerung, 39-57. Hendersen, B. D. (2008, November). The product portfolio. 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