Auf Kreuzfahrt in Ostwestfalen

Auf Kreuzfahrt in Ostwestfalen
Leinen los für ein Wochenende mit Freundinnen / Bad Oeynhausen liefert Highlights
von Varieté bis Gourmet und Wellness auf wenigen hundert Metern – sogar
griechische Säulen gehören dazu und Literatur im Tempel
Von Knut Diers
„Es gibt kaum ein Hochzeitsbild vor unseren weißen Säulen der Wandelhalle, wo
hinten nicht eine andere Braut drauf ist“, sagt eine Mitarbeiterin im Kaiserpalais
gegenüber. „So viele kommen, wegen der Aussicht.“ Das sieht auch Carl von
Stieglitz so. Er ist aus dem vorletzten Jahrhundert gefallen und heute als beseelter
Stadtführer unterwegs. Carl-Christian Barnbeck, der Architektur studierte und in der
kleinen Stadt in Ostwestfalen aufwuchs, schlüpft meisterhaft in die Rolle des alten
Herren. Fragen nach „Warum bauten die Preußen hier griechische Tempel in den
Kurpark?“ beantwortet er umfassend. Der Tanz um die griechische Göttin Hygieia,
verewigt in einem Giebelrelief vom Badehaus II, ist für Barnbeck ein wichtiger
Angelpunkt. 1845 wurde die erste Badesaison eröffnet, nachdem Oberbergrat Carl
von Oeynhausen ab 1830 die Thermalsolequelle erbohrt hatte. Der König von
Preußen gab 1848 der „Badeanstalt in Neusalzwerk“ dann sogar dessen Namen:
Oeynhausen.
Heute hat der Stadtführer viele Frauen im Schlepptau, denn von all den Angeboten
des Staatsbades, sich eine Auszeit zu nehmen, scheinen die drei Tage „Zeit für
Freundinnen“ am beliebtesten zu sein. Ulla aus Köln meint keck: „Hier kann ich super
zum Friseur und Mode kaufen, die sogar in Düsseldorf keiner hat.“ Jasmin steht eher
auf fernöstliche Reize: „Ich lass mich in der Bali Therme massieren.“ Alle sind
abends im GOP Varieté, das im ehrwürdigen Kaiserpalais als erste Adresse einen
würdigen Rahmen hat. Der verzierte Saal, die roten Sitze und die atemberaubende
Akrobatik sind etwas für Freundinnen des besonderen Augenblicks.
Ulla und Jasmin wollen abtanzen
Martina Theel leitet das GOP und denkt nicht lange nach, als sie nach den
Besonderheiten der Kleinstadt an der Weser und dem Wiehengebirge in NordrheinWestfalen gefragt wird. „Sie müssen sich den Besuch in Bad Oeynhausen wie eine
kleine Kreuzfahrt vorstellen“, beginnt sie ihre Antwort. „Alles auf wenigen hundert
Metern: Varieté und Gourmetküche im Kaiserpalais von 1908, Bali Therme mit
mehreren Solekonzentrationen, Saunen und Wellness nebenan genauso wie ein
Hotel.“ Der 26 Hektar große Kurpark ist sogar vom Direktor der Königlichen Gärten,
Peter Joseph Lenné, selbst geplant worden. Theel setzt fort. „Kreuzfahrt mit dem
schönsten Ausblick auf Grün und Fontäne.“ Die nennt sich Jordansprudel und
schnellt rund 50 Meter in die Höhe. Auch Ulla und Jasmin schätzen das
„Kreuzfahrtgefühl“, denn sie haben gerade auf der Sonnenterrasse Platz genommen
– zum Genießen. „Heute Abend gehen wir Abtanzen im Kaiserpalais“, kichert
Jasmine, „mal gucken, wer da so auf uns guckt.“ Vorher ist die Showküche dran. „Da
gibt es sogar mein geliebtes Känguru-Fleisch“, meint Ulla.
„Qui si sana“ – hier gesundet man. Das steht im Boden des Mosaiks vom Badehaus
II. Darin kann jeder professionelle therapeutische Angebote zum Gesundwerden
buchen, wie Niels Backe, Leiter des RehaConcepts, betont. Tagesgäste wie auch
stationäre Patienten, allerdings voneinander sorgfältig getrennt, laufen hier wieder zu
ihrer früheren Höchstform auf. „Dieser Gästemix, das ist unser Erfolg“, betont Peter
Adler, Geschäftsführer des Staatsbades, das im Jahr rund eine Million
Übernachtungen vorweisen kann.
Die Elektrobahn heißt Wolkenschieber
Draußen surrt „EMIL – der Wolkenschieber“ vorbei. Melanie Plöger steuert die erste
elektrisch betriebene Touristenbahn in Deutschland. Zwei Wagen haben eine Rampe
für Rollatoren, Rollstühle und Kinderwagen. Der Name Wolkenschieber erinnert an
die Rollstuhlschieber Anfang des 20. Jahrhunderts. Das waren fleißige Helfer, die
Kurgäste durch den Park bugsierten. Heute noch ist der Kurpark, offen für alle, eher
ein Stadtpark und sozusagen das Herz der Stadt zwischen Osnabrück und
Hannover.
Zwischen den Bäumen ist gerade Melanie Goldbeck mit einer Schar von Frauen mit
Kinderwagen unterwegs. Die Kursleiterin von „BuggyMove & Mama Walk“ ist beim
Power Walking für junge Mütter, und die haben ihren Nachwuchs natürlich rollend
dabei. „Ich habe keine Zeit, muss gleich zum Kinder-Yoga“, ruft sie im Vorbeigehen.
Gelächter über die alten Briefe der Kurgäste
Inzwischen haben sich die Freundinnen am historischen Trinkpavillon versammelt.
Carl-Christian Barnbeck hat schon Stühle aufgestellt sowie alte Gemälde und Fotos
mitgebracht. „Ich lese heute aus alten Briefen von Kurgästen“, beginnt er seine
historische Stunde. Unterhaltsam, kenntnisreich und mit einigem Gelächter lässt
Barnbeck die Zeit schnell verfließen. Käse, Wein und Trauben haben sich die Gäste
selbst mitgebracht – ein vergnüglicher Nachmittag.
Morgen Abend ist das alte Kurtheater im Park dran. Ulla ist wild, den strahlenden,
wertvollen Kronleuchter zu sehen, ein Prunkstück. Jasmin hat etwas vom Blauen
Salon gehört, wo früher die Künstler nach ihrer Vorstellung noch Anekdoten zum
Besten gaben.
Solewasser testen, aber keiner wird seekrank
„Wirklich wie auf Kreuzfahrt“, sagt Jasmin, „wir haben unseren Spaß, alles nur ein
paar Meter weit, und keiner wird seekrank!“ Dann wagen sie doch einen Angriff aufs
Körpergefühl und gehen in die Wandelhalle, wo leere Gläser zum Zapfen des
Quellwassers stehen. Sie probieren. Ulla: „Gut.“ Jasmine: „Naja, ist bestimmt
gesund.“
Info
Auskunft: Staatsbad Bad Oeynhausen GmbH, Tourist-Information, Im Kurpark,
32545 Bad Oeynhausen, Tel. 05731 1300, www.badoeynhausen.de
Paket „Zeit für Freundinnen“: Zwei Übernachtungen/Frühstück, Tageskarte Bali
Therme mit Sauna, Bambus-Rohrzucker-Peeling balinesische Massage, Besuch
GOP Varieté, Adiamo Dance Club, „Kulturtasche“ mit Überraschungen, Gästekarte,
ab 229 Euro pro Person im DZ, bei drei Übernachtungen ab 278 Euro. Weitere
Angebote: Zeit für Balance, Zeit für Entspannung, Zeit für Zweisamkeit oder
Wohlfühltag ab 72 Euro.
Weitere Nahziele: Sielpark und Sültebusch mit Gradierwerk, Siekertal,
Parklandschaft „Aqua Magica“, entstanden zur Landesgartenschau 2000, mit
Wasserkrater, Klettergarten, Licht- und Klanginstallationen, Mündung der Werre in
die Weser.