GiE A M . o kin G N BLUT U L D L n E T U kES SC H AUSS E i E n L R F S nE V’15 AU EKTIVE WER SP RHAUS kULTU o n i k RETRO TRo MM ME A PRoGR KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut o n i k 015 nov 2 okT / 1 03 04 06 10 12 16 24 26 30 32 Flammende Herzen 34 36 44 71 77 78 79 80 81 83 Der Tag des Malers 84 86 87 88 Necronomicon Gerhard Heinz EDiToRiAL kino.MAGAZin WELTBiLDERMASCHinEn | ERNST KIENINGER iM SCHATTEn DES kinoS | PETER WEIbEL iCH MACHE DiE WinDELn DES FiLMS EIN GESPRäch mIT WERNER NEKES | DANIEL KOThENSchULTE AUSTRiAn PULP GENRE-KINO IN ROT-WEISS-ROT | PAUL POET inTERviEW GERHARD HEinZ | AL bIRD SPUTNIK PoRTRäT ERiC PLESkoW | GAbI FLOSSmANN DAS ALSo WAR DES PUDELS kERn EIN NAchRUF | TOmáš mIKESKA FiLM noiR RELoADED DIE SchATTEN DER mODERNE | FRANK STERN kino.PRoGRAMM RETRoSPEkTivE WERnER nEkES viEnnALE ’15 AUS FLEiSCH UnD BLUT RETRoSPEkTivE PETER kERn ERiC PLESkoW MATinEE konTRovERSiELL FiLM noiR DAS MUSEUM GEHT inS kino CinEMA SESSionS DiE FinALiSTEn DES LUx-FiLMPREiSES kino.PAnoRAMA AkTUELLES FiLMARCHiv AUSTRiA CLUB PRoGRAMMüBERSiCHT EDiToRiAL ERnST kiEninGER MEDIENINHABER UND HERAUSGEBER Filmarchiv Austria, Obere Augartenstraße 1, 1020 Wien REDAKTION Larissa Bainschab, Silvia Breuss, Ernst Kieninger, Tomáš Mikeska BILDREDAKTION Aldijana Bečirovič BILDBEARBEITUNG Martin Benner TEXTE Silvia Breuss, Gabi Flossmann, Ernst Kieninger, Daniel Kothenschulte, Tomáš Mikeska, Paul Poet, Al Bird Sputnik, Frank Stern, Peter Weibel KURATOR RETROSPEKTIVE AUS FLEISCH UND BLUT Paul Poet KURATOREN RETROSPEKTIVE PETER KERN Ario Marzban, Tomáš Mikeska KURATOR RETROSPEKTIVE WERNER NEKES Ursula Richert KOPIENBESCHAFFUNG Raimund Fritz LEKTORAT Silvia Breuss, Doris Kieninger, Peter Spiegel COVERFOTO Uliisses GRAFIK Perndl+Co DRUCK Wograndl, Mattersburg ADRESSE KINO, Programmzeitschrift des Filmarchiv Austria, Obere Augartenstraße 1, 1020 Wien, Tel: 01 216 13 00, [email protected], www.filmarchiv.at DANK Archiv Ronald Iraschek | Walter Bannert | Franz Berner, Wr. Neustadt | Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin | Diagonale | Filmladen, Wien (Doris Sumereder) | Filmmuseum München (Stefan Drössler, Claudia Engelhardt, Stephanie Hausmann) | Stefan Grissemann | Walter Gröbchen | Herzog Video, Garching an der Alz (Marcus Otto) | Valentin Hitz, Wien | Anneliese Holles, Berlin | Percy Hoven | Jupiter-Film, Neulengbach (Hans-Peter Blechinger) | Marco Kalantari, Tokyo | Günther Köpf, St. Pölten | Daniel Kothenschulte | Ulrike Krasa, Wien | Erwin Leder, Wien | El Moshinszky, Wien | Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden (Gudrun Weiss, Michaela Seim) | Martin Nechvatal, Wien | Werner Nekes | On Screen Film- und Videoproduktion, Wien (Manica Parii) | ORF Wien (Dagmar Fleischhacker) | Österreichisches Filmmuseum, Wien (Claudia Siefen) | Helmuth Pfandler, Spanien | Paul Poet, Wien | Polyfilm Filmverleih, Wien (Stefanie Stejskal) | Andreas Prochaska, Wien | Seitz GmbH Filmproduktion, München (Corinna Zumsande) | Sixpackfilm, Wien (Gerald Weber) | Stadtkino Filmverleih, Wien (Georg Horvath) | Michael Syneck, Wien | Verein zur Wahrung und Förderung des Gesamtwerks von Carl Andersen | Werkstattkino, München (Wolfgang Bihlmeir) Zwei Gassen weiter und 120 Jahre später wiederholt sich diese Bewegung, diesmal trifft der verewigte Augen-Blick des jungen Mannes aus 1896 auf die Besucher der ersten Ausstellung des neuen Kinokulturhauses: KINO.MAGIE! Die letzte Station der Ausstellung präsentiert den ersten Wiener Lumière-Film nochmals als serielle Einzelkader-Abfolge – ausgerollt in einer 360-Grad-Installation. Sichtbar wird der Raum zwischen den Bewegungsphasen, der direkt auf die Kernfrage der Ausstellung verweist: Was geschah wirklich zwischen den Bildern? Werner Nekes hat – vom experimentellen Film kommend – Antworten in den vielfach schon versunkenen Bilderwelten der Mediengeschichte gefunden. Kino entsteht immer im Kopf, so seine These – es ist eine Wahrnehmungskonstruktion, an der sich Schausteller, Wissenschaftler, Künstler und Geschäftsleute mit immer phantastischer und trickreicher werdenden Weltbildermaschinen abarbeiteten. Werner Nekes hat sich dieser kinoarchäologischen Grundlagenarbeit verschrieben und über die Jahrzehnte auf Flohmärkten, bei Sammlern oder in verschwiegenen Privatkollektionen Leitfossilien einer Jahrhunderte alten Mediengeschichte zusammengetragen, die im Kinokulturhaus nun im kongenialen Ambiente erstmals in Wien präsentiert werden. Ab 6. Oktober durchfluten zauberhafte Schattenspiele, magische Laternenprojektionen und verblüffende präkinematografische Laufbilder die rund um den Nucleus des alten Kinosaals entstandenen neuen Schauräume des Hauses und entwerfen eine Geschichte, die das Kino hier letztlich über sich selbst erzählt. Das METRO Kinokulturhaus wird dabei zu einem einzigen großen Projektionsort für das Spiel mit den Bildern. In das Kino hinein und aus dem Kino heraus strahlen historische Laufbildmanifeste, die im Kleinen immer auch auf eine Kulturgeschichte des Sehens verweisen. Die Verbindung von Kino- und Ausstellungsräumen öffnet neue kuratorische Handlungsfelder. Christoff Wiesingers Installation FRAMES denkt die Muybridge’schen Serienfotografien weiter und löst das Raum/Zeit-Kontinuum des Films in einer raumgreifenden Wundertrommel auf. In seinem Kinorotor lässt sich nach vorne und gleichzeitig zurückblicken, bilden sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig ab. Peter Weibels Intervention IM SCHATTEN DES KINOS löst schließlich das Dispositiv zwischen Projektions- und Zuschauerraum endgültig auf. Filmbänder laufen aus den Projektoren hinaus durch die Stockwerke des Kinokulturhauses. Am laufenden Band verbindet diese begehbare Filmprojektion die Themen der Ausstellung und legt die Grammatik der entscheidenden Kulturtechnik der Moderne offen. Grenzen sprengendes Kino zeigt das METRO Kinokulturhaus auch in der großen Filmarchiv-Retrospektive zur Viennale 2015. AUS FLEISCH UND BLUT, kuratiert von Paul Poet, ist eine aufregende Reise durch das österreichische GenreKino. Mit oft bescheidenen Mitteln und bisweilen selbstzerstörerischem Einsatz wurden kraftvolle Bilder, Kinematografisches auf der Höhe der Zeit aus dem Boden gestampft, das beinahe schon wieder vergessen war. Erst in die Tiefe gehende Grabungen haben hier hinter rauen Oberflächen einige bemerkenswerte Perlen eines exzessiven, mit vollem Körpereinsatz geschaffenen Kinos zu Tage befördert, das schöne Belege dafür liefert, welche Entdeckungen in den oft fließenden Übergangszonen zwischen Kunst und Kommerz immer noch zu machen sind. Mit diesem Oktober-Programm nimmt das Filmarchiv Austria den Betrieb des neuen Hauses in seiner ganzen Bandbreite auf und skizziert erste Leitlinien für die künftige Ausrichtung. Vor allem dank des außerordentlichen Engagements aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird – rechtzeitig zum 60. Geburtstag der Institution – damit auch ein alter Traum in Erfüllung gehen: mitten im Ersten Österreichs erstes veritables Ausstellungshaus für das Kino zu schaffen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch! EDiToRiAL E s fängt an unheimlich zu werden«, notierte das Illustrierte Wiener Extrablatt anlässlich der ersten Filmvorstellungen der Gebrüder Lumière in Wien – am 27. März 1896 ereignete sich der Urknall des Kinos in Österreich in der Krugerstraße/Ecke Kärntnerstraße. Vom zischenden Kohlenbogenlicht erleuchtet, flackerten die ersten »lebenden Photographien« über die Leinwand. Direkt vor dem Eingang des Cinématographé postierten die Lumières ihre Kamera und filmten das Straßenleben, ein erstaunter Passant dreht sich um und blickt direkt in das Objektiv, nicht ahnend, soeben Zeuge der legendären Anfänge eines Massenmediums geworden zu sein. 5 n i Z A G A M . o n i k Wienerinnen WELTBiLDERMASCHinEn. zUR AUSSTELLUNG KINO.mAGIE Im mETRO KINOKULTURhAUS ERnST kiEninGER KINO.mAGAzIN WELTBiLDERMASCHinEn 8 Die Geschichte dieser Weltbildermaschinen hat der Filmemacher und Sammler Werner Nekes zunächst aus seiner Filmarbeit heraus zu erkunden begonnen. Ausgehend von der These, dass sich Kino als Ereignis zwischen den Bildern erst im Kopf der Zuseher realisiert, hat er die kulturhistorischen Fährten dieser oft verborgenen Zwischenräume der Wahrnehmung aufgenommen und nach und nach einen faszinierenden Kosmos der medialen Weltaneignung erschlossen. Nekes begann wie besessen diese Weltbildermaschinen zu sammeln – als Artefakte teilweise auch versunkener Wirklichkeitskonstruktionen, Leitfossilien einer allzuoft rein teleologisch als Pre-Cinema-Ära gedeuteten Mediengeschichte legt Nekes die unglaubliche Vielfalt und die Verzweigungen der apparativen Welterzählungen offen und skizziert für die im Hier und Heute der digital verflüssigten, global über smarte Bildschirmoberflächen zirkulierenden Bilderströme Umrisse eines historischen Fundaments. Ausstellungsräume erobern, diese kleinen Manifeste der analogen Weltaneignung ihre geradezu magisch erscheinenden Bildentwürfe in engster Nähe zum Dispositiv Kino entfalten, unterstreichen auch die im neuen Haus möglichen kuratorischen Verbindungslinien zwischen den Film- und Ausstellungsräumen. LAUFBiLDUnivERSUM nEkES Die Sammlung Nekes zählt heute zu den weltweit bedeutendsten Kollektionen der Mediengeschichte; damit lässt sich trefflich eine Erzählung über das Kino beginnen, eine Erzählung, welche die Grundgrammatik des über Bildermaschinen vermittelten Sehens ebenso umfasst, wie eine Genealogie der damit verbundenen Wahrnehmungsveränderung. KINO.MAGIE – Was geschah wirklich zwischen den Bildern? haben wir die Eröffnungsausstellung im Metro Kinokulturhaus benannt. Eine Ausstellung, welche die Basiscodes des Prinzips Film offenlegt und nahezu alle Räume durchdringt, erscheint uns ideal, um die Programmatik des Metro Kinokulturhauses, und vor allem auch die hier über die Grenzen der Leinwand hinaus entstandenen Spielräume kongenial in Szene zu setzen. Dass diese wunderbar einfachen und verblüffend funktionalen Basis-Konstruktionen der Bild-Vermittlung nun aus dem Kino heraus die neuen Was geschah wirklich zwischen den Bildern? Werner Nekes hat seine Kinogeschichte von hinten aufgerollt, der bis heute größte Triumph der Laufbildtechnologie, die Erfindung des Films, bildet den Endpunkt der Ausstellung und gleichzeitig den Ausgangspunkt der Fragestellung. Von den ersten Filmaufnahmen der Gebrüder Lumière, deren Cinématographé 1896 auch in Wien debütierte, wirft die Ausstellung weite und großzügige Blicke zurück, fragt nach den Anfängen der Medien im weitesten Sinn, den frühen Formen der Schaffung von Bildern als konzentrierte Wirklichkeitsausschnitte. Als der berühmte Zug der Lumières auf der Leinwand die ersten Zuschauer verblüffte, war das Grunddispositiv der Projektion schon lange eingeübt, der Status des Publikums in einem »technischen Theater« schon in den Jahrhunderten davor von Laternamagica-Schaustellern festgelegt worden. Im Unterschied zu den darstellenden Künsten und der Schauspielerei berufen sich Camera obscura und alle folgenden Medien nämlich auf ein naturwissenschaftlich gewonnenes Weltbild, welches die Verhältnisse von Subjekt und Objekt neu definierten. Pre-Cinema- und Theatergeschichte lassen sich aus dem gemeinsamen Strang mimetischer Kultur nicht immer trennscharf sondieren, vielmehr bestehen massive Querverbindungen und Überlagerungen, die erst mit dem Geist der Aufklärung und der Trennung von Natur- und Kunstgeschichte deutlich auseinandergelegt wurden. Die Kinematographie und danach vielleicht noch das Fernsehen und das Internet waren die letzten großen Manifeste des maschinellen Bildes, auf dem Weg dorthin arbeiteten sich Generationen an Wissenschaftlern, Künstlern, Schaustellern und Geschäftsleuten am Topos der Wirklichkeitsübertragung ab. In der Ausstellung KINO.MAGIE wird diese kinoarchäologische Spurenlese zu einer sinnlichen Entdeckungsreise zur den Ursprungstechnologien von iPhone und Co. – in allen Bereichen zeigt die Schau die ewige Faszination des Sehens im Dunkeln, demonstriert, wie trickreiche Apparate Abbilder schufen, die bald beanspruchten, das Leben selbst zu sein. Wie die Zuschauer von illusionistischen Technologien in andere Welt- und Wahrnehmungshorizonte versenkt wurden, wie man andererseits mit den Bilderwelten aber auch einen immer perfekteren »Überblick« zu haben glaubte, KINO.mAGAzIN WELTBiLDERMASCHinEn W as geschah wirklich zwischen den Bildern?, fragt Werner Nekes 1986 in seiner gleichnamigen Kinodokumentation zur Frühgeschichte der optischen Medien und lenkt damit den Blick auf ein ebenso faszinierendes wie folgenreiches Kapitel der Kulturgeschichte. Zwischen den Bildern, der Welt und ihrer unmittelbaren sinnlichen Erfahrung intervenieren seit der frühen Neuzeit Apparaturen der Übersetzung, Vermittlung und Verschiebung des vermeintlich absoluten Augenscheins. Schon in den Jahrhunderte alten Schattenspielen, vor allem aber mit der Erfindung der Camera obscura teilt sich die Welt in ein Vorund Abbild, zwischen den Bildern entstanden neue Raum- und Zeitordnungen. 9 Was geschah wirklich zwischen den Bildern? Im Kino fasziniert bis heute der magische Zwischenraum, das Filmerlebnis, das noch auf der Straße nachwirkt, oft viele Tage, Wochen, unauslöschlich. In den virtuellen Bilderwelten des Smartphone-Alltags konstituieren sich zusehends Parallelwelten mit fließenden Überblendungen. Zwischen den Bildern steht ein handflächengroßer Schirm, der alle Realitätserfahrung in sich verschlingt und in weltweite Daten- (und Waren-)Ströme verwandelt. KINO.MAGIE ruft verloren gegangene Welterfahrungshorizonte wieder in Erinnerung, zeigt die historischen Bildmedien und Abbildungssysteme in ihrem Entstehungs- und Wirklichkeitszusammenhang. Indem die Sehapparaturen immer auch etwas von der Idee der allgemeinen Wahrnehmungsorganisation enthalten bzw. diese sogar mitunter ideologiestiftend mitbestimmen, lassen sich ganz überraschende Assoziationen zu weitläufigen Phänomenen der Sozialund Geistesgeschichte spannen. So wird die Erfindung der Camera Obscura erst im Zusammenhang mit der erstarkten Astronomie und der »Objektivierung« des Blicks mit aufklärerischem Sinn erfüllt. Die illusionistischen Guckkastenszenerien ebenso wie das Kulissentheater führen das Programm der Perspektive und des mathematisch »richtigen Sehens« zu massenhafter Verbreitung. Die mit Hilfe der Topographie, später Photographie produzierten Weltbilder bilden die durch neue Verkehrstechnologien verfügbar gewordene Ferne in mediale Reisesurrogate ab und antizipieren bzw. stimulieren die touristische Welteroberung. Die Erfindung des Kinos war wiederum nicht nur das Kondensat einer längeren Entwicklungsgeschichte von Apparaturen zur Erzeugung von bewegten Bildern, sondern steht auch in engem Zusammenhang mit der beinahe gleichzeitigen Entdeckung der Radiowellen und Röntgenstrahlen. All diese Errungenschaften befördern den Glauben an die Allmacht menschlicher Naturbeherrschung, demontieren aber gleichzeitig das Bewusstsein einer überschaubaren Welt zugunsten einer verborgenen, »zweiten« Wirklichkeit jenseits der unmittelbaren Erfahrung. Zwischen den Bildern war immer Platz für Verwandlungen, Überraschungen, Illusionen und Täuschungen, ein erstaunlicher Teil der Sammlung zeugt von dieser »Subgeschichte« der Medien. KINO.mAGAzIN WELTBiLDERMASCHinEn Eine andere Dimension dieser kulturhistorischen Erzählung ist die anhaltende Strahlkraft, die sie auf Film- und Medienkünstler aber auch auf die Kulturwissenschaften bis heute ausübt. Als Resonanz auf KINO.MAGIE wurden Medienkünstler, mit der Gestaltung von visuellen Interventionen betraut. Christoff Wiesinger hat eine kurze Filmsequenz als chronophotographische Rauminstallation für eine mehrstöckige Wundertrommel aufbereitet. In FRAMES, einem rundum begehbaren Laufbild-Zylinder, wird das Basisprinzip Kino zur Kenntlichkeit dekonstruiert. Auf der Suche nach der künstlerischen Darstellung des Augenblicks, erkundet Wiesinger neue Dimensionen zwischen den Bildern. Im Kinorotor lässt sich nach vorne und gleichzeitig zurückblicken, bilden sich die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig ab. 10 Das Spiel mit der Phänomenologie und Formenvielfalt der historischen Weltbildmaschinen nimmt die Medienkünstlerin und Filmarchiv-Mitarbeiterin Katharina Gruber auf. Mit Installationen wie einem interaktiven Schattentheater (in Zusammenarbeit mit Sarah Howorka), einer Animation der Muybridgeschen Reihenphotographien oder auch einer in Zusammenarbeit mit Filmarchiv-Mitarbeiter Ario Marzban in eine 360-Grad-Projektion ausgerollte serielle Einzelkader-Präsentation der ersten Lumière-Filme auf Wiener Boden realisiert sie die Fragen nach der Wirklichkeit der Bilder in digitalen Formatierungen. Was zwischen den Bildern geschah, zeigt Katharina Gruber in einem faszinierenden digitalen Bewegtbildgemälde: der Raum zwischen zwei Bilder- phasen füllt sich mit Elementen des dabei realisierten Bewegungsphänomens – und visualisiert damit die Grundfrage dieser Ausstellung. In der eigens für das METRO von Peter Weibel gestalteten Installation IM SCHATTEN DES KINOS laufen 35mm-Filmschleifen durch die Stockwerke des Kinokulturhauses zurück in die Pre-Cinema-Ära. Pure Laufbilder werden mit den Materialien des Kinos in ein neues Licht gestellt. Peter Weibel spielt mit dem Werkzeugkasten des Kinos, Zelluloid, Projektor, Licht und Leinwand, verwandelt das Stiegenhaus in eine begehbare Projektionsmaschine und reflektiert dabei das grundsätzliche Verhältnis des Kinos zu den Dimensionen Raum und Zeit. Am Ende ist wieder der Anfang, die Loops von Peter Weibels IM SCHATTEN DES KINOS verbinden und verknüpfen die Themen von KINO.MAGIE am laufenden Band. Das Filmarchiv Austria dankt den vielen Unterstützern und Ermöglichern des Projektes KINO.MAGIE, insbesondere Werner Nekes und Ursula Richert für die erstmalige Möglichkeit der Sammlungspräsentation in Wien, Christoff Wiesinger und Peter Weibel für die eindrucksvollen Installationen, sowie Florian Würrer und Sarah Howorka, die mit leidenschaftlichem Engagement zur Realisierung der Installationen beigetragen haben. Für die kongeniale Umsetzung eines Raumkonzepts konnte der renommierte Architekt und bekennende Cineast Gregor Eichinger gewonnen werden. Auf den vom Büro Eichinger Offices unter der Projektleitung von Anna Stürzenbecher entstandenen fast schwebend erscheinenden leichten Präsentationsmöbeln leuchten die kinomagischen Objekte der Sammlung Nekes besonders intensiv. Mein besonderer Dank gilt allen MitarbeiterInnen des Filmarchiv Austria, die in einer großartigen Teamleistung entscheidend zur Verwirklichung dieser Ausstellung – und eines alten Traumes beigetragen haben. AUSSTELLUNG KINO.MAGIE Was geschah wirklich zwischen den Bildern? 06.10.2015 – 30.03.2016 | Öffnungszeiten: MO – FR 14:00 – 21:00 Uhr | SA, SO, Feiertage 11:00 – 21:00 Uhr Zur Ausstellung erscheint ein reichhaltig illustrierter Katalog mit 16 internationalen Beiträgen, herausgegeben von Werner Nekes und Ernst Kieninger. KINO.mAGAzIN WELTBiLDERMASCHinEn beleuchtet KINO.MAGIE ebenso wie die immer weiter voranschreitende Technisierung der Bilder und die dann mit dem Kino systematisch organisierte visuelle Industrialisierung von Raum und Zeit. 11 iM SCHATTEn DES kinoS FILmINSTALLATION 1966/2015 PETER WEiBEL KINO.mAGAzIN iM SCHATTEn DES kinoS 12 Dieses expandierte Kino sollte durch die Variation der verwendeten Materialien nicht nur die Wahrnehmung verändern, sondern auch die Wirklichkeit und das Bewusstsein erweitern. 1966 war der Höhepunkt dieses Ideenlabors, aber erst ab 1967 hatte ich sporadisch die Möglichkeit, diese Ideen umzusetzen. Im Jänner 1967 konnte ich »Nivea« aufführen, ein Filmereignis, bei dem ich kein Zelluloid verwendete. Da Film mit Zelluloid identifiziert wird, nannte Ernst Schmidt jr. die Reihe dieser Filme »Film ohne Film«. Am 23. Mai 1968 konnte ich im Rahmen einer Studententagung im Stift Melk einige dieser »Filme ohne Film« verwirklichen, z.B. »Armes Kino«. Der Schatten von zufällig vorübergehenden Passanten in einem verdunkelten Saal wurde von einem Schweinwerfer an die Wand geworfen. Ich selbst, der Filmemacher, habe mit Klebeband diese Schatten fixiert. Nach einiger Zeit entstand ein Liniengeflecht auf der Leinwand, das den Film darstellte. Diese Vorführung erinnert klarerweise an die Legende vom Ursprung der Malerei. Plinius der Ältere beschreibt in seiner Naturalis Historia, der ältesten überlieferten Enzyklopädie des antiken Wissens, den Ursprung der Bildkunst und insbesondere des Porträts im projizierten Schattenbild. Die Malerei sei erfunden worden, als der Schatten eines Menschen an einer Mauer in Linien nachgezogen wurde. Die Bildhauerei, so Plinius weiter, sei entstanden, als die Tochter des Töpfers Butades in Korinth die Silhouette ihres Geliebten bei Lampenlicht an der Wand mit Linien nachzeichnete, bevor dieser in die Fremde ging. Der Vater füllte den Umriss mit Ton und schuf damit ein Relief. Ich habe also versucht, für die Projektionskunst und das Schattenbild eine neue Gleichung zu finden, indem ich das Schattenbild mit dem Bewegtbild und das Lichtbild mit dem Schattenbild vermengte und in vielfältige Beziehungen treten ließ. In dieser Zeit wollte ich auch im Sinne des reduktionistischen Programms der Moderne jede Spur der Abbildung der Gegenstandswelt tilgen, so dass ich einige Projekte entwarf, die nur die Materialien des Kinos selbstreflexiv einsetzten. Die Selbstdarstellung der Darstellungsmittel Punkt, Linie, Fläche, wie sie die abstrakte Malerei auszeichnet, wollte ich für den Film wiederholen. Bisher war ja der abstrakte Film, von Viking Eggeling bis zu Peter Kubelka, nur eine Wiederholung der abstrakten Malerei, nämlich Bilder von Linien, Punkten und Flächen, die sich in der Zeit als Bewegung auf der Leinwand entfalten. Für mich bedeutete Abstraktion Selbstdarstellung der Darstellungsmittel, also Selbstdarstellung der Materialität und der Operatoren des Kinos: Der Filmstreifen als Filmstreifen, der Projektor als Projektor, usw. Das Zelluloid sollte nicht durch einen Projektor laufen, um Bilder zu erzeugen, sondern der Projektor sollte als Projektor mit Farbe oder Wachs übermalt exponiert werden. Das Zelluloid sollte in einer Filmdose liegen und als Filmobjekt ausgestellt werden. Die Arbeit »Schatten des Kinos« sollte also Projektoren, Filmstreifen, Optiken, Filmbobbys, Kameras etc. als solche zeigen. Ich dachte mir einen großen Raum, den das Publikum betreten konnte und in dem das Publikum von vielen Filmstreifen umgeben war, die auf Rollen durch den Raum gezogen wurden, usw. Der Kinosaal sollte selbst ein großer Projektor sein und das Publikum sollte in diesem Großprojektor (als Kinosaal) herumwandern können. Klassisches Kino ist ja von der Kamera bis zum Projektor eine Radtechnologie, welche die Illusion der Bewegung als Bild zeigt. Nun wollte ich, dass das Publikum diese Technologie sieht, aber kaum die Bilder, die mit deren Hilfe erzeugt werden. Der Raum mit filmischen Materialien und Operatoren sollte ein begehbares kinetisches Kunstwerk sein. Ich danke dem Filmarchiv Austria, dass mir anlässlich der Eröffnung des Metro Kinokulturhauses im Oktober 2015 die Gelegenheit gegeben wird, diese Idee aus dem Jahr 1966 angepasst an die architektonischen Gegebenheiten des Stiegenhauses erstmals verwirklichen zu können. Materialien: Altfilme (s/w und Farbe), Transparentfilme (eingefärbt), Weißmaterial, Vorspänne, motorbetriebene Rollen, Bobbys, Projektoren (hand-, motorbetrieben), Scheinwerfer, Diaprojektoren, Lampen, perforiertes Papier. Die Installation »Im Schatten des Kinos« bildet den Auftakt zu einem größeren Ausstellungsprojekt, das Peter Weibel in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria realisieren wird. KINO.mAGAzIN iM SCHATTEn DES kinoS S eit 1964 mache ich Filme und seit dieser Zeit versuche ich, die Wahrnehmung und die Definition dessen, was Film sei, zu erweitern. Zuerst analysierte ich auf materieller Ebene, welche Materialien und Maschinen das Kino verwendet, z.B. Zelluloid, Projektor, Kamera, Leinwand, Kinosaal etc. Diese Operatoren des Kinos bilden ein Ensemble von Verfahren, die – in der richtigen Reihenfolge verwendet – am Ende ein bewegtes Bild auf einer Leinwand produzieren. Ich habe dann begonnen, diese Operatoren auszutauschen, z.B. elektrisches Licht gegen Feuer, oder manche ganz wegzulassen, z.B. Filme ohne Zelluloid oder ohne Kamera. Ich nannte diese Art von experimentellem Kino mit seiner Betonung der Materialität, der Kommunikation entweder Para-, Post- und Prä-Cinema oder Expanded Cinema. 13 DAniEL koTHEnSCHULTE einfach mal sehen konnte. In der Zeitschrift hat mich etwa Stan Brakhage sehr beeindruckt. Nun liegt darin ja auch etwas Humorvolles, wenn sozusagen aus einem Malheur heraus etwas erfunden wird. In deinen Filmen erkenne ich das wieder: Einerseits sind sie streng strukturiert, dann haben sie aber auch etwas Verspieltes, das von der Lust an der Erfindung erzählt. Ja, man arbeitet gegen die Regeln. Das muss man ja eigentlich nicht. Es ist aber die Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten, die in den Fehlern liegen. Genauso ist ja das Spiegelei erfunden worden: Das Ei ist einfach hingefallen. Und wer hat gewonnen? Brakhage natürlich! Wenn man die Regeln neu erfindet, muss man sich ja über alle Regeln hinwegsetzen, die es schon gibt. Nun sind in der Filmgeschichte ja laufend Regeln aufgestellt worden, wie lang ein Film zu sein hat, die Genres und selbst der Kunstfilm haben ihre Regeln. Bei dir gibt es diese Grenzen nicht. Deshalb wirken die Filme ja auch heute, wenn man sie sich anguckt, relativ frisch. Zum Beispiel jüM-jüM, der in mühevoller Handarbeit aus Einzelbildern geklebt ist, aber wenn man das heute digital machen würde, hätte es nicht diese Frische. Es würde steril wirken. Oder auch START, wo ich einfach nur auf der Wiese hinund hergehe. Und auch die Enden und Abfälle des Films, wo es dann hell wird, auch mit hinein schneide. KINO.mAGAzIN WERnER nEkES In den 60er jahren gab es in Deutschland eine kleine Experimentalfilmszene, für mich warst du da sozusagen der König dieser Avantgarde. Das bin ich immer noch. Gab es denn überhaupt Kontakt zur internationalen Filmavantgarde? Ich kannte das New American Cinema nur aus der Filmzeitschrift Film Culture … Fehlstart 14 … die jonas Mekas herausgab. Und dann, 1967, hatte ich P. Adams Sitney ins AmerikaHaus nach Hamburg eingeladen, damit man diese Filme Hast du ihn dann später kennen gelernt? Ja, in New York. Er erzählte mir, dass er sich mit dem Wiener Filmkünstler Peter Kubelka geprügelt hat. Der hatte nämlich erzählt, es gäbe nur drei wichtige europäische Regisseure: Carl Theodor Dreyer, Robert Bresson – und Kubelka. Und Brakhage hatte auch schon ein paar Kurt-Kren-Filme gesehen und sagte, so kannst du das nicht sagen. Da hat es dann einen kleinen Boxkampf in den Rocky Mountains gegeben. Waren deine Filme denn schon damals in Wien bekannt? Ich bin 1969 von Kubelka und Peter Konlechner ins Österreichische Filmmuseum eingeladen worden, die waren auch beide sehr nett. Aber da gab es dann das Manifest von Peter Weibel, Ernst Schmidt jr. und anderen, die sagten, im Filmmuseum darf man keine Filme zeigen, weil die uns nicht zeigen. Und da hatten sie in gewisser Weise auch Recht. Aber ich war nun schon in Wien und wollte meine Filme dann auch nicht zurückziehen. Du warst dann für die der »Streikbrecher«. Ja, das hat mir leid getan. Inzwischen verstehe ich mich mit Peter Weibel gut. Sehen wir denn jetzt in Wien erstmals dein Gesamtwerk? Ja, alle Filme bis auf die Performances. Die Kopien müssen leider dabei leiden, weil man sie ja eigentlich digitalisieren müsste, damit sie nicht verschwinden. Lass uns einige Filme kurz näher vorstellen. Dein Erstling ist ein Künstlerfilm, TOM DOyLE UND EVA HESSE, 1965 noch in 8 mm gedreht. Ein bedeutendes Dokument dieser früh verstorbenen Malerin und Plastikerin. Ich hatte sie bei den Oberhausener Kurzfilmtagen kennen gelernt. Wir hatten uns befreundet, und ich hatte gerade meinen Führerschein gemacht. Den Wagen von meinem Vater konnte ich mir immer leihen, und ich war so begeistert von den Arbeiten, dass ich jedes Wochenende bei den beiden war. Wir sind dann gemeinsam nach Irland gefahren und haben die Londoner Museen besucht. Ich war praktisch ein Schüler. Dann folgten 1966 die ersten Avantgardefilme in 16 mm, bezeichnender zuerst FEHLSTART und dann START ... FEHLSTART kam durch eine Wette mit einem Studienkollegen zustande, wo man sagte: Morgen oder übermorgen habe ich ein Drehbuch, und das wurde dann realisiert, mit einer geliehenen Kamera und Hilfe durch einen Kameramann, weil ich ja nie eine Kamera in der Hand hatte. Schneiden habe ich mir selbst beigebracht. Ich hatte Nestor Almendros, den Kameramann, in Frankreich kennen gelernt, der hat mich mit zum Fernsehen genommen. Da durfte ich mir Papierkörbe voller Filmmaterial einpacken, damit habe ich Schneideübungen gemacht. Später wurde Almendros sehr berühmt als Kameramann für Truffaut und Terence Malick. Damals war er noch nicht so lange aus Kuba gekommen und ich durfte bei ihm lernen. Aber brauchte ein Film wie START, wo du unter anderem auf unterschiedliche Arten über eine Wiese gehst, ein Drehbuch? Ich hatte so kleine Skizzen gemacht und Requisiten, und auch einige Bilder, die Dore gemalt hat, die durfte da noch nicht mitwirken … Dore O., später Partnerin und selbst Avantgardefilmerin. Ich war in ihrer Familie ein seltsamer Vogel mit bunten Socken und langen Haaren, aber später hat sich dann alles gefunden. Bei ARTIKEL durfte sie dann mitmachen. Oder sie hat heimlich mitgemacht, das weiß ich nicht mehr. In ARTIKEL, ebenfalls 1966 entstanden, sieht man bereits dein späteres Stilmerkmal einer Dualität sich abwechselnder Bilder, aus deren Folge, wie beim Thaumatrop, diesem optischen Spielzeug, gleichsam etwas Neues entsteht. Das war der erste metrische Film, wo aus den Bildzahlen der Schnitt bestimmt war. Das klingt sehr mathematisch, aber in der Wahrnehmung wirkt diese Struktur organisch … Man nimmt sie nur als graduelle Beschleunigung wahr. Wie wichtig war dir neben der Technik das Sujet eines solchen Films? Hier geht es ja um die Dualität von Mann und Frau und die mögliche Vereinigung. Ja, so was wie Liebe schwingt da schon mit. Das ist ein Motiv, das sich bis zu deinem letzten langen Film, DER TAG DES MALERS (1997), durchzieht, einer Reflexion über den Akt in der Kunstgeschichte. Richtig, oder in JÜM-JÜM oder KELEK. Dort ist die erotische Situation auf die Blenden übertragen, indem ich die Straße auf- und abblende, wie ein erotischer Rhythmus. Es ist die Straße, in der ich in Hamburg gelebt habe, und insofern ist es auch ein Dokumentarfilm über mein Leben in Hamburg, wo die Erotik Bestandteil meiner damaligen Lebensform war. Und es ist faszinierend, wie das Publikum darauf reagiert. Da habe ich Tonaufnahmen gemacht, wie die Leute sich vorher noch angeregt unterhalten, was sie draußen erlebt haben, und dann kommt die erotische Szene, und es ist schlagartig still. KINO.mAGAzIN WERnER nEkES »iCH MACHE DiE WinDELn DES FiLMS« EIN GESPRäch mIT WERNER NEKES Das Filmarchiv Austria ist unter anderem bekannt für seine bedeutende Sammlung zum frühen Kino. Das passt gut zu deiner Arbeit, nicht nur als Sammler, sondern auch als Künstler. Lange bevor die breite Wiederentdeckung der Anfangszeit des Films einsetzte, hast du dich in experimentellen Filmen damit beschäftigt. Das hat mich sehr beschäftigt, der erste Schnitt, die erste Kamerafahrt. Der Franzose Jean Mitry hatte darüber geschrieben. Oder wie der Stopptrick erfunden wurde: Bei Georges Méliès hatte einfach die Kamera den Film nicht transportiert. So gibt es viele kleine, einzelne Schritte, die sich zur Sprache des Films entwickelten. 15 In deinem Film DER TAG DES MALERS zitierst du ein lange tabuisiertes Werk der Kunstgeschichte, Courbets »Der Ursprung der Welt«, eine detaillierte Darstellung des weiblichen Genitalbereichs. Der erste Besitzer des Werkes war ein türkischer Diplomat, der es hinter einem Vorhang zeigte. Später gehörte es dem Psychoanalytiker jacques Lacan, der es hinter einem surrealistischen Gemälde versteckte. Kann man nicht das Flackern der sich abwechselnden Bildkader in deinen Filmen auch als eine Art Vorhang sehen, der den erotischen Reiz betont? Das glaube ich auch. Obwohl deine Filme auf Sekundenbruchteile hin ausgearbeitet sind, drängte es dich früh zu abendfüllenden Längen. KELEK dauerte bereits eine Stunde. Ich habe mir ja überlegt, dass ich sagen will: Das ist normales Kino. Und dazu gehört eben auch eine normale Kinolänge. Und sofern war ich immer unter dem Druck, etwas Vollständiges zu machen, das sich auch in die Kinolandschaft einfügt. Und das gab mir dann auch die Möglichkeit, das bei der Filmbewertungsstelle einzureichen, wo ich häufiger ein Prädikat bekam, wovon ich dann leben konnte. Das heißt, auch ein Experimentalfilm wie der 76-minütige NEBULA (1969) lief damals in den Kinos. Ja, der hatte sein Publikum. Vor der Vorführung in Wien ist er allerdings sehr lange nicht gelaufen. Du hast ihn angekündigt als »einen Film in der Form eines aus dem After heraushängenden Darms«. Da drückt sich eher die Aggression gegen das Publikum aus. Dass das so ungeduldig ist. KINO.mAGAzIN WERnER nEkES Also eine Publikumsbeschimpfung. Das ist natürlich auch eine schockierende Formulierung. Das sind ja auch die »Windeln des Films«, die ich mache. 16 Wenn die Bilder laufen lernen, dann müssen sie auch mal Windeln tragen, das ist ja die logische Folge davon. Ja. Ich habe ja dann bei den langen Filmen angefangen mit LAGADO, weil ich auch den Ton integrieren wollte in die experimentelle Arbeit. Ich war zu einem Seminar mit Studenten eingeladen worden, einer meiner Schüler war Adolf Winkelmann. Es waren auch die Zwillinge dabei, Julia Winkelmann und ihre Schwester Gisela, die zur Kommune 1 gehörten. Gisela heiratete später den Millionär Getty. Ich wollte im Seminar nicht nur reden, sondern einen Film machen. Anthony Moore war mit dabei, und dann haben wir überlegt, was wir mit den Tönen machen können. … Der später mit Pink Floyd arbeitete und als Klangkunst-Professor an der Kölner Medienhochschule lehrte. Er kam um 1970 nach Hamburg und musste immer wieder meine Filme vertonen. Ich bin bis heute mit ihm befreundet. Als ich ihn kennen lernte, war er fasziniert von der chinesischen Klanggeschichte. Dazu kamen dann die Filme MIRADOR und HURRICANE, der Abschiedsfilm von Hamburg und der Ankunftsfilm in Mülheim an der Ruhr, wo ich dann gute Freunde dokumentarisch mit dem Computershutter aufnehme. Und eine längere Szene, wo Helge Schneider dann zum ersten Mal den Ton macht. Das heißt, es sind autobiographische Filme. Ja, ich porträtiere meine Freunde. Dein Weg ging dann zu Langfilmen, die erzählend und experimentell in einem waren. über ULIISSES schrieb der Kritiker Hans-Christoph Blumenberg in der Zeit, es gäbe keine filmische Technik, die darin nicht vorkäme. Ich konnte die Premiere in der Frankfurter Alten Oper machen. Helge Schneider und Anthony Moore gaben ein Entrée, zu dem ich Laternenbilder zeigen konnte: Die Odyssee als Laterna-Magica-Spektakel, mit Bildern des wichtigen deutschen Laternenmachers Paul Hoffmann. Gesungen hat Dagmar Krause, die damalige Frau von Anthony. Zugleich hatte ich die Eröffnungsausstellung im Frankfurter Filmmuseum, »Die Alchemie des Blicks«. Inzwischen ist das Frankfurter Filmmuseum ja leider kaputt saniert worden, die ganze Innenarchitektur, die gewundenen Gänge zum frühen Kino, der Eindruck der alten Villa, alles weg. Es ist ein Jammer. Der ganze Reichtum ist verloren gegangen. 1979 entstanden dann noch zwei Filme mit joseph Beuys. Hat der sich denn Regieanweisungen geben lassen? Ja, der hat alles gemacht, was wir ihm gesagt haben, war total kooperativ und erkundigte sich bei mir, was seine Tochter mal studieren sollte. Die Idee, mit dem Rücken zur Kamera zu stehen, kam von dir? Ja, und er war froh, dass er nicht in die Kamera gucken musste, was sonst in den anderen Filmen der Fall war. Was er erzählt, ist dokumentarisch. Die Beschreibung seiner eigenen Arbeit. Das endet dann mit dem genialen Einfall, dass er dreimal sagt: »Dass dieser ganze Ansatz, dass dieser ganze Ansatz, dass dieser ganze Ansatz«. Das war ein genialer Schluss. Ich bin nur traurig: die Plastik, die er für den anderen Film gemacht hatte, PEGGY UND DIE ANDEREN, hatte er in meinem Studio liegen lassen. Da habe ich doch wirklich noch angerufen und gesagt: Wann holt ihr die Sachen ab? Zu Gast bei Werner Nekes Dieser zweite Film war für Kaspar Königs WestkunstAusstellung entstanden. Ja, da hätte ich eigentlich zehn Filme machen sollen, aber dann ist es zum WDR gewandert zu der Redakteurin der Hundert Meisterwerke, Wibke von Bonin. Und die hat sich dann darüber hinweggesetzt, was König vorgeschlagen hatte und mich nur einen machen lassen. Weil sie sich nicht sicher war, was das werden könnte. Ich weiß gar nicht, wo das Negativ ist. Dann entstanden Dokumentarfilme, die deine eigene Sammlung vermittelten. Hast du eigentlich für die Filme gesammelt, um etwas zu belegen, oder gab es die Sammlung schon für sich? Ich wollte einen Film machen, der dann WAS GESCHAH WIRKLICH ZWISCHEN DEN BILDERN? geworden ist, und dann musste ich schon für Reproduktionskosten aus einem alten Buch soviel bezahlen, dass ich dachte, ich sammle die Bücher und kann sie dann abbilden. So hat sich ergeben, dass ich die Konzeption des Frankfurter Filmmusuems machen und mit einer Abordnung durch europäische Filmmuseen fahren konnte. Das war ja auch lange sehr erfolgreich, jetzt dümpelt es eher vor sich hin. Mein Sammelgebiet hat sich inzwischen erweitert. Ich habe den ersten (mechanischen) Fernseher von 1925 gekauft, der noch die Nipkow-Scheibe benutzt. Bei der Versteigerung war ich leider in Konkurrenz zu einem koreanischen Videohersteller, der das Gerät auch gerne gehabt hätte. Was ich bezahlt habe, darf ich gar nicht sagen. Ich wollte jetzt gerne mal diese Bilder sehen. Die sind in Streifen aufgelöst, aber das Gerät darf ich gar nicht anstellen. Das Risiko, dass die alte Röhre den Geist aufgibt, ist zu hoch. Das über Tonwellen übertragene Bild ist nur vier mal sechs Zentimeter groß. Da komme ich weiter, wenn ich mit einer modernen Kamera durch diese Scheibe filme. Da möchte ich gerne einen ganzen Film damit machen. Hast Du noch Ambitionen, Filme zu machen? Ja, aber ich komm gar nicht dazu, das Material, das ich schon aufgenommen habe, zu bearbeiten und Filme daraus zu machen. Ich habe so viele Kisten. Ich hatte ja DER TAG DES MALERS gedreht, und das ist dann DIE NACHT DES MALERS. Es sind einzelne Takes, sehr schöne Sachen. Und DER TAG DES MALERS ist ja auch leider fast nie gelaufen. Der lief zur Eröffnung beim Festival in Venedig. Und dann hatte ich die Pressevorführung am nächsten Morgen, das war genau der Tag, an dem Lady Di den Unfall hatte. Da hingen natürlich alle Journalisten nur noch am Telefon, und es war niemand mehr übrig, der in der Vorführung war. Bei Frauen und Film ist er verrissen worden, dann hatte ich keine Lust mehr, ihn ins Kino zu bringen. WERNER NEKES ist dein deutscher Experimental-Filmemacher und Sammler historischer optischer Objekte. Als Initiator und Mitbegründer der deutschen Film-Coop (1967) nahm er 1969 eine Professur für Film und Medien in Hamburg an, er lehrte in der Folge an zahlreichen Film- und Medienhochschulen Deutschland und gab Vorlesungen in vielen Ländern. Die bekanntesten Werke sind der experimentelle Spielfilm ULIISSES sowie die sechsteilige Film-Folge über seine Sammlung, MEDIA MAGICA. In den 70er Jahren begann Werner Nekes systematisch optische Geräte und Medienliteratur aus aller Welt zusammenzutragen. Heute umfasst seine Sammlung der »Medienarchäologie« mehr als 35 000 Objekte. KINO.mAGAzIN WERnER nEkES Ich habe den Eindruck, das ist noch heute so – obwohl doch die meisten Tabus in der visuellen Darstellung von Erotik gefallen sind. Ja, das ist nicht selbstverständlich. 17 AUSTRiAn PULP GENRE-KINO IN ROT-WEISS-ROT PAUL PoET WiLDES kino: »in PRAiSE oF CHEESE!« Schulmädchenreport Mitreißende Bilder. Ungezügelter Bildhedonimus. Vom Hier und Jetzt loslösende Schock-Momente. Gedankenfreiheit jenseits aller politischen Korrektheit. – Erwachsene Märchen eben. All das, was Filmförderung und Prime-timeFernsehen als Hauptfinanziers des deutschsprachigen Kinos in den letzten Jahrzehnten erfolgreich zu verhindern oder zumindest in eine harmlose Version zu betäuben wussten. Nichtsdestotrotz sind zwei Annahmen falsch: Erstens, dass dieses sogenannte »Kino des Trivialen« automatisch ein niederes, dummes und langweiliges ist. Nicht nur Verkaufszahlen, auch die kanonisierte Filmgeschichte beweisen nämlich das Gegenteil. Und zweitens, dass ein solches Genre-Kino in Österreich oder aus österreichischer Hand nicht existieren kann. Denn das Institut Schamlos bemüht sich gemeinsam mit dem Filmarchiv Austria schon seit Jahren, mit der Kino-Retrospektive AUS FLEISCH UND BLUT die versteckten Marksteine, die verkannten Meisterwerke, die bemerkenswerten Preziosen, das spektakulär Gescheiterte und die bizarrsten Partyfilme des spekulativen Kinos zusammenzutragen, das man in Österreich trotz aller aktuellen Erfolge wie DAS FINSTERE TAL und ICH SEH, ICH SEH nach wie vor – durch die gutbürgerliche Brille – sagen wir, skeptisch betrachtet. In Zusammenarbeit mit der Viennale konnte nun die bislang umfangreichste Rückschau dazu ermöglicht werden, die ehemaligen Szeneprotagonisten wie dem steirischen Schlagerstar Christian Anders oder Ernst Hofbauer, Wiener Gottvater der deutschen Sexploitation, endlich ihren verdienten Platz im Pantheon des rot-weiß-roten Autorenfilms zuweist. PULP ESSEnCE – EinE WoRTERkLäRUnG Es mag schon was heißen, wenn allein die Bedeutung des Wortes Pulp 21 Jahre nach Quentin Tarantinos Durchbruchswerk PULP FICTION nur peripher bekannt ist. Im Lauf des 19. Jahrhunderts gewannen Groschenhefte und Volksromane – Dime Novels oder Penny Dreadfuls – als Unterhaltungsfutter der arbeitenden und reisenden Bevölkerung der Industriegesellschaft zunehmend an Bedeutung. Das war leichte, reißerische Literatur aus dem Schnellkochtopf, die alle klassischen Stereotype bediente: von Cowboys, Superhelden und außerirdischen Monstern bis hin zu den halb bekleideten Frauen, die der Eine vor den Anderen zu retten hatte. Gedruckt wurde einseitig, kleinformatig auf A5, auf billigsten Materialien, zunächst auf Lumpen und Hadern, schließlich auf Holzschliff – eben Pulp. Zwischen den 1920er und den 30er Jahren – nicht zufällig die Jahre der Weltwirtschaftskrise – vermengten sich diese Medien der Zerstreuung mit Comic-Strips und den beginnenden Lifestyle-Magazinen und traten großformatiger und auch optisch mitreißender auf: Vornehmlich Krimis, Science-Fiction, Fantasy, Horror, Krieg und Abenteuer, Aufklärungsschriften und Sozialdramen, aber auch Arzt-, Heimat- und Herzschmerz-Romane profilierten sich gerade KINO.mAGAzIN AUSTRiAn PULP S chmutz und Schund und Bahnhofsschmuddel. Schweinkram, Kintopp, Kolportage. Es mangelt dem ambitionierten Kulturbewerter nicht an Schimpfvokabular, wenn es um das sogenannte »Genre-Kino« geht, um flimmernde Vergnügungsware nach einfacher, bewährter Rezeptur, angereichert mit den großen Geschmacksverstärkern Sex, Sleaze und Nacktheit, Grusel, Gewalt und Niedertracht. Also genau das, was die »Generation Tarantino« heute gern auf dem Speiseplan sieht. 19 in dieser Zeit als eigene Genres. Entgegen aller Mythen waren diese auch nie unpolitisch, sondern handelten Themen des Zeitgeists, soziale Fragen und aktuelle Probleme in schnellen, plakativen Schlagzeilen und einfachen Wunschvisionen wie »Nachtmahren« ab. Und sie tauchten mit Vorliebe eben dort auf, wo auch das gerade erst beginnende Kino seine öffentlichen Schauplätze fand: auf Jahrmärkten, an Bahnhöfen, in Gastwirtschaften, Nachtbars und – last not least – in Herrensalons. Es mag schon was heißen, wenn allein die Bedeutung des Wortes »Pulp« 21 jahre nach Quentin Tarantinos Durchbruchswerk »Pulp Fiction« nur peripher bekannt ist. KINO.mAGAzIN AUSTRiAn PULP »nACHTMAHR«-FAHRTEn: DiE EnTSTEHUnG DES GEnRE-BEGRiFFS 20 Durch ihre plakative, in Folge bildgewaltige Natur und ihre Popularität formte diese Schundliteratur das frühe Kino bis heute grundlegend mit – mal mit mehr, mal mit weniger Anspruch. Ihre Erzählgattungen, also Genres, die breit verständliche Mythen und Stereotype in feste Narrationsmuster pressten, bildeten die ideale Basis für eine komplexe Kulturform wie die des Kinos, die nicht nur in einen Dialog mit dem Intellekt des Publikums, sondern auch mit dessen Sinnlichkeit, Sehnsüchten und Körperlichkeit trat. Damals bildeten Leinwand-Adaptionen deutscher Klassiker wie FAUST oder diverser Bibel-Epen eher die Ausnahme, während das Gros heute rundum anerkannter Stummfilmklassiker im Schund regelrecht badete, und man beachte – darunter Werke von Robert Wiene, Fritz Lang, Henrik Galeen, Georg Wilhelm Pabst, Mihály Kertész und des späteren CASABLANCA-Regisseur Michael Curtiz. Mit ihren Mondfahrten, Erdgeistern und Serienmördern bliesen sie mit Hilfe des Trivialen zum großen Bilder- und Inhaltssturm – entgegen dem »guten Ton« der großen Opern und bürgerlichen Theater – und suchten die breite Masse als Verbündeten. Beflügelt von und hybridisiert mit dem Expressionismus in der Kunst und den Anfängen der Psychoanalyse, die gerade dazu aufforderte, sich auch mit den dunklen und bisher verpönten Seiten des Menschseins auseinanderzusetzen, wuchsen Deutschland und Österreich so in Windes- eile zu Kinoproduktions-Standorten von Weltrang. Und dann, ja dann – dann kamen die Nazis. niCHTS WäSCHT WEiSSER: DiE BLEiERnEn JAHRE Zuerst umgarnte und umarmte der Nationalsozialismus die sozialen und sexuellen Liberalisierungen in der Weimarer Republik, und auch das Kino als einen der zentralen Träger der Aufbruchsstimmung, nur um nach der Machtübernahme alles, was sich nicht bedingungslos der Staatspropaganda unterwarf, als »entartet« auszumerzen. Ab nun herrschte Provinzialismus, und der rundum arisierte Tellerrand wurde zum ultimativen Daseinshorizont. Jene Genres, die übrig blieben – die leichte Sittenkomödie, der Revue-Film, das mitunter naturnahe Melodram, der harmlose Krimi oder die kriegerische Heldenmär – ähneln nicht zufällig gerade jenen Erzählformen von Kino, die bis dato die österreichische Produktionslandschaft prägen. Das radikale Storytelling, die attackierende Leinwand, das Kino als Ort der Entdeckung und Entgrenzung wanderten mit ihren Vertretern fast zur Gänze in die USA, um dort in direkter Folge zahlreiche Sub-Genres wie den Film Noir, den Psycho-Thriller und die provokante Sex-Komödie mitzuetablieren. Die Zwangsemigration half also mit, dass Hollywood die Weltmarkt-Führerschaft in Sachen Flimmerwaren übernahm. Hierzulande blieb allerdings selbst nach Kriegsende eine bleierne Inhalts-Schwere in der Luft, und es roch stark nach Katholizismus und Patriarchat, die die Zeit des Wiederaufbaus atmosphärisch durchdrangen. Das Fernsehen brachte natürlich Veränderung: Rückzug in die Familie, raus dem öffentlichen Diskurs, rein ins Private – Kino als Abenteuer im Kopf. Die Schundhefte wurden zur verstohlenen »Kloliteratur«. In großen Bildern gab es Schlagerparade, Skifahren, Tanzen auf der Alm. Und dahinter – nichts. Schamlos »SUnGLASSES AFTER DARk«: SUBvERSion DURCH SCHUnD Und doch – es bewegte sich was: Eine Nachkriegsjugend bäumte sich auf. Die Freizeitgesellschaft kündigte sich lautstark an und schrie nach Hedonismus und Erleuchtung. Bars, Strip-Lokale, Rock’n’Roll-Schuppen und JazzKneipen platzierten sich mitten ins öffentliche Leben. Kleine Produktionsfirmen wie Rex oder Schönbrunn Film investierten ihr Venture-Kapital im Geiste der global verkäuflichen amerikanischen B-Film-Reißer, Roughies und Nudies, und setzten damit auf inhaltlich riskanteres Terrain, auf Lederjacken, Springermesser und Animier-Bars statt auf Dirndl, Wandergitarre und Hüttenromantik. Bandbreite und Nachfrage waren enorm: Mit DIE HALBSTARKEN, einem deutsch produzierten Drama um jugendliche Straftäter, schaffte der Wiener Regisseur Georg Tressler 1956 sogar einen Mainstream-Hit UND Klassiker. Aber Wienerinnen Mädchen für die Mambo-Bar Mit den Sechzigern kam eine allgemeine Lockerung und Trendwende. Der Kleinfamilienhaushalt wurde experimentierfreudig, der Fress- und Reisewelle folgte die Sexwelle. 22 auch avantgardenahe Autoren wie Kurt Steinwendner und Harald Röbbeling siedelten sich an im Pulp, selbst der eigentlich aus der Hochkultur stammende Wolfgang Glück, der mit schmissigen Werken wie MÄDCHEN FÜR DIE MAMBO-BAR einer der beeindruckendsten ExploitationMeister Europas werden sollte, bevor er Richtung Bürger-Kino und Burgtheater abwanderte und andere Regisseure wie Max Pécas oder José Benazeraf seine Pionier-Arbeit international fortsetzten. Was diesen Filmen allen eigen ist, ist eine zutiefst enthemmte Verve und Energie, eine Spielfreude mit der Selbstbefleckung unter kompletter Absenz eines bourgeoisen Zeigefingers – es sind anarchische, körperliche Prachtfilme, deren Macher sich einen Dreck scherten um Etabliertheit und politische Hörigkeit, und dabei Zeitkolorit und Jugendkultur wesentlich besser einfingen als ihre artigen Zeitgenossen. Strano vizio della Signora Wardh »GöTTER DER PEST«: HovEn, HoFBAUER & Co. Mit den Sechzigern kam eine allgemeine Lockerung und Trendwende. Der Kleinfamilienhaushalt wurde experimentierfreudig, der Fress- und Reisewelle folgte die Sexwelle. Ob Studentenrevolten und Kommunen der freien Liebe oder all die neuen »Tittenmagazine« wie Schlüsselloch oder Feigenblatt: das Fallen der Hüllen und Überholen der Sittsamkeit erleichterten es, das Drama des Kalten Krieges, von Vietnam, Neo-Kolonialismus, der aufkeimenden AtomAngst und ständig neu entstehenden Krisen zu überstehen. Die österreichischen Regisseure gingen nun erneut auf die Walz, diesmal als gesuchte und beliebte Genre-Handwerker, und reüssierten groß im näheren Ausland. Der Bad Ischler Harald Reinl, einst Ski-Double, dann Assistent von Leni Riefenstahl, begründete mit WINNETOU und EDGAR WALLACE sogar zwei der weltweit erfolgreichsten Kino- Serien des deutschsprachigen Raumes: stubenreine Exploitation aus einem komplett weltentrückten Spielzimmer für die Großen. Seinen Spuren folgten Franz-Josef Gottlieb, Rolf Olsen, Franz Antel und viele andere. Der SCHULMÄDCHEN-REPORT von Ernst Hofbauer sollte sechs Millionen ins Kino verführen und im Lauf von 13 Filmen drei goldene Leinwände und über 100 Millionen Zuseher weltweit erreichen. Es waren die Zeiten des Euro-Puddings, der internationalen Produktionen und des Exzesses. Heimatfilm-Beau Adrian Hoven fand sich plötzlich in den Hexenfilm-Meilensteinen MARK OF THE DEVIL wieder oder im Kult-Schweinkram des Spaniers Jess Franco. Regisseure wie Mario Bava, Michael Winner oder Sergio Martino brachten genüssliches Gewalt-Kino rein in die Wiener Straßenschluchten und rauf auf die Salzburger Berge. Selbst der aus Bruck an der Mur stammende Schlagerstar Christian Anders hatte seinen eigenen Karate-Kracher am Start, mit ihm persönlich als Protagonist, Produzent, Autor und Regisseur. Es war schlichtweg alles möglich. DAS GESPEnST DES SoZiALREALiSMUS Die Zeit war jedenfalls günstig. Mit dem Independent-KinoErfolg EASY RIDER, mit der in der Exploitation-Schule des Roger Corman groß gewordenen Generation New Hollywood, war das alte, schwerfällig gewordene Protz-Kino der USA abgelöst worden, wodurch auch der europäische Film aufholen konnte. Pop Art und Nouvelle Vague hatten mit Godard, Antonioni und Sergio Leone längst die Grenze zwischen Kunst und Kommerz aufgelöst. Das Problem: mit DER WEISSE HAI – JAWS –, dem ersten Kassenschlager Steven Spielbergs, hatten die alten Produzenten das neue, von Schmutz, Schund und Subversion geprägte Exploitation-Kino mit aufgekauft und den alten Mainstream neu KINO.mAGAzIN AUSTRiAn PULP KINO.mAGAzIN AUSTRiAn PULP Ich seh, ich seh 23 *** Jederzeit kündbar – mit SoftStorno Das Wichtigste des Tages: Qualität im Handformat Das wahrscheinlich flexibelste Abo der Welt | rausgegeben von Oscar Bronner eichs unabhängige Tageszeitung He | Dienstag, 15. September 2015 Österr Die Zeitung für Leserinnen und Leser der Standard verbessert Ihre Lebensqualität Waidegg – Das Handformat macht mit der Aktion „Jetzt 3 Wochen gratis testen“ derzeit von sich reden. Max Manus, Österreichs führender Hersteller von Handtellern in Originalgröße, bezichtigt den STANDARD, seine Kompakt-Ausgabe im Handformat in Anlehnung an seine linke Hand gestaltet zu haben. Eine Klage wird in zweiter Instanz in Erwägung gezogen, in erster Instanz ist sie bereits abhandengekommen. Derzeit geht man in belesenen Kreisen davon aus, dass das Handformat an sich wohl schon fast so alt ist, wie die Hand selbst – oder doch so alt wie das beliebte Gesellschaftsspiel „Schere, Stein, Papier“, in dem jedes Handformat ein anderes schlägt. „Wenn eine Zeitung schon im Flexibel im Format, unbeugsam im Inhalt. Jetzt 3 Wochen gratis lesen. Gleich bestellen unter: derStandard.at/Testlesen dem Thema gesagt haben, viel eher jedoch stammt die Aussage von dem Rapper HaHaND$, dem Drechsler handfester Sprüche. Aus heimischen Politikerkreisen war zuletzt wenig zu vernehmen, nicht zum Thema Handformat, sondern ganz allgemein. Ein neuerliches Gutachten der Argru HAND (Heutige Angehende Neue Denker) will nun einen Zusammenhang zwischen dem Lesen des Handformats in kritischen Kreisen und der Handlichkeit unbeugsamen Journalismus im Allgemeinen herstellen, was wohl insofern als gegeben zu erachten ist, als die Neuen Denker überdurchschnittlich häufig auch Abonnenten einer gewissen Qualitätszeitung – Name der Re- Die Zeitung für Leser gepflegter, damit pflegeleichter, bürgerlicher Film. Oder sie wagen sich wie Ulrich Seidl mit anderen Mitteln in eben jenen Abgrund der menschlichen Natur, den die Exploitation ihre Heimat nennt. Mit Stefan Ruzowitzkys ANATOMIEFilmen und Andreas Prochaskas Ausritten Richtung SlasherMovie und Blut-Western hat das deutschsprachige Kino erstmals wieder einen glaubwürdigen wie groovenden Anschluss an eine mitteleuropäische Genre-Interpretation von US-Kommerz gefunden, die dabei nicht nur peinlicher Nachahmer ist. Mit Marvin Kren und Dominik Hartel werden erstmals Youngsters an nicht unbillige Monster- und ZombieFilme gelassen. Und mit dem weltweit von Festivals bis zur Kinokasse flächendeckenden Erfolg des KammerspielSchockers ICH SEH, ICH SEH von Veronika Franz und Severin Fiala löst sich erstmals wieder diese lächerliche Trennlinie von Kunst und Kommerz auf, die das hiesige Kino so lange geplagt hat, womit eine viel zu lange herrschende Hegemonie, eine alle Vielfalt abtötende BlickMacht abdanken könnte, die diktiert, wie österreichisches Kino auszusehen hat. In jedem Fall ein mehr als guter Zeitpunkt, um zurück zu blicken auf all das wunderbar Ungesunde und Entblößende, alles Bunte und Irrlichternde, das rundum Verrückte und Ausschlagfreudige, das Österreich als »das andere Kino« maßgeblich mitbewegt hat, eben jenes Kino, das ein Tarantino als das »coole Kino« hierzulande ansehen würde. Ganz ohne Ironie, Moralin und Vintage-Stoßdämpfer. These flicks are for real! PAUL POET ist ein österreichischer Regisseur und Autor im Bereich Kino, TV und Theater, Journalist und Filmwissenschaftler. Aus Fleisch und Blut ist seine zweite große Retrospektive als Kurator nach Shooting Women – Weibliche Pioniere des österreichischen Films. Das INSTITUT SCHAMLOS ist eine Lobbying-Plattform und Interessensgemeinschaft zur Förderung des subversiven österreichischen Genre-Films. »CHEAP THRiLLS«: DER TARAnTino-TRiGGER Nun, Zeiten ändern sich. Selbst das Förder-Kino steht heute an den Grenzen der eigenen Strukturen an. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen als eine finanzielle Hauptquelle für Filmschaffende gebärt sich zunehmend als eine kommerziellere, gleichzeitig dafür unterfinanziertere Form des Privatfernsehens. Währenddessen dominieren nicht nur der intelligente Meta-Schund eines Tarantino, sondern eben Superhelden-Kracher, Splatter-Flicks und Sex-Thriller die internationalen Kino-Charts, allesamt Kinder der unanständigen Genres. Österreichs wichtigste Autorenfilmer wie Michael Haneke arbeiten laufend mit abstrahierten GenreBildern, vom Fast-Plagiat CACHÉ, das nicht von ungefähr an LOST HIGHWAY erinnert, bis hin zu den AlptraumSequenzen in AMOUR, nur dass diese spekulativen Bilder bei ihm so lange verdreht werden, bis sie so wirken wie ein KINO.mAGAzIN AUSTRiAn PULP „Eine unbequeme Zeitung. Aber deshalb abonniere ich sie ja.“ aufgesetzt. Womit sich die USA in Folge in den 1980ern mit Blockbustern wie STAR WARS, ROCKY und E. T. wieder an die Kino-Weltspitze katapultierte, während sich Europa in ein komplett anderes System vertrollte: ein zur Gänze staatlich gefördertes und inhaltlich durch und durch kontrolliertes, »gutes«, schickes Arthouse-Kino als kommerzialisierte Nachgeburt des Autorenkinos. Fast 40 Jahre später hat man den Eindruck, dieser Anspruch und der »gute Ton« waren leider nur »gut gemeint« und nicht mehr als ein leeres Schema und blanke Pose, denn es fehlt bis heute weitgehend der Mut sowohl zu (Autoren-)Radikalität als auch (Publikums)Erfolg. In Österreich konnten sich zum Startdatum der staatlichen Filmförderung 1981 lediglich zwei Namen, Peter Patzak und Franz Novotny, vom zügellosen Haudrauf-Film in die Schöne Neue KulturbeamtenWelt hinüber retten, die Experimente höchstens zuließ, wenn sie ein Ergebnis der A-Kategorie versprachen. Ein wildes, spekulatives Kino wurde so großflächig entsorgt. Genre-Liebhaber, darunter sogar Valie Export, änderten hernach drastisch den Erzähl-Tonfall, dämpften ab und gingen den Weg des Arthouse-Kompromisses oder mussten als extreme Entrepreneure unter herbster Selbstausbeutung im Underground ihre Kinoträume verwirklichen. Das Förder-Kino war durchwegs das einer schönen, glatten Gegenständlichkeit, das vorwiegend leicht verdauliche, klare, politische Inhalte mittels Komödien und Sozial-Melodramen für eine Öffentlichkeit verpackte, die aufgrund der Selbstbezogenheit dieses Systems weitgehend draußen blieb. Die Gegenwehr Förderverweigerung, die breite Ignoranz oder sogar der Hass auf die Wenigen, die aus der Reihe tanzten, ging sogar so weit, das drei der ungebrochen wichtigsten und schönsten Meisterwerke des österreichischen Kinos aus den 1980ern, Gerald Kargls ANGST, Walter Bannerts DIE ERBEN und Michael Syneks DIE TOTEN FISCHE, von den Regisseuren bis heute zum Teil unter Verschluss gehalten werden. 25 GERHARD HEinZ INTERVIEW AL BiRD SPUTnik 26 Hat das Komponieren für Werbefilme Ihr Interesse an Filmmusik geweckt? Ich wollte eigentlich immer schon Filmmusik schreiben, was mir in den 50er Jahren noch verwehrt blieb. Dann habe ich eben Werbefilme vertont. Sogar sehr viele. Bei einem Urlaub am Attersee im Jahr 1962 habe ich dann eines Tages zwei Taucher kennengelernt, die mir erzählt haben, dass sie Produzenten seien und gerade einen Film drehen würden namens UNTER WASSER KÜSST MAN NICHT mit Gunther Philipp und Evi Kent in den Hauptrollen. Als sie erfahren haben, dass ich Werbemusik komponiere, haben sie spontan gemeint: »Heast, da könntest ja gleich für unsern Film die Musik schreiben!« Ich habe eingewilligt und schon wenige Tage später mit einem 40-Mann-Orchester den Soundtrack aufgenommen. Ist ganz hübsch geworden, wie ich finde. Man bringt Sie oft mit dem deutschsprachigen SexKino der 1960er und 70er jahre sowie den Arbeiten des österreichischen B-Movie-Pioniers Eddy Saller in Verbindung, für den Sie zwei Filmmusiken komponiert haben: GEISSEL DES FLEISCHES (1965) und SCHAMLOS (1968). Saller war nicht groß auftragend, ein ruhiger und angenehmer Regisseur. Gleichzeitig war er einer jener Anfänger, die Mitte der 60er gesagt haben »Machen wir Film!« Aus dem Nichts. Ich hab auch keine Ahnung, ob er eine entsprechende Ausbildung hatte. Was das Sex-Kino betrifft, war das eine zweischneidige Geschichte. Es gab damals ja einige Porno-Kinos, die explizite Hardcore-Streifen gezeigt haben. Für ein bürgerliches Publikum war es aber unmöglich, dort hineinzugehen. Niemand wollte dort gesehen werden. Eddy Sallers Filme verfolgten hingegen eine etwas andere, subtilere Methode. Dort ging es nicht ausschließlich um Sex, sondern auch um gesellschaftlich relevante Stoffe, die man gewissermaßen ernst nehmen konnte. GEISSEL DES FLEISCHES basiert ja auf realen Begebenheiten. (Gemeint ist der sogenannte »Wiener Opernmord«, ein Aufsehen erregender Kriminalfall aus dem Jahr 1963, Anm.) Der Film ist quasi eine Reportage. Auf diese Art wurde immer wieder versucht, Sex-and-Crime-Themen zu verkaufen, ohne dass die betreffende Produktion sofort Gefahr lief, als Schmutzfilm verbannt zu werden. Eddy Saller hat sich ganz auf diese Schiene spezialisiert. Was hätte er auch sonst machen sollen? Für opulente Revue-Filme war ja kein Geld. Im weiteren Verlauf Ihrer Karriere haben Sie rund 80 Produktionen der Wiener Lisa Film GmbH vertont, u. a. solche Schundklassiker wie jOSEFINE MUTZENBACHER. Eines Tages hat mich ein Aufnahmeleiter angerufen. Es ging um einen Film, für den ein bekannter Wiener Orchesterleiter bereits Filmmusik geschrieben hatte (KOMM LIEBE MAID UND MACHE ..., Anm.). »Sag, kannst du uns nicht die Schlussmusik neu schreiben?«, hat der Mann am Telefon gefragt. »Der Verleih will die Musik nicht, die wir bekommen haben.« Ohne Verleih hätte die Produktion wohl durch die Finger geschaut, weil die Einnahmen ausgeblieben wären und nach einigem Hin und Her hab ich’s dann gemacht. Den Verantwortlichen hat es offensichtlich gefallen und ich habe im weiteren Verlauf der Jahre noch viele weitere Filmmusiken für die Lisa Film komponiert. So war das oft in meiner Karriere: Plötzlich öffnet sich irgendwo eine Türe und man muss dann schauen, ob man das eh zammbringt. JOSEFINE MUTZENBACHER war übrigens sehr speziell: Weil’s ja formal gesehen eine Literaturverfilmung war, Gerhard Heinz konnte da plötzlich jeder hineingehen, ohne sich zu genieren. Ein riesiger Kassenerfolg war das. Eine Vorstellung nach der anderen war ausverkauft. Unglaublich! Sie können heute auf ein reichhaltiges Gesamtwerk von rund 140 Soundtracks für Kino und Fernsehen zurückblicken. Ihre Arbeiten reflektieren dabei sehr häufig zeitgenössische Genres, die angesichts Ihrer eigenen jazz- und Tanzorchester-Wurzeln überraschend »visionär« anmuten. Wir haben sehr oft Sachen gemacht, weil’s grad en vogue war. Es gab da immer wieder die Auflagen seitens der Produzenten »es muss modern sein«. Meine Frage, was denn genau modern sei, konnte mir aber niemand beantworten. Ich hab mich also an Strömungen der Zeit orientiert. Vielleicht war ich auch manchmal der Zeit ein bisschen voraus. Aber im Prinzip war es, wie es schon immer in der Musik war. Seit den Tagen des Gregorianischen Chorals gilt, dass man das weiterentwickelt, was schon da ist. Das ist der Gang in der Musik. Was soll man machen? Soll man die millionste Komposition im Stil der Barockmusik schreiben? Kann man schon. Aber muss man? Geboren 1927 in Wien, beschritt der Film- und Werbekomponist GERHARD HEINZ bereits als Teenager eine außergewöhnliche Laufbahn: Ab den späten 1940er Jahren tourte er durch stickige Vorstadtlokale des regionalen Jazz-Underground (gemeinsam mit zukünftigen Weltstars wie Fatty George, Hans Koller und Joe Zawinul sowie als Mitglied des Hot Club Vienna), um wenig später als Hammond-Organist des profilierten Horst-Winter-Tanzorchesters auf großen Bühnen zu stehen. In den späten 1950er Jahren arbeitete er für Gerhard Mendelson als Aufnahmeleiter der Austrophon-Studios und zog im Hintergrund unzähliger Millionenhits des deutschen Marktführers Polydor die Fäden. KINO.mAGAzIN GERHARD HEinZ KINO.mAGAzIN GERHARD HEinZ In den frühen 1960er jahren haben Sie mit der Vertonung von Werbefilmen begonnen und den Betrieb eines eigenen Studios aufgenommen. Wie kam es dazu? Ein Bekannter hat mich auf die Idee gebracht. Eigentlich nicht blöd, hab ich mir gedacht. Tonaufnahmen für Werbefilme waren zu diesem Zeitpunkt sündhaft teuer oder qualitativ minderwertig. Gemeinsam mit einem befreundeten Musiker habe ich 1963 dann das Studio »Filmakustik« in der Penzinger Straße gegründet, das über die Jahre als »Tonstudio Heinz« bekannt geworden ist. Das hat damals ziemlich eingeschlagen. Neben Tonaufnahmen kamen noch Filmsynchronisationen hinzu und wir waren lange Zeit nahezu konkurrenzlos am heimischen Markt. Am Ende war das ein Riesenbetrieb mit fünf Studios und 14 Fixangestellten. 27 Eric Pleskow im METRO Kinokulturhaus ERiC PLESkoW PORTRäT GABi FLoSSMAnn KINO.mAGAzIN ERiC PLESkoW W 28 enn mich die Nazis nicht aus Österreich vertrieben hätten, dann wäre ich Arzt geworden«, meint Eric Pleskow in den seltenen Momenten der nostalgischen Rückschau auf das eigene Leben. Im Bedauern, dass er nicht die Hand an den Puls von Patienten legen konnte, scheint er zu vergessen, dass er stattdessen als HollywoodMogul am Puls der Zeit war und mit seinen Filmen wahrscheinlich mehr zur Besserung der menschlichen Befindlichkeit beitragen konnte als in seinem ursprünglichen Wunschberuf. Nicht zuletzt zeugen die 14 gewonnenen Oscars in der Kategorie »Bester Film« davon, dass Eric Pleskow einem Millionenpublikum weltweit unzählige schöne Kinostunden beschert hat. Der Komplex wegen des versäumten Medizinstudiums saß trotzdem immer tief und hängt – wie er gesteht – mit seiner Mutter zusammen, die ihn gerne als Arzt gesehen hätte. Es ist nun schon fast 38 Jahre her, seit ich Eric Pleskow in London zum ersten Mal getroffen habe. Es war im Februar 1977, auf einer Convention des Hollywood-Studios United Artists. »We are No. 1« stand auf den T-Shirts seiner Angestellten und Mitarbeiter, die sich damals im luxuriösen Ambiente eines Londoner Nobelhotels mit internationalen Journalisten trafen, um die kommenden Film-Hits vorzustellen und die neuesten Marketing-Strategien zu besprechen. Mit eingeladen waren einige Regisseure und Stars dieser Filme, darunter Brian de Palma, Francis Ford Coppola, Michael Cimino, Sylvester Stallone und Roger Moore – damals ganz frisch und neu als James Bond. Aber ein Großteil der Convention-Teilnehmer waren eben jene Träger des T-Shirts mit der Aufschrift »We are No. 1« – und eine dezentere Formulierung wäre falsche Bescheidenheit gewesen, denn die United Artists hatten es damals, unter der Präsidentschaft Eric Pleskows, Am nächsten Tag fand das Interview statt. Der schwierige Mister Pleskow war, wie sich herausstellte, der wortkarge dritte Mann am Tisch des Gala-Diners. Er sprach ein fließendes, akzentfreies und leicht wienerisch angehauchtes Deutsch und betonte mehrmals, dass er normalerweise keine solchen Interviews gebe, aber die beiden anderen Herren vom gemeinsamen Tisch am Vorabend hätten ihn dazu überredet. Einer dieser Herren war Norbert Auerbach, der nach Eric die United Artists übernommen und mit dem finanziellen Desaster rund um Michael Ciminos HEAVEN’S GATE in den Ruin geführt hatte. Kurze Zeit später – im Mai 1977 – traf ich Eric Pleskow bei den Filmfestspielen in Cannes wieder. Für gewöhnlich verbarrikadierte er sich jedes Jahr im gleichen Zimmer, Nr. 321, des Carlton-Hotels. Er wollte sich so dem Starrummel auf der Croisette entziehen. Bis auf einen Tag – da saß er unten auf der Terrasse und hatte das Pech, dass ich ihn entdeckte und ansprach. »Er war einer der letzten in Hollywood, der wusste, dass Film Kunst und keine Ware ist.« MARTin SCoRSESE Ich war damals zum ersten Mal im Auftrag des ORF bei einem Festival und sollte für die noch junge ZiB 2 ein Interview führen mit einem Hollywood-Mogul – zum Thema »Starlets«, die sich ausziehen, um von Produzenten für den Film »entdeckt« zu werden. In Eric Pleskows Miene zeigte sich, nach anfänglich überraschter Höflichkeit, eiskalte Ablehnung. Nicht wegen der nackten Starlets – über die hätte er wahrscheinlich ohne Weiteres etwas gesagt – sondern wegen der Worte »österreichisches Fernsehen«. Er stehe für österreichische Institutionen nicht zur Verfügung! Ich war verdattert und beleidigt, und wollte eigentlich gehen. Dann kehrte ich aber doch wieder um und stellte ihn wegen seiner rüden Art zur Rede. Ich sagte ihm, dass ich zwar jedes Verständnis für seine Ablehnung gegen österreichische Institutionen hätte, aber er möge bedenken, dass ich keine Institution sondern ein Mensch sei und dass er mit seiner schroffen Zurückweisung meine Gefühle verletzt habe. Nun war Eric Pleskow verdattert, er entschuldigte sich und er willigte ein, das Interview zu geben. Es fand statt – im Hotel Carlton, auf Zimmer 321. An seine Meinung über nackte Starlets kann ich mich nicht mehr erinnern. »Er ist zu mir gekommen und hat mir die Rolle des Hannibal Lecter angeboten. Das war der Beginn meiner neuen Karriere. Was soll ich darüber hinaus noch sagen ...« AnTHony HoPkinS Erst Jahre später konnte ich die genaueren Ursachen und die Tragweite von Erics Vorbehalten gegenüber Österreich ermessen. Und je mehr ich in den vielen Gesprächen über sein persönliches Schicksal erfuhr, desto größer wurde mein Wunsch, ihn mit Österreich zu versöhnen und ihm zu beweisen, dass es hier auch andere Menschen gibt als jene, unter denen er bis zu seiner Flucht im Jahr 1939 gelitten hatte. Er erzählte, wie er buchstäblich in letzter Minute in jenem Jahr als knapp 15-Jähriger sich und seine Eltern retten konnte – und von seinem Bruder Herbert, der nach langer, schwerer Krankheit 1939 verstorben war. Wäre er nicht gestorben, so Eric Pleskow, dann wären er und seine Eltern sicher in einem KZ umgekommen, denn sie hätten ohne den kranken Herbert, dem man die anstrengende Flucht nicht zumuten konnte, Wien nie verlassen. »Für mich war Eric Pleskow wie ein Vater. Er hat mich dazu ermahnt, in meiner künstlerischen Arbeit immer nur nach vorne zu sehen.« MiLoŠ FoRMAn Als langjährige Freundin habe ich viel über Eric Pleskows persönliche Geschichte und über seine Karriere gelernt, unter anderem, wie man ein neues Hollywood-Studio gründet. Bei einem Telefongespräch im Jahr 1978 fragte ich ihn wie gewöhnlich: »Was machst du heute?« Seine Antwort: »Ich gründe eine neue Firma!« »Wieso? Reicht dir die KINO.mAGAzIN ERiC PLESkoW tatsächlich geschafft, zum Marktführer der US-Filmindustrie zu werden. Sieben seiner 14 Oscars in der Kategorie »Bester Film« konnte er während seiner Ära bei der United Artists gewinnen – darunter auch den für ANNIE HALL von Woody Allen, dessen erste Filme er finanziert hatte. Zurück zum ersten Abend der Londoner Convention im Jahr 1977: Am ersten Abend gab es ein Gala-Diner im Ballsaal des Nobelhotels. Ich kam zu spät, alle Tische waren bereits voll. Bis auf einen – ein Tisch für zwölf Personen war nahezu leer. Nur drei Herren mittleren Alters saßen da und erhoben keinerlei Einwände, als ich mich dazu setzte. Zwei der Herren sprachen freundlich mit mir, der dritte hielt sich zurück. Auf Englisch fragte ich sie, ob sie den Präsidenten der United Artists kennen würden, der ja angeblich Österreicher sei. Diese Frage erregte gleichermaßen Verwunderung wie Erheiterung. Sie versprachen, ein Interview mit Mister Pleskow zu vermitteln – eine schwierige Aufgabe, wie sie meinten, weil Mister Pleskow alles andere als ein einfacher oder gar angenehmer Mensch sei. 29 »Eric Pleskow was a tough man! Er wollte mir mein Rocky-Drehbuch abkaufen und hat mir nicht zugetraut, dass ich mit meiner halbseitigen Gesichtslähmung selbst die Hauptrolle spielen kann. Aber ich habe mich gegen seinen Widerstand durchgeboxt und vielleicht verdanke ich ihm gerade deshalb meine Zähigkeit, meinen Ehrgeiz und meinen Erfolg.« SyLvESTER STALLonE Seine ersten Erfahrungen im Filmbusiness hatte Eric als Cutter von Dokumentarfilmen gesammelt. Eine Stelle, die ihm seine Mutter vermittelt hatte, nachdem sie für eine kleine Produktionsfirma in New York Vorhänge genäht hatte, um ihre Familie finanziell über Wasser zu halten. Mit seiner Mutter hängt auch Eric Pleskows Ehrgeiz zusammen, denn sie hatte es nie überwinden können, dass die Flucht aus Wien und der Überlebenskampf in den USA die akademische Karriere und ärztliche Laufbahn ihres Sohnes verhindert hatten. Immer, so erinnert sich Eric Pleskow, kritisierte die Mutter, dass er nicht genug aus seinem Leben gemacht hätte. Erst nach ihrem Tod bemerkte er, dass sie alle Zeitungsberichte über seine Erfolge in Hollywood ausgeschnitten und aufbewahrt hatte. Sie war also doch stolz auf ihren Sohn. Und besonders stolz wäre sie gewesen, davon ist Eric Pleskow überzeugt, dass heute ein Kinosaal in Wien seinen Namen trägt – in der Stadt, aus der sie einst vertrieben wurden. Und weil ich ja immer wieder Menschen interviewt habe, die Eric viel verdanken, möchte ich aus einigen dieser Interviews kurz zitieren. 22. OKTOBER BIS 5. NOVEMBER 2015 A1 FREELINE 0800 664 015 • TICKETS AB 17. OKTOBER • WWW.VIENNALE.AT »Es war schwer, ihn mit einem Filmgag zum Lachen zu bringen, weil er selbst ein Meister der raschen Pointe ist. Wenn es gelang, dann war das ein Gütesiegel.« WooDy ALLEn Die schlüssigste Aussage aber hat Billy Wilder über seinen langjährigen Weggefährten getroffen. Er widmete ihm den Film EINS, ZWEI, DREI und ließ Erics filmisches Alter Ego von James Cagney spielen. Genau so wie dieser in seinem Film als Chef der deutschen Coca-Cola-Niederlassung agierte, behauptete Billy Wilder in einem Interview, hätte Eric Pleskow die Mitarbeiter der Bavaria »auf Zack« gebracht, als er im Auftrag der USA von München aus die deutsche Filmindustrie wieder beleben sollte. »Eric Pleskow ist wahrscheinlich der einzige wirkliche Gentleman in diesem Business. Ich weiß nichts von seiner Herkunft und seinen Vorfahren. Ich weiß nur, dass er für mich ein wichtiger Mensch war. Er hat mich ermutigt und mir vertraut.« kEvin CoSTnER ERIC PLESKOW wurde am 24. April 1924 in Wien geboren. 1939 emigrierte er in die USA. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte er nach Europa zurück und wurde als US-Filmoffizier mit dem Aufbau der Bavaria Studios betraut. Ab 1951 arbeitete Eric Pleskow bei United Artists, zunächst als Zuständiger für den internationalen Vertrieb, ab 1973 als Präsident des Filmstudios. 1978 gründete er die Produktionsfirma Orion Pictures, die er bis 1992 leitete. Zu Eric Pleskows Erfolgen zählt eine Reihe von Oscar preisgekrönten Filmen, u.a. ONE FLEW OVER THE CUCKOO’S NEST, ROCKY, AMADEUS, THE SILENCE OF THE LAMBS. KINO.mAGAzIN ERiC PLESkoW United Artists nicht?« »Ja, schon, aber die Transamerica Corporation hat ja die Firma gekauft, und die neuen Manager glauben, sie können mir bei den Filmen dreinreden.« »Und deshalb gründest du jetzt eine neue Firma? Wie machst du denn das?« Darauf Eric, lakonisch: »I muss heut nur no wen finden, der mir 50 Millionen Dollar borgt ...« Er hat die Summe bekommen und damit die Orion gegründet – und sieben weitere Oscars gewonnen. Unter anderem für AMADEUS von Miloš Forman, DER MIT DEM WOLF TANZT von Kevin Costner und SCHWEIGEN DER LÄMMER von Jonathan Demme. 31 DAS ALSo WAR DES PUDELS kERn Ein nACHRUF von ToMÁŠ MikESkA D er Unangepasste ist von uns gegangen. Was bleibt, sind Spuren eines Schaffens, das empört, amüsiert, beschämt und unterhalten hat. Ein filmischer Nachlass, der zu einem Großteil vom Filmarchiv Austria verwaltet und anlässlich des Todes seines Schöpfers in einer speziellen Peter-Kern-Schau präsentiert wird. KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut Peter Kern war Regisseur, Autor, Schauspieler und – Aufmischer. Seine Überzeugung trug er stets auf der Zunge und eckte damit vielfach an. In die Nachkriegszeit hineingeboren, in den zweiten Wiener Gemeindebezirk, wollte er seine proletarische Herkunft nie leugnen. Seine Kunst trägt die Handschrift eines Kindes des Praters, eines Anhängers der Außenseiter, eines Ausgegrenzten, sich selbst Ausgrenzenden, eines homosexuellen und fettleibigen Kämpfers, der im Duchschnittlichen, im Konventionellen, in der Anpassung das Ende sah. Mit seinen Extremen könnte er der Vater aller Gaga-Monster sein, aber er bleibt, was er schon lange war – ein Großer des Kinos. Seine Laufbahn begann auf der Bühne, als Bewunderer von Marika Rökk, Wiener Sängerknabe und Darsteller. Er arbeitete mit namhaften Kollegen zusammen und machte sich selbst bald einen Namen. Als Darsteller wurde er schnell zur Legende, aber auch als Regisseur und Autor wusste er mit wenigen Mitteln zu überzeugen. Für Rainer Werner Fassbinder (FAUSTRECHT DER FREIHEIT, BRD 1974), Wim Wenders (FALSCHE BEWEGUNG, BRD 1975), Hans-Jürgen Syberg oder Christoph Schlingensief (TERROR 2000 – INTENSIVSTATION DEUTSCHLAND, D 1992) stand er vor der Kamera und vergaß dabei nie, woher er kam. 32 Flammende Herzen Die Wiener Unterschicht beflügelte ihn, vom Rotlichtmilieu war er gefesselt. Seine Helden entstammen, wie er selbst, diesem Lebens- und Leidenskosmos – Ex-Prostituierte (DOMENICA – ALLE KOMMEN ..., D 1998) und Stricher (GOSSENKIND, D 1992), Tote und Untote, Täter und Opfer. Sie sind es, die er in seinen Low- und No-Budget-Filmen zu Wort und öfters zu schmerzvollem Schrei kommen lässt. Er zeigt das Leiden und den Spaß, den Kampf für sich und den Kampf an sich, lustvoll, belustigt, bitterböse (HAIDER LEBT – 1. APRIL 2021, D 2002). »Den Mittelpunkt bestimmt das Mittelmaß, damit habe ich nichts zu tun. jede Form der Anpassung ist ein Ausdruck der Unfreiheit.« Mit unzähligen Filmen, aber auch mit seiner Person setzte Peter Kern ein lautstarkes Zeichen. Er sprach offen von Einsamkeit, seiner Fettleibigkeit, einer »Leck-mich-amArsch-Gesellschaft«, von Liebe, Sehnsucht, Trostlosigkeit. Peter Kern ist tot. Er hinterlässt eine große Lücke im kritischen Autorenfilm. Was bleibt, ist ein filmkulturelles Erbe, provokant und dennoch sensibel, kompromisslos laut und energisch leise. Er selbst wollte keinen Autorenfilm, keine Genre-Kunst schaffen, sondern Geschichten erzählen, die etwas bewirken und die berühren, denn das waren sie – immer persönlich, immer gegen den Strich – eben Geschichten von und mit Peter Kern. »Ich liebe die Unterdrückten, die Ausgebeuteten, die versuchen zu überleben, und ich bin einer von ihnen.« IN MEMORIAM PETER KERN Geschichten eines Unangepassten 15.–18.10.2015, METRO Kinokulturhaus 33 FiLM noiR RELoADED DIE DUNKLEN SchATTEN DER mODERNE FRAnk STERn der FILM NOIR weist in seiner thematischen und psychologischen Vielschichtigkeit spannende Rollen von PsychoanalytikerInnen und PsychologInnen auf, die sich zwischen Wissenschaft, Krankenheilung, Scharlatanerie und kriminellem Missbrauch der Lehren von Freud bewegen. Traum, Trauma, Verdrängung, Vergessen und Erinnerung sind vielfach wiederholte Bezüge im NOIR, der nicht allein nach Motivationen der Handelnden fragt sondern nach den unbewussten und unterbewussten Einflüssen individueller und zeitgeschichtlicher Ereignisse auf die menschliche Psyche. In der interdisziplinären Auseinandersetzung mit FILM NOIR hat sich die Beschäftigung mit der Spannung zwischen kulturhistorischer und psychoanalytischer Filmanalyse als überaus produktiv erwiesen und unerwartete Weggabelungen sichtbar gemacht, die zum tiefgehenden Verständnis der Filmkunst jener Epoche beitragen können. ExiLERFAHRUnG ALS FiLMTHEMA UnD kULTURELLER SUBTExT F ILM NOIR lässt sich nur schwer definieren. Doch wenn man einen klassischen Film aus dem Hollywood der 1940er und 1950er Jahre sieht, fühlt man schneller als man weiß, dass es ein NOIR ist – oder auch nicht. Dabei geht es nicht allein um jene fulminante und durch Schatten, Dunkelheit und Kontraste leuchtende Ästhetik, um jene genreüberschreitenden, packenden Geschichten, um jene einsamen Gestalten aus den Dramen- und Sehnsuchtsbüchern der Moderne, jene ambivalenten, alle moralischen Grenzen verschiebenden narrativen und ästhetischen Verunsicherungen von Männlichkeit und Weiblichkeit. FILM NOIR ist vor allem Atmosphäre, cineastische Analyse krisengeschüttelter individueller und gesellschaftlicher Befindlichkeiten, ein veritables Kompendium psychologischer und psychoanalytischer Fallstudien. FILM NOIR beweist, dass Filmkunst und gute Unterhaltung sich nicht ausschließen. KINO.mAGAzIN FiLM noiR RELoADED WAS HAT FiLM noiR MiT WiEn UnD BERLin ZU TUn? 34 Die Hollywood-Filmstudios jener Zeit zeichneten sich durch zwei umfassende kulturelle Entwicklungen aus, die sich in der Bewegung des FILM NOIR intensiv spiegelten und seinen Einfluss auf die internationale Filmentwicklung auch langfristig festschrieben: Erstens die Integration zahlreicher Filmschaffender, die aus den Filmmetropolen Europas, vor allem Berlin, Wien und Paris durch Faschismus und Nationalsozialismus vertrieben worden waren und ihre Erfahrungen in der europäischen Filmkultur nun unter veränderten Produktions- und Rezep- tionsbedingungen umsetzen konnten. In der Literatur wird oft von Filmexil gesprochen, doch es war ein Exil aus dem es für die große Mehrheit der FilmkünstlerInnen und ihrer Angehörigen keine Rückkehr gab. Aus den Wiener und Berliner Filmkulturen, die sich nach 1945 ohne die jüdischen Filmschaffenden in der Tradition von Ufa und Wien-Film der 1930er und 1940er Jahre »neu« erfanden, gab es keinen offiziellen kollektiven Rückruf. Für sehr viele wurde das Exil zu einem neuen Zuhause, einer weiteren Diaspora in der langen Kette der Vertreibungen. Beim Blick auf die Periode des FILM NOIR geht es daher nicht allein um das künstlerische Wirken einzelner WienerInnen und BerlinerInnen bei Warner Brothers, Universal, Paramount oder RKO sondern um eine auf unterschiedlichen cineastischen Erfahrungen aufbauende widerspruchsvolle Integration von Teilen der Wiener und Berliner kulturellen Milieus in Los Angeles und New York. Die Rezeption dieser Filmperiode in den vergangenen Jahren konzentrierte sich oft auf die Namen der »Ersten Reihe« Filmschaffender wie Fritz Lang, Otto Preminger, Billy Wilder, Hedy Lamarr, Wilhelm Dieterle, Peter Lorre, Otto Korngold, doch selbst deren weniger bekannte Filme wurden selten gezeigt oder durch verhunzende Synchronisationen ihres politischen und ästhetischen Charmes beraubt. Die »Zweite Reihe« der Filmschaffenden, die oft unter »ferner wirkten mit« liefen oder die mit amerikanisiertem Namen in den Abspännen genannt wurden, spielte eher in der Wissenschaft eine Rolle als in den Kinos. Zweitens die intensive Verbreitung der Schriften Freuds und die Selbstverständlichkeit, mit der psychoanalytische Themen zu einem Teil der Filmkultur und des gesellschaftlichen Lebens der Filmschaffenden geworden waren. Gerade Die Erfahrungen der von Hollywood aufgenommenen europäischen Filmschaffenden fielen in eine Periode, in der sich eine transatlantische Filmsprache herausbildete, der Tonfilm analoge Produktionsbedingungen in Europa und Nordamerika schuf und die Mischung aus expressionistischen Stilmitteln, realistischem Anspruch, sozialkritischem Engagement und poetischem Verständnis der Filmkunst sich mit dem amerikanischen Studiosystem oft widerspruchsvoll verband. Manche der exilierten Filmschaffenden vom Kameramann über DrehbuchautorInnen, Komponisten, Schauspielerinnen und Schauspieler, Musikarrangeure, ChoreografInnen, AusstatterInnen, Regisseure waren vor ihrer Vertreibung aus Deutschland und Österreich bereits bekannte Namen in den Studios. Andere mussten sich in den Hierarchien der Alteingesessenen erst langsam hocharbeiten. Manche schafften es, anderen blieb nur die Gelegenheitsarbeit für den. Die Exilerfahrungen, die Flucht oder auch der Versuch, in den USA Fuß zu fassen, die menschliche Krisensituation schlechthin in all ihren weiblichen und männlichen Ausprägungen zwischen Abhängigkeit, Beziehungsneurosen und Selbstermächtigung wurden im FILM NOIR zu Subtexten, die oftmals mitreißender sind als die narrative Struktur. Der Kontext der filmischen Beschäftigung mit der Condition Humaine im FILM NOIR war ein Geflecht von asylsuchender Migration, erzwungenem Kulturtransfer, künstlerischer Offenheit der Studios, gesellschaftlichen Anforderungen an die Filmindustrie und profunder Marktorientierung. Daraus ergab sich eine Mischung aus schattenartigen Reflexen des American Dream und des European Dream in einer kulturell geballten Entwicklung, in der Vorkriegszeit, Kriegszeit und Nachkriegszeit in Hollywood nahtlos ineinander übergingen. Dass daraus FILM NOIR entstand, konnte erst nach 1945 ein französischer Filmkritiker feststellen. Und dass es im FILM NOIR eine untrennbare Verbindung von Exil und Psychoanalyse, von fragilen Filmstandards und visuellen Infragestellungen vermeintlich eindeutiger Sexualitäten gibt und die naive Dualität von Böse und Gut im Schatten der filmischen Moderne verschwindet, konnte selbst die damalige Zensur nur ahnen. FiLM noiR RELoADED FILM NOIR RELOADED will in den kommenden Monaten die »Erste« und die »Zweite« Reihe in die Kinos zurückrufen, wenig gezeigte Spielfilme und restaurierte Klassiker aus den Regalen der Archive holen, auf die psychoanalytische Couch legen und kulturhistorisch hinter die Kulissen schauen. Neben der Filmreihe FILM NOIR – EXIL – PSYCHOANALYSE, an der die Psychoanalytikerin Jeanne Wolff Bernstein regelmäßig als Kommentatorin mitwirken wird, sind unter anderem Retrospektiven zur Auseinandersetzung mit Migration, Rassismus und Grenzerfahrungen sowie zum NOIR WESTERN geplant. FILM NOIR ist das Kulturell Andere, das Fremde im Hollywood-Film, das zum Eigenen wurde, zur multi-cineastischen Identität der FilmModerne, deren Schatten wir auf der Leinwand sehen. D.O.A. 36 KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut o R P . o in Asphalt k KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut M M A R G 37 WERnER nEkES RETROSPEKTIVE PRoGRAMM 1 S. 37 ULIISSES PRoGRAMM 2 S. 38 ARTIKEL | SchNITTE FÜR AbAbA | VIS-á-VIS SPAcEcUT | mITchELL FEIGENbAUm PRoGRAMM 4 S. 39 LITTLE NIGhT | JOhNNy FLASh PRoGRAMM 5 S. 40 TARzANS KAmPF mIT DEm GORILLA | mIRADOR KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut PRoGRAMM 6 S. 40 AbbANDONO | DIWAN 38 PRoGRAMM 7 S. 41 NEKES | zU GAST bEI WERNER NEKES PRoGRAMM 8 S. 41 AmALGAm | bEUyS | mAKImONO PRoGRAMM 9 S. 42 DAS SEmINAR | PEGGy UND DIE ANDEREN, ODER WER TRäGT DIE AVANTGARDE? | WER IST JOhNNy FLASh? PRoGRAMM 10 S. 42 START | GURTRUG NR. 1 | mUhKUh SchWARzhUhNbRAUNhUhNSchWARzhUhNWEISShUhNROThUhNWEISS ODER PUT-PUTT | KELEK Di 6.10., 20:00 | Mi 21.10., 20:00 PRoGRAMM 1 ULiiSSES WERnER nEkES, BRD 1980/82 FREI NAch JAmES JOycES ULySSES, hOmERS ODySSEE UND NEIL ORAmS ThE WARP | TEAm: DORE O., bERND UPNmOOR, hERbERT JESchKE, VOLKER bERTzKy, GISELA SchANzENbAch, ASTRID NIcKLAUS, bIRGER bUSTORFF | TON: ANThONy mOORE, hELGE SchNEIDER UND mUSIKER DES »ScIENcE FIcTION ThEATRE OF LIVERPOOL« | mIT VA WöLFL, TAbEA bLOOmENSchEIN, RUSSEL DENTON, ShEhzAD AbbAS, SARAh ANTILL, JIm bROADbENT, bERND UPNmOOR, WERNER NEKES, DORE O., bIRGER bUSTORFF | LäNGE: 94 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm Der Film ist eine »homerische« Reise durch die Geschichte des Kinos. Werner Nekes fasst Homers Odysseus, Joyces Ulysses und Orams synthetischen Telemach/Phil zusammen und zeigt die Geschichte dieser Figuren analog zur Geschichte der »Lichteratur«, des Schreibens mit »Licht« (= Film). Hauptthema ist jedoch die visuelle Sprache selbst. Odysseus/Bloom verwandelt sich in Uli, den Fotografen, Penelope/Molly ist sein Modell, Telemach/ Stephan wird Phil, der seine »Telemachia« beginnt. Die Verknüpfung ihrer drei Lebensläufe geschieht im Ruhrgebiet, an einem Tag im September 1980, die Bundesrepublik steht gerade vor Wahlen. »Diese inhaltliche Gewebe-Struktur ist derart faszinierend, dass wir beim ersten Sehen des Films uns nur ab und zu bewusst werden, was für einen unglaublich komischen Film wir gezeigt bekommen.« (Eva M. J. Schmid, Journal Film, 4) KINO.PROGRAmm WERnER nEkES PRoGRAMM 3 S. 39 DER TAG DES mALERS 39 Mitchell Feigenbaum Mi 7.10., 20:00 PRoGRAMM 2 ARTikEL viS-Á-viS Bewegt werden I. eine männliche Person (Sekanten innerhalb eines Kreises auf dem Rechteck der Leinwand), II. eine weibliche Person (Rotation im Mittelpunkt eines Kreises innerhalb eines Vierecks auf dem Rechteck der Leinwand). III. Die männliche und weibliche Person führen Bewegungen im Rechteck der Leinwand aus. Eine fixierte Kameraeinstellung auf sechs Personen, die bewegungslos in die Kamera schauen. Mit der Zeit können minimale Bewegungen der Personen unterschieden werden. WERnER nEkES, BRD 1966 LäNGE: 10 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm »Nekes baut seinen Film in drei Sequenzen auf, deren erste durch drei dividierbare Bildzahlen aufweist, die Bildzahl der zweiten lässt sich jeweils durch zwei dividieren, die letzte Sequenz wird eine durch Verschiedenes bestimmte Synthese aus den beiden vorhergehenden Sequenzen ...« (Cyrus Kube, Aachener Nach richten, 16.11.1968) KINO.PROGRAmm WERnER nEkES SCHniTTE FüR ABABA 40 soll die Zuschauer dazu animieren, eigene Lichtquellen zu erzeugen (mit Feuerzeugen, Smartphones etc.) und so mit Licht und Schatten zu operieren. WERnER nEkES, BRD 1967 LäNGE: 11 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm »ABABA« steht für die Reihung A B A B A ..., für den alternierenden Schnitt von rotem und grünem Filmmaterial. Der Film beginnt mit einer realen Szene, in der Polizisten versuchen, einen Kollegen zu ergreifen. Er endet mit vier Minuten Schwarzfilm, bei dessen Projektion das Licht ausgeschaltet wird, sodass das Publikum nur noch den Ton wahrnimmt. Diese Dunkelheit ist Bestandteil der Filmvorführung und WERnER nEkES, BRD 1968 LäNGE: 14 mIN. | FORmAT: S/W, STUmm, 16mm SPACECUT WERnER nEkES, BRD 1971 LäNGE: 42 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm »Spacecut« (Raumschnitt) überwältigt durch Präzision. Ein schwindelerregendes Virtuosenstück über die Indianer in Taos und über ein Goldgräberfeld in der Sierra Nevada – aufgenommen in 50.000 Einzelbildern. MiTCHELL FEiGEnBAUM WERnER nEkES, DoRE o., D 1992 mITARbEIT: ASTRID NIcKLAUS, DIRK bRAUNER | mIT mITchELL FEIGENbAUm | LäNGE: 13 mIN. FORmAT: FARbE, DF, 16mm Mitchell Feigenbaum, einer der großen Naturwissenschaftler dieses Jahrhunderts, formuliert das Prinzip seines Denkens, welches ihn zur Entdeckung von »alpha« (= 2,50290) und »delta« (= 4,69920) geführt hat, den sogenannten »Feigenbaum-Zahlen«. Sie sind universelle Konstanten, die Aussagen über das Chaos ermöglichen. Nekes nutzt die chaotischen Prozesse in der Chemie, um analog zur Entwicklung des Filmmaterials die Gedankengänge Feigenbaums zu visualisieren. Der Tag des Malers Do 8.10., 19:00 | So 11.10., 16:00 PRoGRAMM 3 DER TAG DES MALERS WERnER nEkES, D 1997 bUch: WERNER NEKES | KAmERA: WERNER NEKES | DIGITALE bILDbEARbEITUNG RAJELE JAIN mUSIK: ANThONy mOORE | mIT KIRSTEN DRESSLER, hEIDE JANSEN, mARIA mAScIULLI, JUDITh VERbERNE | LäNGE: 84 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm Der Blick des Malers auf das weibliche Modell, oder Wie sich Voyeurismus in Kultur verwandelt ... Ein erotischer Abenteuerfilm, dessen Thema der Zuschauer selbst ist. DER TAG DES MALERS zeigt, was LA BELLE NOISEUSE nicht zeigen mag: das unbekannte Meisterwerk. Ein Gang durch die Bildwelten des Malers, ein Amalgam der malerischen Ausdrucksmöglichkeiten von Film, Video und Computer. »Ungewöhnliche Zeigweisen machen den Film zu einem Abenteuerfilm für den Blick des Betrachters. Malerei und Film verschmelzen miteinander.« (Werner Nekes) Do 8.10., 21:00 | Mi 21.10., 18:00 PRoGRAMM 4 LiTTLE niGHT WERnER nEkES, BRD 1979 LäNGE: 14 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm Ein schlafendes Mädchen wird von wundersamen Träumen heimgesucht. Verschiedenartige Bildwelten verschmelzen zu einem verwirrenden Puzzle, das sich in Erleichterung auflöst, als das Mädchen, von der Mutter beruhigt, wieder einschlafen kann. Ein Experimentalfilm – auch für Kinder. Johnny Flash JoHnny FLASH WERnER nEkES, BRD 1987 TEAm PETER RITz, bERND UPNmOOR, SERGE ROmAN, DORE O., ASTRID NIcKLAUS, SERGEJ GLEITmANN, chRISTOPh SchLINGENSIEF | TON ANDREAS WöLKI, WOLFGANG WIRz mUSIK: hELGE SchNEIDER | mIT hELGE SchNEIDER, ANDREAS KUNzE, hEIKE mELbA-FENDEL, mARIANNE TRAUb | LäNGE: 80 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm »Johnny Flash ist die phantastische Geschichte von Jürgen Potzkothen und seinem wunderbaren Aufstieg zum bewunderten Schlagerstar. Doch hören wir, was Mutter Potzkothen dazu sagt: ›Merk’n Se sich jetzt ma genau den Namen JOHNNY FLASH. Johnny Flash is nämlich in Wirklichkeit Jürgen Potzkothen, ham Se dat jetzt? Wir Potzkothens sind ne alte Elektrikerfamilie, aber Jürgen, also Johnny is jetzt auf de Erfolgsleiter gestiegen. Der wollte kein Elektriker mehr sein un Bäcker auch nich un da is er eben berühmt geworden, also da is er eben noch bei, am erfolgreich werden. Wie dat alles kam, ja dat müssn Se sich ma ansehn, da werd’n Se janz schön staunen. Da sehn Se auch wat der Herr Toi vonne Künstleragentur Toi, Toi und Toi so alles tut. Un vor allen Dingens, wie sich die Schickse von Musik-SAT an meinen Jürgen ranpoussiert, un wie wir dat dann doch noch vonne Trabrennbahn in Gelsenkirchen inne Schlagerparade geschafft habn. Un wie dat alles so war, also dat is ja schon ne komische Geschichte, dat.‹ Man reibt sich die Augen, wenn man liest, dass ausgerechnet unser unermüdlicher Avantgardefilmer, Werner Nekes, für die Regie dieser Saukomik verantwortlich zeichnet.« (Die Welt) KINO.PROGRAmm WERnER nEkES Vis-Á-Vis 41 Diwan FR 9.10., 18:00 PRoGRAMM 5 TARZAnS kAMPF MiT DEM GoRiLLA WERnER nEkES, BRD 1968 LäNGE: 12 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 16mm »›Ein Dschungelfilm‹, kompiliert aus den Geräuschen, Urlauten, Bildern und Dialogen der Gattung, die vor dem Hintergrund neutraler Szenerien und Szenen ein zweites Leben entfalten: dschungelhaft wirkt weniger, was dazu veranstaltet war, als die zum Kontrast zitierte Normalsphäre aus Alltagsdialogen, in denen belanglose Konversation zum Zeremoniell gerät und ein Reigen des Einander-Vorstellens sich wie ein makabres Namenballett aus der ›Kahlen Sängerin‹ oder den ›Stühlen‹ Ionescos anhört. Dschungelhaft wirkt endlich auch die Silhouette aus Parkbäumen, der der Dschungelfilm Ton leiht: ein stehendes Panorama unaufhaltsam fortschreitender Anarchie.« (Jörg Peter Feurich, Filmkritik, 2/1970, S. 100f)) KINO.PROGRAmm WERnER nEkES MiRADoR 42 WERnER nEkES, BRD 1978 TEAm DORE O., bERND UPNmOOR, hERbERT JESchKE, bIRGER bUSTORFF, WINFRIED WOLF, hARm AbRAhAmS, DJURA ANKIJc | KOmPOSITIONEN: ANThONy mOORE | mIT GÜNTER TUzINA, cLAUS böhmLER, GEESKE hOF-hELmERS, KLAUS ARP, FRANz WINzENSTEIN, VOLKER mEIER, INGRID hELLER, cORINNA GUST | LäNGE: 88 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm Dieser Film wendet sich gegen das Absurde und Verstiegene der in derselben Weise immer wiederkehrenden phantastischen Abenteuer und Taten der Gangster, Cowboys, Schönlinge und Monster, das Schablonenhafte und Unorganische im Aufbau und in der Intrige, gegen die SchwarzWeiß-Malerei der Charaktere, überhaupt die psychologischen Unzulänglichkeiten – mit einem Wort also gegen die Verzerrung der Gegebenheiten des Lebens wie der Gesetze der Kunst. »Gegen die verheerende Wirkung solcher Verstiegenheiten auf die Phantasie unreifer Menschen kämpft der realistische und kritische Geist des Films MIRADOR. « (Werner Nekes) FR 9.10., 20:00 PRoGRAMM 6 ABBAnDono WERnER nEkES, BRD 1970 LäNGE: 35 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm ABBANDONO ist aus Material zusammengestellt, das innerhalb von vier Jahren entstand. Vielleicht ist dieser Film – für und mit Dore O. – aus diesem Grund einer der bildreichsten und ausdrucksstärksten von Werner Nekes. Die Bilder sind lyrischer und plastischer als gewöhnlich, obwohl die Strukturierung in ihrer wiederkehrenden Weise typisch ist für seine Filme. DiWAn WERnER nEkES, BRD 1973 TON ANThONy mOORE | mIT LUDI ARmbRUSTER, NIKOLAUS hOF, ROSmARIE LIESEN, WOLFGANG LIESEN, PETER KöNITz, REINhILD LÜDERS, GEESKE hOF-hELmERS, WERNER NEKES, DORE O., URSULA WINzENSTEIN, FRANz WINzENSTEIN, KLAUS WybORNy | LäNGE: 85 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm DIWAN enthält fünf eigenständige Filme über Landschaft, einsame Häuser und ihre – nicht alleinstehenden – Bewohner. Der Titel spielt auf die Gedichtsammlung des persischen Lyrikers Hafis wie auch den Westöstlichen Diwan Goethes an; [...] Die eigenwillige Filmarbeit von Nekes muss jedoch von ihren eigenen Strukturen her ›gelesen‹ werden. (Thomas Imbach) Zu Gast bei Werner Nekes SA 10.10., 19:00 PRoGRAMM 7 nEkES WERnER nEkES, BRD 1982 KAmERA: RAINER KOmERS | TON chRISTOPh SchLINGENSIEF | mIT WERNER NEKES | LäNGE: 33 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm ZU GAST BEi WERnER nEkES FRAnk SPEELMAnS, BRD 1989 KAmERA: SERGE ROmAN | LäNGE: 45 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm Erklärungen zum experimentellen Kino. Werner Nekes spricht zu seiner Filmtheorie mit Filmbeispielen aus KELEK, HURRYCAN, SPACECUT, DIWAN und MIRADOR: »Wenn ich spreche, dann wird dieses Sprechen bestimmt durch mein Denken. Es ist eine Art Spiegelung des Denkens, und das, was ich denken kann, wird bestimmt durch mein Vokabular, durch meine Grammatik, die Grammatik der Sprache, in der ich lebe, und wenn ich Bilder mache, Filme mache, dann werden diese Filme bestimmt durch das Bildvokabular und durch die visuelle Sprache.« Makimono Verbindungen und Verschmelzungen verschiedener filmischer Ebenen in Mehrfachbelichtungen: Aufbau des Bildes aus Farbpunkten und Auflösung des Bildes in Farbpunkte, Aufbau des Bildes aus Bildflächen und flächenhafte Auflösung des Bildes durch Schichtungen, Aufbau und Aufhebung von Bewegungskontinuitäten durch Veränderung der Raumund Zeitachsen und deren unterschiedliche Beziehungen zueinander sind einige der visuellen Themen dieser Filme. BEUyS WERnER nEkES, DoRE o., BRD 1981 mIT JOSEPh bEUyS | LäNGE: 11 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm »Zehn Minuten spricht Beuys, mit dem Gesicht zur Wand, dem Rücken zur Kamera, über seinen Kunstbegriff. Diese radikale, schlichte Form erscheint völlig adäquat dem Gegenstand des Films. Zwar gab es lautstarke Publikumsproteste im Saal wie lange nicht mehr, doch im Nachhinein wirkt die Frage rein rhetorisch, auf welche Art filmischer Ausdrucksweise man dem Werk von Beuys hätte näher kommen können. Knapper, präziser, schnörkelloser geht’s wohl nicht. Ein großer Kunst-Film.« (Ingo Petzke, medium, 7/1981) SA 10.10., 21:00 PRoGRAMM 8 AMALGAM WERnER nEkES, BRD 1976 TON ANThONy mOORE | LäNGE: 72 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm Ein Film in 4 Teilen: 1. Knoten (stumm) 2. Gewebe 3. Textur 4. Geflecht MAkiMono WERnER nEkES, BRD 1974 TON ANThONy mOORE | mIT chRISTOPh hELLER, INGRID KAmOWSKI, RONA NEKES, DORE O. LäNGE: 38 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm Makimono ist das asiatische Rollenbild, das eine Landschaft zeigt. Gegenstand des Films ist die Filmsprache selbst, ihre Veränderbarkeit mit ihrem Einfluss auf das Denken und Sehen des Zuschauers. Im allmählichen Fortschreiten des Films wird der Zuschauer behutsam dazu aufgefordert, die Entwicklung des Films in seinen Ausdrucksmöglichkeiten zu reflektieren. KINO.PROGRAmm WERnER nEkES Mirador 43 Start Di 13.10., 18:00 PRoGRAMM 9 DAS SEMinAR WERnER nEkES, BAZon BRoCk, BRD 1967 LäNGE: 32 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 16mm Der Film entstand in Zusammenarbeit mit Bazon Brock und dokumentiert ein von Brock im August 1967 abgehaltenes Trainingsseminar auf dem Jugendhof Dörnberg bei Kassel. »Der thematische Zusammenhang bestand in der Frage, ob man intendieren kann, das individuelle und gesellschaftliche Leben noch einmal von vorne anzufangen. Es ging um die Bedingungslosigkeit jeden Neuanfangs. Ausgangspunkt war die von den Seminarteilnehmern geäußerte Erfahrung im Umgang mit ›der Geschichte‹: sie verstelle die aktuellen Lebensvollzüge mit dem dauernden Rückverweis darauf, daß bereits alles einmal von Menschen gewollt und gedacht und getan sei, was man sich selber zu denken, zu tun und zu wollen auch immer vornehme. « (Bazon Brock) KINO.PROGRAmm WERnER nEkES PEGGy UnD DiE AnDEREn, oDER WER TRäGT DiE AvAnTGARDE? 44 WERnER nEkES, BAZon BRoCk, BRD 1980 LäNGE: 45 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 16mm Verdächtigungen begleiten die Erfolge der AvantgardeKunst: Wird sie durch eine Mafia der Kritik, eine Lobby der Händler, durch Gesellschaftsklüngel oder Außenseiter manipuliert? Bazon Brock antwortet mit einem Film voller Ironie und didaktischem Ernst. Muhkuh WER iST JoHnny FLASH? GURTRUG nR. 1 WER IST JOHNNY FLASH? wurde 2010 von Werner Nekes als Hommage an Andreas Kunze aus Material zusammengestellt, das während der Dreharbeiten zu JOHNNY FLASH entstand. Hier glänzt Andreas Kunze als Johnny Flash und Helge Schneider mimt die Mutter. 26 Personen und zwei Pferde bewegen sich auf einer Grasfläche (= Leinwandfläche) und drücken sich dabei selbst aus. Wiederholt wird dieses Bild durch eine scheinbare Störung unterbrochen, die der Betrachter allzu gerne enträtseln möchte. WERnER nEkES, BRD/D 1987/2010 LäNGE: 27 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DVD Di 13.10., 20:15 PRoGRAMM 10 START WERnER nEkES, BRD 1966 LäNGE: 10 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm »Bisher wurde im Film der Bedeutung des Tones nicht genügend Rechnung getragen. Aufs Sträflichste wurde das Ohr mit minderwertiger Musik beleidigt. [...] Wenn im Film START ein Rechteck grünes Gras mit einem Netz von Bewegungen überzogen wird, habe ich dazu eine Collage von 16 Musikaufnahmen gesetzt. [...] Der Zuschauer und Hörer kann selbst den Hörweg bestimmen, den er beim Betrachten des Films nachvollziehen will, wobei ihm die anderen Hörmaterialien den Weg vorschreiben, sobald er sich entschieden hat.« (Werner Nekes) »Werner ist nicht nur ein feinfühliger Künstler, sondern auch ein sehr guter Musiker mit absolut richtigen und intelligenten Ideen. Indem er die Intuition und das Werk von Charles Ives aufgreift [...] ist es ihm gelungen, eine ganz eigenartige Tonmarmelade mit außergewöhnlichem Effekt zu erhalten.« (Alfredo Leonardi, Filmcritica, November 1966) WERnER nEkES, BRD 1967 LäNGE: 12 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm MUHkUH WERnER nEkES, BRD 1968 LäNGE: 14 mIN. | FORmAT: S/W, STUmm, 16mm »Filme wie MUHKUH mögen als eine plumpe Parodie auf gewisse Kulturfilme erscheinen, bei näherer Betrachtung jedoch zeigen sich hier weitere Ebenen, wie zum Beispiel das durch den Prozess des Filmens beeinflusste Verhalten dieser Kühe, die jetzt ähnlich reagieren wie Menschen, die plötzlich vor einer Filmkamera stehen. Genauso wie Werner Nekes dieses Verhalten der Kühe planvoll durch den Einsatz von akustischen Signalen steuerte, ist für ihn in anderer Weise die Konstruktion seiner Filme von einschneidender Bedeutung.« (Cyrus Kube, Aachener Nachrichten, 16.11.1968) Kelek SCHWARZHUHnBRAUnHUHnSCHWARZHUHnWEiSSHUHnRoTHUHnWEiSS oDER PUT-PUTT WERnER nEkES, BRD 1967 LäNGE: 10 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 16mm Der Film ist ein poetischer Versuch über das Leben und den Tod. Der Ton ist eine Musikcollage aus etwa 200 Anfängen und Enden verschiedener Musikstücke. »Put« steht für den Lockruf, »putt« für »kaputt«: Ein braunes Huhn pickt auf einer Glasplatte Körner. »Man sieht: eine immer lichter werdende Klee-Struktur (Körner werden weniger), hinter der schattenhaft ein Drachenwesen sich reckt und flattert. Schock-Schluss mit dickem Symbol: das Huhn torkelt mit abgeschlagenem Kopf durch weißen Schnee.« (Ingrid Seidenfaden, Münchener Merkur, 12.12.1968) kELEk WERnER nEkES, BRD 1968 LäNGE: 60 mIN. | FORmAT: S/W, STUmm, 16mm »Eine lange Einstellung von einem Kellerfenster auf die Straße. Langsames Auf- und Abblenden auf die Brüderstraße in Hamburg (wo Nekes wohnt). Eine Einstellung vom Bauch eines Mädchens aus auf ihre Beine und ihr Kleid. Dann Vagina und Penis, wie sie sich ergänzen. Der 60-Minuten-Film ist stumm. Die Leinwand wird, wie bei früheren Nekes-Filmen, zur Leinwand des Malers. Man schaut nicht in einen imaginären Raum, man sieht eine Fläche, die gegliedert, aufgeteilt und bei jedem Schnitt durch eine neue Leinwand ersetzt wird. Vor allem ein Eindruck: strenge, kühle Berechnung. Das steht da wie ein Block. Unverrückbar. Das ist so sehr Bild, dass es sich der sprachlich adäquaten Formulierung entzieht. Man muss das sehen.« (Werner Kließ, Die Zeit, 28.3.1969) KINO.PROGRAmm WERnER nEkES Das Seminar 45 GEiSSEL DES FLEiSCHES S. 45 oPEninG niGHT: SCHniTZELBEAT-PARTy MiT DJ AL BiRD SPUTnik (TRASH RoCk ARCHivES) & ALASkA AL (DiGATonE) S. 46 CARL AnDERSEnS UnDERGRoUnD DER LiEBE S. 46 i WAS A TEEnAGE ZABBADoinG S. 47 MonDo WEiRDo – A TRiP To PARAnoiA PARADiSE S. 47 CARo B. MEMoRiAL-konZERT MiT MoDELL D’oo UnD RonniE »RoCkET« URini S. 48 EnTMUST / THE MUSE HAS LEFT THE BUiLDinG S. 48 SUkkUBUS – DEn TEUFEL iM LEiB S. 49 JERRy CoTTon: DER ToD iM RoTEn JAGUAR LA MoRTE in JAGUAR RoSSo S. 49 DiE BRUT DES BöSEn S. 50 nACkT, WiE GoTT SiE SCHUF S. 50 iM SCHLoSS DER BLUTiGEn BEGiERDE S. 51 DAS nACHTLokAL ZUM SiLBERMonD S. 51 MäDCHEn FüR DiE MAMBo-BAR S. 52 SCHULMäDCHEn-REPoRT 1. TEiL WAS ELTERn niCHT FüR MöGLiCH HALTEn S. 53 DER MöRDER MiT DEM SEiDEnSCHAL S. 53 iCH SEH, iCH SEH S. 54 HExEn BiS AUFS BLUT GEQUäLT MARk oF THE DEviL S. 55 HExEn – GESCHänDET UnD ZU ToDE GEQUäLT MARk oF THE DEviL 2 S. 55 HExEnJAGD in MAUTERnDoRF S. 56 WiEnERinnEn – SCHREi nACH LiEBE S. 56 nECRonoMiCon – GETRäUMTE SünDEn S. 57 ALRAUnE S. 57 in 3 TAGEn BiST DU ToT S. 58 in 3 TAGEn BiST DU ToT 2 S. 58 MoRGEnGRAUEn S. 59 DiE ToDESGöTTin DES LiEBESCAMPS S. 59 BARon PoRnoS näCHTLiCHE FREUDEn S. 60 RASPUTin – oRGiEn AM ZAREnHoF S. 60 DER kiLLER von WiEn Lo STRAno viZio DELLA SiGnoRA WARDH S. 61 DiE WöLFin voM TEUFELSMooR / ToD iM novEMBER S. 61 ExiT… nUR kEinE PAnik S. 62 ASPHALT S. 62 ZERSCHoSSEnE TRäUME L’APPAT S. 63 DAS MäDCHEn MiT DEM Mini S. 63 DiE ToTEn FiSCHE S. 64 SCHAMLoS S. 65 ABEnTEUER in WiEn S. 65 DiE ERBEn S. 66 FRAU DoRoTHyS BEkEnnTniS S. 67 DAS GoLD DER LiEBE DER FAn 2 S. 67 RAT RACE S. 68 UnSiCHTBARE GEGnER öL inS FEUER S. 68 FRiTS FRonZ DoUBLE FEATURE S. 69 UnSiCHTBARE GEGnER S. 70 FR 9.10., 19:30 | Do 15.10., 18:00 GEiSSEL DES FLEiSCHES EDDy SALLER, A 1965 bUch: EDDy SALLER | KAmERA: EDGAR OSTERbERGER; hANNS KöNIG | mUSIK: GERhARD hEINz mIT hERbERT FUx, hERmANN LAFORET, PETER JANISch, hANNS ObONyA, JOSEF LOIbL LäNGE: 83 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 35mm Lustmord, röstfrisch. Am Anfang der pseudo-seriöse Hinweis: »Verbrechen aller Art, insbesondere Sexualdelikte, nehmen in den letzten Jahren in erschreckendem Maße zu.« Dann – heiße Damenbeine im Netzstrumpf, die zu den funkelnden Beat-Rhythmen von Gerhard Heinz abstrampeln, hart schwarzweiß und schweißnah gefilmt. Nahaufnahme Männeraugen, denen der Samenstau aus der Pupille springt. Die Wiener Oper. Sommer. Menschentreiben. Kurze Röcke. Schmusende Paare. Sexkram-Plakate überall. What´s a poor boy to do ... Der Fall des »Opernmörders« Josef Weinwurm, der eine Teenie-Ballerina 1963 dort in den Duschen mit 34 Messerstichen abschlachtete, bildet die Vorlage für dieses erste große Pulp-Gebräu des Rotlicht-Kinobetreibers Herbert Heidmann, das er gemeinsam mit dem Münchner Regisseur und Franz Antel-Schüler Eddy Saller fabrizierte, vor ihrem ganz großen Furioso mit dem Meister-Movie SCHAMLOS. In einer abwegigen Szenerie irgendwo zwischen hysterischem Gerichts-Drama und Schlagobers-PSYCHO mimt Charaktergesicht Herbert Fux auf unnachahmliche Weise den schwanzgestörten Serienmurkser. Ein Wahnsinn – ein Verbrechen! –, dass ein solches Stück Kino sich in Österreich nie wiederholen durfte und Saller in asthmatischen SexKomödien verkommen ist. Schuld war sicher zu wenig Liebe in der Kindheit ... (pp) FR 9.10., 19:30 in AnWESEnHEiT DES koMPoniSTEn GERHARD HEinZ KINO.PROGRAmm AUS FLEiSCH UnD BLUT AUS FLEiSCH UnD BLUT VIENNALE ’15 FILmPROGRAmm 47 y T R A P Mädchen für die Mambo-Bar SA 10.10., 15:45 oPEninG niGHT: CARL AnDERSEnS SCHniTZELBEAT-PARTy MiT UnDERGRoUnD DER LiEBE DJ AL BiRD SPUTnik (TRASH RoCk ARCHivES) & ALASkA AL (DiGATonE) Anlässlich unseres Gedenktages an Carl Andersen alias Karl KINO.PROGRAmm AUS FLEiSCH UnD BLUT MARTin nECHvATAL, GERALD JinDRA, A 2015 bUch: mARTIN NEchVATAL, GERALD JINDRA, PATRIcK SPANbAUER | KAmERA: mARTIN NEchVATAL, GERALD JINDRA | mUSIK: mODELL D’OO, FETISh 69 | LäNGE: 107 mIN. | FORmAT: FARbE UND S/W, DF, DcP 48 Bilderbuch werden wir nicht brauchen, wenn das Foyer des Metro-Kinos an diesem Abend in ekstatische Flammen aufgeht: »Schnitzelbeat«, der unerwartete Riesenerfolg dieses Samplers zu austriakischer 50s- und 60s-Exotica, Beat, Garagen-Rock und Schlager-Extravaganzen blies selbst die Macher dieses psychotronischen Meilensteins aus den Ringelsocken: Al Bird Sputnik, Grandseigneur der »Trash Rock Archives«, der Wiener Dokumentatiosstelle für den wildesten Pop-Schmutz der Heimatgeschichte, und Albrecht Dornauer, einer der drei Betreiber des Innsbrucker Liebhaber-ReissueLabels »Digatone«, die auch die furiosen Soundtracks von Eddy Sallers Grindhouse-Meilensteinen GEISSEL DES FLEISCHES und SCHAMLOS auf Schwerst-Vinyl mit dicken Info-Booklets gepresst haben. Nachdem Komponist Gerhard Heinz mit seinen zarten 88 unsere diesjährige Austrian-PulpRetro mit der Erstaufführung der restaurierten GEISSEL DES FLEISCHES einläuten darf, erwarten Sie Al & Al mit einem verruchten Granada-Cocktail aus Siff, Suff, Lebensfreude und gefährlich viel Mitgrölfaktor. Menschen in Bikinis und Matrosenoutfit – herzlich willkommen! Brazda, jenes Kingpins des heimischen Underground-Kinos und Meister des depressiv-philosophischen UndergroundPornos, der mit nur 54 Jahren in Berlin Selbstmord beging, freuen wir uns, die Vorab-Weltpremiere dieser abendfüllenden Doku von Gerald Jindra und Martin Nechvatal zeigen zu können. Nechvatal war enger Freund und Wegbegleiter, bisweilen auch mal Hardcore-Darsteller für Carls exzentrische Kino-Abenteuer. Eine spannende, sehr persönliche Chronik des knurrigen Paradiesvogels, von den Anfängen als Fan und Hustler in den Programmkinos Wiens, seiner Zeit als Szene-Figur, zu seiner Semi-Bekanntheit in Deutschland bis hin zum Moment des Ausrauchens. Mit vielen Ausschnitten des Gesamtwerks und zahlreichen Interviews. (pp) SA 10.10., 18:00 | Do 15.10., 20:00 SA 10.10., 20:00 i WAS A TEEnAGE ZABBADoinG MonDo WEiRDo – A TRiP To PARAnoiA PARADiSE CARL AnDERSEn, A 1988 bUch: cARL ANDERSEN | KAmERA: GEORG EISNEcKER, ROLAND WÜNSch | mUSIK: mODEL D’OO, FUTURE bLUES | mIT cARL ANDERSEN, yASmIN bEVILAqUA, RUby TUESDAy, GEO mAyR, LIbOR mORbID, RONNIE URINI, hARALD DOLEzAL, ELIzAbETh hODES | LäNGE: 68 mIN. | FORmAT: S/W, DF, DcP CARL AnDERSEn, A 1990 bUch: cARL ANDERSEN | KAmERA: GEORG EISNEcKER | mIT JESSIcA F. mANERA, FRANK KhUNNE, SOLEDAD mARcEIGNAc | LäNGE: 55 mIN. FORmAT: S/W, DF, DcP VORFILm VORFILm WHAT’S So DiRTy ABoUT? CARL AnDERSEn, A 1990 LäNGE: 9 mIN. | FORmAT: S/W, DF, DcP DAS WiEnER kETTEnSäGEnMASSAkER MARTin nECHvATAL, A 1993 LäNGE: 16 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, bETA-SP VORFILm Sexualvampire. Krieg in den Straßen. Avantgarde und Alberei. Mit 54 entfernte sich 2012 mit Carl Andersen alias Caro B. einer der spannendsten Köpfe des queeren mitteleuropäischen Underground-Kinos selbst von diesem Planeten. In Wien hatte er in den 1980ern die schwul-lesbischen Filmtage gegründet, als Erster Ulrich Seidl entdeckt und programmiert und mit der Fun Factory das erste Crossover-Lokal für Trash-Filme, New Wave und Lederjacken-Rocker betrieben. In und um die Theke der Fun Factory wurde auch der Großteil dieses kongenialen No-Budget-Debütfilms gedreht, der gerade noch als Nachlass aus Caros schimmligem Keller in das Filmarchiv Austria gerettet werden konnte. Pulp-Posen treffen Amateur-Porno und Punk-Home-Movies. Ein vergessenes Juwel, als das Förder-Kino schick wurde und die Subkulturen das Gegen-Kino übernahmen: Ergänzend ein Cut-up-Kurzfilm als nihilistische Sex Trance, irgendwo zwischen Throbbing Gristle und Kenneth Anger. Provokanter Hedonismus. Hedonistische Provokation. (pp) SA 10.10., 18:00 in AnWESEnHEiT von ERWin LEDER, STEFAn GRiSSEMAnn, RonniE URini, AnnELiESE HoLLES, MARTin nECHvATAL MEPHiSTo’S BAR PATRiCk MoSHinSky, A 1999 LäNGE: 25 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DIGIbETA Mitten im Kitzler, Downtown Mariahilf. Teil zwei der WienFilme des berüchtigten Underground-Regisseurs Carl Andersen, diesmal pornografischer, noch mehr IndustrialStyle, noch näher an seinen Vorbildern Godard und Jess Franco, denen der Film auch gewidmet ist. Odile, 15, ein Pagenkopf-Pummel, erwischt die erste Periode kalt unter der Dusche. Der Weg führt sofort in die Stammkneipe der Filmcrew, wo die Synth-No-Wave-Band Modell D00 im Keller berserkern, während es sich ein SM-Lesbenpaar ordentlich besorgt und die Garagen-Rock-Legende Ronnie Urini (hier Ron Lourid) Cocktails aus Vogelspinnen braut. Odiles Säfte sind nicht aufzuhalten: schon halluziniert sie von einem Goth-Pärchen vergewaltigt zu werden, das willkürlich Passanten ermordet. Ein nervös-perfides LoFi-Musikvideo trifft auf einen Dreyrschen Tagtraum. Alles ist Düsternis, Gewalt. Die zeigewilligen Darsteller wurde von Andersen direkt von den Sauftheke weg gecastet. Die wunderbare Leichtigkeit dieser Pulp-Heimfilme sollte er bei seinen späteren Berliner Arbeiten nie wieder erreichen. Als Appetizer: TeenagerSplatter-Unfug und ein Besuch in der letzten Nachtbar vor der Hölle. (pp) KINO.PROGRAmm AUS FLEiSCH UnD BLUT FR 9.10., 21:30 49 T R ZE n o k SA 10.10., 00:00 CARo B. MEMoRiAL-konZERT EnTMUST / THE MUSE HAS MiT MoDELL D‘oo UnD RonniE LEFT THE BUiLDinG »RoCkET« URini KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut AnnELiESE HoLLES, D 2014 bUch: ANNELIESE hOLLES | KAmERA: ANNELIESE hOLLES | LäNGE: 105 mIN FORmAT: FARbE, DF, DcP 50 Carl Andersen (1958–2012), mit seinen in Wien gedrehten Horror-Porno-Klamotten, war nicht nur einer der begnadetsten und untergriffigsten Underground-Regisseure Österreichs, sondern viele Jahre lang auch eines der prägendsten Nachtschattengewächse Wiens. Entsprechend ehrt ihn AUS FLEISCH UND BLUT nicht nur mit mehreren seiner Filme und zwei Dokus sowie Publikumsgesprächen, sondern auch mit Live-Auftritten zweier Kult-Bands, die auch Teil seiner ersten beiden Filme waren – sowohl als Darsteller mit Messer im Kopf wie auch als Musiker, die es neben kopulierenden Leder-Lesben noch schafften, lässig aufzugeigen. Ein Blick vorwärts-retour in die Wiener Underground-Szene von 1989. Einmal eine Synth-Collage und Wave-Punk-Hymnen des Electronic-Pop-Duos Modell DOO, deren Mitglieder man heute eher als Journalisten kennt: Markus Moser von Ö1 und Stefan Grissemann, KulturChef des Nachrichtenmagazins Profil. Danach die famose Wiederkehr des Mister Garage Glam schlechthin, Ronnie »Rocket« Urini, jenes Kremser Buben, der schon mit schwarzen Sonnenbrillen im Dunklen geboren wurde und in den 1980ern in Nieten, Leder und mit daueroffenem Hosentürl in Österreich erst definierte, wie »Bad-boy Rock« auszusehen hat. Legendär seine Auftritte mit Venus, The Vogue und den Letzten Poeten, seine Kollaborationen mit Mars Bonfire von Steppenwolf oder seine IggyPop-Coverversionen. Ehret den Schmutz! Beutelt die Köpfe! Es wird ein großer Abend. (pp) Die zweite, fast parallel und ebenso unsubventioniert entstandene Doku zu Carl Andersen, stilistisch das komplette Gegenteil und dadurch die perfekte Ergänzung. Anneliese Holles, Carls letzte Freundin, begleitet ihn durch seine letzten Jahre, bei Dreharbeiten, trunkenen Euphorie-Momenten, Wutausbrüchen. Und vor allem bei seinen Dreharbeiten, wo das Inszenieren erotischer Szenen zum Auslöser von Selbst-Hinterfragung und Geschlechterkrieg, Egomanie und Verzweiflung wird. Ein ultra-intimer Real-Cinema-Heimfilm, der einen unter die fremde Haut gehen lässt. Ob man will oder nicht. (pp) So 11.10., 16:00 | FR 6.11., 18:45 So 11.10., 18:00 SUkkUBUS – DEn TEUFEL iM LEiB JERRy CoTTon: DER ToD iM RoTEn JAGUAR / LA MoRTE in JAGUAR RoSSo GEoRG TRESSLER, BRD 1988 bUch: FRANz SEITz | KAmERA: RUDOLF bLAháčEK | mUSIK: RUDOLF WILhELm | mIT PETER SImONISchEK, GIOVANNI FRÜh, ANDy VOSS, PAmELA PRATI | LäNGE: 80 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm »Who’s the pussy in here?« Der Weibsteufel als Erwachsenenmärchen. Drei lebensgegerbte Senner, darunter Peter Simonischek als grimmiger Rudelführer, verbringen einen weiteren harten Sommer auf der Alm. Lust und Hass auf das ferne Mysterium Frau ackern sie an einer Strohpuppe ab. Doch das leblose Triebopfer erwacht in Form eines stummen, gut bekurvten und dauernackten Überweibchens, das in magischer Übereinkunft mit der Natur den gedankenkargen Machos, und zwar wörtlich, das Fell über die Ohren ziehen will. Geschlechterkrieg for real. Hinreißend, wie der Wiener Regie-Altmeister Georg Tressler (DAS TOTENSCHIFF, DIE HALBSTARKEN), längst in belanglose Soft-Sex-Streifen abgesackt, hier ein letztes Mal inmitten der Schweizer Gletscher seine Kräfte bündelt, um ein altes Sagenmotiv der mitteleuropäischen Alpen zu modernisieren. Von Felix Mitterers DIE WILDE FRAU bis zum Horror-Flop der SENNENTUNTSCHI wurde die Sage schon adaptiert, doch nie so gelungen wie hier. Eine hinterfotzige Rape-andRevenge-Dekonstruktion von Heimatfilm und Männerbündelei. Regieassistenz: niemand Geringerer als Christoph Schlingensief. Ein wilder Ritt! (pp) HARALD REinL, BRD/i 1968 bUch: ALEx bERG | KAmERA: FRANz x. LEDERLE | mUSIK: PETER ThOmAS | mIT GEORGE NADER, hEINz WEISS, GRIT bOETTchER, FRIEDRIch SchÜTTER, cARL LANGE | LäNGE: 91 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm »Alarm in New York. Serienmord wird als Geschäft betrieben.« Die Welt ist eine verkommene, und nur CIA-Mannen in Anzug und Krawatte können ihr Überleben garantieren. Der Bad Ischler Dr. Harald Reinl war der Kaiser des hiesigen Schundheftkinos. Einst Regieassistent bei Arnold Fancks SkiPossen und Leni Riefenstahls zurecht verfemtem NaziSchmalz TIEFLAND, mit Zwangsarbeitern gedreht, wurde Reinl in den späten 1950ern zum kommerziell erfolgreichsten deutschen Regisseur. Ein Filmemacher als hausbackener Handwerker, der mit der Erfindung von Kino-Serien wie WINNETOU, DR. MABUSE und JERRY COTTON den Inbegriff des teutonischen Blockbusters, von »Papas Kino« schuf, gegen den der »neue deutsche Film« und das Oberhausener Manifest zum Angriff bliesen. Bei den Adaptionen des seit 1954 ermittelnden G-Man Cotton stieg Reinl erst spät ein und inszenierte die letzten drei Werke von acht, diesmal in Vollfarbe und mit teils nackter Haut, mit noch mehr trashigen Rück-Projektionen und unfreiwilligem Humor. Hauptdarsteller George Nader hatte sich als bekennender Homosexueller und Ex-Lover von Rock Hudson für die Rolle als Cotton aus Hollywood Richtung Moabit abgesetzt, was seiner Interpretation der US-Ultra-Correctness eine Genussportion Kink und Kult mehr verschafft. Als ob die zuckerlbunte Hysterie von Reinls Inszenierung und der berühmte Pfeif-Score von Peter Thomas nicht ausreichen würden ... (pp) KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut SA 10.10., 22:00 51 So 11.10., 20:00 | So 8.11., 22:45 Mo 12.10., 18:00 Mo 12.10., 20:15 Di 13.10., 21:00 | Di 20.10., 18:00 DiE BRUT DES BöSEn nACkT, WiE GoTT SiE SCHUF CHRiSTiAn AnDERS, BRD 1979 bUch: chRISTIAN ANDERS | KAmERA: hANS bURmANN SANchEz | mUSIK: chRISTIAN ANDERS mIT chRISTIAN ANDERS, DEEP ROy, DUNJA RAJTER, mARIbEL mARTIN, FRED hARRIS, RIA KEmP LäNGE: 85 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm HAnnS SCHoTT-SCHöBinGER, A/BRD/i 1958 bUch: JOhANNES mARIO SImmEL | KAmERA: FRANz WEIhmAyR | mUSIK: PETER SANDLOFF mIT mARISA ALLASIO, RIK bATTAGLIA, cARL WERy, PAUL böSIGER, ELLEN SchWIERS | LäNGE: 94 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm iM SCHLoSS DER BLUTiGEn BEGiERDE DAS nACHTLokAL ZUM SiLBERMonD PERCy PARkER, BRD 1967 bUch: ERIc mARTIN SchNITzLER, PERcy PARKER | KAmERA: JORGE hERRERO mARTIN, FRANz hOFER | mUSIK: JERRy VAN ROOyEN | mIT JANINE REyNAUD, hOWARD VERNON, JAN hENDRIKS, mIchEL LEmOINE, ELVIRA bERNDORFF | LäNGE: 80 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm WoLFGAnG GLüCk, BRD 1959 bUch: WOLFGANG GLÜcK, PETER LOOS, AUGUST RIEGER | KAmERA: WALTER TUch | mUSIK: chARLy NIESSEN | mIT mARINA PETROWA, JÜRG hOLL, PERO ALExANDER, mARISA mELL, GERDINA GORDON, ROLF OLSEN | LäNGE: 85 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 35mm »Eine unheimliche Macht will ihn um jeden Preis beseitigen. Er steht allein gegen ein mächtiges Syndikat. Aber im Kampf Mann gegen Mann ist sein Karate allen überlegen.« Martial Arts trifft auf Teutonen-Glamour. Ein Liebeslied an den blanken kinematischen Irrsinn des Spektakulären. Bevor in den 1980ern Rambo, Chuck Norris, Michael Dudikoff, all die anderen Äktschn-Heroen des israelisch-amerikanischen Produktionshauses Cannon den muskelstarren, weißhäutigen Haudrauf zum Erfolgskonzept machten, übersetzte bereits der steirische Schlagerkönig Christian Anders die Hongkong-Kung-Fu-Blaupausen von Bruce Lee und Wang Yu ins Zentraldeutsche. Und brachte einen Pulp-Vulkan zur Eruption. Selbst Träger des Schwarzen Gürtels und Betreiber einer Kung-Fu-Schule in Fürstenfeldbruck bei München, mimt Sanftstimme Anders höchstpersönlich den pazifistischen Karate-Weisen Frank Mertens, der von einem KillerLiliputaner bedroht wird, der, klarerweise, im Dienste von Mafia und Drogenhandel, seine eigene Schule neben ihm zu errichten wagt. Etliche Tote und ein herber Gefängnisaufenthalt später ist Mertens Friedwille schnell vergessen. Es regnet Blut und Handkantenschläge. (pp) HExEn (FRAGMEnT) Er war einer der ganz großen Grindhouse-Autoren Österreichs. Ihm gilt der Schwerpunkt unserer heurigen AUS FLEISCH UND BLUT-Edition: Adrian Hoven. Schauspieler. Produzent. Bonvivant. 1922 als Wilhelm Arpad Hofkirchner in Wöllersdorf geboren und in Tirol aufgewachsen, wurde er in den 1950ern zu einem der führenden Kino-Herzensbrecher, ob im WALDRAUSCH, IM WEISSEN RÖSSL oder an Romy Schneiders Seite. Als in den Swinging Sixties EuroKoproduktionen boomten und das Zeigbare erwachsener wurde, packte Hoven die Lust auf Exploitation. Er gründete die Kino-Werkstätte »Aquila«, wo er auch selbst, meist als Percy G. Parker, Regie führte. Seine Filme sind weitgehend Dreck, kein Zweifel. Ohne Sinn für Anschlüsse. Dahin geschludert. Rein auf nackte Haut und billige Effekte aus. Und trotzdem durchblutet sie ein herzhafter Eigenwille nach Subversion, nach Trieb, nach Kino als Hort des Hedonismus, eine Sehnsucht nach der dunklen Romantik. So nimmt sein 1974er Biker-Drama PUSTEBLUME mit Rutger Hauer den gesamten Paul Verhoeven vorweg. IM SCHLOSS DER BLUTIGEN BEGIERDE verfeuert atemlos jedes Klischee der italienischen Gothic-Horror-Welle in brünftigen Kaskaden, gepimpt mit einem Mehr an Brüsten, Blut und Weltverwirrtheit. Eine Huldigung an filmische Vulgarität, eingehüllt in roten Brokat. (pp) »Durch die Sierra zieht das alte Liebeslied. Ein Lied von Sünde und Gewalt.« So verkündet es zumindest der damalige Werbeschreier. Mit der ultrakurz beschürzten Feldarbeiterin Silvana Mangano hielt 1949 in BITTERER REIS der Eros Einzug in das Kino des Neorealismus und mutierte in Folge zu Pulp. Dieser Auszieh-Sozialismus wiederum wandelte sich in den 50ern zu freizügigen Historiendramen. Der kinematische Gedankensprung von der Haremsdame, von Mädchenhandel und weißer Sklaverei hin zum Stripgirl und zur Burlesque war schließlich in dieser Aufbruchsära der Animierlokale kein sonderlich weiter. Das »Nachtlokal zum Silbermond« ist so ein Schuppen. Fünf österreichische Backfisch-Girls werden als »professionelle Tänzerinnen« hierher an den Bosporus gelockt, um sich unter Zwang vor alten Nadelstreif-Männern auszuziehen und sich selbigen hinzugeben. Von seinen fünf frühen Pulp-Werken schätzt Wolfgang Glück, der sich dann Tschechow, Zweig und Torberg zuwenden sollte, das NACHTLOKAL am meisten. Das mag an der ungewöhnlichen Eleganz des Films liegen und am auffallenden, weiblich dominierten Cast. Vom »guten Ton« des Förderkinos, den Glück in den 1980ern als Macher und in den 1990ern als Kopf der Wiener Filmakademie so massiv mitformen sollte, ist es, noch meilenweit entfernt. (pp) KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut Di 13.10., 21:00 in AnWESEnHEiT von WoLFGAnG GLüCk 53 KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut VORFILm 52 So 11.10., 20:00 in AnWESEnHEiT von CHRiSTiAn AnDERS HAnnS SCHoTT-SCHöBinGER, A 1949 LäNGE: cA. 5 mIN. | FORmAT: S/W, DF, DcP Gottesfürchtige Niederungen. Hans Schott-Schöbingers filmisches Vermächtnis blieb lange unbesungen. Dabei war der steirische Volkskünstler, 1901 in Andritz geboren, mehr als populär zu seiner Zeit. Bis in die Nazi-Zeit hinein sollte er als Schauspieler, Regisseur und Gassenhauer-Profi, oft im Duett mit Gattin Friedl Czepa, die leichten Volksbühnen beherrschen. Nach dem Kriegsende kam ein großer Plan: Mit der romantisch-phantastischen Komödie HEXEN versuchte man erstmals Graz Thalerhof als internationales Filmstudio, »Thaliwood«, zu etablieren, was kläglich scheiterte. Neben den Verrissen überlebten von dem Film lediglich ein paar Fragmente, darunter aber eine tatsächlich grandiose Alptraumsequenz. Später wurde Schott-Schöbinger mit den Firmen AFA und Defir selbst Produzent und Verleiher für Filme, die im Stech-Schritt vom Heimatkitsch geradewegs Richtung katholische Sexploitation marschierten. NACKT WIE GOTT SIE SCHUF ist ein solches Schundfeuerwerk nach der Romanvorlage von Johannes Mario Simmel. Inmitten der Dolomiten, wo sich ein Kloster mit einer Baustelle ums Wasser streitet, fällt eine junge, schöne Nonne vom Glauben ab und dem Trieb anheim, als sie die Schwerarbeiter beim Spielen mit den schmutzigen Muskeln beobachtet. (pp) Mi 14.10., 18:00 Mi 14.10., 20:00 SCHULMäDCHEn-REPoRT 1. TEiL WAS ELTERn niCHT FüR MöGLiCH HALTEn DER MöRDER MiT DEM SEiDEnSCHAL Di 13.10., 19:00 MäDCHEn FüR DiE MAMBo-BAR KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut WoLFGAnG GLüCk, BRD 1959 bUch: hELLmUT ANDIcS, AUGUST RIEGER | KAmERA: WALTER TUch | mUSIK: GILbERT bécAUD U. A. | mIT GERLINDE LOcKER, ROLF KUTSchERA, KAI FISchER, WOLF ALbAch-RETTy, TOmmy RUPP | LäNGE: 87 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 35mm 54 »Also, Mädchen, wenn Sie beim Rollschuh-Akt die Rollschuhe verlieren, dann kann ich sie nehmen.« »Ja, was bleibt denn davon über ohne die Rollschuhe?« »Eben!« Mit dem viel prämierten SCHÜLER GERBER und dem Oscarnominierten 38 - AUCH DAS WAR WIEN wurde Regisseur Wolfgang Glück später die Ikone des guten Geschmacks im österreichischen Kino. Ende der 1950er schuf er dagegen fünf obendrein sensationell gute Animier-Krimis, mit zahmer Erotik und schmissigen Schlagern bestückte RevuegirlReißer. Allesamt sind sie Pionier-Arbeiten des europäischen Grindhouse, die mit ihrem Mix aus harten Jungs, langen Beinen und eingängigem Wohlgesang eine ganze Welle in Frankreich, Dänemark und Italien auslösen sollte, die im deutschsprachigen Raum allerdings verebbte. Hier an der Drehbuch-Seite: Hellmut Andics, später Schöpfer großer TV-Klassiker wie RINGSTRASSENPALAIS, und August Rieger, der neben vielen Heimatfilmen auch SchmutzPerlen wie 69 LIEBESSPIELE, ZINKSÄRGE FÜR DIE GOLDJUNGEN und MAGDALENA – VOM TEUFEL BESESSEN verantwortete. Worum’s geht? Ein argloses Waisenmädchen übernimmt eine Künstleragentur, die in Wahrheit halbseidene Affären in der Mambo-Bar arrangiert und dazu die passende Menschenware liefert. Dazu spielen auf: Perez Prado, Dalida, Gilbert Bécaud und Fatty George. Kriminaltango Deluxe. (pp) Ein schattenertränkter Innenhof voller kleiner spielender Wesen. Das kleine Mädchen mit dem Ball will hoch zur Mutter. Es wird weggeschickt. Ein Mann steht hinter dem Vor»Hit me Baby one more time!« Wie Franz Antel, Hubert hang. Funkelnde Augen. Wenige Momente später ist Mama Frank, Rolf Olsen begann der Wiener Ernst Hofbauer mit tot, die mitlauschende Hausmeisterin zuckt belustigt mit Heimatkomödien und raubeinigen Krimis, bevor die große Kino-Action mit dem Glockenschlag der Siebziger horizontal den Mundwinkeln, und ein kleines Kind ist als einziger Mordzeuge auf der Flucht durch ein Wien, das 21 Jahre nach wurde. Hier galt Ernst Hofbauer als österreichischer Gottvater des Schmiers und Erfolgsgarant für die deutsche Sex- Weltkriegsende noch kaputter, fertiger und von boshafter ploitation und Softporno-Welle. Als ihn der rechtskonserva- Freundlichkeit gefluteter wirkt als in DER DRITTE MANN. tive Erfolgsproduzent Wolf C. Hartwig mit einer zeitgemäßen Überhaupt wirkt der ganze Thriller wie eine indirekte VerFortsetzung der Oswalt-Kolle-Aufklärungsfilme beauftragte, längerung von Carol Reeds Klassiker, rast doch auch diese ahnte noch niemand diese Explosion an Bumskomödien, die Menschenhatz durch dieselben, hart schwarzweiß gefilmten Ostfriesland, Schwabing, den Ruhrpott und die Lederhosen- Ecken des Praters, der Oper, der Abwasserkanäle. Basierend auf dem Schundheft Der Mörder und das Kind der auf Evaalm gleichermaßen erschütterte. Zwar gab es zu der Zeit und Lore-Romane spezialisierten Thea von Tauentzien, etliche anspruchsvolle Kino-Reportagen zur modernen Sexualkultur wie Pasolinis GASTMAHL DER LIEBE (1964) oder überrascht Adrian Hoven mit seinem Regie-Debut, das ein Sjömans ICH BIN NEUGIERIG-Filme. Doch keine sprengte die auch nach herkömmlichen Kriterien richtig guter Film ist, gespickt mit einem exzellenten Cast wie etwa als Inspektoweltweiten Kinokassen wie dieses gefälschte ReportageFormat über sexhungrige Teenie-Gören. Friedrich von Thun ren Harald Juhnke und Folco Lulli, bekannt aus Clouzots LOHN DER ANGST, sowie Pulp-Veteranin und Almodovargibt als besorgter Journalist das Feigenblatt für eine Muse Helga Liné als Mordopfer. Da fehlt nur mehr der feuchtfröhliche Verkettung pseudorealistischer Sexszenen, Qualtinger. (pp) in denen sich undercover Heiner Lauterbach, Jutta Speidel und Konstantin Wecker durch ihre ersten Filmrollen schämen. »So sind wir, die Mädchen von heute ...« (pp) KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut ERnST HoFBAUER, BRD 1970 bUch: GÜNThER hELLER | KAmERA: KLAUS WERNER | mUSIK: GERT WILDEN | mIT GÜNTER KIESLIch, LISA FRITz, GITTI NETzLE, JUTTA SPEIDEL, FRIEDRIch VON ThUN | LäNGE: 90 mIN. FORmAT: FARbE, DF, 35mm ADRiAn HovEn, BRD/i 1965 bUch: ADRIAN hOVEN | KAmERA: hANS JURA, bOb KLEbIG | mUSIK: JOhANNES REDISKE | mIT SUSANNE UhLEN, cARL möhNER, FOLcO LULLI, SONJA ROmANOFF, ADRIAN hOVEN, hARALD JUhNKE | LäNGE: 82 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 35mm 55 FR 16.10., 18:00 FR 16.10., 20:30 HExEn BiS AUFS BLUT GEQUäLT HExEn – GESCHänDET MARk oF THE DEviL UnD ZU ToDE GEQUäLT MARk oF THE DEviL 2 FR 16.10., 15:45 | Mo 19.10., 20:00 iCH SEH, iCH SEH KINO.PROGRAmm AUS FLEiSCH UnD BLUT vERonikA FRAnZ, SEvERin FiALA, A 2014 bUch: VERONIKA FRANz, SEVERIN FIALA | KAmERA: mARTIN GSchLAchT | mUSIK: OLGA NEUWIRTh | mIT SUSANNE WUEST, ELIAS SchWARz, LUKAS SchWARz | LäNGE: 99 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP »Wer bist du?« Eine zentrale Frage des Horror-Kinos, hier gestellt von einem Zwillings-Brüderpaar um die neun Jahre, die weitgehend allein das Sommer-Regiment in einem Reagenzglas-Neubau im niederösterreichischen Hinterland führen. Doch dann kommt Mama, eine TV-Moderatorin, von einer Schönheitsoperation nach Hause und ein Psychokrieg entbrennt, wer dieses seltsam herrische Wesen unter den Bandagen wirklich ist. Ein leises und gleichzeitig böse einschlagendes Psycho-Kammerspiel aus der Werkstätte von Ulrich Seidl, geschrieben und inszeniert von seiner langjährigen Drehbuchpartnerin und Frau Veronika Franz und dem Neffen Severin Fiala, beide auch Gründungsmitglieder der Austrian-Pulp-Plattform Institut Schamlos. Punktgenau zwischen Arthouse und Genre angesiedelt, ist dies einer der sensationellsten Erfolge des Ö-Kinos der letzten Jahre einer nicht enden wollender, weltweiten Filmfestivalpräsenz. Ein US-Kinostart via Miramax. Ein Social-Media-Buzz des unheimlichsten Filmtrailers aller Zeiten. So sieht eine österreichische Kino-Hoffnung aus. (pp) Krötenkoch und Fledermauskrallen. Die 1970er brachen mit der etwas eigentümlichen Folterwelle an. Das BahnhofsKino wandte sich ausführlichen Sado-Ritualen an vornehmlich unbekleideten Frauen zu. Nonnenkloster, Konzentrationslager und mittelalterliche Dörfer wurden zu Orten, wo sich Nacktheit und Brutalität glücklich vereint der Kamera demonstrierten. So vereinte sich beim Zuschauer das schlechte Katholiken-Gewissen mit gemeiner Blicklust, um die neuen Freiheiten der sexuellen Revolution auch zu verdauen. WITCHFINDER GENERAL mit Vincent Price wurde 1968 der erste Inquisitions-Kassenschlager. Dicht auf den Fersen folgte der Niederösterreicher Adrian Hoven, um als Produzent, Autor und Co-Regisseur einen mit großen, internationalen Namen besetzten Hetz-Ableger in Rot-Weiß-Rot aufzutischen. Schließlich war die Kombination alter Burgen mit Folterkellern hierzulande ein altbewährtes Tourismusrezept. Das rumplig-räudige Werk, das hemmungslos HeimatSchmalz mit ultrabrutalen Folterszenen, einem SeventiesBombast-Soundtrack und bis dahin ungesehenem sozialen Nihilismus kredenzt, wurde ein schwer umstrittener Welterfolg und zu Recht ein Euro-Horror-Klassiker, der oft verboten oder, wie zuletzt 2000 in Deutschland, beschlagnahmt wurde. (pp) PUBLikUMSGESPRäCH MiT PERCy UnD JoyCE HovEn 56 ADRiAn HovEn, BRD 1972 bUch: ADRIAN hOVEN, FRED DENGER | KAmERA: ERNST W. KALINKE | mUSIK: SONOTON mIT ERIKA bLANc, PERcy hOVEN, ANTON DIFFRING, LUKAS AmmANN, ROSy-ROSy | LäNGE: 90 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm Scheiterhaufen revisited: Zeichnete den ersten Teil von MARK OF THE DEVIL noch ein Bomben-Ensemble mit viel perfider Spielfreude aus und eine subversiv sozialkritische Handlung, wo der Menschenopfer verlangende Mob zunehmend auch die Mittel- und Oberschicht, zuletzt sogar die Hexenjäger selbst auffrisst, so erweist sich Teil zwei nicht im Geringsten als Schnellschuss aus rein kommerziellen Gründen. Allein Burg Mossham bei Mauternhof im Salzburger Lungau kehrt als pittoresker Drehort wieder, wie auch der zum Kult-Star gewordene Ober-Hexenjäger mit dem Brandgesicht, hier als »Natas«, Anagram von Satan, benamt, anstatt »Albino« wie im ersten Teil. Darsteller Reggie Nalder, 1907 als Alfred Natzler in Wien geboren, sollte durch seine dürre Statur und sein narbiges Äußeres eine DauerNebenrolle als Killer bei Größen wie Hitchcock, Argento, Fellini haben, trotzdem merkte sich jeder diese Physiognomie. Nun endlich gab ihm Hoven die erste und einzige Hauptrolle, um sich ein holzschnittartig grobes Duell mit der widerstandswilligen Adelsfrau Elisabeth von Salmenau zu liefern, feurig interpretiert von der italienischen EuroTrash-Diva Erika Blanc. Das ist zwar alles mehr »Ivan Rebroff meets Winnetou« denn seriöse Geschichtsaufarbeitung. Ein Fass voller grobschlächtiger Freude ist es nichtsdestotrotz. (pp) KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut MiCHAEL ARMSTRonG, BRD 1969 bUch: SERGIO cASSTNER, PERcy PARKER | KAmERA: ERNST W. KALINKE | mUSIK: mIchAEL hOLm | mIT hERbERT LOm, OLIVERA VUcO, UDO KIER, REGINALD NADLER, hERbERT FUx, INGEbORG SchöNER | LäNGE: 97 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm 57 PREMiERE SA 17.10., 16:00 HExEnJAGD in MAUTERnDoRF WiEnERinnEn – SCHREi nACH LiEBE KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut MARTin nECHvATAL, A 2015 bUch: AmIN hAK-hAGIR, PhILIPP hOchhAUSER, mARTIN NEchVATAL | KAmERA: mARTIN NEchVATAL, ALFRED WIhALm | mUSIK: SONOTON, mIchAEL hOLm, JOhN ScOTT, SAm SKLAIR LäNGE: 107 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP 58 Anlässlich unseres Programmschwerpunkts zu Adrian Hoven, als Darsteller österreichischer Publikumsliebling, als Regisseur und Produzent ein Meister des Bahnhofkinos, und anlässlich unseres Specials zu MARK OF THE DEVIL, jenen in den Salzburger Seventies gedrehten Schlüsselwerken des Hexenverfolgungs-Films und Historien-Horrors, hat uns Martin Nechvatal auch seine abendfüllende Doku zu diesem Thema als Vorab-Weltpremiere zur Verfügung gestellt. Ein bunter, ruraler Reigen an Zoten und Anekdoten zu den damaligen Dreharbeiten auf Burg Moosham und in der Lungauer Umgebung , erzählt von überlebenden Bauern und Lokalbetreibern, die sich noch an den »freindlichen« Herrn Hoven erinnern und daran, welche Suppen er gegessen hat, und was sonst noch so allerhand passierte. Ein Hinweis dazu: nach dem einwöchigen Besuch eines Wiener UdoKier-Groupies mussten zwei Dutzend Dorfbewohner wegen Tripper in (geheime) Behandlung. (pp) kURT STEinWEnDnER, A 1952 bUch: KURT STEINWENDNER, AUGUST RIEGER | KAmERA: ELIO cARNIEL, WALTER PARTSch mUSIK: PAUL KONT, WALTER SchLAGER | mIT ELISAbETh STEmbERGER, mARGIT hERzOG, hELmI mAREIch, ELFE GERhART, hANS PUTz, KURT JAGGbERG | LäNGE: 96 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 35mm Der Steffl in Wien. Wuchtig donnern die Walzerklänge, während die Wolkenpracht sich devot hinter die monarchische Skyline schiebt. Doch, Obacht: ein Steingesicht der royalen Monumente fährt plötzlich übernah ins Bild – wie eine Stoppelfresse aus dem Italo-Western. Ein assoziativer Match-cut, im Herzen ganz Kubrick und 2001, der seinesgleichen sucht: das edle Antlitz der Statue wird zur dreckigen Visage einer Hacklerin, die geplagt das Gesicht verzerrt. Die Off-Stimme konstatiert dazu trocken: »Annie war Ziegeleiarbeiterin im anderen Wien.« Eine Entmystifizierung des Mythos Österreich, ein lustvoll-kunstfertiges Stück Subversion, das den italienischen Neoverismo, den Proto-Realismus des Proletarier-Kinos mit Moog-fidelndem Experimentalfilm, Brecht’schem Sprechtheater und bitterbösem Humor fusioniert und in vielen Dingen auch den Pop-Realismus der Sixties, siehe Antonioni & Co, vorwegnimmt. Kurt Steinwendner war ein begnadeter Derwisch, der durch alle Kunstdisziplinen tanzte, Schüler von Gütersloh und Wotruba, Wegbereiter der Objekt- und funktionellen Kunst, der biokybernetischen Malerei. Sein Kino-Œuvre ist schmal, doch jeder Einzelkader Gold wert. WIENERINNEN, ein quietschvergnügter Portmanteau-Streifen über vier weibliche Sündenfälle, ist ein Klassiker. Und ja, es ist der Film mit der wahnsinnig werdenden Edith Klinger und ihren Kasperl-Puppen. (pp) SA 17.10., 22:30 So 18.10., 15:45 nECRonoMiCon – GETRäUMTE SünDEn ALRAUnE JESS FRAnCo, BRD 1967 bUch: PIER A. cAmINNEccI | KAmERA: FRANz x. LEDERLE, JORGE hERRERO mARTIN | mUSIK: FRIEDRIch GULDA, JERRy VAN ROOyEN | mIT JANINE REyNAUD, JAcK TAyLOR, hOWARD VERNON, NAThALIE NORD | LäNGE: 82 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm »The essence of evil. A devil on earth.« Der Weibsteufel als Spiegelfläche männlicher Begierden. Der toughen Stripperin Lorna Green im SadoMaso-Glamour-Club sind sie alle verfallen, der Intellektuelle, der Bürokrat, der MöchtegernMachiavelli. Doch bald mutiert alles Tändeln und Balzen zum halluzinogenen Todestanz. Der vorletztes Jahr verstorbene Jess Franco gilt als der führende Kino-Auteur unter den erotomanen Sixties-Schmutzfinken. Unfassbare 203 Kinofilme hat der Spanier hinterlassen, der einst als Regieassistent von Juan Antonio Bardem und Orson Welles begann, allesamt schlüpfriger Natur. Halb entkleidete Blutsaugerinnen in Haute Couture. Irrlichternde Zoom-Objektive, die minutenlang Schamhaar-Landschaften durchforsten. Die Kino-Erzählung als Suizid-Monolog unfassbar schöner Mörderfrauen. Das Kino des Jess Franco ist ein durchgehender Trip, Marquis de Sade als Barbarella-BubblegumParty. NECRONOMICON stellt Francos künstlerischen Durchbruch dar, zu dem ihm Adrian Hoven als österreichischer Produzent und Mitdarsteller verhalf, schaffte es als Schundwerk damals ins Hauptprogramm der Berlinale und fand im Premierenpublikum den heftigen Applaus von Fritz Lang. Kein Wunder: Selten genug durfte sich Franco so erlesen stilsicher austoben (Musik: Friedrich Gulda, Kostümdesign: ein junger Karl Lagerfeld). Selten traf er die Postmoderne und seine große Liebe Godard so auf den Punkt. (pp) HEnRik GALEEn, D 1927 bUch: hENRIK GALEEN | KAmERA: FRANz PLANER | mIT bRIGITTE hELm, PAUL WEGENER, IVAN PETROVIch, mIA PANKAU, GEORG JOhN, VALESKA GERT | LäNGE: 98 mIN. | FORmAT: S/W, DzT, 35mm | RESTAURIERUNG: FILmmUSEUm mÜNchEN Trivial. Unmoralisch. Pornografisch. Die Schriften des »deutschen Edgar Allan Poe« Hanns Heinz Ewers, voll mit Eros, Phantastik, schwarzer Romantik, kombinierten im frühen 20. Jahrhundert die Angst vor neuen gesellschaftlichen Freiheiten mit dem Erbe von Oscar Wilde und E. T. A Hoffmann. Und sie galten als Schund. Ewers war auch fasziniert vom neuen Medium Kino. Unter den vielen österreichischen Regisseuren, die in die deutschen Kinofabriken strömten, wie Fritz Lang, Robert Wiene, Georg Wilhelm Pabst, war auch Henrik Galeen, bekannt für seine HorrorMeilensteine DER STUDENT VON PRAG und die erste Verfilmung von DER GOLEM. Der gemeinsame Freund Paul Wegener stellte sie einander vor. So entstand die grandiose und heute rare Hauptverfilmung des Ewers-Werks ALRAUNE, dem ultimativen Roman zur Frau als selbstbestimmtem, sexuellem Poltergeist. Wie Pabst in DIE BÜCHSE DER PANDORA reduzierte Galeen den erwartbaren Expressionismus zu einem fantastischen Realismus, der erst durch Val Lewtons spätere RKO-Klassiker wie CAT PEOPLE salonfähig wurde. Brigitte Helm, die Roboter-Marie aus METROPOLIS, geht hier als weiblicher, aus Blut und Pflanzen geborener Frankenstein auf hemmungslose Männermord-Tour. Aufgrund Ewers späterer Nazi-Karriere, unter anderem als Horst-Wessel-Biograf, ging diese Perle weitgehend verschüttet. Restauriert vom Münchner Filmmuseum. (pp) LivE-MUSik von GERHARD GRUBER KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut FR 16.10., 22:15 59 in 3 TAGEn BiST DU ToT AnDREAS PRoCHASkA, A 2006 bUch: ThOmAS bAUm, ANDREAS PROchASKA | KAmERA: DAVID SLAmA | mUSIK: mATThIAS WEbER | mIT SAbRINA REITER, LAURENcE RUPP, mIchAEL STEINOchER, JULIA ROSA STöcKL, NADJA VOGEL, ANDREAS KIENDL | LäNGE: 97 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm So 18.10., 20:30 in 3 TAGEn BiST DU ToT 2 KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut AnDREAS PRoCHASkA, A 2008 bUch: AGNES PLUch, ANDREAS PROchASKA | KAmERA: DAVID SLAmA | mUSIK: mATThIAS WEbER | mIT SAbRINA REITER, JULIA ROSA STöcKL, FRANzISKA WEISz, SUSI STAch, ANDREAS KIENDL | LäNGE: 109 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm 60 Fair-Trade Blutwurst aus heimischer Produktion. Die Segnungen der »Glokalisierung«, sprich lokale FranchiseAdaptionen weltumspannender Rezepturen, verschafft dem Kino meist nur Peinlichkeiten. Gerade das oft auf den USHorror-Wagen aufspringende Deutschland hat dem SlasherFilm einige seiner schwerstverdaulichen Exemplare angetan. Was für ein Wunder, dass mit Stefan Ruzowitzky und seinen beiden ANATOMIE-Thrillern (2000, 2003), dann mit Andreas Prochaska und IN 3 TAGEN BIST DU TOT ausgerechnet österreichische Regisseure dem puren Genre-Kino, also reinem Formel-Nachbau, das verliehen haben, was es auch auszeichnet: ein sicherer Stil, unverbrauchter Drive, glaubwürdige Verkörperer, nicht zuletzt Freude am Spiel mit dem Schrecken. Und Stilbewusstsein bringt Prochaska in Schaffeln an Bord. Zuerst kommt ein Todesorakel per SMS, dann dezimiert sich die Teenie-Clique flott nach der Reihe, erst im Salzkammergut, dann in den Bergen Tirols, bevor der böse, böse Mörder aufgedeckt wird und Sabrina Reiter als »Final girl« das Weite suchen kann. So weit, so McDonalds. Alles andere macht der authentische Junggesichter-Cast, der atmosphärische Geschmack, die flotten heimischen Indie-Rock-Songs aus. Und nicht zuletzt die elementare Frage, wie schnell Mobiltelefone »out of date« wirken können ... Big fun! (pp) So 18.10., 20:30 in AnWESEnHEiT von AnDREAS PRoCHASkA UnD SABRinA REiTER Mo 19.10., 18:00 Di 20.10., 20:00 | So 8.11., 16:00 MoRGEnGRAUEn DiE ToDESGöTTin DES LiEBESCAMPS PETER SäMAnn, A 1983 bUch: hANS bAchmANN | KAmERA: hANUS POLAK | mUSIK: mIchAEL bIShOP | mIT ALbERT FORTELL, hANNELORE ELSNER, bARbARA RUDNIK, hANS GEORG PANczAK | LäNGE: 95 mIN. FORmAT: FARbE, DF, 35mm BLADE RUNNER in Rot-Weiß-Rot. Sachen gibt’s. Zwei Mal kostenbewusst inszenierter Futur Noir. Science Fiction, selbstsicher in die Filmwelt schreitend, auch wenn die Kulissen klappern. MORGENGRAUEN, ein Achtziger-Unikum, klirrend-cool wie ein Blue-Curacao-Cocktail auf Eis. Albert Fortell, richtig gehört, als wortkarger Zukunfts-Cop mit Stoppelkinn und brauner Lederjacke, klarerweise mit Schulterpolstern, der Menschen, deren Lebenskredit ausgelaufen ist, entsorgen soll, um das post-apokalyptische biologische Gleichgewicht zu halten. Wie die Post-Apokalypse in Wien aussieht? Eh wie immer. Nur monochrom neon-bunt halt. Da taucht – Überraschung! – die Rebellin auf, in die sich dieser Len natürlich verschaut, die – Überraschung!! – die nächste auf seiner Abschussliste ist. Produziert unter anderem vom späteren Haneke-Förderer Veit Heiduschka, untermalt vom frostigen Synth-Score des damaligen »Dr. Kurt Ostbahn« Willi Resetarits und Georg Herrnstadt, dem Schurli der Ikonen-Band »Schmetterlinge«. (pp) CHRiSTiAn AnDERS, BRD 1980 bUch: chRISTIAN ANDERS | KAmERA: VASSILIS chRISTOmOGLOU | mUSIK: chRISTIAN ANDERS mIT LAURA GEmSER, chRISTIAN ANDERS, GAbRIELE TINTI, mAxImILIAN WOLTERS, SImONE bRAhmANN | LäNGE: 79 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm Eine Weltuntergangssekte mit Gruppensex, Zwangsprostitution und kompletter Unterwerfung als Stützpfeiler. Ein »Liebescamp« in Zypern unter der Knute der »Göttlichen«, gespielt von der atemberaubend schönen Laura Gemser, indonesischer Model-Star der Softsex-Serie BLACK EMANUELLE. Und mittendrin zwischen Jüngerfang, Vögelei und Massensuizid, bitter-geschmackig angelehnt an die über 900 Toten der Jim-Jones-Sekte im Dschungel von Guyana, steht er, in wallend weißem Gewand, mit ausgebreiteten Armen und schulterlanger Blondmähne: Schlagerkönig Christian Anders aus Bruck an der Mur, hier Produzent, Hauptdarsteller, Autor in Personalunion. Nach dem Massenerfolg von Hits wie Geh nicht vorbei und Es fährt ein Zug nach nirgendwo kurvte Anders im vergoldeten Rolls-Royce durch die deutschen Lande und übte sich Ende der 1970er als Filmmogul für zwei Voll-Trash-Epen. Hier verknallt er sich als Ober-Apostel der Todesgöttin in eine Senatorstochter und versucht den Proto-Bhagvan-Fängen knapp vor dem großen Abtritt zu entkommen. Und ja, es ist ein DiskoMusical. Der Chef-Beweis, warum Luis Buñuel oft das richtig schlechte Kino als das einzig wahrhaftige bezeichnete. Und jetzt alle zusammen: Giveyoursoulovertoaneverlastinglove! (pp) Di 20.10., 20:00 in AnWESEnHEiT von CHRiSTiAn AnDERS KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut So 18.10., 18:00 61 Mi 21.10., 20:45 FR 23.10., 21:00 BARon PoRnoS näCHTLiCHE FREUDEn RASPUTin – oRGiEn AM ZAREnHoF FRiTS FRonZ, A 1969 bUch: FRANK RObERTS, mONIKA cEbER, ISA FRANKE | KAmERA: PETER KODERA | mUSIK: ThEO bRAUNS | mIT FRANK RObERTS, EVA bARDOS, mARLIES bURGER, FELIx czERNy, ILSE hAcKL LäNGE: 73 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm ERnST HoFBAUER, BRD 1983 bUch: c.m. ShERLAND, ERNST hOFbAUER | KAmERA: FRANz x. LEDERLE | mIT ALExANDER cONTE, USchI KARNAT, mARION bERGER, WERNER SINGh, c. m. ShERLAND | LäNGE: 121 mIN. FORmAT: FARbE, DF, DIGIbETA DER kiLLER von WiEn Lo STRAno viZio DELLA SiGnoRA WARDH KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut VORFILm 62 Das Wirtschaftswunder unter der Gürtellinie. HeimfilmerFilme eines dauerquasselnden Dirty Old Man mit Pfeife, Rotzbremse und Bierbauch. Ein klassischer Herr »in den besten Jahren« also. Das schmale filmische Vermächtnis des Frits Fronz ist so platt, bunt und verwirrend wie dessen Leben selbst. 1919 als Friedrich Oskar Fronz geboren, wurde er nach dem Krieg, den er im Widerstand durchtauchte, zum Schundheftlautor, zum Schlagersänger Frank Roberts (Maloja, Schau dir deine Freunde gut an) und zum Regisseur und Darsteller einer Handvoll Softpornos, bevor er in den 1970ern als Stadtrat der gerade entstandenen Wiener Grünen amtierte. 1964 galt ausgerechnet die WIG, die Wiener internationale Gartenschau im Donaupark, als Aufbruch in die Modernität, wo Meister Fronz vom Musikerkollegen Paul Milan angesichts zahlloser kurz berockter Damen überredet wurde, auch mal in Kino zu machen. Milans MÄDCHEN MIT DEM MINI und Fronzens eigener ROULETTE D’AMOUR sind als Folge altersgeil-sonnige, halb improvisierte Stümperwerke, in denen Fronz seinen welken Körper durch allerhand ihm entgegenschmachtendes, nacktes Frauenvolk navigiert und sinnierend vor sich hin pafft, während ein BilderbuchWien wie nachkolorierte alte Postkarten an einem vorüberzieht. Unwiderstehlich! (pp) SA 6.11., 22:45 FRiTS FRonZ DoUBLE FEATURE CREAM HERBERT HEiDMAnn, A 1970 LäNGE: 5 mINUTEN | FORmAT: FARbE UND S/W, DF, 35mm Der Historien-Schinken als Monumental-Porno. Kompletter kinematischer Irrsinn. Der legendäre Wunderheiler Rasputin wandert mit düsterem Blick und lüsternem Lachen durch ein Zaren-Russland im politischen Umbruch. Ein Bauer hält ihm das Messer an den Hals. Er hätte seine Frau zu ihm geschickt, um diese von Unfruchtbarkeit zu heilen. Nun ist sie schwanger. Von Rasputin. Mit lautem HoHoHo fällt er den Bauern an und klopft ihm auf die Schulter: »Ein Baum mit tauben Nüssen muss doch froh sein, wenn andere seine Art erhalten!« 1979 hatte Tinto Brass mit Geld vom Penthouse Magazin Caligula einen megalomanisch teuren und starbesetzten Hardcore-Film für den Mainstream produziert. Ernst Hofbauer wollte ihm mit einem SchmalhansBudget nacheifern. Zuvor hatte er schon seine SexploitationKonzepte, auf Hongkong und die Türkei ausgerichtet, mit Karate verschmolzen. Nun versuchte er David Lean mit den Mitteln von WINNETOU-Festspielen zu inszenieren, mit Vollkopulation und Splatterszenen. Wir zeigen die von Herzog Video rekonstruierte Fassung, die die harte und softe Version vereint. Als Appetitmacher: Eine psychedelische PornoMiniatur von SCHAMLOS-Produzent Herbert Heidmann. (pp) | SA 7.11., 23:00 SERGio MARTino, i/E 1971 bUch: EDUARDO mANzANOS bROchERO, ERNESTO GASTALDI, VITTORIO cARONIA | KAmERA: EmILIO FORIScOT, mIGUEL F. mILA | mUSIK: NORA ORLANDI | mIT GEORGE hILTON, EDWIGE FENEch, chRISTINA AIROLDI, mANUEL GIL, cARLO ALIGhIERO | LäNGE: 98 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm VORFILm DiEnSTAG FRAnZ BERnER, A 1993 LäNGE: 15 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 16mm Nackte Brüste. Rasiermesser im Straßenlicht. Blut spritzt stylish auf Autopolster. Sigmund Freud spricht von der »Lust zu töten«, die allein schon durch die Existenz der Gebote bewiesen wäre. Luxus-Weibchen Edwige Fenech, gerade erst am Flughafen Schwechat gelandet, muss allein im Taxi downtown. Gendarmerie-Kontrolle. Mördersuche. Der Taxler grantelt was von Todesstrafe. Edwige schließt nur die Augen, träumt von Gewalt-Sex im strömenden Regen. DER FALL DER SIGNORA WARDH, so der Originaltitel, ist ein Film der Superlative. Der Giallo, der psychedelisch überspitzte, sexualpathologische Horror-Thriller, prägt als Vintage-Stil das heutige Filmschaffen so intensiv wie sonst nur der ItaloWestern. Und Sergio Martino war ein Großmeister darin, neben Dario Argento, Mario Bava und Lucio Fulci. Dies ist sein pralles, sinnlich-flirrendes Meisterstück. Und kaum ein ausländischer Film hat Wien – außer DER DRITTE MANN und BAD TIMING – so schön in seiner Abgründigkeit eingefangen wie diese filmische Köstlichkeit. Ein Fest, nichts weniger. Als Aperitiv eine grobkörnig-triebige Serienmörder-Attacke aus sicherer Independent-Hand. (pp) FR 23.10., 21:00 oHnE voRFiLM SA 24.10., 23:00 DiE WöLFin voM TEUFELSMooR / ToD iM novEMBER HELMUT PFAnDLER, A 1978 bUch: hELmUT PFANDLER, KARL-hEINz WILLSchREI | KAmERA: hANNS mATULA | mUSIK: GERhARD hEINz | mIT JOhN PhILLIP LAW, FLORINDA bOLKAN, SIEGFRIED WISchNEWSKI, cLAUDIA RISchEL | LäNGE: 85 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm Der Waldviertler WICKER MAN. Mittlerweile lebt der aus Gmünd stammende Regisseur Helmut Pfandler, Jahrgang 1928, in Spanien und schreibt Lyrik, getränkt von Naturmystik und Weißmagie, Geistheilung und Wichtelwesen. Ins Teufelsmoor des Unterhaltungs-Kinos wagte sich der TVMovie-Handwerker wie viele hier nur einmal. Aber was für ein seltsames, prächtiges Stück. Mit John Philip Law, Engel Pygar aus BARBARELLA, und dem brasilianischen EuroKino-Star Florinda Bolkan, bekannt von Visconti, Damiani und Petri, wagte man den Sprung auf die internationale Leinwand. Und flog kapital auf die Schnauze. Zu eigenartig und heimatlich verwob sich die niederösterreichische Sagen- und Märchenwelt mit einem modernen MysteryGrusel-Thriller. Ein junger Architekt, ein urbanes Bübchen mit frisierter Blond-Mähne, landet in einem rundum flachen Bauernkaff, um es industriell zu modernisieren. Doch regiert wird der Landstrich heidnisch-archaisch. Der satanische Dorfweise Kasimir hat sich mit der Christenkirche arrangiert. Fremde will man nicht. Wäre da nicht Witwe Walpurga auf ihrem feuerroten Steyr Puch-Traktor, die die Hexe in sich entdeckt. Mordfälle, Mummenschanz und Sexappeal mit Gummistiefel und Heugabel. Ein Unikum, hier erstmals wieder unzensiert zu sehen. (pp) KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut Mi 21.10., 19:00 | SA 6.11., 22:45 63 64 | FR 6.11., 20:30 Mo 26.10., 18:00 | SA 7.11., 16:00 ExiT… nUR kEinE PAnik ASPHALT FRAnZ novoTny, A/BRD 1980 bUch: GUSTAV ERNST, FRANz NOVOTNy | KAmERA: ALFIO cONTINI | mUSIK: OTTO m. zyKAN mIT hANNO PöSchL, ISOLDE bARTh, PAULUS mANKER, EDDIE cONSTANTINE, PETER WEIbEL LäNGE: 105 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm HARALD RöBBELinG, A 1951 bUch: hARALD RöbbELING | KAmERA: WALTER PARTSch | mUSIK: ROLy KOVA | mIT JOhANNA mATz, ANNI KORIN, INGE NOVAK, mILAN KAmARE, EDITh mEINEL, hEINzI FARDA | LäNGE: 85 mIN. | FORmAT: S/W, DF mIT FRANz. UNTERTITELN, 35mm | RESTAURIERUNG: FILmARchIV AUSTRIA »Grüß Gott, die Damen! Ich hätt da eine Anfrage. Kann man sich bei euch zwa a bisserl vaginamäßig wichtig machen? Oda wos is??« Hanno Pöschl, g’schupft und g’striegelt, reckt das gegelte Haup. Kurz darauf scheppert das blitzblaue Cabrio durch das Gasserlwerk des Wurst-Praters, knackvoll mit Haberern und den angesprochenen zwei Girls: »Bist deppert! Für a Schnitzerl allan lass i mi net pudern!« Was DO THE RIGHT THING für New York City, BLUES BROTHERS für Detroit/Chicago und BOOGIE NIGHTS für Los Angeles ist, ist für Wien Franz Novotnys EXIT. Eine leichtfüßige und gleichzeitig perfekte Kartografie des hiesigen Menschen, zur dortigen Zeit. Der Kultfilm schlechthin. Kirchhoff und Plachinger sind Pülcher, Strizzis, halbseidene Tagediebe, die vom eigenen Kaffeehaus träumen und doch nur Puderanten sind, im Wettkampf, sich gegenseitig über’s Ohr zu hauen. Wozu sonst sind Freunde da? Eine lebensfrohe, bukolisch-grantige Gauner-Farce, die quer durch’s Wiener Tag- und Nachtleben führt, durchaus verwandt mit dem Punk in seinem »No-Future«- und »Alles-Wurscht«Tonfall. Ein Gangster-Epos von Melville, nur drei Doppler später. Novotny, lang der schelmische Homme scandaleux des Ö-Kinos, strotzte hier noch vor Charme, Witz und filmischem Furor. Einen so zügellosen Cha-Cha-Cha zwischen Genre und Autorenfilm sollte das Förderkino bald nicht mehr zulassen. Uns bleibt dieser zeitlose Spaß als Erinnerung. »Oba jetzt spült’s Ramona!« (pp) Brechung durch Überaffirmation – eine uralte Strategie der Avantgarde. Harald Röbbeling war ein früher Wahnsinniger des Nachkriegskinos. ASPHALT ist sein rasantes Hauptwerk. Ein Halbstarken-Reißer, in dem er die düstere Film-NoirEleganz der Bilder stilistisch in die Schnittmassaker von Sowjet-Propaganda krachen lässt. Marktschreierische Boulevard-Schlagzeilen von Sünde, Mord und Unzucht treffen auf Beatnik-Jazz, Laien-Improvisation und Cut-upTechnik. Worum’s geht: Fünf welt- und selbstverlorene Minderjährige inmitten der Kriegstrümmer gehen im Milieu vor die Hunde. Kindesmissbrauch. Affekt-Totschlag. Der tödliche Schuss beim Einbruch mit 13. Reihenweise Selbstmorde. Und selbstverständlich der Verfall des anständigen Mädels zur Zwangskokotte, charmant von Försterchristl Johanna Matz gespielt. Das alles wirklich und echt aus wahren Polizeiakten gerissen. Was sonst? So weit, so banal. Was ASPHALT so bedeutsam macht, ist die aggressive Energie unter der wertkonservativen Oberfläche. Röbbeling als Sohn des letzten Burgtheaterdirektors vorm Anschluss begann nach dem Verfassen von Drehbüchern und Theaterstücken 1948 selbst Filmregie zu führen, und das im Proletenkollektiv, mit durchwegs provokanten Stoffen, außerhalb der etablierten Studio-Szene. Es hagelte Aufführverbote in Tirol, Salzburg, der Steiermark. Nach vier Filmen wanderte Röbbeling nach Hamburg ab und warf bald das kreative Handtuch. Tragisch. Restauriert vom Filmarchiv Austria. (pp) Di 27.10., 18:30 Mi 28.10., 23:00 ZERSCHoSSEnE TRäUME L’APPAT DAS MäDCHEn MiT DEM Mini PETER PATZAk, A/BRD/F 1976 bUch: PETER PATzAK | KAmERA: hEINz höLSchER | mUSIK: RIchARD SchöNhERz, mANUEL RIGONI, ANDRé hELLER | mIT yVES bENEyTON, RAymOND PELLEGRIN, mAThIEU cARRIèRE, chRISTINE böhm, hANS chRISTIAN bLEch, cARROLL bAKER, KARL mIchAEL VOGLER, ANDRé hELLER | LäNGE: 99 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm »Denn ich will, ja, ich will, dass es das alles gibt, was es gibt.« Peter Patzaks Kino der 1970er war ein Kino des Überflusses, das wie sonst selten im deutschsprachigen Raum Coolness und Drive des Genre-Films mit gelungenem Anspruchskino verband. »Roland Klick!«, mag man brüllen, »Roger Fritz!« Doch Patzak war typisch Wiener, anarchischer Genusserzähler, der ungeniert nach allen Früchten griff, ohne sich um Konventionen zu scheren. ZERSCHOSSENE TRÄUME wurde sein erster großer Wurf, bevor ihm die TVSerie KOTTAN ERMITTELT und der Kino-Film KASSBACH den Durchbruch verschafften. Als wollte er Patzak selbst besingen, raunt André Heller seine eingangs zitierte Hymne an »den Mann, der einen Mann liebt« durchs Giftlicht des Nachtlokals. Der bisexuelle Jungspund Ken, Polizistensohn, selbst knapp vor Ende der Ausbildung, lässt sich hier vom Unterwelt-Patron Raymond Pellegrin aushalten, wenn er nicht die pralle Milf Carrol Baker flachlegen muss. Doch er will raus, ein normales Leben führen, nicht so ein korrupter Bulle sein wie sein Herr Papa. Zufallsliebe Gerda (umwerfend: die viel zu früh verstorbene Christine Böhm) könnte ein Anker sein. Der classy französische Thriller eines Jacques Deray oder Henri Verneuil bildet hier die Blaupause für ein komplexes, mitreißendes Personen-Puzzle. (pp) | FR 6.11., 22.45 PAUL MiLAn, A 1964 bUch: PAUL mILAN | KAmERA: RAImUND hEROLD mUSIK: PAUL mILAN | mIT KARIN FIELD, FRANK RObERTS, JUDITh ROTh, TAmARA TIOmKIN, FRED WEISSmANN | LäNGE: 66 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm Das Wirtschaftswunder unter der Gürtellinie. HeimfilmerFilme eines dauerquasselnden Dirty Old Man mit Pfeife, Rotzbremse und Bierbauch. Ein klassischer Herr »in den besten Jahren« also. Das schmale filmische Vermächtnis des Frits Fronz ist so platt, bunt und verwirrend wie dessen Leben selbst. 1919 als Friedrich Oskar Fronz geboren, wurde er nach dem Krieg, den er im Widerstand durchtauchte, zum Schundheftlautor, zum Schlagersänger Frank Roberts (Maloja, Schau dir deine Freunde gut an) und zum Regisseur und Darsteller einer Handvoll Softpornos, bevor er in den 1970ern als Stadtrat der gerade entstandenen Wiener Grünen amtierte. 1964 galt ausgerechnet die WIG, die Wiener internationale Gartenschau im Donaupark, als Aufbruch in die Modernität, wo Meister Fronz vom Musikerkollegen Paul Milan angesichts zahlloser kurz berockter Damen überredet wurde, auch mal in Kino zu machen. Milans MÄDCHEN MIT DEM MINI und Fronzens eigener ROULETTE D’AMOUR sind als Folge altersgeil-sonnige, halb improvisierte Stümperwerke, in denen Fronz seinen welken Körper durch allerhand ihm entgegenschmachtendes, nacktes Frauenvolk navigiert und sinnierend vor sich hin pafft, während ein BilderbuchWien wie nachkolorierte alte Postkarten an einem vorüberzieht. Unwiderstehlich! (pp) SA 6.11., 22:45 FRiTS FRonZ DoUBLE FEATURE KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut So 25.10., 16:00 65 Do 29.10., 21:00 | So 8.11., 20:30 DiE ToTEn FiSCHE MiCHAEL SynEk, A 1989 bUch: mIchAEL SyNEK NAch bORIS VIAN | KAmERA: JIRI STIbR | mUSIK: mIchEL PORTAL mIT ERWIN LEDER, JOhANNES WEIDINGER, GEbhARD SWObODA, LISA LUGINbÜhL, mARTIN SchNELLNAST | LäNGE: 83 mIN. | FORmAT: S/W, OmEU, DcP (29.10.) | FORmAT: S/W, DF, DcP (8.11.) VORFILm KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut HoCH ZEiT 66 PAUL PoET, A 1996 LäNGE: 18 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm »Verehrter Präsident, sagt eurer Polizei, sie würde mich schon schaffen. Denn ich bin ohne Waffen. Zu schießen steht ihr frei.« Ulk angesichts des Grauens. Leben zum Trotz. Boris Vian war als Poet wie Kafka mit Jazz. Von Charles Belmont bis Michel Gondry versagten alle Filmversionen seiner Nachkriegsklassiker – bis auf eine. Michael Syneks DIE TOTEN FISCHE, stilistisch pendelnd zwischen Tarkowskijs STALKER, Jarmush und DER PROZESS von Orson Welles, traf den Ton, auf den es bei Vian ankommt: fantastischer Existentialismus. Ein grandioser Erwin Leder schleicht als hagerer Everyman durch eine nebelverhangene, weißschwarze Traumlandschaft, fischt Briefmarken aus dampfenden Sümpfen und begehrt Einlass in die Welt der Städter. Doch der wird nie gewährt. Drei österreichische Meisterwerke, eben auch Gerald Kargls ANGST und Walter Bannerts DIE ERBEN, gingen in den 1980ern verloren, weil sie daheim trotz großer Festivalerfolge nichts als Ohrfeigen, Drohungen oder Ignoranz kassierten. Syneks Film war überhaupt 20 Jahre nicht erhältlich und musste erst restauriert werden. Nun steht uns erstmals diese Fassung zur Verfügung, bevor sie 2016 in die Kinos soll. Als Vorfilm eine apokalyptische Jugendgewalt-Fantasie auf 35 Milimeter, die im Geiste von Cronenberg, Argento und Derek Jarman Genre-Bilder auf ähnliche Weise zur abstrakten Kino-Kunst verdreht. (pp) Do 29.10., 21:00 (oHnE voRFiLM) oMEU in AnWESEnHEiT von MiCHAEL SynEk | SA 7.11., 20:00 So 1.11., 18:30 SCHAMLoS ABEnTEUER in WiEn EDDy SALLER, A 1968 bUch: KARL hANS KOIzAR, EDDy SALLER, E. NEUmAyR, ThEODOR OTTAWA | KAmERA: WALTER PARTSch | mUSIK: GERhARD hEINz | mIT UDO KIER, ROLF EDEN, mARINA PAAL | LäNGE: 78 mIN. FORmAT: S/W, DF, 35mm EMiLE EDWin REinERT, A 1952 bUch: FRANz TASSI, mIchAEL KEhLmANN, NAch EINEm ROmAN VON ALExANDER LERNEThOLENIA | KAmERA: hELmUTh FISchER-AShLEy | mUSIK: RIchARD hAGEmANN | mIT GUSTAV FRöhLIch, cORNELL bORchERS, FRANz LEDERER, EGON VON JORDAN, INGE KONRADI, KARL FARKAS | LäNGE: 89 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 35mm | RESTAURIERUNG: FILmARchIV AUSTRIA Sie strippen. Sie swingen. Sie schlägern und sterben. Knallhart durch die Wiener Nacht. »Kultfilm« ist hier nur Hilfsbegriff angesichts der nicht enden wollenden Kanonade an feuchtfröhlichen Untergriffen, die SCHAMLOS auffährt. Hardboiled US-Gangster-Kino, angesiedelt zwischen Neubau und Schwechat. Udo Kier prangt 24-jährig in seiner ersten Hauptrolle, ganz menschenverachtender jugendlicher Straftäter zwischen schwulettem Glamour-Pimp und machistischem Ultra-Brutalo. Wie Faustschläge knallt das Zeitkolorit einem um die Ohren: Fahrbare Bordelle. Freakende Beat-Bands. Otto Mühl im Orgienrausch zwischen Unterwelt und Szene-Dekadenz. Dazwischen Bandenkrieg und Schweige-Morde in einer Nacht-Stadt, die Wien als Frankfurt maskiert. Ein Exploitation-Meisterwerk, das sich locker mit jenen eines Sam Fuller, Russ Meyer oder des TarantinoDarlings Jack Hill messen kann. Als gedankenschlichte Kloakenerotik ohrfeigte ihn damals die Presse im Jahr der sexuellen Befreiung. Heute ist diese Geburtstagstorte ans Kino zu ihrem eigenen rot-weiß-roten Kill-Bill-Status aufgestiegen: Coolness, Gewalt, Sexyness, Drive. Hartes Schwarzweiß. Saftende Sprüche. Ein unfassbarer Film von zeitlosem Glanz. (pp) FR 30.10., 23:00 in AnWESEnHEiT DES koMPoniSTEn GERHARD HEinZ Dunkle Wolken über Schönbrunn und Sievering. Der Weltkrieg steckt noch tief in den Knochen. Man spielt Zivilgesellschaft, Kleinfamilie, geht in Klavierkonzerte oder der täglichen Arbeit nach. Doch in allem steckt der Geschmack von verbrannter Asche, von Neid, Kampf und Tod. Männer. Frauen. Keinem kannst du trauen. Toni Sponer, Wiener Taxifahrer, ein unbedarfter »Simple man« der Arbeiterklasse, schuftet gutmütig ums Überleben. Und will wie alle raus hier. Um jeden Preis. Eines Tages wird ein Fahrgast zum Kugelfang. Die Polizei winkt nur eilig weiter. Da kommen Toni der Reisepass und diese zwei Flugtickets unter. Amerika. – Ein vergessenes Glanz-Stück unter den wenigen europäischen Exemplaren des Trümmer-Film-Noir (Staudte, Siodmak, Zinnemann) ist hiermit wieder aufgetaucht. Nur drei Jahre nach DER DRITTE MANN inszeniert der gebürtige Galizier und später polnisch-französische Staatsbürger Emile Reinert das besetzte Wien als mit sich gemütliches Höllenloch betrügt. Traumhaft der tanzende, fast operettenhafte Tonfall, mit dem Reinhart den menschlichen Abgrund erkundet. Traumhaft die Kameraführung des späteren EDGAR-WALLACE- und DERRICK-Regisseurs Helmuth Ashley und Michael Kehlmanns scharfzüngige Adaption des Romans von Lernet-Holenia. Restauriert vom Filmarchiv Austria. (pp) KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut FR 30.10., 23:00 67 Mo 2.11., 18:30 Di 3.11., 23:00 FRAU DoRoTHyS BEkEnnTniS DAS GoLD DER LiEBE DER FAn 2 VORFILm oUTER SPACE PETER TSCHERkASSky, A 1999 LäNGE: 10 mIN. | FORmAT: S/W, KEIN DIALOG, 35mm SA 31.10., 21:00 DiE ERBEn KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut WALTER BAnnERT, A 1983 bUch: WALTER bANNERT, ERWIN A. RIchTER | KAmERA: hANUS POLAK | mIT NIKOLAS VOGEL, ROGER SchAUER, ANNELISE STöcKL-EbERhARD, KLAUS NOVAK, JAROmíR bOREK | LäNGE: 95 mIN. | FORmAT FARbE, DF, 35mm 68 Die Kamera senkt sich wie ein Habicht über Wien, der Blick verliert sich blutlustig in den Gstettn der Lobau. Ein melancholisch zerfallender Soldatenmarsch dröhnt aus den Lautsprechern. Ein Jogger, zufrieden im Lauf. Plötzlich: Lederjacken. Motorradhelme. Umzingelung. Dann: die Schlagstöcke. Thomas ist Teenager-Rebell aus gutbürgerlichem Hause. Genug vom Gekeife, den leeren Versprechen von Sicherheit, dem kalten Herz: ein Jugend-Club wird seine neue Heimat. Im Hinterzimmer laufen seltsame Filme, wo man mit den Mädels im Widerschein von Stukas Fingerversenken spielt. Dann hängt auf einmal das schwarze Kreuz am Eingangstor und die »anständigen Jungs« bauen ihre Skills Richtung Gewalt-Miliz, Vergewaltigung und rechten Terror aus. CLOCKWORK ORANGE auf österreichisch, ein Simmeringer ROMPER STOMPER, durfte es das je geben? Ein vergessenes, radikales Meisterwerk des heimischen Kinos, das in einer Linie mit Haneke und Seidl stehen sollte. Ein Coming-ofAge-Thriller und Lehrstück über faschistische Kontinuität als schockierfreudiger Sex- und Gewalt-Kintopp. International gefeiert, hierzulande geschlachtet, durfte diese Preziose über 25 Jahre lang nicht gezeigt werden. Bis heute – dank unserer einmalig gestatteten Aufführung für AUS FLEISCH UND BLUT. Not to be missed! Ein politischer Horror-Film über die »Freiheit, die wir meinen.« (pp) Herzschmerz meets Noir-Fatalismus. Eine Seele im Fegefeuer, fürwahr. Das dralle Waisen-Fräulein Dorothy Carleton entwickelt fast Indiana-Jones-Qualitäten, so viel Wirrsinn, Liebesglut und Verbrechen geschehen ihr hier in knapp einer Stunde Laufzeit. Dem Austro-Ungarn Mihály Kertész, der als Michael Curtiz mit CASABLANCA, CHICAGO Hollywood-Geschichte schreiben sollte, schwebte wohl eine erwachsene Version des amerikanischen Ur-Pulp-Serials THE PERILS OF PAULINE (1916) vor Augen. Nun, Dorothy erwacht neben einer Männerleiche. Grimmige Polizisten umringen sie. Der Regen strömt. Doch die Erinnerung kehrt wieder. Die etwas ungelenke ungarische Diva Lucy Doraine, floh 1919 mit ihrem Mann Kertész nach Wien, um hier mit ihm ihre essentiellsten Arbeiten, darunter SODOM UND GOMORRHA, zu verwirklichen. Ein Damenschicksal als atemlos dahin ratternde Kolportage im Stil des frühen Cecil B. DeMille. Restauriert vom Filmarchiv Austria. Davor: Ein Experimentalfilm-Klassiker des großen Peter Tscherkassky, in dem Fragmente des Horrorstreifens ENTITY mit Barbara Hershey abstrahiert werden: Kino als flackerndes Gefängnis der rundum bedrängten Frau. (pp) LivE-MUSik von GERHARD GRUBER ECkHART SCHMiDT, BRD 1983 bUch: EcKhART SchmIDT | KAmERA: bERND hEINL | mUSIK: bLÜmchEN bLAU, WANDERLUST, DAF | mIT ALExANDRA cURTIS, mARIE cOLbIN, ALLEGRA cURTIS, ANDRé hELLER, hERmANN STRObL | LäNGE: 86 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, 35mm Tanz den Mussolini in den Gassen von Hernals. Ein New Wave Slasher-Movie. Eine Wiener-Pop-meets-HorrorFantasie. Folgerichtig eine einzige Unglaublichkeit. In zehn Tagen und bevorzugt Nächten in trunkenem und teils drogenilluminiertem Zustand drehte der große bayrische PulpAuteur Eckhart Schmidt sein neon-schwangeres MordGedicht. DAF, die deutsch-amerikanische Freundschaft, und die österreichische Band Blümchen Blau mimen die umhimmelten Rockstars, besuchen das damals als subkulturelle Konzert-Location weithin berühmte Theater Metropol. Ganz märchenhaft rufen ihre Stimmen den weiblichen Fan Patricia, sweet 16, aus dem gut behüteten Kinderzimmer in ihre Fänge, und selbige ist ahnungslos, welch blutrünstige Gefahren in österreichischen Großstadtnächten auf sie warten. Insbesondere, wenn Marie Colbin als »Prinzessin der Nacht« ihr Rasiermesser zückt. Während Schmidts Vorgänger DER FAN, in dem eine weitgehend nackte, tatsächlich minderjährige Desirée Nosbusch als Groupie den verehrten Star sogar verspeist, zumindest als Skandal überlebte, ging dieses bizarre Gewaltmärchen an der Kinokasse unter. Hier erstmals seit damals offiziell wieder zu sehen, ein köstliches Trash-Delirium, eine betörende Blume des Bösen. (pp) Di 3.11., 23:00 in AnWESEnHEiT von MARiE CoLBin KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut MiHÁLy kERTéSZ, A 1921 KAmERA: GUSTAV UcIcKy, NIKOLAUS FARKAS, EDUARD VON bORSODy | mIT LUcy DORAINE, ALFONS FRyLAND, OTTO TRESSLER, KURT VON LESSEN | LäNGE: 61 mIN. | FORmAT: S/W, EzT, 35mm | RESTAURIERUNG: FILmARchIV AUSTRIA | SA 7.11., 18:00 69 E E TS i R F Do 5.11., 16:00 FR 6.11., 22:45 RAT RACE UnSiCHTBARE GEGnER öL inS FEUER DAS MäDCHEn MiT DEM Mini vALEnTin HiTZ, A 1998 bUch: VALENTIN hITz | KAmERA: mARTIN GSchLAchT | mUSIK: hEINz DITSch, bRUNO PISEK mIT hAymON mARIA bUTTINGER, PROSchAT mADANI, ROmAN KAmINSKI | LäNGE: 60 mIN. FORmAT: S/W, DF, 35mm VORFILm THE SHAMAn MARCo kALAnTARi, A/J 2015 LäNGE: 18 mIN. | FORmAT: FARbE, EF, DcP KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut In RAT RACE , Ende der Neunziger an der Filmakademie Wien realisiert, haben Organe die reguläre Geldwährung ersetzt. Hauptfigur Kater ist Eingeweide-Dealer, und er hat ein Problem: Ratten-Wettrennen, die ihn seine eigenen Innereien versetzen lassen. Und bald stehen auch die seiner alten Liebe Maria auf dem Spiel. Zwei mutige und stilsichere Versuche, Zukunftsfilm ins Alpenland zu tragen. (pp) 70 RUDoLF kATSCHnER, A 1933 bUch: PhILIPP L. mAyRING, hEINRIch ObERLäNDER, REINhART STEINbIcKER NAch EINER IDEE VON LUDWIG VON WOhL | KAmERA: EUGEN SchÜFFTAN | mUSIK: RUDOLPh SchWARz | mIT PAUL hARTmANN, GERDA mAURUS, OSKAR hOmOLKA, PETER LORRE, PAUL KEmP | LäNGE: 87 mIN. FORmAT: S/W, DF, 35mm VORFILm CoPy SHoP viRGiL WiDRiCH, A 2001 LäNGE: 12 mIN. | FORmAT: S/W, OhNE DIALOG, 35mm Was für ein österreichisches Schicksal: Zuerst hieß er Rudolph Kascer, dann Katscher, später Carter und schließlich, veredelt, Cartier. 1904 als Jude ins Wien des kaiserlichen Österreich-Ungarn geboren, zog es den Architekten magisch zum Film, vorerst als Drehbuchautor für KrimiReißer nach Berlin, dann kurz als Regisseur zurück nach Wien. Bereits 1935 floh er vor den Nazis und ging in die britische Emigration, wo er in den 1950ern zu einem der wichtigsten TV-Regisseure wurde. UNSICHTBARE GEGNER ist ein frühes Opus Magnum, wie es heute kaum zeitgemäßer sein könnte: Ein internationaler Wirtschaftskrimi als zündender, früher Film Noir, der Staaten als Scheingerüste und Konzerne als Gangster-Syndikate zeichnet. Rettungslos grandios: die Schauspiel-Granden Oscar Homolka und Peter Lorre als Verbrecher-Duo, so faul und selbstverliebt wie man es nur in einem Film der Coen-Brüder erwarten würde. Und ein furioses Suizid-Finale, das in seinem großspurigen Kontrast von Laut und Leise, Eng und Weit Filmhistorie hätte schreiben müssen. Als Einleitung: Virgil Widrichs legendärer, oscarnominierter Kurzfilm zwischen Avantgarde und SciFi-Expressionismus, in dem Johannes Silberschneider sich versehentlich selber endlos oft durch die Kopiermaschine jagt. Tati goes Industrial. (pp) PAUL MiLAn, A 1964 bUch: PAUL mILAN | KAmERA: RAImUND hEROLD | mUSIK: PAUL mILAN | mIT KARIN FIELD, FRANK RObERTS, JUDITh ROTh, TAmARA TIOmKIN, FRED WEISSmANN | LäNGE: 66 mIN. FORmAT: FARbE, DF, 35mm BARon PoRno’S näCHTLiCHE FREUDEn FRiTS FRonZ, A 1969 bUch: FRANK RObERTS, mONIKA cEbER, ISA FRANKE | KAmERA: PETER KODERA | mUSIK: ThEO bRAUNS | mIT FRANK RObERTS, EVA bARDOS, mARLIES bURGER, FELIx czERNy, ILSE hAcKL LäNGE: 73 mIN.| FORmAT: FARbE, DF, 35mm Das Wirtschaftswunder unter der Gürtellinie. HeimfilmerFilme eines dauerquasselnden Dirty Old Man mit Pfeife, Rotzbremse und Bierbauch. Ein klassischer Herr »in den besten Jahren« also. Das schmale filmische Vermächtnis des Frits Fronz ist so platt, bunt und verwirrend wie dessen Leben selbst. 1919 als Friedrich Oskar Fronz geboren, wurde er nach dem Krieg, den er im Widerstand durchtauchte, zum Schundheftlautor, zum Schlagersänger Frank Roberts (Maloja, Schau dir deine Freunde gut an) und zum Regisseur und Darsteller einer Handvoll Softpornos, bevor er in den 1970ern als Stadtrat der gerade entstandenen Wiener Grünen amtierte. 1964 galt ausgerechnet die WIG, die Wiener internationale Gartenschau im Donaupark, als Aufbruch in die Modernität, wo Meister Fronz vom Musikerkollegen Paul Milan angesichts zahlloser kurz berockter Damen überredet wurde, auch mal in Kino zu machen. Milans MÄDCHEN MIT DEM MINI und Fronzens eigener ROULETTE D’AMOUR sind als Folge altersgeil-sonnige, halb improvisierte Stümperwerke, in denen Fronz seinen welken Körper durch allerhand ihm entgegenschmachtendes, nacktes Frauenvolk navigiert und sinnierend vor sich hin pafft, während ein BilderbuchWien wie nachkolorierte alte Postkarten an einem vorüberzieht. Unwiderstehlich! (pp) KINO.prOgramm Aus Fleisch und Blut Mi 4.11., 23:00 nZ o R F bL U O D TUR A E F 71 n R E k ETER P E V I T K E P S O RETR So 8.11., 17:45 UnSiCHTBARE GEGnER vALiE ExPoRT, A 1977 bUch: PETER WEIbEL, VALIE ExPORT | KAmERA: WOLFGANG SImON | mUSIK/SOUND: KLAUS hUNDSPIchLER, hANS hARTL, RAINER KALchAUSER, mEL KUTbAy | mIT SUSANNE WIDL, PETER WEIbEL, JOSEF PLAVEc, mONIKA hELFER-FRIEDRIch, hELKE SANDER | LäNGE: 108 mIN. FORmAT: FARbE UND S/W, DF, 16mm VORFILm GUTE nACHT, JoHAnn AnDREAS PRoCHASkA, A 1993 LäNGE: 20 mIN. | FORmAT: S/W, DF, 16mm Bereits 2007 hat das Filmarchiv Austria dem Regisseur, Schauspieler und Autor Peter Kern die bisher größte Retrospektive gewidmet. Unter dem bezeichnenden Titel Kino der Verletzten wurden in Peter Kerns Anwesenheit über 20 Werke seines einzigartigen Filmschaffens präsentiert. Heute, acht Jahre später, sind wir die Verletzten, denn Peter Kern ist am 26. August im Alter von 66 Jahren von uns gegangen. Ein trauriger Anlass, der das Filmarchiv Austria dazu bewegt, vom 15. bis 18. Oktober elf Filme zu zeigen, die Peter Kern als Schauspieler, Regisseur, Autor und eine Ausnahmepersönlichkeit mehrfach würdigen. Mit Werken wie CRAZY BOYS – EINE HANDVOLL VERGNÜGEN (1987), DOMENICA (1994) oder DIE TOTEN KÖRPER DER LEBENDEN (2007) liegt der Fokus zusätzlich auf Peter Kerns intensiver Auseinandersetzung mit den Unangepassten in unserer Gesellschaft, denn das war auch er – ein Unangepasster des Kinos. Ein Bild von Peter Kern, das auch vom Dokumentarfilm KERN der beiden Filmemacher Veronika Franz und Severin Fiala, eindrucksvoll bestätigt wird und deshalb auch den Abschluss der Reihe IN MEMORIAM PETER KERN darstellt. Wir verneigen uns und nehmen Abschied. Do 15.10., 19:00 DER LETZTE SoMMER DER REiCHEn PETER kERn, A 2015 bUch: PETER KERN | KAmERA: PETER ROEhSLER | SchNITT: mARcUS GOTzmANN | mIT AmIRA cASAR, NIcOLE GERDON, WINFRIED GLATzEDER, hEINz TRIxNER | LäNGE: 91 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP Wirtschaft, Drogen, Sex, Religion. Hanna von Stezewitz ist attraktiv, jung und geht über Leichen. Als einflussreiche Konzernchefin zieht sie die Fäden in Politik und Wirtschaft, als Domina beherrscht sie die Individuen. Sie scheint abgestumpft und gefühlstot, bis sie eines Tages Sarah begegnet einer Nonne, ihrer Seelenpartnerin. Skrupellos, bizarr, verdorben, böse. Untermalt von der gewohnten Kern-Poesie, die zwar milder peitscht als in früheren Werken, aber mit der selben Ausdauer, setzt DER LETZTE SOMMER DER REICHEN einen letzten Punkt unter Peter Kerns Schaffen. KINO.PROGRAmm PETER kERn Sie schlüpfen in die Menschen und übernehmen ihre Gedanken. Nein, es geht um keine Body Snatcher oder Gestaltenwandler des Kalten Krieges der 1950er Jahre. Wir befinden uns im Grind-Wien der Spät-70er. Hier sind die aus dem Weltall über Strahlen aller Art in unsere Hirne einfallenden »Hyksos« keine Metapher für Kommunisten, eher für Kommunikationsverstörung und Konsumisolation. Der Film ist ein Schmuckstück der Avantgarde im Genre-Mantel. Österreich hatte damals einige verwegene Science-FictionVersuche aufzubieten: DER GRÜNE STERN von Heide Pils, BESUCH AUF EINEM KLEINEN PLANETEN von Wolfgang Liebeneiner. Valie Export aber, die Linzer Grande Dame des Wiener Gegen-Aktionismus, schuf mit Peter Weibel an ihrer Seite ein echtes Meisterstück des Meta-Genres, das einen linkisch-feministischen Alltags-Paranoia-Thriller auf taktile Weise futuristisch ausfrisiert. Ein Missing link zwischen Francis Ford Coppolas THE CONVERSATION, Ernst Schmidt Jr., der MATRIX-Trilogie und Slava Tsukermans späterem Kulthit LIQUID SKY. Cut-ups. Spontane Traumsequenzen. White Noise. Ufo-Landung in der Bassena. Ganz, ganz groß! Davor: das beeindruckende Debüt des späteren österreichischen Genre-Meisters Andreas Prochaska. Raumschiffe. Tentakelmonster. 20 Minuten hart schwarzweiße Futurimus-Paranoia. Homeiswherethefearis. (pp) 73 FR 16.10., 19:00 FR 16.10., 21:00 FR 16.10., 23:00 HAiDER LEBT – 1. APRiL 2021 CRAZy BoyS – EinE HAnDvoLL vERGnüGEn DiE ToTEn köRPER DER LEBEnDEn knUTSCHEn, kUSCHELn, JUBiLiEREn PETER kERn, BRD 1987 bUch: PETER KERN | KAmERA: EbERhARD GEIcK | SchNITT: INA RASchE, PETER KERN | mUSIK: FRANz PLASA | mIT bARbARA FENNER, UDO SchENK, zAchARIAS PREEN, mARIANNE SäGEbREchT | LäNGE: 90 mIN. | FORmAT: S/W, DF, DcP, 35mm PETER kERn, A 2007 bUch: PETER KERN | KAmERA: NORmAN KAThI | SchNITT: JENS DIESTEL mUSIK: mIROSLAV mIROSAVLJEV | mIT ANDREAS bIEbER, OLIVER ROSSKOPF, TRAUTE FURThNER, hEINRIch hERKI | LäNGE: 70 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP, DIGIbETA PETER kERn, D 1998 bUch: PETER KERN | KAmERA: SVEN KIERST | SchNITT: JEAN chRISTOPhER | mIT JOhANN JAqUmONT, JÜRGEN WOLF, PETER JANSEN, RONALD WANOWSKI, UDO JERmANN LäNGE: 85 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP, 35mm Wie rettet man sich vor dem Konkurs? Mit einer verrückten Idee natürlich. Peter Kerns CRAZY BOYS erzählt die Geschichte eines Hamburger Nachtclubs, dessen Betreiber beschließen, drei strippende Gigolos auf die Bühne zu schicken, um so dem finanziellen Ruin zu entgehen. Ein Casting, eine ungenierte Weiberjury, ein beachtliches Spektrum an Männlichkeit und eine Wahl. Und das alles eben – für eine Handvoll Vergnügen. Eine alternde Diva, die sich nicht dem Vergessen ergeben will. Ein perverser Gefängniswärter als ihr Ehemann. Ein Bisexueller, der seinen schwulen Liebhaber tötet. Eine kultige Bar als der Ort dieses Endspiels. Im Düsseldorfer Stricherlokal »Le Clou« treffen sich fünf ältere Homosexuelle jeden Abend zum freudigen Beisammensein. Individuell schicksalserfahren, pendelnd zwischen Gefühlswelten, Lebensweisheiten und Gay-Pornos, lassen sie ihren Phantasien nach junger Liebe und einem genüsslichen, zwanglosen Leben freien Lauf. Hier sind sie die Helden der Nacht, abseits jeder Realität und Vergangenheit. Bis zu ihrem Hauptgewinn – dem gemeinsamen Trip nach Venedig. PETER kERn, D 2002 bUch: PETER KERN | KAmERA: PETER ROEhSLER | SchNITT: PETER zUPNEK | mIT hEINRIch hERKI, AUGUST DIEhL, chRISTINE KAUFmANN, PAULUS mANKER | LäNGE: 85 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP, 35mm Österreich, im Jahr 2021. Europa ist in amerikanischer Hand, der Euro eine tote Währung. Folgen einer 20-jährigen Alleinregierung Jörg Haiders, der seit dem Putsch durch Johnny Bush für tot gehalten wird. Öffentlicher Gebrauch österreichischer Dialekte ist seither untersagt, und die stolze Kultur nur noch ein Relikt, versteckt im Dunkel des Naturhistorischen Museums. Eine erschreckende Realität, deren noch erschreckendere Geheimnisse von einem jungen deutschen Journalisten aufgedeckt werden sollen. KINO.PROGRAmm PETER kERn Ein Heimatfilm, der keiner sein darf, geht es nach der heimischen Politik . Eine bissige Satire, die mit geringen finanziellen Mitteln als Reaktion auf die politischen Entwicklungen und bevorstehende Neuwahlen der damailigen Zeit entstand. Ein amüsant-schräger Angriff der fiktionalen Art auf politische Realität der möglichen Art. (tm) 74 »Meine Filme sind nichts weniger als Sehr genau. Trotzdem wird man schnell abqualifiziert. Mein ‚Müll’ ist bewusst erzählt. Für mich ist er beduetend. Es geht um Menschen, die am Rande stehen, um Unterdrückung, um soziale Zusammenhänge.« (Peter Kern) Ein feinfühliger und witziger Film, der tiefe, aber stets menschliche Einblicke in das Hamburger Szene-Herz liefert. Geradlinig und heiter erzählt, mit einem emanzipierten Frauenbild angereichert und mit Kern’scher Gesellschaftskritik subtil gewürzt. Lustvoll und lustig, aber ohne die teils schrägen Charaktere nicht ernst zu nehmen – Peter Kerns schönste Liebeserklärung an Transen, Gigolos und den Kiez. (tm) »Diese Menschen wollte ich mit meinem Film umarmen«. (Peter Kern) Gedreht wurde Kerns abstraktes Kammerspiel im kultigen Wiener Kabaret Renz. Ein filmisches Lied, nicht nur für »sehr traurige Optimisten« à la Peter Kern, über die Vergänglichkeit von Lieben, Träumen, Leidenschaften, über das Damals von Heute und das Ende von Allem. Inspiriert von Jean Genet und CHANT D’AMOUR. (tm) »Weitergedacht und weitergespielt wird hier die Geschichte der beiden schwulen Verbrecher Java und Lucien (aus Genets Kurzfilm Un chant d’amour), die – bei Kern verkörpert von Oliver Rosskopf und Andreas Biber – einer Wiener Gefangenenanstalt entfliehen und im sinistren Separee eines genüsslich verwelkenden »Altstars« (Traute Furthner) Opfer und Täter zugleich werden. Einmal mehr frappiert die Grandezza, mit der Kern noch aus den grindigsten Aufnahmebedingungen lyrische, ja opernhafte Momente gewinnt. (Claus Philipp, DER STANDARD) Auch Peter Kern nimmt den Zuschauer mit auf eine besondere Reise in die fabelhafte Welt eines gebeutelten und dennoch lebensfrohen und sympathischen schwulen Kleinbürgertums. Gedreht wurde diese teils fiktionale Dokumentation aus dem Jahr 1988 ohne Textvorgaben mit Laiendarstellern, die es schaffen eine außergewöhnliche Authentizität und Nähe zu erezugen. Ein satirisches Stück persönlich hoch fünf erzählt. (tm) KINO.PROGRAmm PETER kERn Do 15.10., 22:00 75 SA 17.10., 19:00 SA 17.10., 20:45 SA 17.10., 23:00 So 18.10., 16:30 inSEL DER BLUTiGEn PLAnTAGE FALSCHE BEWEGUnG DonAULEiCHEn kERn WiM WEnDERS, BRD 1975 bUch: PETER hANDKE | KAmERA: RObby mÜLLER | SchNITT: PETER PRzyGODDA | mUSIK: JÜRGEN KNIEPER | mIT RÜDIGER VOGLER, hANS-chRISTIAN bLEch, hANNA SchyGULLA, NASTASSJA KINSKI, PETER KERN | LäNGE: 103 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP, 16mm PETER kERn, A 2005 bUch: PETER KERN | KAmERA: SVEN KIERST | SchNITT: hANNES ANDERWALD | mUSIK: OTmAR KLEIN, KLAUS RIEDEL | mIT chRISTIAN bLÜmEL, hILDE DALIK, bARbARA PETRITSch, FRIEDERIKE bELLSTEDT, PETER KERN | LäNGE: 82 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP, DIGIbETA SEvERin FiALA, vERnonikA FRAnZ, A 2013 bUch: SEVERIN FIALA, VERONIKA FRANz | KAmERA: hARALD TRAINDL | SchNITT: bIRGIT bERGmANN, NIKOLAUS EcKhARD | mIT SEVERIN FIALA, VERONIKA FRANz, TRAUTE FURThNER LäNGE: 98 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP Wilhelm will Schriftsteller werden. Auf der Suche nach Geschichten reist er von Glückstadt über Bonn bis nach Frankfurt, und noch viel weiter. Denn auf seinem Weg begegnet er einer jungen Schauspielerin, einem stummen Mädchen, einem Straßensänger und einem österreichischen Dichter, die ihn alle einen Schritt weiter weg davon bringen, wo Wilhelm hin wollte. Sie werden seine Gefährten, aber auch nicht mehr, denn die Geschichte, die Wilhelm zu finden hofft, soll seine eigene sein. Am Rande einer gefühlstoten und übersexualisierten Gesellschaft, am Ende ihres Lebenswillens, kurz vor ihrem Reichsbrückensprung in den Tod lernen sich Basti und Claudia kennen. Zwei missbrauchte Existenzen, die nur gemeinsam keine Donauleichen werden sollen. Zweieinhalb Jahre, zwei Regisseure und ein Peter Kern. Ein intimes Porträt, das erst als Nachbild so richtig wirkt. Ein Film über Peter Kern mit Peter Kern als Peter Kern. Eine sensible Selbstdarstellung, die vielleicht wahr ist, aber auf jeden Fall ist sie authentisch. Ein Dokumentarfilm von Veronika Franz und Severin Fiala, inszeniert von: Peter Kern. (tm) KINO.PROGRAmm PETER kERn Ein Naturparadies, in dem Grauen, sexuelle Gewalt und Ausbeutung regiert. Angeführt von Otto Globocnik und dessen treuloser Freundin, der »blutigen Olga«. Ein sadistisches Regime gestützt von einer Privatarmee und erhalten durch Ausbeutung und gepeinigte Sklaven. Alles im Sinne des Tyrannen Globocnik, zumindest bis zum Augenblick der unberechenbaren Bedrohung durch klassenlose Liebe seiner Unterworfenen. Ein blutiger Kampf auf beiden Seiten beginnt. 76 Von den Kritikern verrissen und vom Publikum missbilligt, erschufen Peter Kern und Kurt Raab einen Vorzeigetrashfilm, der keiner werden sollte. Mit dem Ziel einen erfolgreichen Blockbuster zu produzieren, entstand ein brutales Schauermärchen aus der Feder Kurt Raabs und mit Peter Kerns Handschrift als Produzent und Co-Regisseur, das bis heute Kultstatus am asiatischen Markt genießt, während es in Europa zum finanziellen Debakel wurde. (tm) FALSCHE BEWEGUNG, Peter Handkes Adaption von Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre, ist der zweite Teil der Wim Wenders’ Roadmovie-Trilogie. Ein poetischer und tiefgründiger Film über das Scheitern an Anderen aber vor allem an sich selbst. Ein unaufdringlich analytischer Film, mit sinnlichen Bildern und einem Peter Kern, der in der großartigen Rolle des umherschweifenden Dichters Landau sein schwergewichtiges Schauspieltalent unter Beweis stellt. (tm) DONAULEICHEN ist Peter Kerns umjubelter Beweis für ein starkes Low-Budget-Kino, strotzend vor blutiger Kreativität. Ödön von Horváths Geschichten aus dem Wienerwald treffen hier auf Ödipus – eine makabere Hommage an die verzweifelt Unangepassten in einer trost- und gnadenlosen Metzgerei namens Leben. (tm) »Vor einiger Zeit nach Wien zurückgekehrt, ist Kern - Kombattant von Fassbinder, Zadek, Schlingensief - bei einem No-Budget-Kino angelangt, dem es - vom Equipment bis zum Verleih - wirklich an allem mangelt, außer am Willen zu kompromisslosem Kino.« (Claus Philipp, DER STANDARD) »Das ist ein konzeptloser Film, wo sich irgendjemand ausgedacht hat, einen Film zu machen. Aber keine Gedanken zu dem hat, was man macht. Ich sehe kein Konzept, keine Idee, ich sehe nichts. Nur hilflose Menschen, die mit irgendwas fuchteln. Ich nenne das einen Fuchtelfilm.« (Peter Kern) »Der Film geizt nicht mit drolligen Momenten: Kern steuert wild assoziativen Wortwitz bei und wird übergriffig, nimmt die Hand des Kameramannes und liebkost sie mit unverhohlener Freude. Wer von seinem kolossalen Universum bezirzt wird, unterhält sich bestens - sonst ist man wohl unangenehm berührt: ein Porträt, das keinen kaltlässt, besonders am Ende, als Kern zu »Stand By Me« einen kleinen Sitztanz vollführt, der pure Lebensfreude ausdrückt. (Eva Steindorfer, DIE PRESSE) KINO.PROGRAmm PETER kERn kURT RAAB, PETER kERn, BRD 1982 bUch: KURT RAAb | KAmERA: RUDOLF bLAháčEK | SchNITT: KARL AULITzKy | mUSIK: JÜRGEN mARcUS, WARNER b. RyDER | mIT UDO KIER, bARbARA VALENTIN, TET ANTIqUIERA, KARL-OTTO ALbERTy, KAREN LOPEz | LäNGE: 88 mIN. | FORmAT: FARbE, EF, 35mm 77 W o k S E iC PL ER So 18.10., 21:00 DoMEniCA – ALLE koMMEn ... GoSSEnkinD PETER kERn, D 1994 bUch: PETER KERN | KAmERA: mANFRED SchEER | mUSIK: IVAN hARLAN | mIT ANDRéA FERRéOL, SANDRA mOLIK, NIcOLETTE KREbITz, DOmENIcA NIEhOFF, mAx KELLERmANN, DANIELA RAmETTA | LäNGE: 90 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP, 35mm PETER kERn, D 1992 bUch: PETER KERN | KAmERA: mANFRED SchEER | SchNITT: mARGIT bAUER mUSIK: IWAN hARLAN | mIT WINFRIED GLATzEDER, mAx KELLERmANN, RENATE KRöSSNER, chRISTOPh SchLINGENSIEF | LäNGE: 87 mIN. | FORmAT: FARbE, DF, DcP, 35mm Im Waisenhaus von Nonnen großgezogen, lernt Domenica mit 17 Jahren den gewalttätigen Bordellbesitzer Joseph Rothenberg kennen. Über ihn führt ihr Weg sie nach Hamburg, wo sie als Domina und Edelprostituierte in der Herbststraße im Laufe der Jahre zur Legende wird. Axel ist 14 Jahre jung und wird vom alkoholkranken Freund seiner Mutter regelmäßig vergewaltigt. Zur Prostitution gezwungen, begegnet er auf dem Strich Karl Heinz Brenner – einem heimlich homosexuellen, verheirateten Mann. Was als bezahlter Dienst an der verbotenen Lust beginnt, entwickelt sich zur verbotenen Liebe – mit Folgen. KINO.PROGRAmm PETER kERn DOMENICA - die bewegte Biographie der Hamburger Prostituierten und späteren Sozialarbeiterin Domenica Niehoff, die für Künstler wie Tomi Ungerer eine Muse war und in Gedichten von Wolf Wondratschek verewigt wurde. DOMENICA - eine Dokumentation der Menschlichkeit in all ihren Facetten, tief, gefühlvoll, nüchtern, komisch und gossenpoetisch à la Peter Kern. (tm) 78 »1993 drehte Peter einen Film »basierend auf Motiven aus Erzählungen« Niehoffs. Dass dabei kein brav heruntererzähltes Biopic mitsamt »against all odds«-Dramaturgie herauskommen würde, war von Anfang an klar. Ganz und gar nicht klar war dagegen, dass Kern in seinem vielleicht ambitioniertesten und durchgeknalltesten Film entlang Niehoffs Biografie die gesamte Geschichte der Bundesrepublik aufrollen würde.« (Peter Förster, Perlentaucher) Mit GOSSENKIND kommt Peter Kern in den kritischen Bereich der moralischen Widersprüche. Eine Geschichte über Missbrauch, Pädophilie, Prostitution und gesellschaftliche Abgründe, ruhig und beinahe romantisierend erzählt, die aber dennoch ihre Authentizität behält. (tm) »Dass Gossenkind trotz seiner bisweilen sehr unverblümten Sprache, erstaunlich unschuldig wirkt, gehört überigens zu jenen Widersprüchen, die dafür sorgen, dass einem die Zeit im Kino nicht lange wird. Und dafür, dass sich über Kerns Melodram (...) streiten lässt.« (Rheinische Post) Eric Pleskow So 18.10, 13:00 ERiC PLESkoW MATinEE ERiC PLESkoW WiRD BEi DER MATinEE PERSönLiCH AnWESEnD SEin UnD ZUM ERSTEn MAL EinE FiLMvoRFüHRUnG in »SEinEM« SAAL GEniESSEn. Eric Pleskow, am 24. April 1924 in Wien geboren, emigrierte 1939 in die USA. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte er nach Europa zurück und wurde als US-Filmoffizier mit dem Aufbau der Bavaria Studios betraut. Ab 1951 bei United Artists zunächst für den internationalen Vertrieb zuständig, wurde er 1973 Präsident des Filmstudios. 1978 gründete er die Produktionsfirma Orion Pictures, die er bis 1992 leitete. Eric Pleskows filmisches Werk wurde mit unzähligen Oscars bedacht, er schuf Box-office-Erfolge und Klassiker gleichermaßen, darunter ONE FLEW OVER THE COCKOO’S NEST, ROCKY, AMADEUS und THE SILENCE. Seine Annäherung an Österreich und seine Geburtsstadt Wien geschah in kleinen Schritten, begleitet von Zögern und Ambivalenz. Geschätzt, geehrt und ausgezeichnet einerseits (Ehrenzeichen der Stadt Wien 1971), vermisste er andererseits ein klares Wort und Bekenntnis zur NS-Vergangenheit Österreichs. Mitte der 70er Jahre – initiiert von der beginnenden langjährigen Freundschaft mit der Kulturjournalistin Gabi Flossman – wuchs sein Vertrauen, seine Bindung intensivierte sich. 1998 wurde er Viennale-Präsident, 2002 in die Jury des Filmfonds Wien gerufen, 2007 ernannte ihn Bürgermeister Michael Häupl schließlich zum Ehrenbürger der Stadt Wien. Sein Name nun bleibend in die Marmortafeln vor dem Festsaal der Rathauses graviert, ist die Versöhnung des als 15-Jähriger so dramatisch Vertriebenen mit seiner alten Heimat gelungen: Ich wünsche, das hätten meine Eltern gesehen. Der 2014 neu errichtete Kinosaal im METRO Kinokulturhaus trägt Eric Pleskow zu Ehren seinen Namen. Auch der gezeigte Film ist in gewisser Weise ihm gewidmet, setzte ihm Billy Wilder mit der von James Cagney gespielten Hauptfigur – in Reminiszenz an Eric Pleskows Zeit bei der Bavaria – doch ein kleines filmisches Denkmal. KINO.PROGRAmm ERiC PLESkoW So 18.10., 19:00 79 ySE L A n A SyCHo P – L i x iR – E ! L L E i S ER v o R T kon 80 Die Regisseurinnen Nathalie Borgers, Susanne Brandstätter kuratieren das Programm und präsentieren spannende Filme. Sie wollen damit nicht nur die Grenzen und Möglichkeiten des Dokumentarfilms ausloten, sondern zugleich Raum schaffen, wo mit dem Publikum offen über Kontroversielles im Film nachgedacht und debattiert werden kann. dok.at, die Interessengemeinschaft Österreichischer Dokumentarfilm, ist der einzige professionelle Filmverband Österreichs, der sich gezielt für den Dokumentarfilm einsetzt. Ihr zentrales Anliegen ist es, dokumentarische Formen jenseits des TV-Alltags und des regulären Kinobetriebs zu präsentieren, und damit in der Öffentlichkeit Bewusstsein für die Besonderheiten des Dokumentarischen zu schaffen. Dadurch wollen sie eine Atmosphäre schaffen, in der den wesentlichen Triebfedern dokumentarischen Schaffens wie Neugier, Sensibilität, Inspiration und politischer Haltung Raum gegeben wird. So 11.10., 19:00 Mo 19.10., 19:00 QUAnD JE SERAi DiCTATEUR (WEnn iCH DikTAToR Bin) JEALoUSy yAëL AnDRé, B 2014 bUch: yAëL ANDRé | bILD DIDIER GUILLAIN | mUSIK: hUGhES mARéchAL mIT LAURENcE VIELLE | LäNGE: 90 mIN. | FORmAT: FARbE, OmDU, DcP GUSTAv MACHATý, USA 1945 bUch: GUSTAV mAchATý, ARNOLD LIPP/ARNOLD PhILLIPS, STORy VON DALTON TRUmbO KAmERA: hENRy ShARP | mUSIK: hANNS EISLER, ALExANDER LASzLO U. A. | PRODUKTION: REPUbLIc PIcTURES | mIT JANE RANDOLPh, JOhN LODER, KAREN mORLEy, NILS ASThER, hUGO hAAS, mAURITz hUGO | LäNGE: 70 mIN. I FORmAT: S/W, EF, 16mm Hinter diesem eigentümlichen Titel steckt ein ungewöhnlicher »Science-fiction-Dokumentarfilm«, der mit Hilfe von hunderten Super-8-Amateurfilmen auf eine eindrückliche Weise von Parallelwelten erzählt. »Welches Leben hätten wir in anderen Universen geführt?«, fragt sich die belgische Filmemacherin Yaël André. Der Tod ihres Freundes George und der Versuch, diese Zäsur zu bewältigen, als Anlass, sucht und untersucht ihr Film die Grenzen der Erinnerung, der Realität und des Seins. WENN ICH DIKTATOR BIN ist voller tiefsinniger Poesie, wurde 2014 unter anderem auf dem International Film Festival Rotterdam und dem Cinéma du Réel in Paris gezeigt und ist nun auch in Wien zu sehen. Die Regisseurin ist anwesend und spricht über den Inhalt ihres Filmes wie auch über dessen hybride Machart und die Nutzung von Found Footage. Der psychische Zustand eines exilierten Künstlers, die materielle Situation in den USA der Vierzigerjahre, das selbstbewusste Auftreten einer Frau, die ganz gewöhnliche Paranoia Intellektueller, ein Mord – und an allen Ecken und Enden vertriebene Filmschaffende aus Europa. Es ist dieser Cocktail aus fiktiven und realen Schicksalen, der der gelben Eifersucht ihren schwarzen Geschmack verleiht. Dazu die Musik von Hanns Eisler, der in Budapest geborene Alexander Laszlo wirkte bei der Umsetzung mit. Machatý lernte in den Zwanzigerjahren bei D. W. Griffith und Erich von Stroheim, drehte mehrere Filme in Prag, darunter EKSTASE (1933) mit Hedy Kiesler, später Lamarr. Ihr zeitweiliger Ehemann John Loder spielt in JEALOUSY eine Hauptrolle, der dänische Schauspieler Nils Asther den Exilanten, Maria Machatý-Ray, AnSCHLiESSEnD PoDiUMSDiSkUSSion in AnWESEnHEiT DER REGiSSEURin Ehefrau des Regisseurs, schuf die Kostüme. In einer Nebenrolle glänzt der im tschechischen Brünn geborene Hugo Haas, Regisseur mehrerer NOIR-Filme. Der Wiener Martin Berliner, nach 1945 in zahlreichen deutschsprachigen Fernseh-, Film- und Theaterrollen zu sehen, hatte die technische Oberaufsicht. Am Drehbuch wirkte der gebürtige Berliner Arnold Lipp mit, Dalton Trumbo lieferte die Story. Zwei Jahre später erhielt er wegen »unamerikanischer Aktivitäten« Berufsverbot und wanderte ins Gefängnis. Und der Film in die Abstellkammer des Studios. FILM NOIR RELOADED ist eine Kooperation zwischen dem Filmarchiv Austria und dem Schwerpunkt Visuelle Zeit und Kulturge schichte des Instituts für Zeitgeschichte sowie des Instituts für Judaistik der Universität Wien. KINO.PROGRAmm FiLM noiR KINO.PROGRAmm konTRovERSiELL! Die Filmreihe kontroversiell! wurde von dok.at (Interessensgemeinschaft Österreichischer Dokumentarfilm) ins Leben gerufen, um für den Dokumentarfilm mehr Aufmerksamkeit zu wecken. Präsentiert wird ein internationaler Dokumentarfilm, der in Inhalt, Position und/ oder Form ungewöhnlich ist und für Kontroverse sorgt. Nach dem Screening kann in einer Podiumsrunde mit den FilmemacherInnen und dem Publikum debattiert werden. o n M L i F 81 Gemeinsam mit dem Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek veranstaltet das METRO Kinokulturhaus ab Oktober 2015 die Reihe »Das Museum geht ins Kino«. In unmittelbarer Nachbarschaft zueinander gelegen, sind beide Häuser Ausstellungsorte und lebendige Räume der Auseinandersetzung in denkmalgeschütztem Ambiente. KINO.PROGRAmm DAS MUSEUM GEHT inS kino In seiner Dauerausstellung zeigt das Literaturmuseum die Vielstimmigkeit der österreichischen Literatur nicht nur in Handschriften und Texten, sondern auch in vielen bewegten Bildern: Von Werner Schroeters Verfilmung von Ingeborg Bachmanns Roman Malina, der auf einem Drehbuch Elfriede Jelineks basiert, bis hin zu Experimentalfilmen aus dem Umfeld der Wiener Gruppe ist das Medium Film in vielen Facetten präsent. Immerhin hatte das Kino seit seiner Frühzeit große Ausstrahlungskraft auf die Literatur: Die neue »visuelle Kultur« (Béla Balázs) regte Schriftsteller zu filmischen Schreibweisen an, ihre literarischen Stoffe wiederum kamen auf die Leinwand. Autorinnen und Autoren waren und sind aber auch leidenschaftliche Kinogänger: Ilse Aichinger ist bekannt für ihre Kinobegeisterung und Josef Winklers Vorliebe für Karl May-Verfilmungen spiegelt sich in seinem Werk wider. Franz Kafka schließlich notierte die oftmals starken Eindrücke seiner Kinobesuche in seinem Tagebuch: »Im Kino gewesen. Geweint.« 82 Die Reihe »Das Museum geht ins Kino« möchte die vielen unterschiedlichen Verbindungslinien zwischen Literatur und Film mit Autoren-Lesungen, Filmvorführungen, Vorträgen und Gesprächen beleuchten. Am Beginn der Reihe steht die Alpensaga von Wilhelm Pevny und Peter Turrini unter der Regie von Dieter Berner. FREiER EinTRiTT S n o i S S MA SE CinE Mo 12.10. ALPEnSAGA 1 DiETER BERnER, A/BRD/CH 1976 bUch: WILhELm PEVNy, PETER TURRINI | KAmERA: xAVER SchWARzENbERG | mUSIK: PEER RAbEN | mIT hELmUT qUALTINGER, hANS bRENNER, OTTO TAUSIG, ThERESE AFFOLTER, LINDE PRELOG, ANNy bIRK, RUDOLF JUSITS | LäNGE: 110 mIN. I FORmAT: FARbE, DF, 16mm ... oder davon wie die Armen immer ärmer werden und die Reichen immer reicher. Der erste Teil des legendären sechsteiligen Fernsehdramas widmet sich der Frage nach der Auswirkung von politischen Krisen auf das Leben eines Dorfes in Oberösterreich um 1900. Abseits von Klischees des Heimatfilmes, erzählt der Regisseur Dieter Berner eindrucksvoll und authentisch die Geschichte der Bauern Allinger und Huberbauer. Zweier Bauern konträrer Wertvorstellungen und somit auch Ziele. Während der eine durch Ausbeutung seiner Mitmenschen eine Schnapsbrennerei aufbauen will, sieht der andere in der Gründung einer Zuchtviehgenossenschaft einen Ausweg aus der gemeinschaftlichen Misere. Ein entscheidender Kampf für Großes, im beeindruckend Kleinen erzählt. Durch die außergewöhnliche Beobachtungsgabe der Autoren Peter Turrini und Wilhelm Pevny genießt die Alpensaga den Status eines kritischen Sozialreports und Gesellschaftskrimis zugleich. Ein Anti-Heimatfilm der kleinen Leute, der nach seiner Erstausstrahlung 1976 für Aufruhr und Proteste sorgte. »Pevny, Turrini, und Berner hatten etwas Unerhörtes geschafft: die Sichtbarmachung österreichischer Geschichte ohne Kitsch und Zuckerguss.« Andreas Ungerböck 19:00 LESUnG UnD EinFüHRUnG MiT WiLHELM PEvny UnD PETER TURRini iM LiTERATURMUSEUM DER öSTERREiCHiSCHEn nATionALBiBLioTHEk JoHAnnESGASSE 6 | 20:00 FiLMvoRFüHRUnG ALPEnSAGA 1 iM METRo kinokULTURHAUS, iM AnSCHLUSS GESPRäCH MiT DEn AUToREn FILMGESCHICHTE TRIFFT GEGENWARTSKUNST: Mit der erfolgreichen Filmreihe »CinemaSessions« präsentiert das Filmarchiv Austria neu restaurierte Stummfilme – live vertont von MusikerInnen der Wiener Experimentalmusikszene. Der Schwerpunkt liegt auf Filmen abseits der kanonisierten Stummfilmklassiker, deren Wiederentdeckung und – aufführung Höhepunkte bei internationalen Filmfestivals wie Cannes, Berlin, Bologna oder Pordenone darstellen. »CinemaSessions« sieht für jeden Film wechselnde Einzelmusiker bzw. Formationen vor und liefert somit neben einer Übersicht über weltweit herausragende Filmrestaurationsprojekte auch einen Querschnitt durch die Wiener Experimental- und Elektronikmusikszene. Hauptaugenmerk wird dabei auf den experimentellen Charakter der Musikdarbietungen gelegt, der sich in einer Vielzahl an Stilrichtungen, Musikerpersönlichkeiten und Instrumenten spiegelt. LIVE-MUSIK Das Duo Rdeca Raketa von Maja Osojnik und Matija Schellander besteht seit 2006 und beschäftigt sich mit elektroakustischen Formen der improvisierten Musik, die es auf dem Instrumentarium Pätzold Bassblockflöte, Kassettenrecorder, Toys, E-Bass, Modularsynthesizer und Electronic Devices - bevorzugt in mehrkanaligen Beschallungssituationen – realisiert. SA 17.10., 20:00 TRAvERSinG THE BALkAnS A 2014 SchNITT: KARL WRATSchKO (FILmARchIV AUSTRIA) | LäNGE: 60 mIN. | FORmAT: FARbE UND S/W, STUmm, 16mm Ein historisches Roadmovie. Entstanden auf einem Roadtrip. Das Projekt Traversing the Balkans ist ein künstlerischwissenschaftlicher Work in progress, welcher in Zusammenarbeit von Rdeča Raketa, dem Filmarchiv Austria und südosteuropäischen Kulturinstitutionen verwirklicht wurde. Auf einer Städtetournee von Wien bis in die Türkei wurden Stummfilme – die sich mit Südosteuropa beschäftigen oder dort gedreht wurden – gesammelt und zusammen mit zeitgenössischer Musik von Rdeča Raketa zur Aufführung gebracht. Das gezeigte Programm setzt sich aus einer Reihe von Kurzfilmen zusammen, welche eine fiktive Durchquerung des Balkans in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ermöglichen. Die Filme kreisen um das zentrale historische Ereignis dieser Epoche – des ersten Weltkrieges – ohne diesen einen zu prominenten Platz einzuräumen. Die non-fiktionalen Filme – teilweise Fragmente – setzen sich unter anderen aus Amateuraufnahmen, Kriegswochenschauen, touristischen Werbefilmen und Propagandafilmen zusammen und überraschen immer wieder durch außergewöhnliche ästhetische Raffinessen. KINO.PROGRAmm CinEMA SESSionS EUM G US M S A D no ki S n i T EH 83 Mustang 28 LäNDER, 3 FINALISTEN, 1 PREIS Die drei Finalisten des LUX-Filmpreises werden am 6. November 2015 in Kooperation mit der Viennale im METRO Kinokulturhaus präsentiert. Der Eintritt ist frei. Zählkarten sind am Tag der Vorstellungen direkt im Kino erhältlich. Ausgeschrieben wird der LUX-Preis vom Europäischen Parlament seit 2007. Nominiert und ausgezeichnet werden jedes Jahr Filme mit einem außergewöhnlichen Zugang zu politischen und sozialen Fragen, die einen Beitrag zur Reflexion der europäischen Identität und zur Integration liefern. Aus allen Einreichungen wurden von einer Jury in einem ersten Schritt 10 Filme ausgewählt, aus denen in der Folge die mittlerweile feststehenden Finalisten ermittelt wurden. Der Preisträger wird von den EU-Abgeordneten gewählt und im Dezember bekannt gegeben. Gemeinsam mit der Viennale werden die drei Finalisten des LUX-Filmpreises 2015 im Wiener METRO Kinokulturhaus präsentiert. ray Filmmagazin als ePaper Weitere Informationen auf www.ray-magazin.at Di 06.11., 18:00 MEDiTERRAnEA JonAS CARPiGnAno, F/D/i/GB 2015 bUch: JONAS cARPIGNANO | KAmERA: WyATT GARFIELD | mUSIK: DAN ROmER | mIT ALASSANE Sy, KOUDOUS SEIhON, AIShA, PAOLO ScIARETTA, ANNALISA PAGANO, DAVIDE SchIPILLITI LäNGE: 107 mINUTEN | FORmAT: DcP Aviva hat seine Heimat in Burkina Faso verlassen um nach einer Möglichkeit zu suchen, seine Schwester und seine Tochter zu erhalten. Er nutzt seine Teilnahme an einem Schmuggel aus, um seinen besten Freund Abas und sich selbst aus Afrika abzusetzen. Aviva passt sich dem Leben in Italien an, doch vergrößern sich die Spannungen mit der lokalen Bevölkerung auf gefährliche Art und Weise. Aviva ist fest entschlossen in seiner neuen Situation zu bestehen, doch das hat seinen Preis. Di 06.11., 16:00 Di 06.11., 20:15 MUSTAnG URok (DiE LEHRSTUnDE) DEniZ GAMZE ERGüvEn, F/D/TR 2015 bUch: DENIz GAmzE ERGyVEN, ALIcE WINOcOUR | KAmERA: DAVID chIzALLET, ERSIN GOK mUSIK: WARREN ELLIS | mIT GÜNES SENSOy, DOGA zEyNEP DOGUSLU, ELIT IScAN, TUGbA SUNGUROGLU, ILAyDA AKDOGAN | LäNGE: 97 mINUTEN | FORmAT: DcP Bestellen Sie bei ray Aboservice [email protected] Tel.: +43 (0)1 920 20 08-14 Fax: +43 (0)1 920 20 08-13 ray Jahresabo (10 Ausgaben, davon zwei Doppelnummern) Österreich € 32,– Schweiz CHF 70,– Europa € 50,– Einzelheft: € 5,00 Mediterranea Frühsommer in einem Dorf im Norden der Türkei: Unschuldig spielen Lale und ihre vier Schwestern auf dem Heimweg von der Schule mit einigen Burschen. Die Unsittlichkeit ihres Spiels löst einen Skandal mit unerwarteten Konsequenzen aus. Ihr Zuhause wird schrittweise zu einem Gefängnis, der Unterricht in richtiger Haushaltsführung ersetzt den Schulunterricht und Ehen werden arrangiert. Die fünf freiheitsliebenden Schwestern finden jedoch Wege rund um diese um sie errichteten Mauern. kRiSTinA GRoZEvA, PETAR vALCHAnov, BG/GR 2015 bUch: KRISTINA GROzEVA, PETAR VALchANOV | KAmERA: KRUm RODRIGUEz | mIT mARGITA GOShEVA, IVAN bARNEV, IVAN SAVOV, STEFAN DENOLyUbOV, IVANKA bRATOEVA | LäNGE: 110 mINUTEN | FORmAT: DcP In einem kleinen bulgarischen Dorf sucht die junge Lehrerin Nadezhda nach einem Klassendieb um ihm den Unterschied zwischen richtig und falsch zu erklären. Als sie jedoch bei einem Kredithai Schulden macht, muss sie selbst den richtigen Weg wieder finden. Was macht einen anständigen Menschen zum Kriminellen? KINO.PROGRAmm LUx-FiLMPREiS iST L A n i DiE F SES i E R P LM i F x U SL E D n E 85 A M A R o n A P . o n i k Dienstag L L E U AkT GRAFik DESiGn KINO.PANORAmA Filmarchiv Austria mit neuem visuellen Auftritt 88 1997 entwickelte Perndl+Co für das Filmarchiv Austria eine identitätsstiftende Grafik mit den charakteristischen Farben schwarz/orange und dem klassischen Logoblock. Dieses im Lauf der Jahre sanft weiterentwickelte Corporate Design wurde von Josef Perndl nun in die Jetztzeit transformiert. Ein markantes gelbes Band, am Cover des neuen Kino-Magazins genau in der Breite des 35mm-Films, bildet einen leuchtenden Info-Display auf allen Veröffentlichungen. Im selben Design präsentiert sich ab Anfang Oktober auch der neue Web-Auftritt des Filmarchivs. Das www-Projekt des Filmarchivs wird unter der Art Direction von Perndl+Co von Filmarchiv-Mitarbeiterin Katharina Gruber (Front-End-Programmierung) und Lukas Wimmer in Kooperation mit Blue Monkeys realisiert. ESSEn & TRinkEn Grünstern Stadtgartenküche im Kinokulturhaus Seit 2012 ist die Grünstern-Gartenküche unverzichtbarer Bestandteil des Open-Air-Festivals Kino wie noch nie im Augarten. Am 7. Oktober 2015 eröffnet die Grünstern-Stadtgartenküche als Kinobuffet der anderen Art im METRO Kinokulturhaus: unter der Küchenleitung von Theresa Gruber und Matthäus Karl werden regionale, saisonale und biologische Gerichte serviert. Im Vordergrund steht die Integration der Kulinarik in das Gesamtkonzept. Die Förderung der Vielfalt, die Wiederentdeckung des Alten, vielleicht schon fast Vergessenen, die Erhaltung des kulturellen Erbes – das sind die programmatischen Ziele der FilmarchivArbeit, aber auch der Grünstern-Stadtgartenküche. Ganz praktisch wird diese Schnittstelle zwischen Natur und Kultur in der neuen Grünstern-Lounge im Kinokulturhaus erlebbar, im dort eingerichteten und in seiner Art einzigartigen Gastraum mit direkter Sicht auf Kino und Leinwand. inTERioR DESiGn des Hauses begeistert. Immer schon war die »Emotionsmaschine Kino« inspirierender Antrieb für seine Arbeit, und so entstand die spontane Idee, die noch rohen Oberflächen in eine aus dem Kino heraus entwickelte Formensprache zu veredeln. Dazu hat Gregor Eichinger die starken atmosphärischen Motive des historischen Bestandes aufgenommen und behutsam in die Gegenwart übersetzt. Als Referenz an die plüschige Geborgenheit der rotsamtigen Kinoatmosphäre hat Eichinger ein eigenes Teppich-Design und damit korrespondierende Möbel für die Gastro-Bar entworfen. Wie aus dem Bauch des Kinos herausgewachsen bildet das neue Interieur ein harmonisches Bild und selbstverständliches Ganzes. FiLMRESTAURiERUnG nACHLASS Das Filmarchiv Austria hat in Kooperation mit der Murnau-Stiftung auf Basis der hauseigenen Nitrofilmquelle sowie unter Einbeziehung weiterer internationaler Archivmaterialien eine umfassende digitale Neurestaurierung von VARIETÉ durchgeführt. Die Welturaufführung der restaurierten Fassung des Stummfilmklassikers erfolgte auf der diesjährigen Berlinale mit einem live eingespielten Score der »Tiger Lillies«. Vorteile für Mitglieder — — — — — nEUERSCHEinUnG Filmsammlung Peter Kern KINO.MAGIE im Filmarchiv Austria Was geschah wirklich zwischen den Bildern? Peter Kern vermachte bereits zu seinen Lebzeiten einen Großteil seines filmischen Erbes dem Filmarchiv Austria. Als Ausdruck der gegenseitigen Wertschätzung, wurden in der Vergangenheit auch schon mehrere gemeinsame Projekte realisiert. So veranstaltete das Filmarchiv Austria bereits 2007 die größte Retrospektive zum außerordentlichen Schaffen des Kinogiganten und veröffentlichte in der Edition Taschenkino, die erste deutschsprachige Publikation über Peter Kern. Sein Schaffen soll auch nach Peter Kerns viel zu frühem Ableben gesehen werden und zugänglich sein. In diesem Sinne zeigt das Filmarchiv Austria auch im Oktober 2015 eine Auswahl aus dem Schaffen des kontroversiellen Künstlers Peter Kern im METRO Kinokulturhaus. kATALoG ZUR AUSSTELLUnG 450 S. MiT CA. 400 ABBiLDUnGEn EUR 34,90 ERHäLTLiCH AB 6. okToBER 2015 — — — — Kinoeintritt Eur 6,– statt Eur 8,50 Ausstellungsticket Eur 4,50 statt Eur 6,– Kombiticket (Kino + Ausstellung) Eur 9,50 statt Eur 11,– Mitglieder-Abo für 10 Karten um Eur 50,Einladungen zu Eröfnungsund Sonderveranstaltungen (eine Karte gilt für 2 Personen) Gratis-Zusendung der Programmzeitschrift Erweitertes Benutzerservice im Studienzentrum Augarten 10% Rabatt auf alle Produkte des Verlags Filmarchiv Austria Ermäßigungen und Vergünstigungen bei FilmarchivKooperationspartnern * Mitglieder-Aktion Österreich in historischen Filmdokumenten FILM ARCHIV AUSTRIA Edition N I E D E RÖ ST E RRE I CH Ötscherland/Mostviertel nEUERSCHEinUnG Cineastische Oberflächen: Stummfilmklassiker METRO-Interieur von Varieté Gregor Eichinger In Wim Wenders Roadmovie IM LAUF DER ZEIT aus dem Jahr 1976, fand Gregor Eichinger sein kinematographisches Déjà-vu. Als der Star-Architekt und Professor mit Lehraufträgen an der ETH Zürich, der Angewandten in Wien und aktuell an der Akademie für Bildende Künste in München erstmals das neue METRO Kinokulturhaus betrat, war er sofort von der Atmosphäre FiLMARCHiv AUSTRiA CLUB Ötscherland/Mostviertel Edition Niederösterreich DvD | CoDEFREE | PAL, CA. 120 MinUTEn | EUR 24,90 AB SoFoRT ERHäLTLiCH Jetzt dem Filmarchiv Austria Club beitreten und alle Vorteile ab sofort bis Ende 2016 genießen! Als Begrüßungsgeschenk erhalten Sie zusätzlich eine Austria-Wochenschau DVD nach Wahl, abzuholen im METRO Kinokulturhaus. Ihre persönliche Clubkarte erhalten Sie per Post, bis dahin gilt der Zahlungsnachweis als Mitglieds-Ausweis. Sie können Ihre Mitgliedschaft entweder im METRO Kinokulturhaus lösen oder per E-Mail mit Ihrem Namen und Postanschrift unter [email protected] beantragen. ERöFFnUnGSAkTion GüLTiG FüR nEUE MiTGLiEDER BiS 31.12.2015 vERAnSTALTUnGSPARTnER * kooPERATionSPARTnER KINO.PANORAmA A A F & ES CLUB Der Film wurde mittlerweile auf zahlreichen internationalen Festivals erfolgreich aufgeführt. In Österreich wurde die Neurestaurierung zum ersten Mal im Rahmen des Open Air Festivals Kino wie noch nie gezeigt. Die nächste Vorstellung findet – erstmals in Österreich mit einer Live-Begleitung der »Tiger Lillies« – am 3. Dezember 2015 im Wiener Konzerthaus statt. Der Ticket-Vorverkauf beginnt ab 9. November. 89 PRoGRAMMüBERSiCHT OKTObER | NOVEmbER 2015 Di 06.10. AUSSTELLUnG kino.MAGiE WAS GESCHAH WiRkLiCH ZWiSCHEn DEn BiLDERn? öFFNUNSzEITEN: mO – FR 14:00 – 21:00 UhR SA, SO, FEIERTAGE 11:00 – 21:00 UhR bIS 30.03.2016 Di 06.10. hISTORISchER SAAL 20:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 1 Mi 07.10. hISTORISchER SAAL 16:00 HoAnZL EDITION STANDARD | DER öSTERREIchISchE FILm ERIc PLESKOW SAAL 20:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 2 Do 08.10. hISTORISchER SAAL 19:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 3 21:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 4 FR 09.10. hISTORISchER SAAL 19:30 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT * ERöFFNUNG GEiSSEL DES FLEiSCHES 21:30 AUS FLEISch UND bLUT RAhmENPROGRAmm * oPEninG niGHT DJ-SET SCHniTZELBEAT-PARTy ERIc PLESKOW SAAL 18:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 5 20:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 6 FöRDERER & SPonSoREn MEDiEnPARTnER SA 10.10. Mo 12.10. Do 15.10. SA 17.10. Mo 19.10. So 25.10. Do 05.11. hISTORISchER SAAL 15:45 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT CARL AnDERSEnS UnDERGRoUnD DER LiEBE hISTORISchER SAAL 20:00 mUSEUm GEhT INS KINO ALPEnSAGA, TEiL 1 hISTORISchER SAAL 19.00 IN mEmORIAm PETER KERN * ERöFFNUNG DER LETZTE SoMMER DER REiCHEn hISTORISchER SAAL 16:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT WiEnERinnEn hISTORISchER SAAL 19:30 FILm NOIR – ExIL - PSychOANALySE JEALoUSy * PODIUmDISKUSSION NAch DEm FILm hISTORISchER SAAL 16:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT ExiT ... nUR kEinE PAnik hISTORISchER SAAL 16:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT VORFILm: CoPy SHoP UnSiCHTBARE GEGnER 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT voRFiLM: WHAT’S So DiRTy ABoUT? i WAS A TEEnAGE ZABBADoinG * PUbLIKUmSGESPRäch NAch DEN FILmEN 20:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT voRFiLM: DAS WiEnER kETTEnSäGEnMASSAkER voRFiLM: MEPHiSTo’S BAR MonDo WEiRDo 22:00 AUS FLEISch UND bLUT RAhmENPROGRAmm CARo B. MEMoRiAL-konZERT ERIc PLESKOW SAAL 19:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 7 21:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 8 00 :00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT EnTMUST So 11.10. hISTORISchER SAAL 16:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT SUkkUBUS 19:00 KONTROVERSIELL! QUAnD JE SERAi DiCTATEUR ERIc PLESKOW SAAL 16:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 3 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT JERRy CoTTon 20:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DiE BRUT DES BöSEn ERIc PLESKOW SAAL 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT voRFiLM: HExEn nACkT, WiE GoTT SiE SCHUF 20:15 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT iM SCHLoSS DER BLUTiGEn BEGiERDE Di 13.10. hISTORISchER SAAL 19:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT MäDCHEn FüR DiE MAMBo-BAR 21:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DAS nACHTLokAL ZUM SiLBERMonD ERIc PLESKOW SAAL 18:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 9 20:15 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 10 Mi 14.10. ERIc PLESKOW SAAL 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT SCHULMäDCHEnREPoRT 20:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DER MöRDER MiT DEM SEiDEnSCHAL 22:00 IN mEmORIAm PETER KERN HAiDER LEBT – 1. APRiL 2021 ERIc PLESKOW SAAL 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT GEiSSEL DES FLEiSCHES 20:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT voRFiLM: WHAT’S So DiRTy ABoUT? i WAS A TEEnAGE ZABBADoinG * PUbLIKUmSGESPRäch NAch DEN FILmEN FR 16.10. hISTORISchER SAAL 15:45 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT iCH SEH, iCH SEH 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT HExEn BiS AUFS BLUT GEQUäLT * PUbLIKUmSGESPRäch NAch DEm FILm 20:30 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT HExEn – GESCHänDET UnD ZU ToDE GEQUäLT 22:15 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT HExEnJAGD in MAUTERnDoRF ERIc PLESKOW SAAL 19:00 IN mEmORIAm PETER KERN CRAZy BoyS – EinE HAnDvoLL vERGnüGEn 21:00 IN mEmORIAm PETER KERN voRFiLM: FiFTy FiFTy DiE ToTEn köRPER DER LEBEnDEn 23:00 IN mEmORIAm PETER KERN knUTSCHEn, kUSCHELn, JUBiLiEREn 20:00 cINEmA SESSIONS TRAvERSinG THE BALkAnS * LIVE-mUSIK VON RDEčA RAKETA 22:30 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT nECRonoMiCon ERIc PLESKOW SAAL 19:00 IN mEmORIAm PETER KERN inSEL DER BLUTiGEn PLAnTAGE 20:45 IN mEmORIAm PETER KERN FALSCHE BEWEGUnG 23:00 IN mEmORIAm PETER KERN DonAULEiCHEn So 18.10. hISTORISchER SAAL 15:45 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT ALRAUnE * LIVE-mUSIK VON GERhARD GRUbER 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT in 3 TAGEn BiST DU ToT * PUbLIKUmSGESPRäch NAch DEm FILm 20:30 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT in 3 TAGEn BiST DU ToT 2 ERIc PLESKOW SAAL 13:00 * MATinEE ERiC PLESkoW 16:30 IN mEmORIAm PETER KERN kERn 19:00 IN mEmORIAm PETER KERN DoMEniCA – ALLE koMMEn ... 21:00 IN mEmORIAm PETER KERN GoSSEnkinD ERIc PLESKOW SAAL 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT MoRGEnGRAUEn 20:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT iCH SEH, iCH SEH Di 20.10. hISTORISchER SAAL 19:00 FESTIVAL DiE PoRZELLAnGASSEnBUBEn ERIc PLESKOW SAAL 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DAS nACHTLokAL ZUM SiLBERMonD 20:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DiE ToDESGöTTin DES LiEBESCAMPS Mi 21.10. hISTORISchER SAAL 19:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT BARon PoRnoS näCHTLiCHE FREUDEn 20:45 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT VORFILm: CREAM RASPUTin – oRGiEn AM ZAREnHoF ERIc PLESKOW SAAL 18:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 4 20:00 FILmSchAU WERNER NEKES PRoGRAMM 1 FR 23.10. hISTORISchER SAAL 21:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DER kiLLER von WiEn SA 24.10. ERIc PLESKOW SAAL 23:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DiE WöLFin voM TEUFELSMooR Mo 26.10. ERIc PLESKOW SAAL 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT ASPHALT Di 27.10. hISTORISchER SAAL 18:30 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT ZERSCHoSSEnE TRäUME Mi 28.10. ERIc PLESKOW SAAL 23:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DAS MäDCHEn MiT DEM Mini Do 29.10. hISTORISchER SAAL 21:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DiE ToTEn FiSCHE FR 30.10. ERIc PLESKOW SAAL 23:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT SCHAMLoS SA 31.10. hISTORISchER SAAL 21:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DiE ERBEn So 01.11. ERIc PLESKOW SAAL 18:30 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT ABEnTEUER in WiEn Mo 02.11. hISTORISchER SAAL 18:30 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT VORFILm: oUTER SPACE FRAU DoRoTHyS BEkEnnTniS * LIVE-mUSIK VON GERhARD GRUbER Di 03.11. hISTORISchER SAAL 23:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DAS GoLD DER LiEBE Mi 04.11. ERIc PLESKOW SAAL 23:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT VORFILm: SHAMAn RAT RACE FR 06.11. hISTORISchER SAAL * FESTivAL: LUx-FiLMPREiS 16:00 MUSTAnG 18:00 MEDiTERRAnEA 20:15 URok ERIc PLESKOW SAAL 18:45 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT SUkkUBUS 20:30 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT ExiT ... nUR kEinE PAnik 22.45 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT FRiTS FRonZ DoUBLE FEATURE: DAS MäDCHEn MiT DEM Mini BARon PoRnoS näCHTLiCHE FREUDEn SA 07.11. hISTORISchER SAAL 16:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT ASPHALT 18:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DAS GoLD DER LiEBE 20:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT SCHAMLoS 22:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT VORFILm: DiEnSTAG DER kiLLER von WiEn So 08.11. hISTORISchER SAAL 16:00 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DiE ToDESGöTTin DES LiEBESCAMPS 17:45 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT VORFILm: GUTE nACHT, JoHAnn UnSiCHTBARE GEGnER 20:30 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT VORFILm: HoCH ZEiT DiE ToTEn FiSCHE 22:45 RETROSPEKTIVE AUS FLEISch UND bLUT DiE BRUT DES BöSEn ULTUR kinok |J HAUS o E4| SGASS HAnnE 1010 W iEn .FiLMA | WWW .AT RCHiv ER 6,– ITGLIED m b U L Ac S: 7,– | FA D inFo ERmäSSIGT äSSIGT 4,50 n U S | T TiCkE ORmAL 8,50 AL 6,– | ERm SSIGT 9,50 18 03 IGT 50,– m kino N LLUnG NOR AL 11,– | ERmä OcK ERmäSS ODER 01/512 1:00 – 00:00 E 1 T L m AUSST iCkET NOR L 65,– 10ER b ILmARchIV.A & FEIERTAG T F O i A S @ B , m G A M R UN |S NO ko 00:00 ERVIER LoCk 10ER B iERUnG RES O – FR 14:00 – v m RESER GSZEiTEn n öFFnU METRo
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