Gelber Drache im Orangenhain

Obst in Gefahr: Die Bakterienerkrankung Citrus Greening sorgt für dramatische Ernteausfälle auf Zitrusplantagen in vielen Teilen der Welt.
Vor allem Orangenbauern in Florida bereitet sie große Sorgen, denn die Erkrankung breitet sich rasant aus.
44
Bayer research 28 Juli 2015
Citrus Greening
AGRARWIRTSCHAFT
GEFÄHRLICHE BAKTERIENINFEKTION ZERSTÖRT GANZE ZITRUSPLANTAGEN
Gelber Drache im Orangenhain
Fotos: Sabine Bungert/Bayer AG (2), Martin Zimelka/Bayer AG (1), Florapress/Botanical Images (1), Reuters (1)
Huanglongbing, Gelber Drache oder Citrus Greening heißt die Gefahr für Zitruspflanzen rund um den Globus. Die bakterielle
Erkrankung bedroht alle Zitrusarten, darunter Orangen, Zitronen, Limetten und Grapefruits – und treibt Plantagenbesitzer in
den Ruin. Auslöser ist ein Insekt: Die Asiatische Zitrus-Psyllide überträgt die todbringenden Bakterien auf Zitruspflanzen, die
bald absterben. Jetzt entwickeln Forscher von Bayer CropScience integrierte Strategien zur Bekämpfung – dazu setzen sie auf
Wirkstoffe, die den Überträger oder die Erkrankung kontrollieren, und auf den Einsatz biologischer Mittel in Zitrusplantagen.
Auge kaum erkennen, und auch die erWenn der Gelbe Drache zuschlägt, hat
ein Zitrusbaum keine Chance: Die Blätter
wachsenen Tiere sind nur so groß wie ein
vergilben, die Früchte bleiben grün und
Stecknadelkopf“, sagt Wirtz. Wenn die
schmecken bitter. Selbst die Wurzeln verInsekten die Pflanzensäfte eines infizierfaulen – die Pflanze stirbt nach wenigen
ten Zitrusbaums saugen, nehmen sie die
Jahren. Die „Yellow Dragon Disease“, auch
Bakterien auf, im Fachjargon Candidatus
Citrus-Greening-Krankheit genannt, ruiLiberibacter genannt. Befällt die Psyllide
niert Orangenplantagen in Brasilien und
den nächsten Baum, überträgt sie die
Erreger in das Phloem, eine der Nährden USA, zwei der wichtigsten Zitrusproduzenten: Seit mehr als zehn Jahren
stoffleitbahnen der Pflanzen: Über diese
verbreitet sich der bakterielle Erreger,
Kanäle gelangen Zucker und Aminosäuren
der ursprünglich aus Asien stammt, und
aus den Blättern in die Speichergewebe
sorgt für dramatische Ernteausfälle und
und zu den Früchten. „Durch die Infektion
verminderte Fruchtqualität. Vor allem in
wird dieser Nährstoffstrom aber extrem
Kai Wirtz arbeitet mit Experten von Bayer
und externen Partnern an Lösungen gegen
Florida, dem drittgrößten Orangenproeingeschränkt, die Orangen, Zitronen oder
den Überträger der Pflanzenkrankheit Citduzenten nach Brasilien und China, ist
Grapefruits wachsen und reifen nicht oprus Greening.
die Lage extrem angespannt. „In Florida
timal – und es bilden sich nur kleine, sausind mittlerweile schon über 90 Prozent
re Früchte“, erklärt der Bayer-Experte für
der kommerziellen Plantagen von Citrus
Obstkulturen. Nach wenigen Jahren ist die
Greening betroffen“, erklärt Kai Wirtz, Global Crop Manager Fruit
Pflanze so stark unterversorgt, dass sie schließlich zugrunde geht.
bei Bayer CropScience. Die Krankheit breitet sich rasant aus und
„Derzeit gibt es noch keine Möglichkeit, die Bakterienerkrankung
senkt die Produktivität der Zitrusbäume. Orangenbäume tragen
zu heilen“, erklärt Wirtz. Deswegen arbeiten die Bayer-Forscher
weniger Früchte mit geringerer Qualität – nach wenigen Jahren
in einem internationalen Netzwerk mit weiteren Wissenschaftwird der Obstanbau unwirtschaftlich. „Wenn sich die schlimmslern daran, den Überträger der gefährlichen Pflanzenkrankheit
ten Befürchtungen bewahrheiten, werden die Ernteerträge Flozu bekämpfen. „Die Psylliden reifen sehr schnell heran. Bis sich
ridas für die Saison 2014/2015 nur rund 3,7 Millionen Tonnen
betragen“, erklärt Wirtz. Nur 90 Millionen Boxen werden sich mit
Orangen füllen lassen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es
noch 242 Millionen Boxen.
Ein winziges Insekt überträgt das gefährliche
Bakterium, das Zitruspflanzen schädigt
Dass immer mehr Zitrusbäume am Gelben Drachen zugrunde
gehen, liegt an einem winzigen Insekt: der Asiatischen ZitrusPsyllide. Der Schädling überträgt die todbringende Krankheit
auf die Zitrusbäume. Bereits die Nymphen, also die Jungtiere,
verbreiten den Erreger. „Die Nymphen lassen sich mit bloßem
2,3
Millionen
Orangenbäume müssten in Florida pro Jahr
gepflanzt werden, um den dramatischen
Rückgang der Ernten zu stoppen.
Quelle: United States Sugar Corporation
Bayer research 28 Juli 2015
45
AGRARWIRTSCHAFT
Citrus Greening
aus einem Ei ein erwachsenes Tier entwickelt, vergehen nur 17
Tage. Pro Jahr bilden die Psylliden acht bis neun Generationen
– bei optimalen Bedingungen können es sogar 30 Generationen
sein“, so der Bayer-Experte. Im Februar 2015 wurden die Psylliden
erstmals in Spanien und Portugal entdeckt. „Diese Tiere tragen
zwar noch nicht den Gelben Drachen in sich, aber wir befürchten,
dass der Einzug von Citrus Greening in Europa nur noch eine
Frage der Zeit ist“, erklärt Wirtz.
Derzeit können die Zitrusbauern die Psylliden nur beschränkt
kontrollieren und ihre Bäume regelmäßig auf vergilbte Blätter
untersuchen – das erste Anzeichen für Citrus Greening. Aber:
„Eine exakte Diagnose ist schwierig, weil sich die Krankheit oft
erst im fortgeschrittenen Stadium zeigt“, so Wirtz. Gewissheit
bringt nur eine DNA-Analyse. Dann bleibt den Landwirten meist
nur, die erkrankten Orangenpflanzen zu vernichten und neue
Bäume zu pflanzen. Amerikanische Zitrusbauern versuchen, die
Randbereiche ihrer Plantagen mit systemischen Insektiziden
zu schützen, um das Vordringen in den Innenbereich zu verhindern. Die Mittel – etwa das neue Bayer-Insektizid Sivanto™
– wirken vom Inneren der Pflanze heraus und helfen, die Psylliden-Population zu reduzieren. „Ein großer Vorteil von Sivanto
ist beispielsweise, dass es bei richtiger Anwendung ungefährlich
für die meisten Nützlinge ist und deshalb zeitlich flexibel angewendet werden kann“, sagt Wirtz. Aber wirksame Insektizide
reichen nicht aus, um den Vormasch des Gelben Drachen aufzuhalten. Daher hat das Food-Chain-Partnership-Team von Bayer
Strategie gegen Bakterienüberträger
Derzeit gibt es keine Möglichkeit, Orangengewächse von Citrus Greening zu heilen. Bayer-Forscher fokussieren sich deswegen gemeinsam
mit Partnern darauf, den Überträger der Pflanzenkrankheit zu bekämpfen: Die Asiatische Zitrus-Psyllide überträgt die bakteriellen Erreger
von Baum zu Baum.
2 Adulte Psylliden und
ihre Nachkommen, die
Nymphen, saugen an
den Blättern der Orangenpflanze. Dabei übertragen
sie das Bakterium Candidatus Liberibacter in
das Phloem.
Gesunder
Orangenbaum
1 Über das Phloem transportiert die Pflanze wichtige
Nährstoffe wie Zucker und
Aminosäuren, die im Blatt
gebildet werden.
Citrus-Greening-Krankheit
3 Die Infektion blockiert das Phloem. Die
Nährstoffe gelangen nicht mehr zur Frucht,
die Orangen wachsen und reifen nicht mehr:
Sie werden grün und die Blätter der Pflanze
vergilben.
Die unterschiedlichen Ansatzpunkte der Bayer-Experten:
Pflanzenschutzmittel helfen,
die Ausbreitung
der Psyllide einzudämmen.
46
Bayer research 28 Juli 2015
Die Wespe Tamarixia
radiata wird als natürlicher Feind eingesetzt:
Ihre Larven dringen
in die Nymphen der
Psyllide ein.
Antibakterielle Lösungen
sollen langfristig die Bakterien gezielt bekämpfen.
So könnten auch befallene
Pflanzen geheilt werden.
Forschung im Labor bringt Lösungen ins Feld: Dr. Christoph Andreas Braun und Kai Wirtz (Foto links, v. li.) arbeiten mit Hochdruck daran, effiziente Strategien und Wirkstoffe gegen die Citrus-Greening-Krankheit und ihren Vektor, die Asiatische Zitrus-Psyllide, zu entwickeln (Foto Mitte). Dieser Pflanzenparasit überträgt ein Bakterium, das enorme Schäden in Zitrusgewächsen anrichtet – etwa kleinere und unreife Früchte minderer Qualität (Foto rechts).
CropScience eine Zusammenarbeit mit großen externen Partnern
in der Getränkeindustrie gestartet, um nach weiteren Lösungsansätzen zu suchen, um diese verheerende Krankheit zu bekämpfen.
Die Pflanzenschutz-Experten wollen die Orangengewächse auch
widerstandsfähiger gegen die Erkrankung machen. Dazu setzen
sie auf einen bewährten Bayer-Wirkstoff: Fosetyl-Aluminium,
der Wirkstoff des Fungizids Aliette™, das bei Äpfeln, Birnen und
Weinreben eingesetzt wird. „Damit immunisieren wir beispielsweise die jungen Pflanzen und stärken die Abwehrkräfte“, sagt Dr.
Christoph Andreas Braun vom Product & Project Support Disease
Control, Bayer CropScience. Die Forscher wollen den Wirkstoff
auch für Zitruspflanzen einsetzen. Und Bayer unterstützt nicht
nur die Plantagenbesitzer: In Kalifornien schulen Bayer-Experten
auch private Obstbauern, mit dem Schadinsekt fertigzuwerden,
um mitzuhelfen, Kalifornien frei von der Erkrankung zu halten.
Dazu hat Bayer gemeinsam mit California Citrus Mutual die Initiative „Citrus Matters“ ins Leben gerufen. „Kommerzielle Anbauer
von Zitrus in Kalifornien können die Psylliden besser bekämpfen und beobachten ihre Anbauflächen regelmäßig. Aber ihre
Plantagen sind weiterhin bedroht, wenn Citrus Greening auch
die unzähligen Zitruspflanzen auf Privatgrundstücken befällt“,
sagt Wirtz. Das Ziel der Kampagne ist es, Hausbesitzer, die auf
ihrem Grundstück einen Zitrusbaum haben, über die Gefahren
der Krankheit aufzuklären und so zu helfen, die Ausbreitung der
Asiatischen Zitrus-Psyllide in Kalifornien zu verhindern.
Forscher arbeiten mit Partnern weltweit an
Lösungen gegen Citrus Greening
Um Citrus Greening effektiv zu bekämpfen, müssen die Zitrusbauern die Bakterieninfektion verhindern. Darin liegt aber die
Schwierigkeit: „Man muss die Psylliden vernichten, bevor sie
saugen und den Gelben Drachen übertragen können“, erklärt
Wirtz. Die Bayer-Forscher müssen den Schädling deshalb noch
besser kennenlernen. Erster Schritt: ein umfassendes Monitoring
der Psylliden und des Erregers. Dazu will Bayer in Kooperation
mit seinen externen Food-Chain-Partnern Modellfarmen in Florida und lateinamerikanischen Anbaugebieten eröffnen. „Nur mit
einem ganzheitlichen Ansatz lässt sich Citrus Greening in Zukunft
effektiv kontrollieren“, so Wirtz. Die Bayer-Experten wollen außer-
Verkannte Gefahr
Citrus Greening tauchte schon im 18. Jahrhundert in Indien auf.
Vermutlich begann dort auch der Weg der infizierten Pflanzen
in die Welt. Erkannt wurde die Krankheit im 19. Jahrhundert
in China, wo man sie Huanglongbing (Gelber Drache) nannte.
Mittlerweile ist Citrus Greening in Asien, Südafrika, Brasilien
und Nordamerika verbreitet. Auch Pflanzen in Kuba sind befallen und 2015 kündigten erste Psyllidenbestände in Spanien und
Portugal die Krankheit möglicherweise auch in Europa an.
dem langfristig mit speziellen antibakteriellen Lösungen gegen
das Citrus Greening vorgehen. Die ersten Versuche laufen bereits.
Auch die Forschung an dem natürlichen Feind der Psylliden, der
Wespe Tamarixia radiata, wird unterstützt. Das Insekt legt seine
Eier auf die Psylliden-Nymphen. Schlüpft der Wespennachwuchs,
ernährt er sich von den jungen Psylliden – und reduziert damit
deren Population. In Brasilien unterstützt Bayer CropScience
Zuchtstationen der Wespenart in privaten Orangenhainen. Und
auf kommerziellen Plantagen laufen erste Versuche der biologischen Schädlingsbekämpfung. Ein weiterer Ansatz, den Bayer in
Zusammenarbeit mit Forschern in Kalifornien und São Paolo verfolgt: Lockstofffallen mit Sexualpheromonen, die die männlichen
Psylliden anziehen. „Damit können wir möglicherweise künftig
ganz gezielt Fallen entwickeln – und die Population der Psylliden
merklich verringern“, erklärt Dr. Peter Lösel, Insekten-Physiologe
in Pest Control Biology bei Bayer CropScience.
Rund um den Globus arbeiten Bayer-Wissenschaftler gemeinsam mit Forscherkollegen daran, integrierte Maßnahmen
gegen Citrus Greening zu entwickeln, um den Gelben Drachen
zu zähmen.
www.research.bayer.de/citrus-greening
Weitere Infos zum Thema
Bayer research 28 Juli 2015
47