Predigt Hochdorf 12.07.2015: Hosea 11: Der verletzliche Gott 1 Text: Hosea 11 Thema: Der verletzliche Gott Einführung Wer von euch schaut gerne romantische Filme? Ich eher weniger. Ungefähr 6-‐7x hab ich Stolz und Vorurteil geschaut, jetzt kenne ich ihn ziemlich auswendig. Aber was Hosea erlebt hat, gäbe Stoff für einen tragisch-‐super-‐romantischen Film. Hosea bekommt ganz am Anfang von Gott den Auftrag, eine Frau zu heiraten und zu lieben, die schon viele Männer gehabt hat und in Promiskuität lebt, der es schwer fällt, treu zu sein. Das ist der ziemlich krasse Einstieg in die Geschichte. Wir fragen gleich: Was soll denn das? Wie kann Gott so einen Auftrag geben? Wir kommen noch darauf zurück. Jedenfalls macht Hosea das, was Gott aufträgt, und heiratet Gomer, die Tochter Diblaims. Hosea hat drei Kinder mit ihr. Aber sie wird nicht die treue Partnerin für ihn und die fürsorgende Mutter für die Kinder. Mit der Zeit wird deutlich, dass sie wieder einen Liebhaber hat. Israel ist in dieser Zeit aufgeteilt in zwei Reiche: Nordisrael (welches Israel oder Ephraim genannt wird), und Juda, das Südreich. Die Menschen in Nordisrael hatten sich, was den Gottesdienst betrifft, von Juda und damit auch vom Tempel in Jerusalem getrennt. Sie waren anfällig für andere Götter, besonders für den Fruchtbarkeitsgott Baal. Fruchtbarkeitskulte sind anziehend, mit Tempelprostitutierten und Orgien. Man muss sich also eine ziemlich sexualisierte Gesellschaft vorstellen. Die Menschen vergaßen den Bund, den sie eigentlich mit Gott dem Schöpfer hatten, und auch seine Gebote, die gute zwischenmenschliche Beziehungen erst ermöglichen. Hosea ist von Gott beauftragt, den Menschen Gottes eigenen Schmerz über diese Situation mitzuteilen. Und das ist der Schmerz eines tief getroffenen Liebhabers. Die Beziehung mit Gomer soll das dramatisch darstellen. Sichtbar für die Menschen, wie das ist für Gott, dass Israel als Volk anderen Göttern nachläuft. Man könnte meinen, dass Hoseas Auftrag zu Ende ist, jetzt, als Gomer wieder einen Liebhaber hat. Er hat erlebt, wie das ist. Jetzt muss er doch nach dem Gesetz diese Frau nicht behalten, er hat Grund genug, die Verbindung aufzulösen. Aber Gott sagt ihm (3,1): „Geh noch einmal hin und liebe die Frau, die einen Liebhaber hat und Ehebruch treibt. Liebe sie so, wie der Herr die Söhne Israels liebt, obwohl sie sich anderen Göttern zuwenden.“ Wie kann das sein – wie kann Gott das von ihm verlangen? Hosea wird ein Prophet Gottes. Nur wenn er am eigenen Leib erfährt, was das Fremdgehen seiner Frau mit ihm macht, kann er begreifen, was Gott empfindet. Wie muss das für ihn gewesen sein, wenn er sieht: Gomer verlässt das Haus, und es ist klar, wo sie hingeht, und was dann dort geschieht? Das muss furchtbar weh getan haben. Kann er sie wohl zurückgewinnen? Wann und wie könnte das möglich sein? Aus eigener Betroffenheit kann Hosea es dem Volk klar machen, wie sehr es Gott verletzt, wenn Israel sich anderen Göttern zuwendet. Predigt Hochdorf 12.07.2015: Hosea 11: Der verletzliche Gott 2 Was wir hier vor uns sehen, ist übrigens ein Bestandteil dessen, was wir Schrift-‐ Inspiration nennen. Wir sind überzeugt, dass dieses Buch nicht nur von Menschen, sondern auch von Gott kommt. Hier sehen wir ein Beispiel, wie das geschehen kann: Gott nimmt einen Menschen und stellt ihn in eine Situation hinein, die es diesem Menschen ermöglicht, genau auszudrücken, was Gott empfindet. Das ist sehr authentisch. Gott zeigt sich uns in der Schrift so, wie er wirklich ist. 1. Gott lässt es zu, dass man ihn verletzt Schließlich spricht Gott seinen Schmerz noch einmal selbst aus, und auch das lesen wir bei Hosea, im 11. Kapitel. Text lesen Hosea 11. Was sagt uns das über Gott? Wir nehmen manchmal an, dass Gott in irgendeiner Weise locker fertig wird mit dem, wie wir Menschen uns verhalten. Er ist ja vollkommen und allmächtig. Wir wissen natürlich auch, dass Gott zornig werden kann. Vielleicht aber stellen wir uns das so vor wie bei einem riesigen Drachen, den man gereizt hat. Aber auch das ist nicht zutreffend. Was ist Gottes Zorn? Sein unerbittliches Nein gegenüber allem Bösen. Und wir können dankbar sein, dass Gott so ein unerbittliches Nein hat gegenüber dem Bösen. Sonst könnten wir nie sicher sein, dass es wirklich eines Tages verschwinden wird. Sonst müssten wir fürchten, dass das Böse auch noch im Himmel uns beschäftigen wird. Aber das wird nicht so sein. Gottes Zorn ist gut und gerecht! Aber wie reagieren wir darauf, wenn wir in diesem Text sehen, dass Gott verletzt ist, und dennoch so liebt, und dass er solche Gefühlsstürme in sich hat? Ist denn das eines Gottes würdig? Vorsicht, dass wir nicht einem philosophischen Gottesbild aufsitzen. Man stellte sich Gott so vor, dass er weit über unseren menschlichen Machenschaften schwebt und davon nicht berührt werden kann – denn wenn ihn das berühren würde, wenn das bei ihm gar Gefühle auslösen würde, dann wäre er ja veränderlich, und dann eben nicht mehr Gott. Also ein Gott, der unbetroffen von dem, was mit uns geschieht, irgendwo da oben trohnt. Martin Luther hat ganz richtig gesagt: „Dieser Gott schnarcht“. So wird uns Gott in seinem Wort nicht gezeigt. Er ist der Gott, den man auch schwer verletzen kann. Ganz wie Hosea selbst es erlebt hat: Gefühlsstürme, Wunsch nach Vergeltung, und gleichzeitig seine Liebe, die aushalten will. Wie wird denn Gott mit seinem Schmerz fertig? Wird er in seinem Verletztsein zuschlagen und das vernichten, was ihm die Schmerzen verursacht? Wir lesen im Hoseabuch immer wieder die leidenschaftlichen Anklagen Gottes an Israel, und dass er sie dem Gericht überantworten will. So auch in unserem Text: Zuerst redet Gott davon, dass er die Israeliten an die Assyrer ausliefern will. Doch dann lesen wir (V.8ff): „Wie könnte ich dich dahingeben, Ephraim, wie könnte ich dich preisgeben, Israel? Wie könnte ich dich behandeln wie Adama, dich machen wie Zeboim?“ (Das sind übrigens Städte, die beim Gericht Gottes über das Gebiet von Sodom und Gomorra vom Feuersturm mit verschlungen wurden). – „Mein Herz sträubt sich dagegen, mein ganzes Mitleid ist erregt! Ich will nicht handeln nach der Glut meines Zorns, will Ephraim nicht Predigt Hochdorf 12.07.2015: Hosea 11: Der verletzliche Gott 3 wiederum verderben; denn ich bin Gott und nicht ein Mensch, als der Heilige bin ich in deiner Mitte, und will nicht in grimmigem Zorn kommen.“ Gott hält die Verletzungen aus, will nicht für immer verstoßen. Er ist Gott und nicht ein Mensch. Er steht zu seinen Versprechen. Und er hat Israel versprochen, dass er immer ihr Gott sein wird. Deshalb sagt er: „Ich werde es aushalten. Ich will euch, ich liebe euch, ich lasse davon nicht ab. Und es wird noch einen neuen Weg geben. Ich werde als der Heilige in eurer Mitte kommen, und nicht in grimmigem Zorn.“ Die Assyrer sind dann einige Zeit später gekommen, haben das Nordreich überrannt und in die Sklaverei geführt. Für Nordisrael eine Rückkehr zum Nullpunkt. Aber das ist nicht das Ende des Volkes. Es wird eine Zeit kommen, so verspricht Gott, wo sie aus der Verbannung und Sklaverei wieder gesammelt werden als freie Menschen in ihr Land. „Ich bin Gott und nicht ein Mensch!“ – Das bedeutet: Ich handle nicht nach der Logik der Verletztheit, der Vergeltung. Ich bin Liebe, und ich will Gnade schenken, auch wenn das Schmerz für mich bedeutet. Ich will Erneuerung der Beziehung, auch wenn das sehr viel kostet. 2. Der verletzte Gott findet eine Lösung, die allerdings viel kostet Hosea soll noch einmal die Frau lieben, die wieder einen Liebhaber hatte, haben wir gelesen. Was das bedeutet, erfahren wir in 3,2: „Da erkaufte ich sie mir um 15 Silberstücke und um ein Homer und ein halbes Homer Gerste.“ Irgendetwas ist offensichtlich nicht so gelaufen mit dem Liebhaber, wie Gomer sich das vorgestellt hat. Sie landet zum Verkauf auf dem Sklavenmarkt! Die 15 Silberstücke und die viereinhalb Zentner Gerste entsprechen dem Preis eines Sklaven. Und Hosea kommt und zahlt den Preis. Dass Hosea den Preis aufteilt und die Hälfte in Silberstücken und die andere Hälfte in Gerste bezahlt, bedeutet wahrscheinlich, dass er alles Geld los wird, das er hat, und noch von seinem Getreidevorrat dazu. Er gibt alles. Man könnte das Buch Hosea auch nennen: Die längste Liebesgeschichte aller Zeiten. Denn sie ist mit Hosea und Gomer, oder mit Gott und dem Volk Israel, nicht zu Ende. Gott ist ein leidenschaftlich liebender Gott, und er wünscht sich auch von uns ungeteilte Liebe. Wenn Hosea heute zu uns käme, was würde er uns fragen? Halte es dir am Beispiel von Hosea vor Augen, was es Gott bedeutet, dass du ihn liebst, und auch, was es für ihn bedeutet, wenn du diese Beziehung vergisst. Gott hat die Größe, sein Innerstes zu zeigen, sich als gekränkter Liebhaber zu zeigen. Was in meinem Leben kränkt Gott? Gott lehnt das Böse unerbittlich ab. Er wünscht sich ungeteilte Liebe. Wo schreckt Gott dich auf, damit du nicht einem falschen Weg folgst? Damit du nicht Gott vergisst? Wo greift Gott dich an, weil du anders nicht mehr hinhörst? Wo greift er dich an, damit du endlich zu ihm umkehrst? Wo führt er dich immer wieder in Sackgassen, die dir zeigen, dass Gott woanders auf dich wartet? Filmausschnitt „Bedingungslose Liebe“, 1:04:11 – 1:07:00 Predigt Hochdorf 12.07.2015: Hosea 11: Der verletzliche Gott 4 Was Hosea hier vollzogen hat, ist prophetisches Verhalten. Das bedeutet: Wenn Gott wieder kommt, um sein Volk zurückzugewinnen, wird sich etwas Ähnliches zutragen. Hosea hat mit dem, was er tat, angedeutet, wie das geschehen wird. Im Bild gesprochen stehen nämlich wir auf dem Sklavenmarkt. Unsere falschen Götter haben uns dort abgestellt zur Versteigerung. Bedingungslose Liebe erfahren wir von ihnen nicht. Genau das, wonach wir uns sehnen, wird uns nicht gegeben. Im Gegenteil, es wird uns gesagt: Um Anerkennung und Wertschätzung zu bekommen, musst du bestimmten Idealen entsprechen. Also, streng dich an, mach dies und das, kauf dir dies, trete so und so auf, und dann vielleicht bist du mit dabei. Und wenn du nicht dabei bist, können wir dich das spüren lassen. Wir wissen, was Mobbing ist. So funktioniert unsere Gesellschaft oft. Aber der wahre Gott, dem unser Leben, unser Gehorsam, unsere Nachfolge, unsere Hingabe gehören sollen, kommt und gibt alles für die, die ihm nicht treu waren. Das ist seine bedingungslose Liebe. Jesus hat sein Leben für uns eingesetzt, damit wir als freie Menschen vom Sklavenmarkt gehen können und ihm für immer gehören. Hosea musste es am eigenen Leib erfahren, wie es Gott geht mit uns Menschen. Jesus musste es 750 Jahre später auch am eigenen Leib erfahren, wie wir Menschen so sind. Er hat es durchgehalten bis zum Ende. Er will unbedingt Gnade geben, er will unbedingt Beziehung zu denen, die untreu sind, will sie für sich gewinnen. Das ist seine unbegreifliche Liebe. Willst du das? Einladung. Und noch eine Frage zum Schluss: Für wen willst du Prophet oder Prophetin sein? Für welchen Menschen teilst du Gottes Freude, oder Gottes Schmerz? Vielleicht sagst du: Ich kann eine solche Liebe nicht geben. Ich hätte Gomer nicht lieben können. – Ich muss auch zugeben, dass ich eine solche Liebe nicht geben kann. Aber: Der Jesus, der in dir lebt durch den Heiligen Geist, der hätte Gomer lieben können.
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