Sachverhalt 4

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Kurseinheit allgemeines Verwaltungsrecht- Fall 4: Bürgerhaus - Sachverhalt
S ist eine brandenburgische Kleinstadt. Ganzer Stolz der Stadt ist das neue Bürgerzentrum.
Der im Frühjahr 2011 eingeweihte Gebäudekomplex besteht aus dem neuen Rathaus, der
Stadtbibliothek und dem Bürgerhaus. Das Bürgerhaus, so die im Amtsblatt von S bekannt
gegebene Zweckbestimmung, ist ein Mehrzweckgebäude. Es soll für öffentliche Veranstaltungen wie das jährliche Stadtfest, Konzerte und Lesungen, aber auch für private Veranstaltungen wie Vereinsfeste, Firmungen, Hochzeiten und ähnliches verwendet werden. Eine
Satzung regelt die Höhe der jeweils zu entrichtenden Miete.
Detlef W. wohnt in der benachbarten Kleingemeinde G. Sein Freund, der kubanische Staatsangehörige Juan-José O., wohnt schon seit vielen Jahren in S. Die beiden lieben sich und
beschließen, eine Lebenspartnerschaft nach § 1 Abs. 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes
zu begründen. Die erforderlichen Dokumente sind beigeschafft; das große Ereignis soll am
Freitag, 15. April 2012 stattfinden. Tags darauf soll der Bund fürs Leben mittels einer riesigen
Hochzeitsfeier besiegelt werden, und zwar im Bürgerhaus der Heimatstadt von Herrn O. Dieser stellt daher bereits im Mai 2011 beim Bürgermeisteramt der Stadt S einen ordnungsgemäßen schriftlichen Antrag auf Überlassung des Bürgerhauses für Samstag, 16. April 2012.
Die Einwohnerschaft von S ist mittelständisch geprägt und etwas konservativ. Für gleichgeschlechtliche Beziehungen hat man wenig übrig, das schöne Bürgerhaus möchte man für so
etwas nicht hergeben. Es kommt zu hitzigen Debatten in den Vereinen, an den Stammtischen und schließlich auch in der Stadtverordnetenversammlung. Der sich formierende Widerstand geht sehr weit, es kommt zu offenen Drohungen: man werde die Überlassung des
Bürgerhauses an die beiden Herren notfalls mit Gewalt verhindern, die Feier jedenfalls massiv stören.
Auf einen entsprechenden Beschluss der Stadtverordnetenversammlung hin lehnt der Bürgermeister den Antrag des Herrn O. ab. Bei der Feier handle es sich nicht um eine Hochzeit,
da das Bundesverfassungsgericht ja ausdrücklich festgestellt habe, dass eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft keine Ehe sei. Herr W. könne als Auswärtiger von vornherein nichts von S verlangen. Herr O. sei nicht Staatsbürger, könne sich daher nicht auf Bürgerrechte berufen und folglich auch das Bürgerhaus nicht beanspruchen. Außerdem sei angesichts des sich formierenden Widerstands mit einer massiven Störung der öffentlichen
Ordnung, wenn nicht gar mit Straftaten (§§ 223 ff., 240 StGB) zu rechnen. Jedenfalls das
mache die Überlassung des Bürgerhauses völlig unmöglich.
Herr O. legt gegen dieses Schreiben sofort Widerspruch bei der Stadt ein. Die Stadt antwortet darauf, dass ein Widerspruch gegen die Nichtüberlassung des Bürgerhauses nicht möglich sei. Die Überlassung des Bürgerhauses erfolge durch privatrechtlichen Mietvertrag, nicht
durch Verwaltungsakt. Damit seien die Vorschriften über das Widerspruchsverfahren
(§§ 68 ff. VwGO) schon gar nicht anwendbar. Das Antwortschreiben der Stadtverwaltung ist
nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und wird Herrn O. am 15. Juli 2011 als eingeschriebener Brief zugestellt.
Anfang August 2011 beantragt der ortsansässige Kreisverband der P-Partei die Überlassung
des Bürgerhauses für den 15.-17. April 2012. An diesem Wochenende soll die Jahrestagung
des Kreisverbands stattfinden. Die Stadtverwaltung ist hierüber aus Prestigegründen hocherfreut und schließt sofort einen entsprechenden Mietvertrag mit dem Kreisverband.
Am 17. September 2011 erhebt Herr O. Klage beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht
und beantragt, so sein Klageantrag wörtlich, die beiden an ihn gerichteten Schreiben "für
nichtig zu erklären" und einen Mietvertrag für den betreffenden Tag zwischen ihm und der
hemmer Berlin / Brandenburg, Inh. Leander Gast - Stand der Bearbeitung: März 2016.
Alle in dieser Übersicht enthaltenen Texte und Aufbauanleitungen unterliegen dem geltenden Leistungsschutz- und Urheberrecht. Unerlaubte Vervielfältigung, Weitergabe
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Kurseinheit allgemeines Verwaltungsrecht- Fall 4: Bürgerhaus - Sachverhalt
Stadtverwaltung "anzuordnen". Er verweist auf seine Rechte als Gemeindeeinwohner und
auf das verfassungs- und gemeinschaftsrechtliche Antidiskriminierungsverbot.
Die Stadtverwaltung beantragt Klageabweisung. Die Vergabe des Bürgerhauses erfolge
durch Privatvertrag, so dass schon der Verwaltungsrechtsweg überhaupt nicht gegeben sei.
Außerdem sei das Bürgerhaus für den betreffenden Tag nunmehr bereits vergeben. Der geschlossene Mietvertrag sei rechtswirksam, die Stadtverwaltung hieran gebunden, das Begehren des Herrn O. mithin gegenstandslos. Letztlich könne all das aber dahinstehen, weil die
Klage jedenfalls verfristet sei.
Bearbeitervermerk:
1. Erörtern Sie in einem Rechtsgutachten, wie das Verwaltungsgericht über die Klage des Herrn O.
entscheiden wird. Die Entscheidung ergeht bereits im September 2010. Auf einstweiligen Rechtsschutz brauchen Sie nicht einzugehen.
2. Das Verwaltungsgericht hat im Dezember 2011 noch nicht über die Klage entschieden. Anlässlich
einer Weihnachtsfeier kommt es zu einem Brand, bei dem das Bürgerhaus vollständig niederbrennt. Die Wiedererrichtung ist geplant, wird aber frühestens im Herbst 2012 abgeschlossen
sein. Die Stadtverwaltung teilt dies dem Verwaltungsgericht mit erklärt, hiermit sei der Rechtsstreit
in der Hauptsache erledigt. Herr O. sieht sich nunmehr nach einem anderen Ort für seine Hochzeit
um, erklärt aber gegenüber dem Verwaltungsgericht, dass er gleichwohl an einer gerichtlichen
Klärung der Angelegenheit interessiert sei. Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden?
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