Erich Thies - Deutsche Telekom Stiftung

1 LEHRERBILDUNG IN FÖDERALER VERANTWORTUNG. EIN PAMPHLET
Erich Thies
Lehrerbildung! Seit vier Jahrzehnten verfolge ich Versuche, mit ihr zu Rande zu kommen.
Zumeist vergebliche Versuche, jedenfalls was das ganze Feld der Lehrerbildung angeht. Und
eigentlich ist es – trotz aller Bemühungen in Wissenschaft und Politik - doch so geblieben wie
in einem Bild von Martin Opitz: „Ich walle wie ein schiff, das durch das wilde meer von
wellen umbgejagt, nicht kan zu rande finden“. Und eigentlich müsste man doch mit der
Lehrerbildung wenigstens so zu Rande kommen können, wie das bei den Medizinern und
Juristen möglich ist. Jedenfalls immer vorläufig. Und halbwegs. Aber noch nicht einmal
davon kann wirklich die Rede sein!
Dabei wusste bereits die Weimarer Reichsverfassung in ihrem Art. 143(2): „Die
Lehrerbildung ist nach den Grundsätzen, die für die höhere Bildung gelten, für das Reich
einheitlich zu regeln.“ Nun ist die Idee einer einheitlich geregelten Lehrerbildung wohl
damals so richtig wie heute. Und heute angesichts komplexer gewordener sozialer und
politischer Verhältnisse und Internationalität universitärer Strukturen umso wichtiger. Und
wenn man der Auffassung ist, dass die Ausbildung von Medizinern und Lehrern – die Juristen
und Theologen als weitere klassische universitäre berufliche Ausbildung einmal beiseite
gelassen – Schlüsselfelder für Gesundheit und Bildung sind, Bereiche, von denen
Lebensqualität, sogar Lebensglück, und die politische und ökonomische Entwicklung eines
Staates wesentlich abhängen, dann muss man festhalten, dass bei den Medizinern offenbar
etwas gelungen ist, was bei den Lehrern bislang scheiterte. Bei der Medizin spricht man
bundesweit über den Fortschritt medizinischer Forschung und die immensen Kosten des
Systems, bei der Bildung landesspezifisch über deren angebliches oder tatsächliches
Mittelmaß, über unzureichende Lehrerversorgung an den Schulen und über unüberschaubare
Schulformen, besser: das „weite Feld“ der Namen für Schulen. Und dies, obwohl es der
Bundesregierung gelungen ist, auch oder gerade - gleichsam als List der Vernunft - angesichts
einer wirtschaftlich schwierigen Lage das Bildungsthema als Schlüssel auch für eine gute und
gesicherte Zukunft unserer Gesellschaft in den Vordergrund zu rücken! Und dies weiter,
obwohl die wohl eher demographisch erzwungene Einsicht in ein einfacher strukturiertes
Schulsystem ja auch eine einfacher strukturierte Lehrerbildung möglich machen sollte. Denn
2 die Vielfältigkeit der Lehrerbildung war schließlich auch Spiegel einer politisch gewollten
Vielfalt von Schularten.
Wir haben einen Bildungsgipfel von Bund und Ländern schon greifbar vor uns gesehen, bei
dem den Ländern dann allerdings auf halbem Wege die Luft ausgegangen ist, und sie
umgekehrt sind, weil sie sich angesichts der Schuldenbremse nicht darauf festlegen wollten,
die „demographische Rendite“ - eine abscheuliche Bezeichnung für eine eigentlich gute Idee,
nämlich durch die demographische Entwicklung rechnerisch frei werdendes Geld - im
Bildungssystem zu belassen.
Wir haben weiter gehört, dass die Bildungsrepublik ausgerufen wurde. Laute und dieses Mal
authentisch klingende Signale, die zeigen, wie wichtig Bildung für Politik und Wirtschaft
gerade in unserer Zeit geworden ist, und die trotz hin und her wogender politischer Positionen
ernstzunehmende Chancen für grundlegende Veränderungen im System sichtbar machen.
Solche Chancen muss man dann aber auch ergreifen!
Doch zurück zur Lehrerbildung. Bislang gibt es eben noch keine bundesweit geltende
„Approbationsordnung für Lehrer“, und es gibt auch keine einheitliche hochschulrechtliche
Regelung des Ausbildungsortes für Lehrer, vergleichbar einer Medizinischen Fakultät.
Stattdessen ganz verschieden strukturierte Ausbildungsorte, Lehrerbildung in Form von
gestuften Studiengängen, die für Lehrerbildung eigentlich gar nicht geeignet sind, weil der
Bachelor dort keinen berufsqualifizierenden Abschluss bildet. Und der Master in einzelnen
Ländern nur über mühsame ECTS-Konstruktionen mit partiellem Einschluss des
Referendariats erworben werden kann. Wir haben daneben Länder mit dem Staatsexamen als
Abschluss und Fächerkombinationen, die nicht erlauben, in allen Ländern der Bundesrepublik
Deutschland als Lehrer zu arbeiten. Der Wechsel zwischen Universitäten ist durch die
Modularisierung bislang eher schwieriger geworden, obwohl das Gegenteil der Fall sein
sollte: „Goethe I“ ist eben selbst bei benachbarten Universitäten nicht einfach nur dasselbe,
sondern nach Professorenart auch hochverschieden.
Die Kultusministerkonferenz hat getan, was sie konnte. Sie hat in einem langwierigen Prozess
Standards für die Bildungswissenschaften und die Fächer verabschiedet, sie hat die
bundesweite Anerkennung der Abschlüsse geregelt – was allerdings nicht bedeutet, dass jeder
Absolvent in jedem Land auch eingestellt werden kann. Das Feld ist zwar formal geordnet,
3 aber zugleich zersplittert. Was bleibt, ist ein großes Unbehagen. Und, um in Opitz' Bild zu
bleiben, Lehrerbildung bleibt „von wellen umbgejagt, nicht kan zu rande finden“.
Und nun? Vielleicht sollte man die Stiftungen Deutschlands fragen, die über den Deutschen
Schulpreis best practice-Schulen zeigen, die die MINT-Fächer und deren Didaktik in
Nationalen Zentren massiv fördern, die mit Schülern üben, wie man debattiert und den Lehrer
als „Führungspersönlichkeit“ aufbauen helfen Aber besser wohl nicht. Bei allem Respekt vor
zivilgesellschaftlichem Engagement bleibt es Aufgabe des Staates und seiner Einrichtungen,
von Universitäten und Schulen, die Lehrerbildung in Deutschland so zu ordnen, dass sie den
Ansprüchen unserer Gesellschaft gerecht wird und sich verändernde Bedingungen auch
angemessen aufnehmen kann.
I. DIE LEHRERBILDUNG AN DEN PÄDAGOGISCHEN HOCHSCHULEN hatte (und hat
noch in Baden-Württemberg) ihre Vorzüge: Sie bot eine überschaubare und praxisnahe
Ausbildung an einem überschaubaren Ort. Sie bot vor allem Frauen „aus dem Hinterland“,
aus Familien, die bislang einer akademischen Ausbildung fern standen, eine Ausbildung an,
die zudem noch die Möglichkeit anbot, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Alles
von gestern. Das mit dem Hinterland wurde per Erlass untersagt und der frei verfügbare
Nachmittag ist angesichts der Ganztagsschulen längst dahin. Gleichwohl boten die
Pädagogischen Hochschulen vielen Studierwilligen die Möglichkeit, sich beruflich zu
orientieren. Eine Analyse der Abbrecherquote von ca. 50% der künftigen Grundschullehrer
mithilfe von ZUMA ergab, dass sich ein Teil der „Abbrecher“ dann in eine duale Ausbildung
begeben hat, der andere Teil ein universitäres Fachstudium aufnahm – und so die
Pädagogische Hochschule nutzte, um eine gezielte Entscheidung zu treffen.
Ein nicht unerheblicher Teil der Studierenden kam über eine Eignungsprüfung nach
erfolgreich absolvierter Lehre; wobei die Eignungsprüfung etwa das Niveau der Mittleren
Reife hatte. Aber die Studierenden, darunter viele Männer, wussten, was sie wollten, und
waren interessante Studenten, weil sie Berufserfahrung mitbrachten, die nicht nur
Lehrveranstaltungen, sondern auch Schulpraktika auf dem Boden der Wirklichkeit hielten.
Mit Wissenschaft und Forschung hat das alles nicht viel zu tun; auch wenn die Pädagogischen
Hochschulen qua Hochschulgesetz zu den Wissenschaftlichen Hochschulen zählten und sich
4 Professoren als „Universitätsprofessoren an einer Pädagogischen Hochschule“ bezeichnen
konnten.
Die Pädagogischen Hochschulen haben – für Viele leider - ausgedient, sie sind als Modell für
Lehrerbildung in Deutschland ganz ungeeignet. Trotz aller Vorzüge praxisnaher, an
Schulwirklichkeit eng (zuweilen borniert eng) orientierter Ausbildung ist Lehrerbildung ohne
eigene substantielle Forschung nicht mehr denkbar: Professoren, die auf der erforderlichen
Höhe fachwissenschaftlicher Forschung und zugleich eine ebenso anspruchsvolle
fachdidaktische Kompetenz besitzen, sind als Regelfall nur sehr schwer vorstellbar. Die
Verbindung von fachlicher und didaktischer Kompetenz in einer Person war aber bei den
Pädagogischen Hochschulen Grundlage der Berufungspolitik. Die regelmäßige Betreuung von
Praktika inklusive rechtlich relevanter Benotung durch Professoren in den Schulen selber,
verbunden mit eigenem Unterricht von Professoren vor Studierenden – das ist schon eine
reizvolle Vorstellung für jedes Modell von Lehrerbildung; reizvoll vor allem angesichts der
jetzigen Situation der Lehrerbildung an deutschen Universitäten. Auch wenn sich die
Ausbildung beschränkte auf die Lehrämter für Grund- und Hauptschulen und Realschulen.
Die jetzigen Ansprüche an Lehrerbildung erlauben keine Kombination mehr von
Fachwissenschaft und Fachdidaktik in einer Person.
Im Übrigen sind die Pädagogischen Hochschulen von den Ländern auch nie in den Stand
gesetzt worden, mit Hilfe einer angemessenen Ausstattung mit Wissenschaftlichen
Mitarbeitern und Haushaltsmitteln für Forschung, sich nach national geltenden Maßstäben zu
beweisen. Entsprechend sind die Zahlen der eingeworbenen Drittmittel und Publikationen.
Aufgrund mangelnder Ausstattung haben sie auch kaum Chancen, erfolgreich Anträge auf
Forschungsmittel bei der DFG zu stellen. Ihr Promotions- und Habilitationsrecht steht deshalb
auf einigermaßen hohlem Boden. Der Weg zurück zu den Pädagogischen Hochschulen oder
gar Pädagogischen Akademien ist also verschlossen. Selbst wenn die Vorstellung reizt,
Lehrerbildung in Form einer dualen Hochschule wie bei den Berufsakademien zu
organisieren: Gleichrangige Studienphasen in Schule und Hochschule, angemessene
Betreuung der Schulpraktika durch Professoren im Unterricht selber, professionelle
Supervision und dann forschungsbasiertes Studium in einer Hochschule – sind eine nicht
wenig verlockende Vorstellung.
5 Die Wiedervereinigung Deutschlands bot dann den Anlass, sich systematisch mit
Lehrerbildung an Pädagogischen Hochschulen zu befassen. Der Wissenschaftsrat hat dieses
1991 mit seinen „Empfehlungen zur Lehrerbildung in den neuen Ländern“ getan, 2001 mit
„Empfehlungen zur künftigen Struktur der Lehrerbildung“; und jetzt wäre eine Fortsetzung
eigentlich interessant. Darauf komme ich im Zusammenhang mit der Idee eines Nationalen
Bildungsrats noch einmal zurück, denn die Unentschiedenheit hinsichtlich struktureller
Entwicklungen und eine deutliche Universitätsperspektive haben die Wirksamkeit des
Wissenschaftsrats sehr beschränkt.
Die Besuche - unmittelbar nach der Wende - von Mitgliedern des Wissenschaftsrats und
Experten in den Pädagogischen Hochschulen und Instituten für Lehrerbildung der neuen
Länder sind denkwürdig und haften tief in der Erinnerung, mit einer schwer aufzulösenden
Mischung von Angerührt sein und abständiger Unsicherheit aufseiten der Besucher. Aufseiten
der Besuchten herrschte eine fundamentale Irritation über die politischen Kräfteverhältnisse
und die künftige Entwicklung, samt ganz persönlichem beruflichem Schicksal. Auf der einen
Seite vorsichtige Neugier auf die einphasige Lehrerbildung in der DDR, auf deren fachliche
und politische Verankerung, genau genommen auf das Gesamtbild eines eigentlich fremden
Landes; wobei die gemeinsame Sprache mehr verdeckte als offenbarte. Auf der anderen Seite
Stolz auf das Geleistete und berechtigte Angst, westlichen Maßstäben nicht genügen zu
können.
Um es vorwegzunehmen: Es blieb von diesen Einrichtungen nichts übrig. Und zwar aus
Gründen, die nicht nur fachlich oder interessegeleitet universitätsgeprägt waren, sondern
auch, weil man mit der gesetzlichen Auflösung der Einrichtungen ein personalpolitisches
Problem mit einem Schlage lösen konnte. So, wie die Pädagogische Akademie der
Wissenschaften der DDR schlichtweg durch Nichtnennung im Einigungsvertrag von der
Bildfläche verschwand, ersparte die Auflösung der Pädagogischen Hochschulen und Institute
für
Lehrerbildung
den
betroffenen
Ländern
langwierige
und
politisch
heikle
personalrechtliche Auseinandersetzungen mit Einzelfällen.
Der Wissenschaftsrat empfahl 1991, in der Regel dem Vorbild der westdeutschen Länder
folgend, die Integration der Lehramtsstudiengänge in die vorhandenen Universitäten. Er
empfahl Berufungen nach westdeutschem Muster, Beurlaubungen von Professoren aus dem
Westen zum Neuaufbau und den Einsatz von Patenfakultäten. Zum vorhandenen Personal,
6 den zahlreichen Professoren und dem umfangreichen, zumeist unbefristet beschäftigten
lehrenden Mittelbau äußerte er sich hier nicht weiter. Dieses heikle Problem hatte dann die
Politik zu lösen.
Es gibt, soweit ich weiß, nur eine einzige systematische Untersuchung über die Qualifikation
von Lehrern, die an den Pädagogischen Hochschulen und Instituten für Lehrerbildung der
DDR ausgebildet wurden und zwar von Mathematik-Lehrern. In ihr schneiden die dort
ausgebildeten Lehrer nicht besonders eindrucksvoll ab. Eine breitere Untersuchung hätte
Vergleiche möglich gemacht. So gibt es nur subjektive Eindrücke. Auffällig war jedenfalls
die für westliche Maßstäbe ganz ungewohnte Identifikation mit dem Beruf des Lehrers, der
hohe
persönliche
Einsatz
sowie
die
gesellschaftliche Anerkennung,
die
Lehrern
entgegengebracht wurde. Das entsprach der hohen politischen Bedeutung, die die Regierung
der DDR der Pädagogik in ihrer systemstabilisierenden Funktion verliehen hatte.
II. ÜBER LEHRERBILDUNG AN UNIVERSITÄTEN kann man ernsthaft sprechen, seitdem
in den 70ger Jahren die Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten integriert und so alle
Lehrämter an einem Ort ausgebildet wurden. Die Gymnasiallehrerausbildung an den
Universitäten war fachwissenschaftlich und nicht an den spezifischen Bedingungen von
Unterricht orientiert, das Lehrangebot war für alle Studierenden in den Fächern identisch,
gleich ob es sich um Diplom- bzw. Magisterstudiengänge oder Lehramtsstudiengänge
handelte; und in der Regel frei von allen Schulpraktika, in jedem Fall von betreuten
Schulpraktika. Und Humboldts Idee einer Universität, die neben ihrer Forschung auch immer
in engerer Beziehung auf das praktische Leben und die Bedürfnisse des Staates stehen sollte,
um Eliten für den preußischen Staat auszubilden, findet sich jedenfalls in der Lehrerbildung
nur
sehr
bedingt
wieder.
Der
innere
Konflikt
einer
Universität
zwischen
fachwissenschaftlicher Forschung und Ausbildung für die Profession des Lehrers geht
jedenfalls in der Regel zugunsten der Forschung aus.
Das galt jedoch nicht für die Ausbildung von Volksschullehrern, die stark praxisorientiert
war, und deren Professoren häufig vorher selber als Lehrer gearbeitet hatten. Die
Volksschullehrerausbildung wurde durch die Integration jedenfalls formal wissenschaftlich,
die Gymnasiallehrerausbildung mit pädagogisch-philosophischen Accessoires versehen, z.B
einem
Pädagogicum
oder
Philosophicum.
Das
bedeutete
allerdings
nur,
dass
7 Lehrveranstaltungen in den Erziehungswissenschaften oder der Philosophie zu besuchen
waren, mit einem kleinen Examen. Mit Schule oder gar Schulpraxis hatte das nichts zu tun.
Das
Studium
war
„praxisfrei“,
die
Studienseminare
vermittelten
die
ersten
Unterrichtserfahrungen. Und das gilt mehr oder weniger bis heute, jedenfalls in BadenWürttemberg. Gleichwohl haben die Gymnasien in Deutschland trotz hoher Überlast
erstaunliche Leistungen erbracht.
Und wie steht es mit der integrierten Volksschullehrerausbildung? In jedem Fall galt, dass die
Besoldung der Lehrer wegen des Ausbildungsorts Universität anzuheben war. Das war ein
kraftvolles Motiv für Lehrer, Verbände und Gewerkschaften; und die Professoren versprachen
sich eine höhere Reputation. Viele Professoren versuchten - integriert durch Fach-zu-FachZuweisung oder als eigener Fachbereich der jeweiligen Universität - so rasch wie möglich,
Karrieremuster zu übernehmen, die wissenschaftliche Akzeptanz in der neuen Umgebung
versprachen: Publikationen in anerkannten fachwissenschaftlichen Organen, eingeworbene
Drittmittel usf. Die Erwartungen wurden jedoch zumeist enttäuscht. Die Professoren wurden
in der Regel als Fachwissenschaftler eben nicht akzeptiert, und die Fachdidaktik war wie ein
notwendiges Übel und deshalb Potential für Stellenumschichtungen in Richtung
Fachwissenschaft. Die Folgen sieht man bis heute. In jedem Fall führte die Integration der
Pädagogischen Hochschulen durch die beträchtliche Zahl der Professuren und Studierenden
zu
einem
erheblichen
Ausbau
der
universitären
Kapazitäten;
vor
allem
der
Fachwissenschaften. Den Ausbau der Erziehungswissenschaften nahm man hin, sie fiel in der
inneruniversitären Hierarchie in den meisten Universitäten auf die hinteren Ränge. Im
Unterschied zur Situation der DDR nach der Wende wurde das Personal der Pädagogischen
Hochschulen ohne weitere qualitative Prüfung übernommen.
Als nicht unerhebliches Interesse der Länder ist festzuhalten, dass die Integration die
staatliche Steuerung der Ausbildungskapazitäten erleichterte und so Lehrerbedarf und
Ausbildungskapazität eines Landes jedenfalls versuchsweise - und auch kostengünstiger näher bringen konnte. Dieses Motiv spielte zum Beispiel bei den Überlegungen des Landes
Baden-Württemberg immer wieder eine maßgebliche Rolle, wenn es um die Frage der
Fortexistenz auch der letzten Pädagogischen Hochschulen in Deutschland ging. Denn die
interne Verteilung der Kapazitäten in einer Universität ist politisch eben geräuschloser zu
vollziehen als etwa die Schließung einer Pädagogischen Hochschule mit all den
unerquicklichen regionalen Kriegsschauplätzen.
8 Mit der Integration der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten entschieden sich die
Länder für ganz verschiedene institutionelle Strukturen: Erziehungswissenschaftler und
Fachdidaktiker in einem eigenen Fachbereich, Erziehungswissenschaften in Form eines
Universitätsinstituts und die Fachdidaktiker bei den jeweiligen Fachwissenschaften,
Abteilungen für Erziehungswissenschaften, die für die Grund- und Hauptschullehrer sowie
die Realschullehrer zuständig waren, wobei die Gymnasiallehrerausbildung in der bisherigen
Form belassen wurde. Ein heterogenes Bild mit jeweils spezifischen Nachteilen: Trennung
von Fachwissenschaften und Fachdidaktiken, Isolierung der Fachdidaktiker von den
Erziehungswissenschaftlern, keine Gesamtverantwortung für alle Lehrämter.
Und vor allem: Die Studierenden verloren mit dem Verschwinden ihrer Pädagogischen
Hochschulen ihren Ort, einen sehr überschaubaren und insgesamt an Unterrichtspraxis
interessierten Ort, mit dem sie sich und ihre Berufsperspektive identifizieren konnten.
Regionen verloren ihre regional passende Lehrerausbildung; mit allen Vor- und Nachteilen.
Die Studierenden fanden sich in großen Universitäten wieder, die – bis auf die Mediziner und
Juristen – rein fachwissenschaftlich organisiert waren und so ein Selbstverständnis bei den
Studierenden
beförderten,
sie
studierten
Mathematik
oder
Germanistik
oder
Kunstwissenschaft – mit dem damit verbundenen akademischen Ansehen. Sie saßen so der
gleichen Selbsttäuschung auf wie viele der ehemaligen Lehrerbildungs-Professoren. Es ist
eben allemal leichter zu sagen: Ich studiere Mathematik als zu sagen: Ich will Lehrer werden.
- Ein entsprechender Satz kommt natürlich einem Juristen oder Mediziner leicht über die
Lippen. - Die Immatrikulation der Lehramtsstudierenden erfolgte und erfolgt in den
Fachwissenschaften. Mit Konsequenzen für das Selbstverständnis sowohl der Studierenden
als auch der Professoren, die dann ohne weiteres Bedenken ihre Lehrveranstaltungen in rein
fachwissenschaftlicher Perspektive anbieten und ihren eigenen fachwissenschaftlichen
Interessen als Professor folgen konnten, ohne die Erfordernisses einer Berufstätigkeit
überhaupt in den Blick nehmen zu müssen. Den Studierenden wird so eine
Integrationsleistung zugemutet, die die Professoren selber in der Regel nicht zu erbringen
willens oder im Stande sind!
III. ÜBERLEGUNGEN ZU EINER INSTITUTIONELLEN NEUORDNUNG DER
LEHRERBILDUNG AN UNIVERSITÄTEN. Aber welche institutionelle Form gewährleistet
am Ehesten, dass die erforderliche Integration von fachlichem Wissen in den zu
9 unterrichtenden Fächern, von dem entsprechenden fachdidaktischen Wissen und Können, von
erziehungswissenschaftlichem
Wissen,
inklusive
eines
kompetenten
Umgangs
mit
empirischen Methoden, diagnostischen Verfahren, Medienkompetenz, Umgang mit Inklusion
und Integration, Verfahren der Leistungsdifferenzierung, Formen einer kompensatorischen
Sprachförderung usf. - also von gar nicht abschließend aufzuzählenden, schon zwischen
Schulen hochverschiedenen Ansprüchen - auch eine Chance hat zu gelingen? Und dies in
einer von Beginn an notwendigen und auch noch reflektierten und individuell verwirklichten
Verbindung von Wissenserwerb und schulpraktischer Erfahrung? Also, wie kommt man mit
Lehrerbildung am Ehesten zu Rande?
Wenn es richtig ist, dass die Pädagogischen Hochschulen nicht als Modell für heutige
Lehrerbildung dienen können, und es weiter richtig ist, dass die Lehrerbildung an den
Universitäten mit fundamentalen Mängeln behaftet ist, dann legt sich nahe, über das Modell
einer Professional School, der „School of Education“ einer Universität, nachzudenken. In
seinen „Empfehlungen zur Lehrerbildung“ aus dem Jahr 2001 hat der Wissenschaftsrat die
Frage letztlich offen gelassen, ob die an vielen Universitäten eingerichteten „Zentren für
Lehrerbildung“ oder „Schools of Education“, eigene Fakultäten also, den besseren Ort für
Lehrerbildung darstellen. In seinem dann nachprüfenden „Bericht zum Stand der Umsetzung
der Empfehlungen zur künftigen Struktur der Lehrerbildung“ von 2004 stellt er nur
einigermaßen lapidar fest, dass es keine Schools für Bildungswissenschaften gebe und die
meisten Universitäten die Probleme mit Hilfe von Zentren für Lehrerbildung zu lösen
versuchen. Die Frage Zentrum für Lehrerbildung oder School of Education stellt sich folglich
nach wie vor, denn die ja für jeden sichtbaren Probleme einer wirklich verantworteten
Lehrerbildung sind geblieben.
Warum ist der Wissenschaftsrat eigentlich nie deutlicher geworden, wo es ihm doch sonst an
Deutlichkeit überhaupt nicht mangelt, wenn es um das Wohl der deutschen Universitäten, um
Lehre und Forschung und deren Finanzierung geht? Das Dilemma, in dem er sich befindet,
liegt auf der Hand. Bei einer Entscheidung zwischen national und international sichtbarer
fachlicher Exzellenz einer Universität und Berufsausbildung von Lehrern an einer Universität
hält er es eher mit der ersten Seite!
Bezieht man nämlich die Zahl der Lehramtsstudierenden auf die Zahl der Studierenden der für
Lehrerbildung relevanten Fächer insgesamt, macht erstere einen erheblichen Anteil der in
10 Anspruch genommenen Lehr- und Forschungskapazität dieser Fächer aus, in vielen Fächern
um die Hälfte. Und man stelle sich nur einmal probeweise vor, die entsprechende Anzahl der
Professuren hätte ab sofort schulartspezifische und womöglich auch noch unterrichtsbezogene
Überlegungen anzustellen. Eine reine Zumutung für fachwissenschaftlich orientierte
Professoren, die gewohnt sind, ihre Lehre an selbst gesetzten Forschungsinteressen zu
orientieren! Und für die – vor allem in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern – bereits
jede Form von Modularisierung in Folge der Bologna-Reform eine Zumutung, weil
Einschränkung liebgewordener – und, wie ich meine, auch missverstandener - akademischer
Freiheit bedeutet. „Goethe I“ kann eben nicht „Goethe I“ sein.
Die Anstrengungen der deutschen Universitäten in den letzten Jahren, um mit Hilfe von
aufwendigen
internen
Abstimmungsprozessen,
Zerreißproben
eingeschlossen,
von
aufwendigen Anträgen für Forschungscluster und Graduate Schools als Vorbedingung für die
sog. Dritte Förderlinie, durch die dann – unter Mitwirkung des Wissenschaftsrats - der Titel
„Exzellenzuniversität“ verliehen wird, haben ihre Spuren hinterlassen. Sie haben das genannte
Dilemma verschärft und schier unlösbar gemacht. Die für Cluster und Graduate Schools
erforderliche Qualität fachwissenschaftlicher Forschung schließt in der Regel aus, sich einer
Berufsausbildung angemessen zu widmen – von einer Ausnahme unter besonderen
Bedingungen wird noch die Rede sein.
Die Länder haben, dafür Sorge zu tragen, dass Lehrer angemessen ausgebildet werden, wenn
Universitäten dieses aus eigener Kraft nicht vermögen. Lehrerbildung ist ein Schlüsselfeld,
das in gesamtstaatlicher Verantwortung liegt; zudem sind die Länder Monopolisten bei der
Beschäftigung von Lehrern und haben schon deshalb ein unmittelbares politisches Interesse
an
einer
exzellent
ausgebildeten
Lehrerschaft.
Hochschulverträge
oder
Leistungsvereinbarungen sind ein hierfür geeignetes Instrument: Geld als Lock- oder
Druckmittel hilft immer. Schließlich bleibt die Möglichkeit einer bundeseinheitlichen
gesetzlichen Regelung wie bei den Juristen und Medizinern.
Bisher ist es den Universitäten jedenfalls in der Regel nicht gelungen, sich über mehr als über
Zentren für Lehrerbildung zu verständigen, eine Lösung, die niemandem Einschränkungen
auferlegt und deshalb auch keine internen Verteilungskämpfe zur Folge hat. Sie sind jedoch
nur Organisationseinheiten und lösen die Probleme nicht. Die Zentren für Lehrerbildung sind
an den meisten Universitäten rein organisatorische Einrichtungen, die keine weitergehenden
11 Befugnisse haben. Sie koordinieren Vorhandenes, beraten Studierende und stellen die
Verbindung zu Schulen her, sie verfügen über keine eigenen Haushaltsmittel und haben eine
schwache Personalausstattung.
Schools of Education hätten, wenn sie denn eine neue Form von Lehrerbildung zu
verantworten hätten, eine Reihe von Bedingungen zu erfüllen, die hier nur skizziert werden
können:
- Immatrikulation der Lehramtsstudierenden bei der School of Education;
- Koordinierung der gesamten Lehrerbildung einer Universität;
- Verantwortung für das Lehrangebot an Lehramtsstudierende und dessen Qualität,
einschließlich der schulartspezifischen fachwissenschaftlichen Lehre;
- sämtliche Stellen des Erziehungswissenschaftlichen Bereichs sind der School of Education
zugeordnet. Dieses gilt auch für die Fachdidaktiken, die über Doppelmitgliedschaften in
anderen Fakultäten mit den Fachwissenschaften verbunden bleiben können;
- Denomination und Verwaltung sämtlicher Stellen für Professuren, Mittelbau und Sonstigen
Mitarbeitern, die für Lehrerbildung eingerichtet werden;
- Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses;
- Mittelverwaltung für befristete Abordnungen von Lehrern aus dem Schuldienst, mit
Möglichkeiten ihrer Qualifikation;
- Verwaltung der Forschungsmittel und Entwicklung von Forschungsprojekten in den
Erziehungswissenschaften, in der empirischen Bildungsforschung, in den Fachdidaktiken;
- Verantwortung für die Auswahlverfahren der Studienbewerber für das Lehramt;
- Verantwortung für die Durchführung der Schulpraktika einschließlich Betreuung sowie
Verbindung mit den Schulen – analog Lehrkrankenhäusern -, die Schulpraktika anbieten;
- Kooperation mit der 2. Phase der Lehrerbildung sowie Entwicklung von Konzepten für Fortund Weiterbildung.
Eine besondere Aufgabe einer School of Education besteht in der Entwicklung der
Fachdidaktiken die ihr Heil bislang bei den Fachwissenschaften gesucht, aber nicht gefunden
haben!
Ein Blick auf die School of Education der Technischen Universität München sowie die
Professional School of Education der Ruhr-Universität Bochum zeigt, dass die genannten
Bedingungen jedenfalls teilweise erfüllbar sind. Und die Differenz zwischen beiden Schools
12 of Education in der Fülle ihrer Aufgaben und ihrer Gestaltungsmacht zeigt ein grundsätzliches
Problem der politischen Durchsetzbarkeit. München geht erheblich weiter als Bochum.
Die School of Education der Technischen Universität München hat es aber auch leichter insofern steht sie unter besonderen Bedingungen -, weil es an dieser Universität ausschließlich
um MINT-Fächer und Berufsschullehrer geht. Der Lehrkörper und damit die universitären
Gremien einer Technischen Universität sind wohl eher zu einer solch zweckmäßigen – aber
mit Stellenverzicht verbundenen – Entscheidung zu bewegen, als das bei einer
„Volluniversität“ der Fall wäre. Ein starker, am Lehramt interessierter Präsident und die
Tatsache, dass es sich „nur“ um die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und
Technikwissenschaften handelt, haben es möglich gemacht, eine School of Education zu
gründen und auch noch allen Vorurteilen zum Trotz mit dem Exzellenzprofil der Universität
zu verbinden. Das hätte sich selbst die Heidelberger Universität nicht leisten können! Aber es
muss ja auch kein Einheits-Modell einer School of Education geben. Denkbar sind
verschiedene Formen, die allerdings die genannten Grundbedingungen erfüllen müssen.
Wenn das aber richtig ist, bedarf es einer Erörterung der Erfordernisse von Lehrerbildung in
einem definierten politischen Rahmen, der geeignet ist, sie auch bundesweit zur Geltung zu
bringen. Dieses kann als ein Thema eines Nationalen Bildungsrats geschehen, der in strenger
Analogie zum Wissenschaftsrat aufgebaut werden müsste. Wie zu sehen war, neigt der
Wissenschaftsrat aufgrund seiner geschäftsmäßigen Aufgaben und seiner entsprechenden
Besetzung eher der fachwissenschaftlichen als der berufspraktischen Seite zu; jedenfalls wenn
es um das beschriebene Dilemma geht. Die Lehrerbildung in Deutschland braucht aber
dringend eine – wie ich meine – gesamtstaatlich verantwortete Reform.
IV.
DAS
„PLÄDOYER
FÜR
DIE
EINRICHTUNG
EINES
NATIONALEN
BILDUNGSRATS“ hat inzwischen die Öffentlichkeit erreicht. Seine Begründung und die
Einzelheiten seiner Gestaltung werden zur Zeit öffentlich diskutiert. Ein Nationaler
Bildungsrat könnte zeigen, dass Bund und Länder willens sind, ihre Verantwortung im
Bildungsbereich auch gemeinsam wahrzunehmen. Und Lehrerbildung ist nun wirklich ein
integraler Teil davon. Werfen wir einen kurzen Blick zurück auf die Ausbildung von
Medizinern: Die Medizinerausbildung ist über eine eigene Fakultät in weitgehender Distanz
zum
übrigen
Universitätsbetrieb
unabhängig.
Sie
unterliegt
einzigartigen
13 Haushaltsbedingungen, weil sie neben dem Landeszuschuss für Lehre und Forschung über die
medizinische Versorgung erhebliche Mittel einnimmt und neben der praxisbezogen, mit Lehre
und Forschung verbundenen Ausbildungsaufgabe den Regeln eines Wirtschaftsbetriebs folgt.
Im Unterschied zur Lehrer- und Juristenausbildung spielen in dieser Fakultät Finanzströme
machtpolitisch
eine
große
Rolle.
Die
bundeseinheitlich
gesetzlich
geregelte
Approbationsordnung sorgt für ein hohes Maß an Vergleichbarkeit der Ausbildung. Und
Reformmodelle einiger Universitäten gewährleisten, dass sich die Medizinerausbildung einer
sich verändernden Wirklichkeit in Gesellschaft und Forschung anpasst. Das öffentliche
Interesse geht immerhin so weit, dass der Bundesgesetzgeber darüber nachdenkt, den
Ärztemangel in ländlichen Regionen durch Anreizsysteme zu beheben. Man stelle sich einmal
Vergleichbares bei dem ja absehbaren, jedenfalls temporären Lehrermangel in bestimmten
Fächern zum Beispiel in Berlin vor. Durch Bundesgesetz! Und kann man denn wirklich
behaupten, dass die medizinische Versorgung auch mit ihrem Hintergrund von Leben und
Tod eine höhere Bedeutung habe als die Versorgung der Menschen mit schulischer Bildung
und ihrem zugegeben weniger spektakulären Hintergrund von gerechter Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben? Ist die Differenz hinsichtlich der Lebensqualität des einzelnen
Menschen wirklich so fundamental? Ich meine nicht. Wie müsste also ein Nationaler
Bildungsrat aussehen, wenn er seinen Verantwortungsbereich ausfüllen will?
Zunächst einmal müsste er die Analogie zum Wissenschaftsrat streng einhalten, weil er sonst
wohl das Schicksal des gescheiterten Bildungsrats von 1965 erleiden würde. Grundsätzlich
heißt das:
- Der Bildungsrat wird dem Bundespräsidialamt zugeordnet;
- die Mitglieder werden vom Bundespräsidenten berufen;
- es wird eine Wissenschaftliche und eine Verwaltungskommission gebildet;
- die Mitglieder der Wissenschaftlichen Kommission sind Personen aus Wissenschaft und
aus öffentlichem Leben. Sie werden durch ein über Institutionen objektiviertes Verfahren
gewonnen, zum Beispiel durch Vorschläge der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen
Forschungsgemeinschaft, von Bund und Ländern;
- die Mitglieder der Verwaltungskommission bestehen aus Vertretern von Bund und Ländern
auf Ministerebene, Bund und Länder haben das gleiche Stimmengewicht;
- die Empfehlungen bedürfen der Mehrheit der Vollversammlung.
14 An der Konstruktion ist unmittelbar ablesbar, dass der Bildungsrat konsensuell angelegt ist.
Vertreter von Wissenschaft und öffentlichem Leben sowie die politisch Verantwortlichen in
Bund und Ländern müssen zu einem Konsens finden, wenn Empfehlungen abgegeben werden
sollen. Zugleich sind alle die politischen Akteure beteiligt, in deren Händen die
Verantwortung für eine erfolgreiche Umsetzung der Empfehlungen liegt. Politisch wäre es
schwierig, sich der Umsetzung von Empfehlungen zu entziehen, die in eigener Mitwirkung zu
Stande gekommen sind. Da es sich „nur“ um Empfehlungen handeln kann, jedoch solche, die
mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit versehen sind, bliebe die verfassungsgemäße
Zuständigkeit von Bund und Ländern unberührt. Die politischen und juristischen Widerstände
gegenüber einem Nationalen Bildungsrat werden groß sein, groß sind aber auch die Probleme
der Lehrerbildung in Deutschland. Groß und auch weitgehend unbeantwortet sind viele
weitere
gesamtstaatlich
relevante
Fragen
des
Bildungsbereichs:
Wie
kann
eine
Aufgabenteilung zwischen Ländern, Bund und Kommunen aussehen, wenn die Kommunen in
regionalen Bildungspartnerschaften wie auch als Schulträger hinsichtlich der Schulart künftig
weitergehende Aufgaben übernehmen sollen?
Wie muss die Finanzausstattung von Bund, Ländern und Kommunen aussehen, wenn sie ihre
Aufgaben im Bildungsbereich tatsächlich sollen wahrnehmen können? Wie kann eine
angemessene, nach bundesweit geltenden Maßstäben vorgenommene Qualitätskontrolle von
Bildungseinrichtungen aussehen? Der Erfolg eines Bildungsrats hängt davon ab, ob es
hinreichend konsensfähige Felder gibt, und ob sich hinreichend Personen von Rang aus
Wissenschaft und öffentlichem Leben finden, die mit Fachwissen und Lebenserfahrung, mit
Augenmaß für das jeweils Umsetzbare und mit gesundem Menschenverstand bereit sind, sich
unabhängig und intensiv den Bildungsfragen in Deutschland zu widmen.
Lehrerbildung! Mit ihr in einem klaren Verfahren endlich zu Rande zu kommen und aus
einem schier hoffnungslos „weiten Feld“ oder einem „wilden Meer“ eine überschaubare und
politisch verantwortbare Größe zu machen, das rettende Ufer wenigstens einmal zu sehen, das
wäre für einen Bildungsrat eine erste lohnende Aufgabe.