Familie und Familienleben Deskription der Daten der ersten Welle

DJI Kinderpanel
Markus Teubner
Familie und Familienleben
Deskription der Daten der ersten Welle
Deutsche Jugendinstitut e.V.
Nockherstr. 2
81541 München
Telefon: +49(0)89 62306-0
Fax: +49(0)89 62306-162
www.dji.de
1
Inhaltsverzeichnis
Seite
Kurzinfo zur Studie
2
1
In welchen Familien leben die Kinder des DJI-Kinderpanels?
3
1.1
Partnerschaftsform
4
1.2
Familienform
8
2
Freizeitaktivitäten der Kinder
10
2.1
Wie aktiv sind Kinder?
12
2.2
Häusliche und außerhäusliche Aktivitäten
14
3
Konflikte aus Mütter-, Kinder- und Vätersicht
17
3.1
Konfliktursachen aus Mütter-, Kinder- und Vätersicht
19
3.2
Eltern-Kind-Konflikte bei Vorschul- und Grundschulkindern
22
aus Sicht der Eltern
3.3
Ursachen für Eltern-Kind-Konflikte bei Vorschul- und Grundschulkindern
23
aus Sicht von Müttern und Vätern
4
Familienklima: Wie wohl fühlen sich Eltern und
Kinder in ihren Familien?
26
4.1
Familienklima aus Sicht der Mütter
27
4.2
Familienklima aus Sicht der Väter
28
4.3
Familienklima aus Sicht der Kinder
29
5
Familien mit und ohne Migrationshintergrund
30
5.1
Familienformen deutscher und ausländischer Kinder
32
5.2
Freizeitaktivitäten deutscher und ausländischer Kinder
34
5.3
Konflikte in Familien mit und ohne Migrationshintergrund
35
5.4
Das Familienklima in deutschen und ausländischen Familien
38
6
Fazit
39
Literaturverzeichnis
41
2
Kurzinfo zur Studie
Das DJI-Kinderpanel ist eine auf drei Jahre angelegte quantitative Längsschnittuntersuchung, die vom
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert und vom Deutschen Jugendinstitut durchgeführt wird. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie wachsen Kinder heute auf? Was fördert
Kinder in ihrer psychosozialen Entwicklung bzw. welche Risikofaktoren sind für die Kompetenzentwicklung von Kindern von Bedeutung?
Von zentralem Forschungsinteresse sind dabei die Lebensbereiche Familie, Gleichaltrigengruppe der
Kinder (Peers) und Institutionen wie Kindergarten, Schule oder Hort. Sie werden als wichtige
Sozialisationsinstanzen angesehen. Dabei versucht das Design des Kinderpanel zwei Blickwinkel
miteinander zu verknüpfen: Die Informationen des Kinderpanels sollen einerseits als Beitrag zu einer
Sozialberichterstattung über Kinder genutzt werden. Andererseits sollen Einflüsse unterschiedlicher
Lebenslagen auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern nachgezeichnet werden. Die Entwicklungsprozesse werden im Zusammenhang mit den Übergängen vom Kindergarten in die Grundschule
sowie von der Grundschule in die Sekundarstufe I untersucht.
Zu diesem Zweck wurden im Herbst 2002 insgesamt 2190 Mütter befragt, etwa die Hälfte davon mit
Kindern zwischen 5 und 6 Jahren und die andere Hälfte mit Kindern der Altersgruppe 8 bis 9 Jahren.
Die älteren Kinder sind ebenfalls interviewt worden. Die Teilnahme der Väter war bei beiden Kohorten
optional, so dass die Perspektive der Mutter auf ihre Familie nicht in jedem Fall durch die des Vaters
komplettiert ist. Festzuhalten ist, dass die erste Welle des DJI-Kinderpanels auf zwei bundesweit
repräsentativen Kohortenstichproben basiert, nämlich für Kinder im letzten Kindergartenjahr (5- bis 6Jährige) und für Kinder, die die dritte Grundschulklasse besuchen (8- bis 9-Jährige)1.
Tabelle 1: Stichprobe DJI-Kinderpanel erste Welle: Anzahl interviewter Mütter, Kinder und
Väter
Mütter
Kinder
Väter
1148*
--
678
(8- bis 9-Jährige)
1042**
1042
658
Gesamt
2190
1042
1136
Erste Kohorte
(5- bis 6-Jährige)
Zweite Kohorte
* inklusive 8 allein erziehender Väter ** inklusive 11 allein erziehender Väter
Quelle DJI, 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Ziel dieses Papiers ist es, einen schnellen, aktuellen und informativen Überblick über die Daten der
ersten Welle des DJI-Kinderpanels im Bereich Familie zu geben. Für Kinder im Alter zwischen 5 und 9
Jahren ist die Familie (neben Kindergarten und Schule) zweifellos der wichtigste Sozialisationsraum.
Mit den jetzt vorliegenden Daten können zwar noch keine Aussagen über die Bedeutsamkeit familialer
1
Eine ausführliche Stichprobenbeschreibung findet sich im Papier von Alt/Quellenberg (Methoden Daten und
Design)
3
Strukturen auf die psychosoziale Entwicklung von Kindern getroffen werden. Hierfür benötigt man
längsschnittliche Daten, wie sie die zweite und dritte Welle des Kinderpanels in den nächsten beiden
Jahren liefern werden. Ziel dieses Papiers ist es, verschiedene Aspekte von Familie detailliert zu
beschreiben - wie bspw. Partnerschaftsformen, das innerfamiliale Klima, die Freizeitaktivitäten von
Kindern etc. -, um damit Klarheit über die Ausgangsbedingungen für die Entwicklung der Kinder zu
gewinnen.
Weitere Überblicksartikel liegen zu folgenden Themen vor: 1. Einbettung des DJI-Kinderpanels in die
nationale und internationale Forschungslandschaft, 2. Methoden, Daten und Design, 3. Interviewer
und Befragte 4. Kinderbetreuung zwischen Institutionen und privaten Betreuungsarrangements, 5. Zur
Bedeutung der ökonomischen Situation des Haushaltes 6. Schule als Lebensbereich von Kindern, 7.
Die Welt der Gleichaltrigen, 8. Soziale Netzwerke von 8- bis 9-Jährigen 9. Die soziale Integration von
Kindern im Freundeskreis 10. Lachen, Weinen, Ärgern: Die Gefühlswelt der Kinder, 11. Gesundheit
von Kindern.
1
In welchen Familien leben die Kinder des DJI-Kinderpanels?
Spätestens seit Mitte der 1980er Jahre wird in Deutschland eine intensive Diskussion über den
Wandel der Familie geführt. Angesichts der fortschreitenden gesellschaftlichen Modernisierung wurde
immer stärker die These von der Pluralisierung
bzw. Diversifizierung familialer Lebensformen
vertreten (Beck 1986; Kaufmann 1990, Marbach 2003). Manche sahen wegen sinkender Geburtenzahlen und einer Zunahme der Ehescheidungen bereits das Ende der Familie gekommen. Tatsache
ist, dass der gesellschaftliche Wandel die Lebenswelt von Kindern innerhalb und außerhalb der
Familie verändert hat. Deutlich wird dies bspw. an der steigenden Zahl von Ehescheidungen, die in
den letzen zehn Jahren um rund 40% zugenommen hat (BMFSFJ 2003, S. 81) oder an der aktuellen
Diskussion zur Ganztagsbetreuung von Kleinkindern.
Wie sehen nun die Familien aus, in denen Kinder im Alter zwischen 5 und 9 heute aufwachsen,
welche Strukturen weisen sie auf? Ein in diesem Zusammenhang von der amtlichen Statistik häufig
verwendeter Indikator ist der Familienstand der Mutter.
4
Abb. 1: Kinder im Alter zwischen 5 und 9 Jahren nach Familienstand der Mutter in West- und
Ostdeutschland (Angaben in Prozent)
100
82
80
67
60
40
17
20
5
6
6
10
5
1
1
0
West
verheiratet
verh./getrenntlebend
Ost
ledig
geschieden
verwitwet
Fälle N = 2189, Westdeutschland N = 1857, Ostdeutschland N = 332, p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Wie Abbildung 1 zeigt, sind Familie und Ehe auch heute noch eng aneinander gebunden, wobei aber
markante Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland feststellbar sind. Zwar lebt auch in
Ostdeutschland die Mehrheit der Kinder bei verheirateten Eltern. Mit 67% sind dies aber deutlich
weniger als im Westen. Bemerkenswert ist, dass in Ostdeutschland 17% der Kinder bei ledigen
Müttern aufwachsen, während es in Westdeutschland nur 6% sind. Dagegen werden heutzutage
Kinder in West- wie Ostdeutschland (zumindest bis zum Alter von 9 Jahren) praktisch nicht mehr vom
Tod eines Elternteils betroffen. In unserer Stichprobe lebt nur 1% der Kinder bei verwitweten Müttern.
Ähnliche Differenzen wie zwischen West- und Ostdeutschland lassen sich auch zwischen städtischen
und ländliche Regionen feststellen, wobei der Zusammenhang hier weniger stark ist. In urbanen
Zentren wachsen Kinder häufiger bei ledigen oder geschiedenen Müttern auf, während in ländlichen
Regionen Familie und Ehe stärker aneinander gekoppelt.
1.1 Partnerschaftsform
Die Partnerschaftsform der Eltern, ist ein weiteres wesentliches Strukturmerkmal von Familien, das für
die Entwicklungschancen von Kindern wahrscheinlich von höhere Bedeutsamkeit ist, als der
Familienstand. Mütter und Väter, die im Alltag zusammenleben, können sich bei der Erziehung und
Betreuung ihrer Kinder gegenseitig unterstützen, sie können Verantwortung teilen etc., während allein
erziehende Eltern in stärkerem Maße auf sich verwiesen sind. Auf der anderen Seite stellen dauerhafte Konflikte zwischen den Eltern Belastungen für Kinder dar, die mitunter so stark sind, dass die
Trennung der Eltern mit Vorteilen für die Entwicklung der Kinder verbunden sein kann (Walper/
Schwarz 2002, S. 13).
5
In Anlehnung an die amtliche Statistik unterscheiden wir drei Partnerschaftsformen: Erstens
verheiratete Eltern, zweitens Eltern, die eine nichteheliche Lebensgemeinschaft (NEL) führen, die also
unverheiratet zusammenleben und drittens Alleinerziehende. Die Gruppe der allein erziehenden Eltern
setzt sich aus zwei Untergruppen zusammen, nämlich aus Personen, die keinen festen Partner haben
und solchen, die einen Partner haben, mit dem sie aber nicht oder nur am Wochenende zusammenleben.
Abb. 2: Partnerschaftsformen von Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren in Westund Ostdeutschland (Angaben in Prozent)
100
82
80
67
60
40
20
15
12
18
6
0
West
Ost
Ehe
NEL
Alleinerziehend
Fälle N = 2189, Westdeutschland N = 1857, Ostdeutschland N = 332, p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Wie schon beim Familienstand zeigen sich auch bei der Partnerschaftsform signifikante Unterschiede
zwischen West- und Ostdeutschland. Während in Westdeutschland lediglich 18% der Familien auf
einer von der Ehe abweichenden Partnerschaftsform basieren, tun dies in Ostdeutschland ein Drittel
aller Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren und damit doppelt so viele wie im Westen. Auffallend ist in Ostdeutschland der mehr als doppelt so hohe Anteil nichtehelicher Lebensgemeinschaften
und der deutlich höhere Anteil Alleinerziehender. Bei diesen Zahlen handelt es sich um eine
Momentaufnahme. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten beiden Jahren ein Teil der Eltern sich
trennen bzw. scheiden lassen wird, und dass einige allein erziehende Mütter und Väter neue Partnerschaften oder Ehen eingehen werden.
Ein wichtiger Einfluss für die Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern geht von der
wirtschaftlichen und sozialen Lage der Region aus, in der die Kinder mit ihren Familien leben.
Wirtschaftlich prosperierende Kommunen haben größere finanzielle Möglichkeiten, sie verfügen i.d.R.
über eine bessere Infrastruktur und können mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr, Kindergärten,
Spielplätze etc. aufwenden als wirtschaftlich schwache Kommunen.2
2
Um Analysen zu diesem sozial-geografischen Aspekt vornehmen zu können, wurde ein Indikator entwickelt,
der auf Kreisebene anhand der Bildungssituation (Abiturientenquote minus Schulabgängerquote ohne
Abschluss), der Arbeitslosenquote sowie der Quote von Sozialhilfeempfängern und der Finanzkraft der
Kommunen (Verhältnis der kommunalen Schulen zu den Einahmen) zwischen belasteten, durchschnittlichen
6
Verheiratete Familien, nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende verteilen sich nicht
gleichmäßig über die Regionen. Wie Abbildung 3 zeigt, lassen sich statistisch signifikante Unterschiede in Abhängigkeit von der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Region feststellen. In sozial
und wirtschaftlich starken Regionen ist der Anteil von Ehen besonders hoch, während in schwächeren
Gegenden der Anteil Alleinerziehender und nichtehelicher Lebensgemeinschaften deutlich erhöht ist.
So ist bspw. der Anteil nichtehelicher Lebensgemeinschaften in belasteten Regionen zweieinhalb mal
höher als in Gegenden mit einer sozial und wirtschaftlich privilegierten Lage.
Abb. 3: Partnerschaftsformen von Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren nach der
sozialen und wirtschaftlichen Lage der Region (Angaben in Prozent)
100
80
84
81
73
60
40
20
17
11
10
8
belastete Region
durchschnittliche
Region
4
12
0
Ehe
NEL
priviligierte Region
Alleinerziehend
Fälle N = 2101, belastete Region N = 597, durchschnittliche Region N = 802, privilegierte Region N= 684,
p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Ein ähnliches Muster zeigt sich auch im Stadt-Land-Vergleich. In urbanen Zentren ist der Anteil Alleinerziehender und nichtehelicher Lebensgemeinschaften höher als in weniger verdichteten Regionen
oder auf dem Lande. Allerdings ist dieser Zusammenhang nur in Westdeutschland signifikant.
Neben den eben beschriebenen regionalen Differenzen unterscheiden sich verheiratete Familien,
nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende auch nach der Familiengröße. Um eine
Vergleichbarkeit von Alleinerziehenden und Paarfamilien zu gewährleisten, wird als Indikator die Zahl
der im Haushalt lebenden Kinder herangezogen.
sowie sozial und wirtschaftlich privilegierten Regionen unterscheidet. Eine ausführliche Beschreibung des
Indikators findet sich im Papier von Alt/Quellenberg (Methoden, Daten und Design).
7
Abb. 4: Partnerschaftsformen von Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren nach Zahl der
im Haushalt lebenden Kinder unter 15 Jahren (Angaben in Prozent)
60
54
46
40
39
40
20
46
20
19
12
7
12
3
2
0
Ehe
ein Kind
NEL
zwei Kinder
drei Kinder
Alleinerziehend
vier und mehr Kinder
Fälle N = 2188, Ehe N = 1741, NEL N = 155, Alleinerziehend N= 292, p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Wie Abbildung 4 zeigt, haben Zwei-Eltern-Familien heutzutage i.d.R. zwei Kinder. Dies trifft in unserer
Stichprobe auf gut die Hälfte der verheirateten Paare (54%) zu und auf annähernd jede zweite
nichteheliche Lebensgemeinschaft (46%). Bei Alleinerziehenden dominieren dagegen Familien mit
einem Kind. "Nur" ein Kind hat annähernd jede zweite Einelternfamilie, aber nur gut jeder dritte
nichtehelichen Lebensgemeinschaft und von den verheirateten Familie ist es gar nur jede fünfte. Drei
und mehr Kinder haben dagegen 25% der verheirateten Paare, aber nur 15% aller nichtehelichen
Lebensgemeinschaften und Alleinerziehenden. Die unterschiedliche Familiengröße zeigt sich auch an
der durchschnittlichen Kinderzahl. Verheiratete Familien sind mit durchschnittlich 2,1 Kindern unter 15
Jahren signifikant größer als nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende, die im
Durchschnitt 1,7 Kinder haben. Interessanterweise gleichen sich in Westdeutschland nichteheliche
Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende, während in Ostdeutschland verheiratete Familien und
nichteheliche Lebensgemeinschaften durchschnittlich gleich viele Kinder haben.3
3
Dass die durchschnittliche Kinderzahl in unserer Stichprobe deutlich über der oft zitierten total fertility rate von
gegenwärtig 1,3 Kindern liegt, kann nicht überraschen. Die total fertility rate gibt die durchschnittliche Kinderzahl für alle Frauen im gebärfähigen Alter wieder, unabhängig davon ob sie Kinder haben oder nicht. Dagegen
enthält die Stichprobe des DJI-Kinderpanels nur Familien mit mindestens einem Kind.
8
1.2 Familienform
Angesichts der seit nunmehr 30 Jahren steigenden Zahl von Ehescheidungen und dem hohen Anteil
nichtehelicher Geburten - in Ostdeutschland wird mittlerweile über die Hälfte aller Kinder außerhalb
einer Ehe geboren (BMFSFJ 2003, S. 78) - wächst eine zunehmende Zahl von Kindern nicht mehr mit
beiden leiblichen Eltern auf, sondern erlebt im Verlauf der Kindheit eine Reorganisation ihrer Familienstrukturen. Sie wechselt in eine Ein-Eltern-Familie oder Stieffamilie.4
Anders als die amtliche Statistik bietet das DJI-Kinderpanel die Möglichkeit zwischen Kernfamilien (mit
ausschließlich gemeinsamen leiblichen Kindern), Stieffamilien, Pflege- und Adoptivfamilien zu
differenzieren. Die Forschungsergebnisse zu den Entwicklungsbedingungen von Kindern in unterschiedlichen Familienformen sind widersprüchlich. Während ressourcenorientierte Ansätze Vorteile
von Stieffamilien vor allem im Vergleich zu Ein-Eltern-Familien betonen (Amato 1993, S. 26 ff.) zeigen
Untersuchungen zur Schulsituation, dass Stiefkinder offenbar mit mehr Schwierigkeiten konfrontiert
sind als Kinder aus anderen Familienformen (Hartl 2002, S. 157 ff.).
Für die Auswertungen zur Familienform wurde ein Konstrukt gebildet, das unter Berücksichtigung aller
im Haushalt lebenden Kinder und der Partnerschaftsform der Eltern zwischen verheirateten bzw.
nichtehelichen Kern- und Stieffamilien sowie Alleinerziehenden differenziert.5
Von den Familien mit Kindern im Alter zwischen 5 und 9 Jahren sind 77% Kernfamilien. Bei der ganz
überwiegenden Mehrheit dieser Kernfamilien (74%) sind die Eltern verheiratet. Nur 3% führen eine
nichteheliche Lebensgemeinschaft. Ganz anders stellt sich die Situation für Stieffamilien dar. Rund
jede zehnte Familie ist eine Stieffamilie. Hier lebt mindestens ein Kind, das nicht leibliches Kind beider
Eltern bzw. Partner ist. Nur knapp über die Hälfte der Stieffamilien ist verheiratet. Bei immerhin 40%
führen die Eltern eine nichteheliche Lebensgemeinschaft.6 Bei 13% der Familien wachsen die Kinder
aktuell bei einem allein erziehenden Elternteil auf. Eine Reorganisation der Familie in Folge von
Trennung, Scheidung, neuer Partnerschaft oder Heirat haben insgesamt 23% der von uns befragten
Familien erfahren (Stieffamilien 10% und Alleinerziehende 13%) .
4
Schwarz schätzt, dass von den zwischen 1974 und 1976 geborenen Kindern im Alter von 15 bis 17 Jahren
rund 25 % nicht mehr mit beiden leiblichen Eltern zusammen leben (Schwarz 1999, S. 246)
5
Die Gruppe der Stieffamilien setzt sich zusammen aus 194 Familien mit mindestens einem Stiefkind im
Haushalt, 7 Adoptivfamilien, 10 Familien mit Pflegekindern und 3 Familien mit sonstigen Kindern.
6
Diese Ergebnisse decken sich mit Zahlen des DJI Familien-Surveys (Teubner 2002, S. 39 ff.)
9
Abb. 5: Familienformen von Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren in West- und Ostdeutschland (Angaben in Prozent)
80
76
60
60
40
20
6
3
3
12
6
7
9
18
0
West
Ost
Ehel. Kernfamilie
Ehel. Stieffamilie
Nel Stieffamilie
Alleinerziehend
Nel Kernfamilie
Fälle N = 2143, Ehel. Kernfamilie N = 1581, Ehel. Stieffamilie N = 130 Nel Kernfamilie N = 68,
Nel Stieffamilie N = 84 Alleinerziehend N= 280, p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Auch bei der Familienform zeigen sich charakteristische Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland (vgl. Abb. 5). Auffallend ist einerseits der in Ostdeutschland deutlich niedrigere Anteil
verheirateter Kernfamilien (60% vs. 76%) und andererseits der vergleichsweise hohe Anteil nichtehelicher Kern- und vor allem Stieffamilien. Während in unserer Stichprobe etwa jede fünfte westdeutsche Familie eine Reorganisation erlebt hat, trifft dies in Ostdeutschland auf rund jede dritte
Familie zu.
Analysen zur regionalen Verteilung der Familienformen stützen die bisherigen Ergebnisse (vgl. Abb.
3). Verheiratete Familien leben überproportional häufig in sozial und wirtschaftlich privilegierten
Gegenden, wobei sich Stieffamilien nicht von Kernfamilien unterscheiden. Nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende sind dagegen in belasteten Regionen überrepräsentiert, wobei
sich ebenfalls keine substantiellen Unterschiede zwischen nichtehelichen Kern- und Stieffamilien feststellen lassen.
10
Durchschnittliche Kinderzahl
Abb. 6: Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren nach der durchschnittlichen Zahl der
Kinder unter 15 Jahren im Haushalt lebend
2,5
2
2,1
2,2
1,9
1,6
1,5
1,7
1
0,5
0
Ehel. Kernfamilie
Ehel. Stieffamilie
Nel Stieffamilie
Alleinerziehend
Nel Kernfamilie
Fälle N = 2143, Ehel. Kernfamilie N = 1581, Ehel. Stieffamilie N = 130 Nel Kernfamilie N = 68,
Nel Stieffamilie N = 84, Alleinerziehend N= 280
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Auch bei der Familiengröße bestätigen sich weitgehend die bisherigen Analysen (vgl. Abb.6).
Verheiratete Kern- wie auch Stieffamilien haben mit durchschnittlich 2,1 bzw. 2,2 Kindern unter 15
Jahren die kinderreichsten Familien und unterscheiden sich nicht signifikant voneinander.
Bedeutsame Größenunterschiede zeigen sich hingegen bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften.
Hier haben Stieffamilien mit durchschnittlich 1,9 Kindern 0,3 Kinder mehr als Kernfamilien.
Nichteheliche Stieffamilien sind aber signifikant kleiner als verheiratete Stieffamilien. Bei
Alleinerziehenden leben durchschnittlich 1,7 Kinder unter 15 Jahren. Was die Kinderzahl betrifft sind
Alleinerziehende damit praktisch gleich groß wie nichteheliche Kernfamilien. In Abhängigkeit vom Alter
der Kinder zeigen sich keine Unterschiede.
2
Freizeitaktivitäten der Kinder
Im DJI-Kinderpanel werden Kinder der älteren Geburtskohorte (8- bis 9-Jährige) und Mütter als
Stellvertreter für Kinder der jüngeren Kohorte (5- bis 6-Jährige) nach Aktivitäten gefragt, die die Kinder
in ihrer Freizeit unternehmen. Zum einen geht es darum festzustellen, welche Aktivitäten Kinder heute
tatsächlich ausüben und zum anderen soll geklärt werden, mit wem Kinder welche Aktivitäten
unternehmen. Was machen Kinder i.d.R. alleine, wann ist die Familie als Spielpartner gefragt und bei
welchen Aktivitäten spielen Freunde eine wichtige Rolle? In der ersten Welle wurden insgesamt sechs
unterschiedliche Aktivitäten erfragt (Spielkonsole/PC-Spiele, Videos/Fernsehen, sportliche Aktivitäten,
Kino/Theater/Museum, Spielen von Musikinstrumenten, Ausflüge/Fahrradtouren) und geklärt, wie
häufig das Kind die jeweilige Aktivität alleine macht, wie oft sie diese mit Freunden, Geschwistern,
Vater, Mutter oder Großeltern unternimmt.
11
Welche Aktivitäten üben Kinder in ihrer Freizeit aus? Die mit Abstand am häufigsten genannte Sache
ist Fernsehen. Nahezu alle Kinder (95%) sehen in ihrer Freizeit fern oder schauen Videos. Dieser
hohe Prozentsatz lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die Art des Fernsehkonsums zu, weder wie viel
Zeit die Kinder vor dem Fernsehapparat verbringen, noch welche Sendungen gesehen werden. Auf
Platz zwei und drei folgen klassische Freizeitaktivitäten wie
Ausflüge/Fahrradtouren (83%) und
sportliche Aktivitäten wie Ballspielen, Skaten oder Schwimmen etc. (81%). Am vierthäufigsten werden
kulturelle Aktivitäten wie ins Kino gehen, Museumsbesuche etc. genannt. Dies tun immerhin 67% aller
Kinder. Mit Computerspielen (Nintendo Playstation etc.) beschäftigen sich 55%. Die mit Abstand am
seltensten genannte Aktivität ist das Musizieren. 28% der Kinder geben an, dass sie in ihrer Freizeit
ein Instrument spielen.
Abb. 7: Freizeitaktivitäten von Kindern im Alter von 5 bis 6 und 8 bis 9 Jahren (Angaben in
Prozent)
100
98
96
80
80
89
87
86
81
71
58
60
41
41
40
19
20
0
5- bis 6-Jährige
Fernsehen
Sport
Ausflüge
8- bis 9-Jährige
Kino/Museum
PC-Spiele
Musizieren
Fälle N = 2190, 8- bis 9-Jährige N = 1042, 5- bis 6-Jährige N = 1148 (Mehrfachantworten möglich)
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Wie Abbildung 7 zeigt, ist die Rangfolge der Aktivitäten bei beiden Kohorten nahezu identisch. Dinge
die von einem Großteil der Grundschulkinder (8- bis 9-Jährige) gemacht werden, tun auch viele der
Vorschulkinder (5- bis 6-Jährige) und umgekehrt: Aktivitäten, die nur wenige der älteren Kinder
ausüben, werden auch nur von wenigen der jungen Kinder gemacht. Lediglich zwischen Sport und
Ausflügen zeigt sich eine Diskrepanz in der Rangfolge. Während Grundschulkinder Sport am zweit
häufigsten nennen, gefolgt von Ausflügen, ist es bei den Vorschulkindern umgekehrt. Die 5- bis 6Jährigen machen eher Ausflüge, als dass sie Sport treiben.
Signifikante Alterseffekte zeigen sich bei den drei am seltensten ausgeübten Aktivitäten. Die 8- bis 9jährigen Kinder gehen eher ins Kino bzw. Museum, machen eher PC-Spiele als Kinder im Vorschulalter. Auch kann kaum überraschen, dass der Anteil derer, die ein Musikinstrument spielen unter den
älteren Kindern deutlich höher ist, als unter den 5- bis 6-Jährigen.
12
Auch in Hinblick auf regionale Aspekte (West/Ost-Vergleich, wirtschaftliche und soziale Lage der
Region) unterscheiden sich Kinder kaum in ihren Aktivitäten. Signifikante Differenzen zeigen sich
lediglich bei sportlichen und kulturellen Aktivitäten. In Westdeutschland treiben mehr Kinder Sport
(82% vs. 74%), während in Ostdeutschland der Anteil von Kindern, die ins Kino oder Museum gehen,
höher ist (77% vs. 65%). Dieses Muster zeigt sich bei Kindern beider Kohorten.
2.1 Wie aktiv sind Kinder?
Im Kinderpanel fehlen objektive Informationen darüber, wie oft bzw. wie lange Kinder bestimmte
Aktivitäten ausüben. Man weiß zwar ob jemand bspw. Fußball spielt, nicht aber, ob er dies einmal
oder mehrmals die Woche für eine halbe oder drei Stunden tut. Als Indikator dient deshalb die Anzahl
der ausgeübten Aktivitäten.
Die ganz überwiegende Mehrheit der befragten Kinder ist in ihrer Freizeit auf mehreren Gebieten
aktiv. Lediglich 2% üben keine der sechs zur Wahl stehenden Aktivitäten aus. Die meisten Kinder
(45%) machen drei oder vier Aktivitäten, und 42% geben an, mindestens fünf Aktivitäten auszuüben.
Im Durchschnitt werden von den Kindern vier Aktivitäten genannt.
Statistisch signifikante Unterschiede zeigen sich zwischen Vorschul- und Grundschulkindern (vgl. Abb.
8). Kinder der älteren Kohorte sind insgesamt betrachtet aktiver als die jüngeren Kinder. Von den 8bis 9-Jährigen geben 4% an, weniger als drei Aktivitäten zu betreiben, während dies auf 17% der
Vorschulkinder zutrifft. Auf der anderen Seite gehen 60% der Grundschulkinder mehr als vier
Aktivitäten nach, während es von den jüngeren 27% sind. Dass Kinder im Grundschulalter durchschnittlich eine Aktivität mehr nennen als die 5- bis 6-Jährigen kann, angesichts ihres größeren
Aktionsradius und dem höheren Maß an Autonomie kaum überraschen.
13
Abb. 8: Anzahl der Freizeitaktivitäten von Kindern zwischen 5 bis 6 und 8 bis 9 Jahren
(Angaben in Prozent)
80
60
56
60
36
40
27
20
13
4
4
0,2
0
5- bis 6-Jährige
keine Aktivität
8- bis 9-Jährige
1-2 Aktivitäten
3-4 Aktivitäten
mehr als 4 Aktivitäten
Fälle N = 2190, 5- bis 6-Jährige N = 1148, 8- bis 9-Jährige N = 1042, p < .001, Phi = .36
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Unterschiede bei der Anzahl der Freizeitaktivitäten zeigen sich auch zwischen Kindern aus
verschiedenen sozialen Schichten. Mit dem sozioökonomischen Status der Familie steigt die Zahl der
Freizeitaktivitäten des Kindes. Wie Abbildung 9 zeigt, gibt jedes sechste Kind (16%) aus niedrigen
Schichten an, weniger als drei Aktivitäten in seiner Freizeit auszuüben. Von den Kindern aus mittleren
und höheren Schichten tut dies knapp jedes zehnte Kind (9%). Dagegen nennen mehr als vier
Freizeitaktivitäten 48% der Kinder aus höheren Schichten, 44% der Kinder aus mittleren Schichten
aber nur 34% der Kinder aus Familien der unteren sozialen Schichten.
Abb. 9: Anzahl der Freizeitaktivitäten von Kindern zwischen 5 und 9 Jahren in Abhängigkeit
des sozialen Status der Familie (Angaben in Prozent)
60
50
40
47
48
44
43
34
20
15
7
6
1
2
3
niedrige Schicht
mittlere Schicht
höhere Schicht
0
keine Aktivitäten
1-2 Aktivitäten
3-4 Aktivitäten
mehr als 4 Aktivitäten
Fälle N = 2190, niedrige Schicht N = 727, mittlere Schicht N = 692, höhere Schicht N = 771, p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
14
Keinen Einfluss auf die Anzahl der Freizeitaktivitäten hat das Geschlecht. Im Durchschnitt üben
Mädchen wie Jungen vier Aktivitäten aus. Auch für Kinder aus wirtschaftlich starken bzw. schwachen
Regionen zeigen sich keine Differenzen bezüglich der Freizeitaktivitäten. Gleiches gilt für die
Familienform. Was die Anzahl der Aktivitäten betrifft, unterscheiden sich weder Kinder aus
Kernfamilien, Stieffamilien und von Alleinerziehenden noch lassen sich Unterschiede zwischen
Kindern aus Ehen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften feststellen.
2.2 Häusliche und außerhäusliche Aktivitäten
Die insgesamt sechs zur Auswahl stehenden Aktivitäten lassen sich faktorenanalytisch zu drei
Dimensionen verdichten. 1. Aktivitäten im Haus (Fernsehen, PC-Spiele, Musizieren), 2. Aktivitäten
außer Haus (Sport, Ausflüge), 3. kulturelle Aktivitäten (Kino, Museum, Theater). Da kulturelle
Aktivitäten nur bei den Schulkindern einen eigenen Faktor bilden, wird an dieser Stelle auf weiterführende Analysen zu kulturellen Aktivitäten verzichtet. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird
nachfolgend der Fernsehkonsum von Kindern - als typische häusliche Aktivität - und Sport - als
typische außerhäusliche Aktivität - näher beschrieben.
Geht man der Frage nach, mit wem Kinder Dinge zu Hause machen und mit welchen Personen
Kinder oft im Freien spielen, so zeigen sich charakteristische Unterschiede zwischen häuslichen und
außerhäuslichen Aktivitäten.
Abb. 10: Personen, mit denen Kinder zwischen 5 und 9 Jahren oft Fernsehen bzw. oft Sport
treiben (Angaben in Prozent)
80
60
60
40
40
31
27
37
25
22
20
7
0
Fernsehen
alleine
Sport treiben
Freunde
Großeltern
Familie
Fernsehen N = 2190, Sport treiben N = 2190, Mehrfachnennungen möglich
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
In erster Linie sehen Kinder im Kreis der Familie fern. 60% geben an, dass sie oft zusammen mit
Mutter, Vater oder Geschwistern fernsehen. Fast jedes dritte Kind sieht häufig alleine fern und 27%
sitzen oft mit Freunden vor dem Fernseher. Dagegen spielen Großeltern beim Fernsehen eine
15
untergeordnete Rolle. Nur 7% der Kinder sehen häufig zusammen mit ihrem Großvater oder ihrer
Großmutter fern.
Ein völlig anderes Muster bzgl. der Interaktionspartner zeigt sich für außerhäusliche Aktivitäten wie
Ballspiele, Skaten oder Schwimmen. Hier haben Kinder keinen so vorrangigen Interaktionspartner,
wie es die Familie im Fall des Fernsehens ist. Kinder treiben vor allem mit Freunden Sport (40%)
gefolgt von der Familie (37%). Jedes vierte Kind gibt an, dass es oft zusammen mit den Großeltern
Sport treibt und gut jedes fünfte Kind ist (auch) alleine oft sportlich aktiv. Vergleicht man die Aktivitäten
"Sport" und "Fernsehen" so fällt auf, dass im Fall des Fernsehens vor allem Mitglieder des eigenen
Haushalts als häufige Mitseher genannt werden (das Kind selbst bzw. Eltern oder Geschwister),
während im Fall sportlicher Aktivitäten häufiger Personen außerhalb des eigenen Haushalts als
wichtige Interaktions- bzw. Spielpartner genannt werden.
Statistisch signifikante Unterschiede lassen sich zwischen jüngerer und älterer Kinderkohorte
feststellen. Dies trifft sowohl auf das Fernsehen als auch auf sportliche Aktivitäten zu.
Abb. 11: Personen, mit denen Kinder oft fernsehen nach Alterskohorten der Kinder
(Angaben in Prozent)
80
64
55
60
36
40
38
24
16
20
9
5
0
5- bis 6-Jährige
alleine
8- bis 9-Jährige
Freunde
Großeltern
Familie
5- bis 6-Jährige N = 1148, 8- bis 9-Jährige N = 1042, p < .001
Mehrfachnennungen möglich
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Sowohl für Kinder im Grundschulalter wie auch für Vorschulkinder sind Mutter, Vater und Geschwister
die am häufigsten genannte Personengruppe, wenn es darum geht, mit wem oft ferngesehen wird.
Allerdings ist der Anteil der Kinder, der oft mit der Familie vor dem Fernsehapparat sitzt, unter den 8bis 9-Jährigen höher als unter den Vorschulkindern (64% vs. 55%). Gleiches gilt für Kinder, die oft
alleine fernsehen. 38% der Schulkinder geben an, oft alleine fernzusehen, während es von den 5- bis
6-Jährigen 25% sind. Dass ältere Kinder eher alleine fernsehen, war zu erwarten. Dass selbst nach
Auskunft der Mutter jedes vierte Kind im Vorschulalter oft alleine vor dem Fernsehapparat sitzt
überrascht. Die zweite und dritte Welle werden zeigen, welche Auswirkungen diese Art des Fernseh-
16
konsums für die Entwicklung von Kindern hat. Interessant ist, das Vorschulkinder häufiger mit
Freunden fernsehen als Kinder im Grundschulalter. Von den 5- bis 6-Jährigen geben 36% an, dass
sie oft mit Freunden fernsehen, während es von den 8- bis 9-Jährigen nur 16% sind.
Neben dem Alter der Kinder wird das Fernsehverhalten auch von der Anzahl der Geschwister
beeinflusst. Im Vergleich zu Kindern, die mit Geschwistern aufwachsen, sehen Einzelkinder häufiger
alleine fern, aber auch mit Freunden. Dagegen ist der Anteil von Kindern, der oft im Kreis der Familie
fernsieht, unter Geschwisterkindern höher als unter Einzelkindern. Statistisch signifikante Zusammenhänge zeigen sich auch in Verbindung mit dem sozioökonomischen Status der Familie. Der Anteil von
Kindern, der oft alleine bzw. mit Freunden vor dem Fernsehapparat sitzt, ist in niedrigen sozialen
Schichten nahezu doppelt so hoch wie in höheren Schichten. Dagegen hat der sozioökonomische
Status keinen Einfluss, was das Fernsehen zusammen mit der Familie und den Großeltern betrifft.
Darüber hinaus zeigen sich weder regionale Unterschiede noch hat die Erwerbstätigkeit der Mutter
einen Einfluss auf das Fernsehverhalten der Kinder. Auch Jungen und Mädchen unterscheiden sich
nicht wesentlich bzgl. der Personen mit denen sie oft zusammen fernsehen. Allerdings zeigen unsere
Daten, dass Kinder Alleinerziehender tendenziell seltener im Kreis der Familie fernsehen als Kinder,
die mit beiden Elternteilen zusammenleben.
Abb. 12: Personen, mit denen Kinder oft Sport treiben nach Alterskohorten der Kinder
(Angaben in Prozent)
80
59
60
46
40
40
33
23
23
20
20
2
0
5- bis 6-Jährige
alleine
8- bis 9-Jährige
Freunde
Großeltern
Familie
Alle Kinder N = 2190, 5- bis 6-Jährige 8- bis 9-Jährige N = 1042, N = 1148, p < .001
Mehrfachnennungen möglich
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Über die Hälfte der Grundschüler machen oft Sport mit ihren Freunden (59%). Von den Kindern im
Vorschulalter sind es dagegen nur knapp ein Viertel (23%). Ganz anders sieht die Verteilung aus,
wenn man die Großeltern betrachtet. Wenn es darum geht, sportliche Aktivitäten zu unternehmen sind
Großeltern für die 5- bis 6- Jährigen sehr wichtig (46%), während sie von der älteren Kohorte fast nicht
als häufige Interaktionspartner genannt werden (2%). Dieses sehr disparate Aktionsmuster ist vor
allem auf ein unterschiedliches Maß an Autonomie zurückzuführen. Während Grundschüler eher mit
17
Freunden losziehen dürfen, um Fußball etc. zu spielen, stehen Vorschulkinder stärker unter Aufsicht
der Eltern, Geschwister oder eben Großeltern.
Abgesehen von den Alterskohorten zeigen sich auch zwischen Kindern in West- und Ostdeutschland
Unterschiede. Der Anteil von Kindern, der oft alleine bzw. mit den Großeltern oder der Familie
sportliche Aktivitäten unternimmt, ist in Westdeutschland höher als im Osten. Darüber hinaus werden
außerhäusliche Aktivitäten vom sozialen Status der Familie beeinflusst. Kinder aus statushöheren
Familien nennen häufiger Freunde und Familienmitglieder als Spielpartner. Ansonsten lassen sich
bzgl. des sozioökonomischen Status keine signifikanten Unterschiede feststellen. Dagegen unternehmen Geschwisterkinder sportliche Aktivitäten wie Rad fahren, Ball spielen etc. häufiger mit der
Familie als dies Einzelkinder tun. Wie bereits beim Fernsehen zeigt sich auch beim Sport, dass der
Anteil von Kindern, der oft mit den Eltern sportliche Dinge unternimmt unter den Kindern
Alleinerziehender tendenziell geringer ist als bei Paarfamilien. Ob es sich dabei tatsächlich um einen
eigenständigen Effekt der Partnerschaftsform handelt, oder ob die gefundenen Differenzen auf die
unterschiedliche Familiengröße d.h. primär auf die Zahl der Geschwister zurückzuführen ist, muss in
weiteren Analysen geklärt werden.
3
Konflikt aus Mutter-, Vater und Kindersicht
Im Fragebogen des DJI-Kinderpanel gibt es ein Modul, mit dem Mütter und Väter zu Konflikten mit
ihrem Kind gefragt werden. Die Fragen zielen nicht auf gravierende Konflikte oder häusliche Gewalt
ab, sondern es werden kleine Streitereien erfasst, wie sie täglich zwischen Eltern und Kindern
vorkommen können. Es werden Informationen darüber erhoben, wann es den letzten Konflikt gab,
sowie zu Konfliktursachen und Strategien der Konfliktlösung. Das gleiche Modul kommt im Kinderfragebogen zum Einsatz, wobei die 8- bis 9-Jährigen speziell zu Konflikten mit der Mutter gefragt
werden. Damit bietet der Datensatz für Familien mit
Kindern im Grundschulalter die einmalige
Möglichkeit, Eltern-Kind-Konflikte aus drei Perspektiven zu beschreiben, nämlich aus Müttersicht,
Vätersicht und Kindersicht.
Wie Abbildung 13 zeigt, kommen kleinere, alltägliche Konflikte in fast allen Familien vor. Mütter, Väter
und Kinder antworten auf die Frage nach Konflikten sehr ähnlich. Etwas mehr als 90% der Mütter und
Väter können sich an Konflikte mit ihren 8- bis 9-jährigen Kindern erinnern, während die Kinder etwas
seltener von Konflikten mit der Mutter berichten (86%).
18
Abb. 13: Konflikte zwischen Kindern im Alter von 8 bis 9 Jahren und ihren Eltern aus MutterVater- und Kinderperspektive (Angaben in Prozent)
100
93
92
86
80
60
40
20
14
7
8
0
Mutter
Vater
ja
Kind
nein
Mütter N = 1013, Väter N = 638, 8- bis 9-jährige Kinder N = 1025
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Worauf diese marginalen Unterschiede zurückzuführen sind, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar.
Denkbar wäre, dass Kinder eine höhere Konflikttoleranz haben und deshalb nicht jede kleine
Streiterei, die Eltern als Konflikt betrachten, bereits als solchen wahrnehmen. Ein anderer
Erklärungsansatz wäre, dass Kinder gegenüber fremden Interviewern zurückhaltender sind, oder dass
die Anwesenheit der Mutter dazu führt, dass Kinder Konflikte eher einmal unerwähnt lassen. Die
Tendenz der Kinder, Konflikte eher zu harmonisieren, zeigt sich an mehreren Stellen.
Weitere Analysen zeigen kaum signifikante Zusammenhänge mit anderen Variablen. Lediglich beim
sozioökonomischen Status der Familie zeigt sich ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang (vgl.
Abb. 14). Mütter und Väter aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status berichten etwas
häufiger von Konflikten mit ihren Kindern als Eltern aus statusniedrigen Familien. Bei den 8- bis 9jährigen Kindern sind die Unterschiede nicht signifikant.
19
Abb. 14: Konflikte zwischen Kindern im Alter von 8 bis 9 Jahren und ihren Eltern aus MutterVater- und Kinderperspektive in Abhängigkeit des sozialen Status der Familie
(Angaben in Prozent)
100
95
94
96
88
93
84
84
85
88
80
60
40
20
0
Mutter
niedrige Schicht
Vater
mittlere Schicht
Kind
höhere Schicht
Mütter N = 1013, p < .001; Väter N = 638, p < .001; 8- bis 9-jährige Kinder N = 1025 , p = n.s.
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Geringe Unterschiede zeigen sich auch in Abhängigkeit von der Kinderzahl und der Erwerbstätigkeit
der Frau. In Familien mit zwei und drei Kindern gibt es aus Sicht aller Familienmitglieder eher
Alltagskonflikte als in Einkindfamilien und Familien mit vier und mehr Kindern. Auch ist der Anteil von
Müttern und Vätern, die über Alltagskonflikte mit ihren Kindern berichten, höher, wenn die Mutter
erwerbstätig ist. Allerdings sind die gefundenen Unterschiede gering. Keinen Einfluss auf das
Vorhandensein von Alltagskonflikten zwischen Kindern und Eltern hat die außerhäusliche Betreuung
von Kindern. Mütter, Väter und Kinder berichten ähnlich häufig über Konflikte unabhängig davon, ob
die Kinder eine Ganztagesschule/Hort besuchen, in die Nachmittagsbetreuung gehen oder keine
außerhäusliche Betreuung in Anspruch nehmen.
3.1 Konfliktursachen aus Mütter-, Väter- und Kindersicht
Als Ursachen für Konflikte zwischen Eltern und Kindern wurden den Befragten sechs
Antwortmöglichkeiten gegeben, mit denen das Spektrum alltäglicher Konflikte und Streitereien
abgedeckt werden sollte. Anzumerken ist, dass Mütter, Väter und Kinder sich mit ihren Antworten auf
unterschiedliche Konflikte beziehen können. Da Kinder explizit nach Konflikten mit der Mutter gefragt
wurden, ist zwischen Mütter- und Kinderantworten eine höhere Ähnlichkeit zu erwarten, als zwischen
Väter- und Kinderantworten.
Betrachtet man die Häufigkeit der einzelnen Konfliktursachen (vgl. Abb. 15), dann fällt auf, dass das
Aufräumen des Kinderzimmers aus Sicht aller Beteiligten die Hauptursache für Alltagskonflikte
zwischen Eltern und Kindern ist, während Streitereien darüber, was das Kind anziehen darf/soll, am
seltensten als Grund genannt werden.
20
Abb. 15: Ursachen für Eltern-Kind-Konflikte aus Sicht von Müttern, Vätern und 8- bis 9jährigen Kindern (Angaben in Prozent)
80
61
60
40
53
49
33 27
35
25
20
43
30
30
18
29 28 27
20
17
12
9
0
Mutter
Vater
Kind
Aufräumen Zimmer
Hausaufgaben
Sonstiges
zu Bett gehen
Helfen im Haushalt
Kleidung
Mütter N = 972, Väter N = 586, 8- bis 9-jährige Kinder N = 879
Mehrfachantworten möglich
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Zum anderen sieht man, dass Mütter und Kinder, was die Häufigkeit aller sechs Konfliktursachen
betrifft, weitestgehend übereinstimmen. Auch die Konflikte, die Väter mit Kindern haben, unterscheiden sich nicht gravierend von Mutter-Kind-Konflikten. Mit zwei Ausnahmen: Väter berichten
deutlich häufiger über Streitereien, die sich darum drehen, dass das Kinderzimmer aufzuräumen ist
und wann das Kind zu Bett gehen soll. Dieses Ergebnis ist insofern plausibel, da beide Konflikte vor
allem abends auftreten dürften, zu einer Zeit, wenn die Väter i.d.R. zu Hause sind. Ein direkter
Vergleich zwischen Kinder- und Väterantworten ist aus den bereits genannten Gründen nicht möglich.
Zwischen der Hauptursache für Konflikte - nämlich das Aufräumen des Zimmers - und anderen
Variablen zeigen sich kaum Zusammenhänge. Lediglich für die 8- bis 9-jährigen Kinder lässt sich
zeigen, dass in Familien mit niedrigem Status das unaufgeräumte Kinderzimmer häufiger eine
Ursache für Konflikte ist, als in Status höheren Familien. Darüber hinaus streiten ostdeutsche Mütter
und Väter häufiger mit ihren Kindern über das unaufgeräumte Kinderzimmer als Eltern
Westdeutschland (Mütter 58% vs. 47%, Väter 69% vs. 47%). Dieser Ost/West-Unterschied zeigt sich
bei den Kindern jedoch nicht.
Auch für die zweithäufigste Ursache für Eltern-Kind-Konflikte ("Hausaufgaben", "Lernen für die
Schule") lässt sich zeigen, dass diese Art von Konflikte in Familien aus höheren Schichten seltener
vorkommen als in Familien mit niedrigem sozialen Status. Allerdings lässt er sich dieser Zusammenhang nur für Mütter und Väter mit der nötigen Sicherheit feststellen.
21
Abb. 16: Konfliktursache "Hausaufgaben" nach Erwerbstätigkeit der Mutter aus Sicht von
Müttern, Vätern und 8- bis 9-jährigen Kindern (Angaben in Prozent)
60
46
38
40
39
37
33
32
24
24
24
20
0
Mutter
Vater
vollzeit
teilzeit
Kind
nicht erwerbstätig
Mütter N = 898, p <.01; Väter N = 494, n.s.; 8- bis 9-jährige Kinder N = 833, p < .01
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Wie Abbildung 16 zeigt, werden Hausaufgaben und das Lernen für die Schule vor allem dann als
Ursache für Eltern-Kind-Konflikte genannt, wenn die Mutter nicht erwerbstätig ist. Da nicht erwerbstätige Mütter i.d.R. mehr zu Hause sind und sich folglich intensiver um die Hausaufgaben ihrer Kinder
kümmern können, kann es nicht überraschen, dass Schularbeiten in diesen Familien häufiger Ursache
von Konflikten sind.
Abb. 17: Konfliktursache "Hausaufgaben" nach Nutzung institutioneller Betreuungsangebote
aus Sicht von Müttern, Vätern und 8- bis 9-jährigen Kindern (Angaben in Prozent)
60
40
33
44
41
36
33
28
27
31
29
20
0
Mutter
Ganztagsschule/Hort
Vater
Kind
Nachmittagsbetreuung
keine institutionelle Kinderbetreuung
Mütter: Ganztagesschule/Hort N=186, Nachmittagsbetreuung N=67, keine institutionelle Betreuung N=634, n.s.
Väter: Ganztagesschule Hort N=93 Nachmittagsbetreuung N=36, keine institutionelle Betreuung N=365, n.s.
Kinder: Ganztagesschule Hort N=187, Nachmittagsbetreuung N=65, keine institutionelle Betreuung N=579, n.s.
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
22
Unsere Daten zeigen auch, dass eine Ganztagsbetreuung von Kindern im Grundschulalter nicht
zwangsläufig dazu führt, dass die Familien von Schulbelangen - zumindest was Hausaufgaben und
das Lernen für die Schule betrifft - wesentlich entlastet werden (vg. Abb. 17). Mütter und Väter deren
Kinder in eine Ganztagsschule oder einen Hort gehen berichten genauso häufig über Konflikte mit
ihren Kindern wegen der Hausaufgaben etc. wie Eltern deren Kinder keine Mittagsbetreuung in
Anspruch nehmen. Die Kinder selbst, teilen diese Sichtweise. Die zwischen den Betreuungsformen
leicht variierenden Prozentsätze stellen keine signifikanten Unterschiede dar.
3.2
Eltern-Kind-Konflikte bei Vorschul- und Grundschulkindern aus Sicht von Müttern und
Vätern
Im Mittelpunkt dieses Abschnitts steht der Vergleich zwischen den Kohorten der 5- bis 6-jährigen Vorschulkinder und der 8- bis 9-jährigen Grundschulkinder. Berichten Eltern der jüngeren Kinder ähnlich
häufig über Alltagskonflikte wie Mütter und Väter der älteren Kinder?
Wie Abbildung 18 zeigt, hat das Alter der Kinder keinen Einfluss darauf, ob die Eltern Alltagskonflikte
mit ihren Kindern nennen oder nicht. Nahezu aller Mütter von Kindergartenkindern wie von Grundschulkindern können sich an kleinere Streitereien erinnern. Gleiches gilt für die Väter. Nur rund 7%
der Mütter und Väter sagen, dass es zwischen ihnen und ihren Kindern keine Alltagskonflikte gibt.
Abb. 18: Konflikte zwischen Eltern und Kindern nach Alter der Kinder und Geschlecht der
Eltern (Angaben in Prozent)
100
94
93
93
92
80
60
40
20
6
7
7
8
0
Mutter ja
Mutter nein
5-6 Jährige
Vater ja
Vater nein
8-9 Jährige
Mütter 5- bis 6-Jährige N = 1112, Mütter 8- bis 9-Jährige N = 1013,
Väter 5- bis 6-Jährige N = 639, Väter 8- bis 9-Jährige N = 638
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Auch unter Kontrolle von Drittvariablen zeigen sich keine signifikanten Unterschiede für Vorschul- und
Grundschulkinder. Der Anteil der Mütter von Vorschulkindern, die über Alltagskonflikte mit ihren
Kindern berichten, entspricht dem der Mütter von Grundschulkindern und zwar unabhängig von der
23
Familienform, dem Erwerbsstatus der Mutter oder regionalen Faktoren. Gleiches gilt für die Väter. Die
einzige Ausnahme ist der sozioökonomische Status der Familie. Erneut lässt sich zeigen, dass Väter
wie Mütter aus statusniedrigen Familien seltener über Konflikte mit ihren Kindern berichten als Eltern
mit hohem sozioökonomischen Status (vgl. Abb. 14). Dieses Muster zeigt sich bei Familien mit
Grundschul- und Vorschulkindern in gleicher Weise. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass
Alltagskonflikte zwischen Eltern und Kindern, wie sie im Kinderpanel erhoben werden, in nahezu allen
Familien vorkommen. Was die bloße Existenz von Eltern-Kind-Konflikten betrifft unterscheidet sich die
Wahrnehmung von Müttern und Vätern nicht.
3.3
Ursachen für Eltern-Kind Konflikte bei Vorschul- und Grundschulkindern aus Sicht der
Eltern
Worüber streiten Eltern mit Kindern? Unterscheiden sich Streitereien mit Kindern, die bereits zur
Schule gehen ursächlich von Streitereien, die Eltern mit Kindern haben, solange diese noch nicht zur
Schule gehen? Nachfolgend werden die Konfliktursachen, wie sie von Müttern und Vätern genannt
wurden für Kinder im Alter von 5 bis 6 Jahren und für 8- bis 9-jährige Kinder verglichen. Eltern-KindKonflikte, die um das Thema Schule kreisen (Hausaufgaben/Lernen für die Schule) wurden von den
Analysen ausgeschlossen, da sie sinnvoller weise nur bei Kindern der älteren Kohorte auftreten
können.
Abb. 19: Ursachen alltäglicher Eltern-Kind-Konflikte nach Alter der Kinder und Geschlecht der
Eltern (Angaben in Prozent)
5- bis -6-Jährige
80
60
8- bis 9-Jährige
59 61
50 49
36
27 2925
40
20
54 53
41
18
10
30
30
24
15
12
28
17
0
Kleidung
Helfen im
Haushalt
zu Bett
gehen
Sonstiges
Aufräumen
Zimmer
Kleidung
Helfen im
Haushalt
zu Bett
gehen
Sonstiges
Aufräumen
Zimmer
Mutter
Vater
Mütter 5- bis 6-Jährige N = 1018, Mütter 8- bis 9-Jährige N = 899
Väter 5- bis 6-Jährige N = 463, Väter 8- bis 9-Jährige N = 481
Mehrfachantworten möglich
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Insgesamt betrachtet lassen sich bei den Konfliktursachen eher geringe Unterschied in Abhängigkeit
vom Alter des Kindes feststellen (vgl. Abb. 19). Mütter und Väter streiten mit Schulkindern ähnlich
häufig über unaufgeräumte Kinderzimmer, wie mit Vorschulkindern (Mütter 49% vs. 50%, Väter 61%
24
vs. 59%). Was das Helfen im Haushalt angeht sowie Streitereien, die sich um die Kleidung der Kinder
drehen, zeigen sich jedoch markante Unterschiede zwischen den Kohorten. Mütter wie Väter haben
mit Schulkindern häufiger Konflikte, was deren Mithilfe im Haushalt betrifft. Dieses Ergebnis ist
insofern plausibel, da einerseits von Schulkindern wahrscheinlich mehr Mithilfe erwartet wird als von
Vorschulkindern und andererseits diese Hilfe von den Eltern möglicherweise konsequenter eingefordert wird. Dagegen überrascht, dass Eltern von Vorschulkindern Streitereien um die Kleidung
annähernd doppelt so oft nennen, wie dies Eltern tun, deren Kinder bereits zur Schule gehen (Mütter
24% vs. 12%, Väter 28% vs. 17%).
Betrachtet man die Rangfolge der Konfliktursachen, so zeigt sich eine hohes Maß an Stabilität
zwischen Schul- und Vorschulkindern. Lediglich auf den beiden letzten Positionen kommt es zu
Positionswechseln. Während Mütter und Väter von Schulkindern Streitereien um die Mithilfe im
Haushalt als vierthäufigste Konfliktursache nennen, gefolgt von Streitereien wegen der Kleidung, ist es
bei Eltern von Vorschulkindern genau umgekehrt. Eltern von Vorschulkindern erinnern sich eher an
Streitereien wegen der Kleidung, als an Konflikte, die wegen der mangelnden Mithilfe im Haushalt
entstanden. Zwischen Müttern und Vätern zeigen sich wieder die bereits bekannten Unterschiede (vgl.
S. 20).
Weitere
Analysen
der
Konfliktursachen,
bei
denen
sich
Familien
mit
Vorschul-
bzw.
Grundschulkindern am stärksten voneinander unterscheiden, zeigen nur wenige statistisch signifikante Zusammenhänge mit Drittvariablen. Konflikte, die die Mitarbeit der Kinder im Haushalt betreffen,
treten in Familien mit mehreren Kindern etwas häufiger auf als in Ein- oder Zweikindfamilien (vgl. Abb.
20). Offensichtlich erwarten Eltern eher Hilfe von Kindern, wenn die Familien relativ groß sind und
dementsprechend mehr Hausarbeit anfällt. Dieser Zusammenhang zeigt sich für beide Alterskohorten
und wird von Müttern wie Vätern ähnlich gesehen. Statistisch signifikant ist der Zusammenhang
jedoch nur für Konflikte zwischen Eltern (Müttern wie Vätern) und Vorschulkindern. Der Tendenz nach
zeigt sich eine Zunahme der Konflikte mit steigender Kinderzahl auch für Eltern mit Grundschulkindern.
25
Abb. 20: Konfliktursache "Mithilfe im Haushalt" nach Zahl der Kinder unter 15 Jahren im Haus
halt aus Sicht von Müttern und Vätern nach Alter des Zielkindes (Angaben in Prozent)
60
40
40
19
15
20
8
16 19
26
24
15
28
15
23
12
9
0
1 Kind
2
3
4+
Kinder Kinder Kinder
1 Kind
2
3
4+
Kinder Kinder Kinder
Mutter
5- bis 6-Jährige
Vater
8- bis 9-Jähirge
Mütter: 5- bis 6-Jährige N = 1004, p <.05; 8- bis 9-Jährige N = 887, n.s.
Väter: 5- bis 6-Jährige N = 463, p <.05, 8-bis 9-Jährige N = 480, n.s.
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Ostdeutsche Mütter wie Väter berichten häufiger über Konflikte mit ihren 8- bis 9-jährigen Kindern als
Eltern in Westdeutschland (Mütter 27% vs. 16%, Väter 37% vs. 29%). Für Eltern mit Vorschulkindern
zeigt sich dagegen ein Ost/West-Unterschied, was Konflikte wegen der Mithilfe der Kinder im Haushalt
betrifft.
Bei Eltern-Kind-Konflikten, die sich um die Kleidung der Kinder drehen, lassen sich kaum signifikante
Zusammenhänge mit Drittvariablen feststellen. Weder der soziökonomische Status der Familie, noch
regionale Faktoren oder der Erwerbsstatus der Frau haben einen Einfluss darauf, wie häufig Mütter
und Väter mit ihren Kindern darüber streiten, was diese anziehen sollen. Lediglich für die Väter lassen
sich zwei Zusammenhänge feststellen, die jedoch nur Konflikte mit Kindern im Grundschulalter
betreffen. Zum einen berichten Väter mit zunehmender Zahl der Kinder häufiger über Konflikte wegen
Kleidungsfragen. Zum anderen nennen Väter in Ostdeutschland häufiger diese Art von Konflikten als
dies Väter von Grundschulkindern in Westdeutschland tun.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Eltern eher Hilfe im Haushalt von Kindern erwarten, die bereits zur
Schule gehen, als von Kindern im Vorschulalter. Auf der anderen Seite gibt es zwischen Eltern und
Vorschulkindern mehr Auseinandersetzungen darüber, was Kinder anziehend dürfen oder sollen, als
zwischen Eltern und Kindern im Grundschulalter.
26
4
Familienklima: Wie wohl fühlen sich Eltern und Kinder in ihren
Familien?
Die Familie ist gewöhnlich der primäre Sozialisationsraum von Kindern. Insofern ist zu vermuten, dass
das sozial-emotionale Klima, also wie wohl sich Mütter, Väter und vor allem Kinder in der Familie
fühlen, wie sehr sie auf die Hilfe des anderen zählen können etc. von grundlegender Bedeutung für
die Entwicklungsbedingungen von Kindern ist. Dabei sollte ein positives Familienklima sich günstig auf
die Entwicklung von Kindern auswirken. Oder anders ausgedrückt, wenn sich Kinder unwohl im Kreis
der Familie fühlen, sich im Notfall nicht auf die Hilfe des anderen verlassen können, ist zu vermuten,
dass dies negative Folgen für ihre Entwicklungschancen hat.
Im Kinderpanel wurden Müttern, Vätern und Kindern der älteren Kohorte (8- bis 9-Jähirge) insgesamt
fünf Fragen gestellt, die verschiedene Dimensionen des Familienklimas abdecken. Aus diesen Fragen
wurde ein Index konstruiert, der die Werte 0 bis 3 annehmen kann, wobei 0 Punkte ein äußerst
schlechtes Familienklima anzeigen und 3 Punkte für ein sehr positives Familienklima stehen. Eine
genaue Beschreibung des Indikators für das Familienklima findet sich im Papier von Christian Alt und
Holger Quellenberg (Methoden, Daten und Design).
Die Befragten des DJI-Kinderpanels bewerten das Klima in ihren Familien insgesamt gut bis sehr gut.
Dies gilt für Mütter, Väter und Kinder in ähnlicher Weise (vgl. Abb. 21). Die Durchschnittswerte
variieren maximal um 0,2 Punkte, wobei die 8- bis 9-jährigen Kinder mit 2,5 Punkten den höchsten
Wert erzielen. Sie sind etwas zufriedener als die Mütter mit durchschnittlich 2,4 Punkten. Den
niedrigsten Wert weisen die Väter mit 2,3 Punkten auf, die nochmals etwas unzufriedener sind als die
Mütter.
Insgesamt gesehen besteht nicht nur zwischen der Perspektive von Müttern, Vätern und Kindern eine
hohe Übereinstimmung, was das Familienklima betrifft, sondern auch innerhalb der einzelnen Personengruppen wird das Familienklima übereinstimmend positiv erlebt. Darauf deutet die sehr niedrige
Standardabweichung von 0,4 Punkten hin .
27
Abb. 21: Durchschnittliches Familienklima aus Sicht von Müttern, Vätern und 8- bis 9-jährigen
Kindern (0 = sehr negativ, 3 = sehr positiv)
3
2,5
2,4
2,3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
0
Mütter
Väter
8-9j. Kinder
Mütter N = 2184, std = 0.39; Väter N = 1313, std = 0.38, 8- bis 9-jähirge Kinder N = 1033, std = .38
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Erstaunlich ist, dass sich beim Familienklima kaum Zusammenhänge mit anderen Faktoren zeigen.
Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status erleben ihre Familien ähnlich positiv wie solche
mit hohem Status. Arbeitslose Mütter und Väter fühlen sich in ihren Familien ähnlich wohl wie
Erwachsene mit einem Erwerbseinkommen. Weitere Analysen werden klären müssen, ob die
Befragten das Familienklima ungeachtet aller Randbedingungen tatsächlich übereinstimmend positiv
erleben. Denkbar wäre, das Mütter, Väter und Kinder schwierige Umweltbedingungen dadurch zu
kompensieren versuchen, dass sie die Sicherheit und Harmonie in der eigenen Familie besonders
betonen. Eine andere denkbare Erklärung wäre, dass gerade, wenn das Familienklima schlecht ist,
fremden Interviewern kein Einblick in diesen sehr privaten Bereich gegeben wird, sondern Mütter,
Väter und Kinder die Atmosphäre positiver darstellen als sie tatsächlich ist.
4.1
Familienklima aus Sicht der Mütter
Wie bereits erläutert, erleben Mütter ihre Familien als positiv bis sehr positiv. Auf einer Skala von 0
(sehr negativ) bis 3 (sehr positiv) bewerten nur 3% das Familienklima als negativ (0 bis 1,5 Punkte),
53% fühlen sich in ihren Familien wohl (1,6 bis 2,5 Punkte) und immerhin 44% der Mütter beurteilen
das Familienklima als sehr positiv ( > 2,5 Punkte vgl. Abb. 22)
28
Abb. 22: Familienklima aus Sicht von Müttern (Angaben in Prozent)
60
53
44
40
20
0
0
3
sehr negativ
sehr positiv
Mütter N = 2184
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Weder der sozioökonomische Status der Familie, noch der Erwerbstatus der Frau oder der des
Partners haben Einfluss auf das Familienklima. Auch die Zahl der Kinder, das Alter des Zielkindes,
bzw. das Ausmaß außerhäuslicher Betreuung, haben keinen Einfluss darauf, wie Mütter das Klima in
ihren Familien bewerten. Insgesamt schwanken die Mittelwerte um maximal 0,2 Punkte. So bewerten
bspw. Alleinerziehende Mütter mit durchschnittlich 2,25 Punkten das Klima in ihren Familien etwas
niedriger als ostdeutsche Frauen, die mit 2,47 Punkten den höchsten Durchschnittswert erzielen.
Statistisch signifikante Unterschiede zeigen sich lediglich für zwei Variablen. Zum einen bewerten
ostdeutsche Mütter das Familienklima positiver als Mütter in Westdeutschland. Zum anderen
beurteilen allein erziehende Mütter das Klima in ihren Familien nicht ganz so gut wie Mütter in Paarfamilien. Allerdings sind die gemessenen Unterschiede eher gering.
4.2
Familienklima aus Sicht der Väter
Auch aus Sicht der Väter stellt sich das Familienklima überwiegend als gut bzw. sehr gut dar. Nur 3%
bewerten die Atmosphäre negativ. Sie erzielen auf einer Skala von 0 bis 3 weniger als 1,5 Punkte.
Annährend zwei Drittel der Väter fühlen sich in ihren Familien wohl und ein Drittel der Väter beurteilt
das Familienklima als sehr gut (vgl. Abb. 23). Im Vergleich zu den Müttern fällt auf, dass Väter das
Klima in ihren Familien etwas häufiger als gut und etwas seltener als sehr gut bewerten. Diese etwas
weniger positive Beurteilung des Familienklimas durch Väter darf jedoch nicht überbewertet werden,
da sie sich praktisch nicht in den Mittelwerten widerspiegelt (vgl. Abb. 21).
29
Abb. 23: Familienklima aus Sicht von Vätern (Angaben in Prozent)
80
64
60
40
33
20
0
0
3
sehr negativ
sehr positiv
Väter N = 1313
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Auch für die Väter zeigen sich keine deutlichen Zusammenhänge zwischen dem Familienklima und
andern Variablen. Väter in Westdeutschland fühlen sich genauso wohl in ihren Familien, wie Väter in
Ostdeutschland. In Familien, die in sozial und wirtschaftlich schwachen Regionen leben, ist das Klima
aus Sicht der Väter genauso gut wie in Familien, die in prosperierenden Gegenden leben. Überraschenderweise unterscheiden sich auch erwerbstätig und nicht erwerbstätige Väter nicht in der
Beurteilung des Klimas in ihren Familien. Am besten beurteilen Väter mit einem positiven Selbstbild
die Atmosphäre in ihrer Familie. Sie erreichen im Durchschnitt 2,4 Punkte. Am wenigsten positiv
erleben Väter mit einem negativen Selbstbild ihre Familien. Sie erreichen im Schnitt 2,1 Punkte.
Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zeigt sich mit dem soziökonomischen Status und der
Partnerschaftsform. Zum einen fühlen sich Väter mit einem niedrigen Status noch etwas wohler in
ihren Familien als Väter aus Familien mit hohem Status, zum anderen bewerten verheiratete Väter
das Familienklima positiver als Väter, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben.
4.3
Familienklima aus Sicht der Kinder
Die allermeisten Kinder erleben das Klima in ihrer Familie als positiv bzw. sehr positiv. Auf einer Skala
von 0 (extrem negativ) bis 3 (extrem positiv) bewerten nur 2% das Familienklima als negativ. 49% der
Kinder fühlen sich in ihren Familien wohl und weitere 49% der Kinder im Alter von 8 bis 9 Jahren
beurteilen das Familienklima sogar als sehr positiv (vgl. Abb. 24). Im Vergleich zur Sicht der Mütter
und insbesondere der Vätersicht fällt auf, dass Kinder das Klima in ihren Familien häufiger als sehr
positiv bewerten.
30
Abb. 24: Familienklima aus Sicht von Kindern im Alter von 8 bis 9 Jahren (Angaben in Prozent)
60
49
49
40
20
0
0
2
sehr negativ
sehr positiv
Väter N = 1033
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Auch Kinder beurteilen ihre Familien ungeachtet unterschiedlicher Rahmenbedingungen nahezu
übereinstimmend positiv. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob die Kinder auf dem Lande oder
in der Großstadt aufwachsen, ob sie in Kernfamilien, Stieffamilien oder bei Alleinerziehenden leben,
ob sie in ärmlichen oder wohlhabenden Verhältnissen groß werden. Dieses Ergebnis ist insofern überraschend, da zu vermuten wäre, da sich z.B. Arbeitslosigkeit von Müttern und Vätern negativ auf das
Familienklima auswirkt.
5
Familien mit und ohne Migrationshintergrund
Einzige Voraussetzung, um in die Stichprobe des DJI-Kinderpanels gelangen zu können, war, dass
ein Kind im Alter von 5 bis 6 bzw. 8 bis 9 Jahren in einer Familie/Privathaushalt lebt und unter dieser
Adresse beim Einwohnermeldeamt gemeldet ist. Tatsächlich aber konnten nur solche, vor allem ausländische Mütter und Kinder befragt werden, die in der Lage waren, einen relativ anspruchsvollen
deutschsprachigen Fragebogen zu verstehen und auch auf deutsch zu antworten. Insofern sind die
befragten Familien mit interkulturellem Hintergrund nicht repräsentativ für solche Familien in
Deutschland. Vielmehr handelt es sich um eine im hohen Maße selektive Gruppe, bei der Mütter und
Kinder i.d.R. gute bis sehr gute Deutschkenntnisse hat.7
Ziel dieses Abschnitts ist es - unter diesem Vorbehalt -, Familien mit und ohne Migrationshintergrund
gegenüberzustellen, um so einige Randbedingungen für die Entwicklungschancen deutscher und
Kinder mit anderem kulturellen Hintergrund zu beschreiben. Als Familien mit Migrationshintergrund
7
Um die Entwicklungschancen ausländischer Kinder in Deutschland in den Blick zu bekommen, werden in einer
vom BMFSFJ finanzierten Zusatzuntersuchung muttersprachliche Interviews mit je 250 russischen und türkischen
Familien durchgeführt. Erste Untersuchungsergebnisse werden Ende 2004 vorliegen.
31
gelten all jene, bei denen die Mutter oder der Vater entweder kein deutscher Staatsbürger ist, oder die
deutsche Staatsbürgerschaft über Einbürgerung erworben wurde - also auch alle binationalen
Familien. Da nicht für jede Familie Informationen über beide Eltern vorliegen, wird der Anteil der
ausländischen Familien bzw. Familien mit Migrationshintergrund tendenziell unterschätzt. Der
Migrationshintergrund bleibt unerkannt, wenn eine deutsche Frau einen ausländischen Partner hat,
der nicht an der Befragung teilnahm.
Insgesamt liegt der Anteil von Familien mit Migrationshintergrund in den Daten des DJI-Kinderpanels
bei 21%. Welche regionalen Unterschiede lassen sich nun für Familien mit und ohne Migrationshintergrund feststellen? Wie zu erwarten ist, lebt die ganz überwiegende Mehrheit der ausländischen
Familien (94%) in Westdeutschland. Annährend jede vierte Familie in Westdeutschland hat einen
Migrationshintergrund, während dies in Ostdeutschland nur auf knapp jede zehnte Familie zutrifft
(23% vs. 9%). Auch ein Stadt-Land-Vergleich zeigt markante Unterschiede zwischen deutschen und
ausländischen Familien.
Abb. 25: Familien mit und ohne Migrationshintergrund nach Urbanitätsgrad (Angaben in
Prozent)
60
50
39
40
30
31
31
19
20
0
ohne Migrationshintergrund
geringe Verdichtung
mit Migrationshintergrund
mittlere Verdichtung
hohe Verdichtung
Familien ohne Migrationshintergrund N = 1729, Familien mit Migrationshintergrund N = 454, p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Während sich deutsche Familien weitgehend gleichmäßig über ländliche und städtische Regionen
verteilen, sieht man bei ausländischen Familien ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. Sie leben häufiger
in urbanen Zentren (50% vs. 31%) und seltener in ländlichen Regionen (19% vs. 30%).
32
Abb. 26: Familien mit und ohne Migrationshintergrund nach Qualität des Wohnumgebung8
(Angaben in Prozent)
60
50
36
40
41
31
23
19
20
0
ohne Migrationshintergrund
mehrfach belastet
mit Migrationshintergrund
durchschnittlich
positiv
Familien ohne Migrationshintergrund N = 808, Familien mit Migrationshintergrund N = 161, p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Auch was die Qualität des Wohnumfeldes betrifft, zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen ausländischen und deutschen Familien. Abbildung 26 zeigt eine nahezu entgegengesetzte Verteilung.
Deutsche Familien bewohnen häufiger größere und besser ausgestatteten Wohnungen als Familien
mit anderem kulturellen Hintergrund. Auch die Wohnumgebung ist kindgerechter, bietet mehr Spielmöglichkeiten und weniger Belastungen durch den Straßenverkehr etc. als die ausländischer
Familien.
Insgesamt verdeutlichen die beiden Indikatoren, dass Kinder von Migrantenfamilien erheblich häufiger
in einer eher schwierigen und wenig kindgerechten Umgebung aufwachen als Kinder deutscher
Familien. Welche Auswirkungen diese regionale Benachteilung auf die psychosoziale Entwicklung der
Kinder hat, werden die beiden nächsten Wellen zeigen.
5.1
Familienformen deutscher und ausländischer Kinder
Betrachtet man zunächst die Partnerschaftsform der Eltern, bei denen die 5- bis 6- und 8- bis 9jährigen Kinder aufwachsen, dann stellt man fest, dass Kinder, die einen nicht deutschen Vater oder
eine nicht deutsche Mutter haben, häufiger in so genannten "traditionellen" Familienstrukturen leben.
Der Anteil der Kinder, die bei verheirateten Eltern aufwachsen, ist unter den ausländischen Kindern
mit 89% etwa 10% höher als unter den deutschen Kindern.
8
Indikator des positiven bzw. negativen Einflusses von Wohnung und Wohnumfeld auf das Kind, gebildet aus 9
Bewertungsindikatoren (20 Ursprungsvariablen): 5 zur Wohnung (Art, baulicher Zustand, Ausstattung, Kinderzimmer pro Kind und qm pro Haushaltsmitglied) und 4 zum Wohnumfeld (Umweltbelastung, Verkehrsbelastung,
Spielmöglichkeiten in der näheren Umgebung, Dichte der Bebauung).
33
Abb. 27: Familien mit und ohne Migrationshintergrund nach der Partnerschaftsform der Eltern
(Angaben in %)
100
89
77
80
60
40
15
20
8
8
4
0
ohne Migrationshintergrund
Ehe
NEL
mit Migrationshintergrund
Alleinerziehend
Familien ohne Migrationshintergrund N = 1728, Familien mit Migrationshintergrund N = 454, p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Auf der anderen Seite ist der Anteil ausländischer Kinder, die bei unverheirateten oder allein
erziehenden Eltern leben, nur etwa halb so groß wie der deutscher Kinder. 4% der Kinder mit einem
ausländischen Vater und/oder einer ausländischen Mutter wachsen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auf und 8% bei allein erziehenden Müttern. Die starke Dominanz verheirateter Familien
findet sich bei ausländischen Kindern in West- und Ostdeutschland.
Auch wenn man die Familienform weiter ausdifferenziert und zusätzlich zwischen Kern- und
Stieffamilien unterscheidet, stellt man fest, dass Kinder mit interkulturellem Hintergrund seltener in so
genannten reorganisierten Familien, d.h. in Stieffamilien oder Ein-Eltern-Familien leben.
Abb. 28: Familien mit und ohne Migrationshintergrund nach der Familienform der Eltern
(Angaben in Prozent)
100
80
83
71
60
40
20
14
6
4
5
5
2
2
8
0
ohne Migrationshintergrund
mit Migrationshintergrund
Ehel. Kernfamilie
Ehel. Stieffamilie
Nel Stieffamilie
Alleinerziehend
Nel Kernfamilie
Familien ohne Migrationshintergrund N = 1695, Familien mit Migrationshintergrund N = 443, p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
34
Während der Anteil von deutschen und ausländischen Kindern, die in verheirateten Stieffamilien
aufwachsen, nahezu identisch ist (6% vs. 5%), leben ausländische Kinder erheblich seltener als ihre
deutschen Altersgenossen in nichtehelichen Kern- und Stieffamilien sowie bei Alleinerziehenden. Eine
Reorganisation der Familie in Folge von Trennung, Scheidung, neuer Partnerschaft oder Heirat hat in
der hier untersuchten Altersgruppe bereits jedes vierte deutsche Kind erlebt, aber nur etwa jedes
siebte Kind mit einem ausländischen Vater oder einer ausländischen Mutter.
Auch was die Größe ausländischer und deutscher Familien angeht, zeigt sich der zu erwartende
Zusammenhang. Kinder mit Migrationshintergrund leben in etwas größeren Familien, wobei die
Differenz gegenüber deutschen Kindern sehr moderat ist. (Im Durchschnitt sind Familien mit
Migrationshintergrund um 0,3 Personen größer.) Bemerkenswert ist jedoch, dass der Anteil von
Einzelkindern in deutschen und ausländischen Familien gleich groß ist. Etwa jedes vierte Kind im Alter
zwischen 5 und 9 Jahren wächst ohne Geschwister auf.
5.2
Freizeitaktivitäten deutscher und ausländischer Kinder
Wie steht es um die Freizeitaktivitäten deutscher und ausländischer Kinder? Von den sechs zur Wahl
stehenden Aktivitäten (Fernsehen, Sport, Ausflüge, Kino/Museum, PC-Spiele, Musizieren) üben
Kinder mit einem ausländischen Elternteil im Durchschnitt 3,8 Aktivitäten aus und deutsche Kinder
4,2. Dieser statistisch signifikante Unterschied ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass
ausländische Kinder seltener als ihre deutschen Altersgenossen mehr als vier Aktivitäten nennen.
Dagegen ist der Anteil der Kinder, die gar keine Aktivität ausüben, in beiden Gruppen gleich groß. Er
liegt bei nur 2%.
Abb. 29: Freizeitaktivitäten von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund (Angaben in
Prozent)
100
95
95
85
80
83
78
74
70
56
54
60
40
30
55
24
20
0
ohne Migrationshintergrund
Fernsehen
Ausflüge
Sport
mit Migrationshintergrund
Kino/Museum
PC-Spiele
Musizieren
Familien ohne Migrationshintergrund N = 1729, Familien mit Migrationshintergrund N = 454, p < .001
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
35
Wie Abbildung 29 zeigt, sehen unabhängig vom Migrationshintergrund nahezu alle Kinder fern, aber
nur vergleichsweise wenige spielen ein Musikinstrument. Die Rangfolge der Aktivitäten ist bei
deutschen und ausländischen Kindern identisch. Dinge die von einem Großteil der deutschen Kinder
gemacht werden, tun auch viele der Kinder mit Migrationshintergrund und umgekehrt. Statistisch
signifikante Unterschiede zeigen sich bei drei Aktivitäten. Ausflüge und Sport werden von Kindern mit
Migrationshintergrund seltener als Freizeitaktivität genannt. Gleiches gilt für kulturelle Unternehmungen wie Kino- und Museumsbesuche. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass ausländische Kinder
seltener Dinge außerhalb der eignen vier Wände unternehmen und seltener sportlich aktiv sind.
Immerhin gibt jedes vierte ausländische Kind an in seiner Freizeit nie z.B. Ballspiele zu machen,
Skaten oder Schwimmen zu gehen.
5.3
Konflikte in Familien mit und ohne Migrationshintergrund
Die Alltagskonflikte in Familien mit und ohne Migrationshintergrund werden analog zu Abschnitt 3 aus
drei Perspektiven beschrieben: nämlich aus der von Müttern, Vätern und Kindern. Da die 5- bis 6jährigen Kinder nicht selbst befragt wurden, beschränkt sich die Auswertung erneut auf Familien mit
Kindern im Grundschulalter.
Wie Abbildung 30 zeigt, kommen kleinere Alltagskonflikte nicht nur in fast allen deutschen Familien
vor, sondern auch in Familien mit Migrationshintergrund, streitet die überwiegende Mehrheit der
Eltern mit ihren Kindern wegen unerledigter Hausaufgaben, unaufgeräumter Kinderzimmer etc.
Auffallend ist jedoch, dass in Familien mit Migrationshintergrund Mütter, Väter und Kinder seltener
über Streitereien berichten (Mütter 82% vs. 95%, Väter 85% vs. 94%, Kinder 76% vs. 88%). Ob dies
darauf zuführen ist, das Migranten möglicherweise eine höher Konflikttoleranz haben und nicht jede
Auseinandersetzung gleich als Streit begreifen, oder durch Unterschiede im Verständnis der Elternrolle, oder aber Streit nicht in gleichem Maße zugeben, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden.
Allerdings zeigt sich bei deutschen wie auch bei Familien mit anderem kulturellen Hintergrund ein
ähnliches Muster. Der Anteil von Mütter und Vätern, die über Konflikte mit dem Zielkind berichten, ist
nahezu identisch, während Kinder sich etwas seltener an Konflikte mit der Mutter erinnern können.
36
Abb. 30: Konflikte zwischen Kindern im Alter von 8 bis 9 Jahren und ihren Eltern aus Mutter-,
Vater- und Kinderkinderperspektive nach Migrationshintergrund der Familie (Prozent
satz Ja-Antworten)
100
96
94
88
82
80
85
76
60
40
20
0
ohne Migrationshintergrund
Mutter
mit Migrationshintergrund
Vater
Kind
Mütter: ohne Migrationshintergrund N = 794, mit Migrationshintergrund N = 215, p < .001
Väter: ohne Migrationshintergrund N = 513, mit Migrationshintergrund N = 125, p < .01
Kinder: ohne Migrationshintergrund N = 802, mit Migrationshintergrund N = 219, p < .0019
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Betrachtet man die Ursachen, für Eltern-Kind-Konflikte (vgl. Abb. 31 A-C) dann fällt auf, dass
ungeachtet des kulturellen Hintergrunds der Familie ähnliche Konflikte zwischen Eltern und Kindern
stattfinden. Aus Sicht von Müttern, Vätern und Kindern ist das "unaufgeräumte Kinderzimmer" der
Hauptgrund für
Streitereien zwischen Eltern und Kindern. Zweitens wird deutlich, dass das
Antwortmuster von Müttern mit Migrationshintergrund weitgehend dem von Müttern ohne
Migrationshintergrund entspricht. Lediglich das "Lernen für die Schule" führt in ausländischen Familien
häufiger zu Konflikten. Dieser Unterschied ist nur bei den Müttern signifikant, zeigt sich tendenziell
aber auch bei Vätern und Kindern. Dieses Ergebnis ist höchst plausibel, wobei jedoch noch nicht klar
ist, worauf dieser Unterschied zurückzuführen ist. Einerseits wäre denkbar, dass in Familien mit
Migrationshintergrund Kinder stärker zum Lernen angehalten werden oder aufgrund sprachlicher
Defizite mehr Zeit für Hausaufgaben etc. verwenden müssen. Eine andere Erklärung wäre, dass die
Mütter ihre Kinder bei den Hausaufgaben weniger gut unterstützen können und es deshalb in Familien
mit Migrationshintergrund häufiger zu Konflikten wegen der Schule kommt.
Auch bei den Vätern ist das Muster der Konfliktursachen weitgehend deckungsgleich. Das
"Aufräumen des Kinderzimmers" und das "Zu-Bett-Gehen" sind zwei typische Ursachen für Konflikte
zwischen Vätern und Kindern und zwar sowohl in Familien mit wie in Familien ohne Migrationshintergrund. Allerdings scheint das "Zu-Bett-Gehen der Kinder in ausländischen Familien noch
häufiger mit Konflikten zwischen Vätern und Kindern verbunden zu sein (61% vs. 50%).
9
Der Migrationshintergrund bezieht sich nicht auf die einzelne Person sondern auf die Familie. Auch einer
deutschstämmige Mutter wird ein Migrationshintergrund zugewiesen, wenn sie mit einem nicht
deutschstämmigen Partner zusammenlebt.
37
Abb. 31: Ursachen für Konflikte zwischen Müttern, Vätern und ihren 8- bis 9-jährigen Kindern
aus Mutter-, Vater und Kindersicht (% ja Antworten)
A) Mutter-Kind-Konflikt Mutterperspektive
80
60
50
40
46
31
26
25
20
41
28
18
22
19
11
14
0
ohne Migrationshintergrund
mit Migrationshintergrund
Aufräumen Zimmer
Hausaufgaben
Sonsitges
zu Bett gehen
Helfen im Haushalt
Kleidung
B) Vater-Kind-Konflikt Vatersperspektive
80
61
61
59
60
50
47
41
40
30
30
27
30
19
16
20
0
ohne Migrationshintergrund
mit Migrationshintergrund
Aufräumen Zimmer
Hausaufgaben
Sonsitges
zu Bett gehen
Helfen im Haushalt
Kleidung
C) Kind-Mutter-Konflikt Kinderperspektive
80
60
45
42
40
33
28
28
27
28
20
20
26
25
11
9
0
ohne Migrationshintergrund
mit Migrationshintergrund
Aufräumen Zimmer
Hausaufgaben
Sonsitges
zu Bett gehen
Helfen im Haushalt
Kleidung
Mütter: ohne Migrationshintergrund N = 716, mit Migrationshintergrund N = 168, Mehrfachantworten möglich
Väter: ohne Migrationshintergrund N = 393, mit Migrationshintergrund N = 88, Mehrfachantworten möglich
Kinder: ohne Migrationshintergrund N = 667, mit Migrationshintergrund N = 154, Mehrfachantworten möglich
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
38
Auch bei den Kindern zeigen sich keine wesentlichen Differenzen im Antwortmuster.
5.4
Familienklima in deutschen und ausländischen Familien
Die Daten des DJI-Kinderpanels belegen, dass Mütter, Väter und Kinder unabhängig vom Migrationshintergrund das Klima in ihren Familien insgesamt sehr positiv bewerten. Auf einer Skala von 0 (sehr
negativ) bis 3 (sehr positiv) werden im Durchschnitt etwa 2,4 Punkte erreicht.
Abb. 32: Durchschnittliches Familienklima aus Sicht von Müttern, Vätern und 8- bis 9-jährigen
Kindern in Abhängigkeit vom Migrationshintergrund der Familie
(0 negativ 3 positiv)
3
Mütter
Väter
8-9j. Kinder
2,5
2
1,5
1
0,5
0
0 ,5
1
,5
ohne Migrationshintergrund
2
,5
3
,5
mit Migrationshintergrund
Mütter: ohne Migrationshintergrund N = 1724, std = 0.39; mit Migrationshintergrund N= 435, std = 0.41
Väter: ohne Migrationshintergrund N = 1058, std = 0.37; mit Migrationshintergrund N= 255, std = 0.40
8- bis 9-Jähirge: ohne Migrationshintergrund N = 809, std = 0.37; mit Migrationshintergrund N= 220, std = 0.39
Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen
Die Durchschnittswerte variieren maximal um 0,2 Punkte, wobei Väter aus deutschen Familien den
niedrigsten Wert erreichen und Mütter aus Migrantenfamilien zusammen mit 8- bis 9-jährigen Kindern
den höchsten Wert.
Obwohl die Differenzen zwischen deutschen und ausländischen Eltern sehr
gering ausfallen, sind die Unterschiede signifikant, d.h. Väter und Mütter mit Migrationserfahrung
fühlen sich in ihren Familien noch etwas wohler als deutsche Eltern. Dagegen bewerten deutsche und
ausländische Kinder das Familienklima ziemlich gleich.
39
6
Fazit
Das DJI-Kinderpanel ist eine in der ersten Welle repräsentative Längsschnittuntersuchung, in deren
Mittelpunkt die Frage steht: Wie wachsen Kinder heute auf? Was fördert Kinder in ihrer psychosozialen Entwicklung bzw. welche Risikofaktoren sind für die Kompetenzentwicklung von Bedeutung.
Ziel dieses Papiers war es einen aktuellen Überblick über die Daten des DJI-Kinderpanels im Bereich
Familie zu geben.
Die Partnerschaftsform der Eltern ist ein wesentliches Strukturmerkmal von Familie, das für die
Entwicklungschancen von Kindern potentiell bedeutsam ist. Auch heute noch basieren die meisten
Familien auf der Ehe. Bei rund 7% leben die Eltern unverheiratet zusammen und bei 13% handelt es
sich um Einelternfamilien bzw. Alleinerziehende. Dabei ist der Anteil nichtehelicher Lebensgemeinschaften und Alleinerziehender in Ostdeutschland rund doppelt so hoch wie im Westen. Die
Analysen haben zudem gezeigt, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften und Einelternfamilien
besonders oft in Regionen leben, die sich in einer eher schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lage
befinden.
Eine Reorganisation in Folge von Trennung/Scheidung, neuer Partnerschaft oder Heirat hat in Westdeutschland etwa jede fünfte Familie mit Kindern im Alter zwischen 5 und 9 Jahren erfahren. In Ostdeutschland trifft dies sogar auf jede dritte Familie zu. Unter den Kernfamilien - also Familien, bei
denen die Kinder mit beiden leiblichen Eltern aufwachsen - dominieren eindeutig die verheirateten
Familien gegenüber den nichtehelichen Lebensgemeinschaften (74% vs. 3%). Dagegen gestaltet sich
das Verhältnis unter den verheirateten und nicht verheirateten Stieffamilien erheblich ausgeglichener
(6% vs. 4%). Auffallend ist in Ostdeutschland der niedrige Anteil ehelicher Kernfamilien sowie der im
Vergleich zum Westen deutlich höhere Anteil nichtehelicher Kern- und Stieffamilien.
Nahezu alle Kinder sind, in ihrer Freizeit auf die ein oder andere Art aktiv sind. Die meisten Kinder
gaben an, dass sie von den sechs zur Wahl stehenden Aktivitäten vier bis fünf zumindest ab und zu
ausüben. Dabei nennen die 8- bis 9-Jährigen im Durchschnitt eine Aktivität mehr als die Kinder im
Vorschulalter. Erwartungsgemäß wurde am häufigsten das Fernsehen genannt und am seltensten das
Musizieren. Etwa 80% der Kinder üben klassische Freizeitaktivitäten aus, wie Sport oder Ausflüge.
Die Analysen zeigen, dass mit steigendem sozioökonomischen Status der Familie die Zahl der Freizeitaktivitäten zunimmt. Häuslichen Aktivitäten wie z.B. Fernsehen, werden vor allem zusammen mit
Eltern und Geschwister unternommen. Dagegen spielen Freunde bei außerhäuslichen Aktivitäten wie
z.B. Sport eine wichtige Rolle. Einigermaßen überraschend ist, dass gut ein Drittel der Grundschulkinder angibt, oft alleine fernzusehen, und dass nach Angaben der Mütter immerhin jedes vierte
Vorschulkind oft alleine vor dem Fernseher sitzt.
Alltagskonflikte zwischen Eltern und Kindern wegen unaufgeräumter Kinderzimmer, unerledigter
Hausaufgaben, mangelnder Mitarbeit im Haushalt etc. kommen in nahezu allen Familien vor, wobei
sich Mütter und Väter etwas häufiger an derartige Konflikte erinnern als Kinder. Auch berichten Eltern
40
mit höherem sozioökonomischen Status etwas häufiger über Eltern-Kind-Konflikte. Was die Ursachen
für Alltagskonflikte betrifft, so ist aus Sicht von Müttern, Vätern und Kindern das unaufgeräumte
Kinderzimmer der Streitpunkt Nummer Eins. Konflikte wegen der Kleidung - die Kinder anziehen
sollen oder nicht anziehen dürfen - rangieren auf dem letzten Platz. Das Aufräumen des Kinderzimmers sowie das Zu-Bett-Gehen der Kinder sind Konflikte, die häufiger von Vätern als von Müttern
genannt werden. Dieses Ergebnis ist insofern plausibel, da beide Konflikte vorwiegend abends
auftreten dürften, wenn die Väter zu Hause sind. Interessant ist auch, dass "Hausaufgaben" und das
"Lernen für die Schule" vor allem dann als Ursache für Eltern-Kind-Konflikte genannt werden, wenn
die Mutter nicht erwerbstätig ist. Auf der anderen Seite trägt eine institutionelle Nachmittagsbetreuung
nicht dazu bei, dass Familien von Schulbelangen entlastet würden. Mütter und Väter, deren Kinder in
eine Ganztagesschule gehen oder den Hort besuchen, berichten genauso häufig über Konflikte
wegen der Hausaufgaben etc. wie Eltern, deren Kinder keine Nachmittagsbetreuung in Anspruch
nehmen.
Das Klima in der Familie wird von Müttern, Vätern und Kindern nahezu übereinstimmend als gut bis
sehr gut bezeichnet. Aber nicht nur zwischen Müttern, Vätern und Kindern besteht ein hohes Maß an
Übereinstimmung, sondern auch innerhalb der einzelnen Personengruppen wird das Familienklima
weitestgehend gleich gut erlebt. Erstaunlich ist, dass Personen mit niedrigem sozioökonomischen
Status das Klima in ihren Familien nicht weniger positiv bewerten wie solche mit hohem Status.
Arbeitslose Mütter und Väter fühlen sich in ihren Familien ähnlich wohl wie Erwachsene mit Erwerbseinkommen. Dagegen beurteilen allein erziehende Mütter das Klima in ihren Familien nicht ganz so
positiv wie Mütter in Paarfamilien. Die gefunden Unterschiede sind jedoch eher gering.
Rund ein Fünftel der Familien im DJI-Kinderpanel haben einen Migrationshintergrund - d.h. Mutter
und/oder Vater besitzen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft oder haben diese durch Einbürgerung
erworben. Die bisherigen Auswertungen zeigen zum einen, dass Familien mit Migrationshintergrund
häufiger in urbanen Zentren wohnen und zum anderen häufiger vergleichsweise schlecht
ausgestattete Wohnungen haben und in einer insgesamt weniger kindgerechten Wohnumgebung
leben. Bei den Freizeitaktivitäten zeigt sich, dass Kinder mit Migrationshintergrund seltener Aktivitäten
außerhalb der eigenen vier Wände unternehmen. Immerhin jedes vierte ausländische Kind geht nie
Ballspielen, Schwimmen oder ist sonst sportlich aktiv. Eltern-Kind-Konflikte werden von Eltern mit
anderem kulturellen Hintergrund etwas seltener genannt als von deutschen. Interessanterweise ist
das Muster der Konfliktursachen bei Familien mit und ohne
Migrationshintergrund weitgehend
identisch. Dies trifft auf Mütter, Väter und Kinder zu. Beim Familienklima gibt es nur geringe
Unterschiede. Väter und Mütter mit Migrationshintergrund erleben ihre Familien noch etwas positiver
als deutsche Eltern, während Kinder im Vergleich mit ihren deutschen Altersgenossen das Familienklima nicht ganz so positiv erleben. Aber auch hier sind die Unterschiede gering.
Die spannende Frage, welche Bedeutung die unterschiedlichen familialen, wirtschaftlichen und
infrastrukturellen Randbedingungen für die psychosoziale Entwicklung der Kinder haben, wird mit den
Daten der beide noch ausstehenden Wellen des Kinderpanels beantwortet werden.
41
Literaturverzeichnis
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In: Journal of Marriage and the Family, 55, S. 23-38
Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a.M.
BMFSFJ (Hg.) (2003): Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. Lebensformen,
Familienstrukturen, wirtschaftliche Situation der Familien und familiendemographische
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Hartl, Angela (2002) Zur Lebenssituation von Stiefkindern. In: Walter Bien, Angela Hartl, Markus
Teubner (Hrsg.) Stieffamilien in Deutschland. Eltern und Kinder zwischen Normalität und
Konflikt. DJI: Familien-Survey 10, Opladen, S. 147-175
Kaufmann, Franz-Xaver (1990): Zukunft der Familie. Stabilität, Stabilitätsrisiken und Wandel der
familialen Lebensformen sowie ihre gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, München
Marbach, Jan H. (2003): Familiale Lebensformen im Wandel. In: Walter Bien, Jan Marbach (Hrsg.)
Partnerschaft und Familiengründung. Ergebnisse der dritten Welle des Familien-Suvey. DJI:
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