DJI Kinderpanel Markus Teubner Familie und Familienleben Deskription der Daten der ersten Welle Deutsche Jugendinstitut e.V. Nockherstr. 2 81541 München Telefon: +49(0)89 62306-0 Fax: +49(0)89 62306-162 www.dji.de 1 Inhaltsverzeichnis Seite Kurzinfo zur Studie 2 1 In welchen Familien leben die Kinder des DJI-Kinderpanels? 3 1.1 Partnerschaftsform 4 1.2 Familienform 8 2 Freizeitaktivitäten der Kinder 10 2.1 Wie aktiv sind Kinder? 12 2.2 Häusliche und außerhäusliche Aktivitäten 14 3 Konflikte aus Mütter-, Kinder- und Vätersicht 17 3.1 Konfliktursachen aus Mütter-, Kinder- und Vätersicht 19 3.2 Eltern-Kind-Konflikte bei Vorschul- und Grundschulkindern 22 aus Sicht der Eltern 3.3 Ursachen für Eltern-Kind-Konflikte bei Vorschul- und Grundschulkindern 23 aus Sicht von Müttern und Vätern 4 Familienklima: Wie wohl fühlen sich Eltern und Kinder in ihren Familien? 26 4.1 Familienklima aus Sicht der Mütter 27 4.2 Familienklima aus Sicht der Väter 28 4.3 Familienklima aus Sicht der Kinder 29 5 Familien mit und ohne Migrationshintergrund 30 5.1 Familienformen deutscher und ausländischer Kinder 32 5.2 Freizeitaktivitäten deutscher und ausländischer Kinder 34 5.3 Konflikte in Familien mit und ohne Migrationshintergrund 35 5.4 Das Familienklima in deutschen und ausländischen Familien 38 6 Fazit 39 Literaturverzeichnis 41 2 Kurzinfo zur Studie Das DJI-Kinderpanel ist eine auf drei Jahre angelegte quantitative Längsschnittuntersuchung, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert und vom Deutschen Jugendinstitut durchgeführt wird. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie wachsen Kinder heute auf? Was fördert Kinder in ihrer psychosozialen Entwicklung bzw. welche Risikofaktoren sind für die Kompetenzentwicklung von Kindern von Bedeutung? Von zentralem Forschungsinteresse sind dabei die Lebensbereiche Familie, Gleichaltrigengruppe der Kinder (Peers) und Institutionen wie Kindergarten, Schule oder Hort. Sie werden als wichtige Sozialisationsinstanzen angesehen. Dabei versucht das Design des Kinderpanel zwei Blickwinkel miteinander zu verknüpfen: Die Informationen des Kinderpanels sollen einerseits als Beitrag zu einer Sozialberichterstattung über Kinder genutzt werden. Andererseits sollen Einflüsse unterschiedlicher Lebenslagen auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern nachgezeichnet werden. Die Entwicklungsprozesse werden im Zusammenhang mit den Übergängen vom Kindergarten in die Grundschule sowie von der Grundschule in die Sekundarstufe I untersucht. Zu diesem Zweck wurden im Herbst 2002 insgesamt 2190 Mütter befragt, etwa die Hälfte davon mit Kindern zwischen 5 und 6 Jahren und die andere Hälfte mit Kindern der Altersgruppe 8 bis 9 Jahren. Die älteren Kinder sind ebenfalls interviewt worden. Die Teilnahme der Väter war bei beiden Kohorten optional, so dass die Perspektive der Mutter auf ihre Familie nicht in jedem Fall durch die des Vaters komplettiert ist. Festzuhalten ist, dass die erste Welle des DJI-Kinderpanels auf zwei bundesweit repräsentativen Kohortenstichproben basiert, nämlich für Kinder im letzten Kindergartenjahr (5- bis 6Jährige) und für Kinder, die die dritte Grundschulklasse besuchen (8- bis 9-Jährige)1. Tabelle 1: Stichprobe DJI-Kinderpanel erste Welle: Anzahl interviewter Mütter, Kinder und Väter Mütter Kinder Väter 1148* -- 678 (8- bis 9-Jährige) 1042** 1042 658 Gesamt 2190 1042 1136 Erste Kohorte (5- bis 6-Jährige) Zweite Kohorte * inklusive 8 allein erziehender Väter ** inklusive 11 allein erziehender Väter Quelle DJI, 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Ziel dieses Papiers ist es, einen schnellen, aktuellen und informativen Überblick über die Daten der ersten Welle des DJI-Kinderpanels im Bereich Familie zu geben. Für Kinder im Alter zwischen 5 und 9 Jahren ist die Familie (neben Kindergarten und Schule) zweifellos der wichtigste Sozialisationsraum. Mit den jetzt vorliegenden Daten können zwar noch keine Aussagen über die Bedeutsamkeit familialer 1 Eine ausführliche Stichprobenbeschreibung findet sich im Papier von Alt/Quellenberg (Methoden Daten und Design) 3 Strukturen auf die psychosoziale Entwicklung von Kindern getroffen werden. Hierfür benötigt man längsschnittliche Daten, wie sie die zweite und dritte Welle des Kinderpanels in den nächsten beiden Jahren liefern werden. Ziel dieses Papiers ist es, verschiedene Aspekte von Familie detailliert zu beschreiben - wie bspw. Partnerschaftsformen, das innerfamiliale Klima, die Freizeitaktivitäten von Kindern etc. -, um damit Klarheit über die Ausgangsbedingungen für die Entwicklung der Kinder zu gewinnen. Weitere Überblicksartikel liegen zu folgenden Themen vor: 1. Einbettung des DJI-Kinderpanels in die nationale und internationale Forschungslandschaft, 2. Methoden, Daten und Design, 3. Interviewer und Befragte 4. Kinderbetreuung zwischen Institutionen und privaten Betreuungsarrangements, 5. Zur Bedeutung der ökonomischen Situation des Haushaltes 6. Schule als Lebensbereich von Kindern, 7. Die Welt der Gleichaltrigen, 8. Soziale Netzwerke von 8- bis 9-Jährigen 9. Die soziale Integration von Kindern im Freundeskreis 10. Lachen, Weinen, Ärgern: Die Gefühlswelt der Kinder, 11. Gesundheit von Kindern. 1 In welchen Familien leben die Kinder des DJI-Kinderpanels? Spätestens seit Mitte der 1980er Jahre wird in Deutschland eine intensive Diskussion über den Wandel der Familie geführt. Angesichts der fortschreitenden gesellschaftlichen Modernisierung wurde immer stärker die These von der Pluralisierung bzw. Diversifizierung familialer Lebensformen vertreten (Beck 1986; Kaufmann 1990, Marbach 2003). Manche sahen wegen sinkender Geburtenzahlen und einer Zunahme der Ehescheidungen bereits das Ende der Familie gekommen. Tatsache ist, dass der gesellschaftliche Wandel die Lebenswelt von Kindern innerhalb und außerhalb der Familie verändert hat. Deutlich wird dies bspw. an der steigenden Zahl von Ehescheidungen, die in den letzen zehn Jahren um rund 40% zugenommen hat (BMFSFJ 2003, S. 81) oder an der aktuellen Diskussion zur Ganztagsbetreuung von Kleinkindern. Wie sehen nun die Familien aus, in denen Kinder im Alter zwischen 5 und 9 heute aufwachsen, welche Strukturen weisen sie auf? Ein in diesem Zusammenhang von der amtlichen Statistik häufig verwendeter Indikator ist der Familienstand der Mutter. 4 Abb. 1: Kinder im Alter zwischen 5 und 9 Jahren nach Familienstand der Mutter in West- und Ostdeutschland (Angaben in Prozent) 100 82 80 67 60 40 17 20 5 6 6 10 5 1 1 0 West verheiratet verh./getrenntlebend Ost ledig geschieden verwitwet Fälle N = 2189, Westdeutschland N = 1857, Ostdeutschland N = 332, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Wie Abbildung 1 zeigt, sind Familie und Ehe auch heute noch eng aneinander gebunden, wobei aber markante Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland feststellbar sind. Zwar lebt auch in Ostdeutschland die Mehrheit der Kinder bei verheirateten Eltern. Mit 67% sind dies aber deutlich weniger als im Westen. Bemerkenswert ist, dass in Ostdeutschland 17% der Kinder bei ledigen Müttern aufwachsen, während es in Westdeutschland nur 6% sind. Dagegen werden heutzutage Kinder in West- wie Ostdeutschland (zumindest bis zum Alter von 9 Jahren) praktisch nicht mehr vom Tod eines Elternteils betroffen. In unserer Stichprobe lebt nur 1% der Kinder bei verwitweten Müttern. Ähnliche Differenzen wie zwischen West- und Ostdeutschland lassen sich auch zwischen städtischen und ländliche Regionen feststellen, wobei der Zusammenhang hier weniger stark ist. In urbanen Zentren wachsen Kinder häufiger bei ledigen oder geschiedenen Müttern auf, während in ländlichen Regionen Familie und Ehe stärker aneinander gekoppelt. 1.1 Partnerschaftsform Die Partnerschaftsform der Eltern, ist ein weiteres wesentliches Strukturmerkmal von Familien, das für die Entwicklungschancen von Kindern wahrscheinlich von höhere Bedeutsamkeit ist, als der Familienstand. Mütter und Väter, die im Alltag zusammenleben, können sich bei der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder gegenseitig unterstützen, sie können Verantwortung teilen etc., während allein erziehende Eltern in stärkerem Maße auf sich verwiesen sind. Auf der anderen Seite stellen dauerhafte Konflikte zwischen den Eltern Belastungen für Kinder dar, die mitunter so stark sind, dass die Trennung der Eltern mit Vorteilen für die Entwicklung der Kinder verbunden sein kann (Walper/ Schwarz 2002, S. 13). 5 In Anlehnung an die amtliche Statistik unterscheiden wir drei Partnerschaftsformen: Erstens verheiratete Eltern, zweitens Eltern, die eine nichteheliche Lebensgemeinschaft (NEL) führen, die also unverheiratet zusammenleben und drittens Alleinerziehende. Die Gruppe der allein erziehenden Eltern setzt sich aus zwei Untergruppen zusammen, nämlich aus Personen, die keinen festen Partner haben und solchen, die einen Partner haben, mit dem sie aber nicht oder nur am Wochenende zusammenleben. Abb. 2: Partnerschaftsformen von Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren in Westund Ostdeutschland (Angaben in Prozent) 100 82 80 67 60 40 20 15 12 18 6 0 West Ost Ehe NEL Alleinerziehend Fälle N = 2189, Westdeutschland N = 1857, Ostdeutschland N = 332, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Wie schon beim Familienstand zeigen sich auch bei der Partnerschaftsform signifikante Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. Während in Westdeutschland lediglich 18% der Familien auf einer von der Ehe abweichenden Partnerschaftsform basieren, tun dies in Ostdeutschland ein Drittel aller Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren und damit doppelt so viele wie im Westen. Auffallend ist in Ostdeutschland der mehr als doppelt so hohe Anteil nichtehelicher Lebensgemeinschaften und der deutlich höhere Anteil Alleinerziehender. Bei diesen Zahlen handelt es sich um eine Momentaufnahme. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten beiden Jahren ein Teil der Eltern sich trennen bzw. scheiden lassen wird, und dass einige allein erziehende Mütter und Väter neue Partnerschaften oder Ehen eingehen werden. Ein wichtiger Einfluss für die Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern geht von der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Region aus, in der die Kinder mit ihren Familien leben. Wirtschaftlich prosperierende Kommunen haben größere finanzielle Möglichkeiten, sie verfügen i.d.R. über eine bessere Infrastruktur und können mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr, Kindergärten, Spielplätze etc. aufwenden als wirtschaftlich schwache Kommunen.2 2 Um Analysen zu diesem sozial-geografischen Aspekt vornehmen zu können, wurde ein Indikator entwickelt, der auf Kreisebene anhand der Bildungssituation (Abiturientenquote minus Schulabgängerquote ohne Abschluss), der Arbeitslosenquote sowie der Quote von Sozialhilfeempfängern und der Finanzkraft der Kommunen (Verhältnis der kommunalen Schulen zu den Einahmen) zwischen belasteten, durchschnittlichen 6 Verheiratete Familien, nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende verteilen sich nicht gleichmäßig über die Regionen. Wie Abbildung 3 zeigt, lassen sich statistisch signifikante Unterschiede in Abhängigkeit von der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Region feststellen. In sozial und wirtschaftlich starken Regionen ist der Anteil von Ehen besonders hoch, während in schwächeren Gegenden der Anteil Alleinerziehender und nichtehelicher Lebensgemeinschaften deutlich erhöht ist. So ist bspw. der Anteil nichtehelicher Lebensgemeinschaften in belasteten Regionen zweieinhalb mal höher als in Gegenden mit einer sozial und wirtschaftlich privilegierten Lage. Abb. 3: Partnerschaftsformen von Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren nach der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Region (Angaben in Prozent) 100 80 84 81 73 60 40 20 17 11 10 8 belastete Region durchschnittliche Region 4 12 0 Ehe NEL priviligierte Region Alleinerziehend Fälle N = 2101, belastete Region N = 597, durchschnittliche Region N = 802, privilegierte Region N= 684, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Ein ähnliches Muster zeigt sich auch im Stadt-Land-Vergleich. In urbanen Zentren ist der Anteil Alleinerziehender und nichtehelicher Lebensgemeinschaften höher als in weniger verdichteten Regionen oder auf dem Lande. Allerdings ist dieser Zusammenhang nur in Westdeutschland signifikant. Neben den eben beschriebenen regionalen Differenzen unterscheiden sich verheiratete Familien, nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende auch nach der Familiengröße. Um eine Vergleichbarkeit von Alleinerziehenden und Paarfamilien zu gewährleisten, wird als Indikator die Zahl der im Haushalt lebenden Kinder herangezogen. sowie sozial und wirtschaftlich privilegierten Regionen unterscheidet. Eine ausführliche Beschreibung des Indikators findet sich im Papier von Alt/Quellenberg (Methoden, Daten und Design). 7 Abb. 4: Partnerschaftsformen von Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren nach Zahl der im Haushalt lebenden Kinder unter 15 Jahren (Angaben in Prozent) 60 54 46 40 39 40 20 46 20 19 12 7 12 3 2 0 Ehe ein Kind NEL zwei Kinder drei Kinder Alleinerziehend vier und mehr Kinder Fälle N = 2188, Ehe N = 1741, NEL N = 155, Alleinerziehend N= 292, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Wie Abbildung 4 zeigt, haben Zwei-Eltern-Familien heutzutage i.d.R. zwei Kinder. Dies trifft in unserer Stichprobe auf gut die Hälfte der verheirateten Paare (54%) zu und auf annähernd jede zweite nichteheliche Lebensgemeinschaft (46%). Bei Alleinerziehenden dominieren dagegen Familien mit einem Kind. "Nur" ein Kind hat annähernd jede zweite Einelternfamilie, aber nur gut jeder dritte nichtehelichen Lebensgemeinschaft und von den verheirateten Familie ist es gar nur jede fünfte. Drei und mehr Kinder haben dagegen 25% der verheirateten Paare, aber nur 15% aller nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Alleinerziehenden. Die unterschiedliche Familiengröße zeigt sich auch an der durchschnittlichen Kinderzahl. Verheiratete Familien sind mit durchschnittlich 2,1 Kindern unter 15 Jahren signifikant größer als nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende, die im Durchschnitt 1,7 Kinder haben. Interessanterweise gleichen sich in Westdeutschland nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende, während in Ostdeutschland verheiratete Familien und nichteheliche Lebensgemeinschaften durchschnittlich gleich viele Kinder haben.3 3 Dass die durchschnittliche Kinderzahl in unserer Stichprobe deutlich über der oft zitierten total fertility rate von gegenwärtig 1,3 Kindern liegt, kann nicht überraschen. Die total fertility rate gibt die durchschnittliche Kinderzahl für alle Frauen im gebärfähigen Alter wieder, unabhängig davon ob sie Kinder haben oder nicht. Dagegen enthält die Stichprobe des DJI-Kinderpanels nur Familien mit mindestens einem Kind. 8 1.2 Familienform Angesichts der seit nunmehr 30 Jahren steigenden Zahl von Ehescheidungen und dem hohen Anteil nichtehelicher Geburten - in Ostdeutschland wird mittlerweile über die Hälfte aller Kinder außerhalb einer Ehe geboren (BMFSFJ 2003, S. 78) - wächst eine zunehmende Zahl von Kindern nicht mehr mit beiden leiblichen Eltern auf, sondern erlebt im Verlauf der Kindheit eine Reorganisation ihrer Familienstrukturen. Sie wechselt in eine Ein-Eltern-Familie oder Stieffamilie.4 Anders als die amtliche Statistik bietet das DJI-Kinderpanel die Möglichkeit zwischen Kernfamilien (mit ausschließlich gemeinsamen leiblichen Kindern), Stieffamilien, Pflege- und Adoptivfamilien zu differenzieren. Die Forschungsergebnisse zu den Entwicklungsbedingungen von Kindern in unterschiedlichen Familienformen sind widersprüchlich. Während ressourcenorientierte Ansätze Vorteile von Stieffamilien vor allem im Vergleich zu Ein-Eltern-Familien betonen (Amato 1993, S. 26 ff.) zeigen Untersuchungen zur Schulsituation, dass Stiefkinder offenbar mit mehr Schwierigkeiten konfrontiert sind als Kinder aus anderen Familienformen (Hartl 2002, S. 157 ff.). Für die Auswertungen zur Familienform wurde ein Konstrukt gebildet, das unter Berücksichtigung aller im Haushalt lebenden Kinder und der Partnerschaftsform der Eltern zwischen verheirateten bzw. nichtehelichen Kern- und Stieffamilien sowie Alleinerziehenden differenziert.5 Von den Familien mit Kindern im Alter zwischen 5 und 9 Jahren sind 77% Kernfamilien. Bei der ganz überwiegenden Mehrheit dieser Kernfamilien (74%) sind die Eltern verheiratet. Nur 3% führen eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Ganz anders stellt sich die Situation für Stieffamilien dar. Rund jede zehnte Familie ist eine Stieffamilie. Hier lebt mindestens ein Kind, das nicht leibliches Kind beider Eltern bzw. Partner ist. Nur knapp über die Hälfte der Stieffamilien ist verheiratet. Bei immerhin 40% führen die Eltern eine nichteheliche Lebensgemeinschaft.6 Bei 13% der Familien wachsen die Kinder aktuell bei einem allein erziehenden Elternteil auf. Eine Reorganisation der Familie in Folge von Trennung, Scheidung, neuer Partnerschaft oder Heirat haben insgesamt 23% der von uns befragten Familien erfahren (Stieffamilien 10% und Alleinerziehende 13%) . 4 Schwarz schätzt, dass von den zwischen 1974 und 1976 geborenen Kindern im Alter von 15 bis 17 Jahren rund 25 % nicht mehr mit beiden leiblichen Eltern zusammen leben (Schwarz 1999, S. 246) 5 Die Gruppe der Stieffamilien setzt sich zusammen aus 194 Familien mit mindestens einem Stiefkind im Haushalt, 7 Adoptivfamilien, 10 Familien mit Pflegekindern und 3 Familien mit sonstigen Kindern. 6 Diese Ergebnisse decken sich mit Zahlen des DJI Familien-Surveys (Teubner 2002, S. 39 ff.) 9 Abb. 5: Familienformen von Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren in West- und Ostdeutschland (Angaben in Prozent) 80 76 60 60 40 20 6 3 3 12 6 7 9 18 0 West Ost Ehel. Kernfamilie Ehel. Stieffamilie Nel Stieffamilie Alleinerziehend Nel Kernfamilie Fälle N = 2143, Ehel. Kernfamilie N = 1581, Ehel. Stieffamilie N = 130 Nel Kernfamilie N = 68, Nel Stieffamilie N = 84 Alleinerziehend N= 280, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Auch bei der Familienform zeigen sich charakteristische Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland (vgl. Abb. 5). Auffallend ist einerseits der in Ostdeutschland deutlich niedrigere Anteil verheirateter Kernfamilien (60% vs. 76%) und andererseits der vergleichsweise hohe Anteil nichtehelicher Kern- und vor allem Stieffamilien. Während in unserer Stichprobe etwa jede fünfte westdeutsche Familie eine Reorganisation erlebt hat, trifft dies in Ostdeutschland auf rund jede dritte Familie zu. Analysen zur regionalen Verteilung der Familienformen stützen die bisherigen Ergebnisse (vgl. Abb. 3). Verheiratete Familien leben überproportional häufig in sozial und wirtschaftlich privilegierten Gegenden, wobei sich Stieffamilien nicht von Kernfamilien unterscheiden. Nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende sind dagegen in belasteten Regionen überrepräsentiert, wobei sich ebenfalls keine substantiellen Unterschiede zwischen nichtehelichen Kern- und Stieffamilien feststellen lassen. 10 Durchschnittliche Kinderzahl Abb. 6: Familien mit Kindern zwischen 5 und 9 Jahren nach der durchschnittlichen Zahl der Kinder unter 15 Jahren im Haushalt lebend 2,5 2 2,1 2,2 1,9 1,6 1,5 1,7 1 0,5 0 Ehel. Kernfamilie Ehel. Stieffamilie Nel Stieffamilie Alleinerziehend Nel Kernfamilie Fälle N = 2143, Ehel. Kernfamilie N = 1581, Ehel. Stieffamilie N = 130 Nel Kernfamilie N = 68, Nel Stieffamilie N = 84, Alleinerziehend N= 280 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Auch bei der Familiengröße bestätigen sich weitgehend die bisherigen Analysen (vgl. Abb.6). Verheiratete Kern- wie auch Stieffamilien haben mit durchschnittlich 2,1 bzw. 2,2 Kindern unter 15 Jahren die kinderreichsten Familien und unterscheiden sich nicht signifikant voneinander. Bedeutsame Größenunterschiede zeigen sich hingegen bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Hier haben Stieffamilien mit durchschnittlich 1,9 Kindern 0,3 Kinder mehr als Kernfamilien. Nichteheliche Stieffamilien sind aber signifikant kleiner als verheiratete Stieffamilien. Bei Alleinerziehenden leben durchschnittlich 1,7 Kinder unter 15 Jahren. Was die Kinderzahl betrifft sind Alleinerziehende damit praktisch gleich groß wie nichteheliche Kernfamilien. In Abhängigkeit vom Alter der Kinder zeigen sich keine Unterschiede. 2 Freizeitaktivitäten der Kinder Im DJI-Kinderpanel werden Kinder der älteren Geburtskohorte (8- bis 9-Jährige) und Mütter als Stellvertreter für Kinder der jüngeren Kohorte (5- bis 6-Jährige) nach Aktivitäten gefragt, die die Kinder in ihrer Freizeit unternehmen. Zum einen geht es darum festzustellen, welche Aktivitäten Kinder heute tatsächlich ausüben und zum anderen soll geklärt werden, mit wem Kinder welche Aktivitäten unternehmen. Was machen Kinder i.d.R. alleine, wann ist die Familie als Spielpartner gefragt und bei welchen Aktivitäten spielen Freunde eine wichtige Rolle? In der ersten Welle wurden insgesamt sechs unterschiedliche Aktivitäten erfragt (Spielkonsole/PC-Spiele, Videos/Fernsehen, sportliche Aktivitäten, Kino/Theater/Museum, Spielen von Musikinstrumenten, Ausflüge/Fahrradtouren) und geklärt, wie häufig das Kind die jeweilige Aktivität alleine macht, wie oft sie diese mit Freunden, Geschwistern, Vater, Mutter oder Großeltern unternimmt. 11 Welche Aktivitäten üben Kinder in ihrer Freizeit aus? Die mit Abstand am häufigsten genannte Sache ist Fernsehen. Nahezu alle Kinder (95%) sehen in ihrer Freizeit fern oder schauen Videos. Dieser hohe Prozentsatz lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die Art des Fernsehkonsums zu, weder wie viel Zeit die Kinder vor dem Fernsehapparat verbringen, noch welche Sendungen gesehen werden. Auf Platz zwei und drei folgen klassische Freizeitaktivitäten wie Ausflüge/Fahrradtouren (83%) und sportliche Aktivitäten wie Ballspielen, Skaten oder Schwimmen etc. (81%). Am vierthäufigsten werden kulturelle Aktivitäten wie ins Kino gehen, Museumsbesuche etc. genannt. Dies tun immerhin 67% aller Kinder. Mit Computerspielen (Nintendo Playstation etc.) beschäftigen sich 55%. Die mit Abstand am seltensten genannte Aktivität ist das Musizieren. 28% der Kinder geben an, dass sie in ihrer Freizeit ein Instrument spielen. Abb. 7: Freizeitaktivitäten von Kindern im Alter von 5 bis 6 und 8 bis 9 Jahren (Angaben in Prozent) 100 98 96 80 80 89 87 86 81 71 58 60 41 41 40 19 20 0 5- bis 6-Jährige Fernsehen Sport Ausflüge 8- bis 9-Jährige Kino/Museum PC-Spiele Musizieren Fälle N = 2190, 8- bis 9-Jährige N = 1042, 5- bis 6-Jährige N = 1148 (Mehrfachantworten möglich) Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Wie Abbildung 7 zeigt, ist die Rangfolge der Aktivitäten bei beiden Kohorten nahezu identisch. Dinge die von einem Großteil der Grundschulkinder (8- bis 9-Jährige) gemacht werden, tun auch viele der Vorschulkinder (5- bis 6-Jährige) und umgekehrt: Aktivitäten, die nur wenige der älteren Kinder ausüben, werden auch nur von wenigen der jungen Kinder gemacht. Lediglich zwischen Sport und Ausflügen zeigt sich eine Diskrepanz in der Rangfolge. Während Grundschulkinder Sport am zweit häufigsten nennen, gefolgt von Ausflügen, ist es bei den Vorschulkindern umgekehrt. Die 5- bis 6Jährigen machen eher Ausflüge, als dass sie Sport treiben. Signifikante Alterseffekte zeigen sich bei den drei am seltensten ausgeübten Aktivitäten. Die 8- bis 9jährigen Kinder gehen eher ins Kino bzw. Museum, machen eher PC-Spiele als Kinder im Vorschulalter. Auch kann kaum überraschen, dass der Anteil derer, die ein Musikinstrument spielen unter den älteren Kindern deutlich höher ist, als unter den 5- bis 6-Jährigen. 12 Auch in Hinblick auf regionale Aspekte (West/Ost-Vergleich, wirtschaftliche und soziale Lage der Region) unterscheiden sich Kinder kaum in ihren Aktivitäten. Signifikante Differenzen zeigen sich lediglich bei sportlichen und kulturellen Aktivitäten. In Westdeutschland treiben mehr Kinder Sport (82% vs. 74%), während in Ostdeutschland der Anteil von Kindern, die ins Kino oder Museum gehen, höher ist (77% vs. 65%). Dieses Muster zeigt sich bei Kindern beider Kohorten. 2.1 Wie aktiv sind Kinder? Im Kinderpanel fehlen objektive Informationen darüber, wie oft bzw. wie lange Kinder bestimmte Aktivitäten ausüben. Man weiß zwar ob jemand bspw. Fußball spielt, nicht aber, ob er dies einmal oder mehrmals die Woche für eine halbe oder drei Stunden tut. Als Indikator dient deshalb die Anzahl der ausgeübten Aktivitäten. Die ganz überwiegende Mehrheit der befragten Kinder ist in ihrer Freizeit auf mehreren Gebieten aktiv. Lediglich 2% üben keine der sechs zur Wahl stehenden Aktivitäten aus. Die meisten Kinder (45%) machen drei oder vier Aktivitäten, und 42% geben an, mindestens fünf Aktivitäten auszuüben. Im Durchschnitt werden von den Kindern vier Aktivitäten genannt. Statistisch signifikante Unterschiede zeigen sich zwischen Vorschul- und Grundschulkindern (vgl. Abb. 8). Kinder der älteren Kohorte sind insgesamt betrachtet aktiver als die jüngeren Kinder. Von den 8bis 9-Jährigen geben 4% an, weniger als drei Aktivitäten zu betreiben, während dies auf 17% der Vorschulkinder zutrifft. Auf der anderen Seite gehen 60% der Grundschulkinder mehr als vier Aktivitäten nach, während es von den jüngeren 27% sind. Dass Kinder im Grundschulalter durchschnittlich eine Aktivität mehr nennen als die 5- bis 6-Jährigen kann, angesichts ihres größeren Aktionsradius und dem höheren Maß an Autonomie kaum überraschen. 13 Abb. 8: Anzahl der Freizeitaktivitäten von Kindern zwischen 5 bis 6 und 8 bis 9 Jahren (Angaben in Prozent) 80 60 56 60 36 40 27 20 13 4 4 0,2 0 5- bis 6-Jährige keine Aktivität 8- bis 9-Jährige 1-2 Aktivitäten 3-4 Aktivitäten mehr als 4 Aktivitäten Fälle N = 2190, 5- bis 6-Jährige N = 1148, 8- bis 9-Jährige N = 1042, p < .001, Phi = .36 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Unterschiede bei der Anzahl der Freizeitaktivitäten zeigen sich auch zwischen Kindern aus verschiedenen sozialen Schichten. Mit dem sozioökonomischen Status der Familie steigt die Zahl der Freizeitaktivitäten des Kindes. Wie Abbildung 9 zeigt, gibt jedes sechste Kind (16%) aus niedrigen Schichten an, weniger als drei Aktivitäten in seiner Freizeit auszuüben. Von den Kindern aus mittleren und höheren Schichten tut dies knapp jedes zehnte Kind (9%). Dagegen nennen mehr als vier Freizeitaktivitäten 48% der Kinder aus höheren Schichten, 44% der Kinder aus mittleren Schichten aber nur 34% der Kinder aus Familien der unteren sozialen Schichten. Abb. 9: Anzahl der Freizeitaktivitäten von Kindern zwischen 5 und 9 Jahren in Abhängigkeit des sozialen Status der Familie (Angaben in Prozent) 60 50 40 47 48 44 43 34 20 15 7 6 1 2 3 niedrige Schicht mittlere Schicht höhere Schicht 0 keine Aktivitäten 1-2 Aktivitäten 3-4 Aktivitäten mehr als 4 Aktivitäten Fälle N = 2190, niedrige Schicht N = 727, mittlere Schicht N = 692, höhere Schicht N = 771, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen 14 Keinen Einfluss auf die Anzahl der Freizeitaktivitäten hat das Geschlecht. Im Durchschnitt üben Mädchen wie Jungen vier Aktivitäten aus. Auch für Kinder aus wirtschaftlich starken bzw. schwachen Regionen zeigen sich keine Differenzen bezüglich der Freizeitaktivitäten. Gleiches gilt für die Familienform. Was die Anzahl der Aktivitäten betrifft, unterscheiden sich weder Kinder aus Kernfamilien, Stieffamilien und von Alleinerziehenden noch lassen sich Unterschiede zwischen Kindern aus Ehen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften feststellen. 2.2 Häusliche und außerhäusliche Aktivitäten Die insgesamt sechs zur Auswahl stehenden Aktivitäten lassen sich faktorenanalytisch zu drei Dimensionen verdichten. 1. Aktivitäten im Haus (Fernsehen, PC-Spiele, Musizieren), 2. Aktivitäten außer Haus (Sport, Ausflüge), 3. kulturelle Aktivitäten (Kino, Museum, Theater). Da kulturelle Aktivitäten nur bei den Schulkindern einen eigenen Faktor bilden, wird an dieser Stelle auf weiterführende Analysen zu kulturellen Aktivitäten verzichtet. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird nachfolgend der Fernsehkonsum von Kindern - als typische häusliche Aktivität - und Sport - als typische außerhäusliche Aktivität - näher beschrieben. Geht man der Frage nach, mit wem Kinder Dinge zu Hause machen und mit welchen Personen Kinder oft im Freien spielen, so zeigen sich charakteristische Unterschiede zwischen häuslichen und außerhäuslichen Aktivitäten. Abb. 10: Personen, mit denen Kinder zwischen 5 und 9 Jahren oft Fernsehen bzw. oft Sport treiben (Angaben in Prozent) 80 60 60 40 40 31 27 37 25 22 20 7 0 Fernsehen alleine Sport treiben Freunde Großeltern Familie Fernsehen N = 2190, Sport treiben N = 2190, Mehrfachnennungen möglich Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen In erster Linie sehen Kinder im Kreis der Familie fern. 60% geben an, dass sie oft zusammen mit Mutter, Vater oder Geschwistern fernsehen. Fast jedes dritte Kind sieht häufig alleine fern und 27% sitzen oft mit Freunden vor dem Fernseher. Dagegen spielen Großeltern beim Fernsehen eine 15 untergeordnete Rolle. Nur 7% der Kinder sehen häufig zusammen mit ihrem Großvater oder ihrer Großmutter fern. Ein völlig anderes Muster bzgl. der Interaktionspartner zeigt sich für außerhäusliche Aktivitäten wie Ballspiele, Skaten oder Schwimmen. Hier haben Kinder keinen so vorrangigen Interaktionspartner, wie es die Familie im Fall des Fernsehens ist. Kinder treiben vor allem mit Freunden Sport (40%) gefolgt von der Familie (37%). Jedes vierte Kind gibt an, dass es oft zusammen mit den Großeltern Sport treibt und gut jedes fünfte Kind ist (auch) alleine oft sportlich aktiv. Vergleicht man die Aktivitäten "Sport" und "Fernsehen" so fällt auf, dass im Fall des Fernsehens vor allem Mitglieder des eigenen Haushalts als häufige Mitseher genannt werden (das Kind selbst bzw. Eltern oder Geschwister), während im Fall sportlicher Aktivitäten häufiger Personen außerhalb des eigenen Haushalts als wichtige Interaktions- bzw. Spielpartner genannt werden. Statistisch signifikante Unterschiede lassen sich zwischen jüngerer und älterer Kinderkohorte feststellen. Dies trifft sowohl auf das Fernsehen als auch auf sportliche Aktivitäten zu. Abb. 11: Personen, mit denen Kinder oft fernsehen nach Alterskohorten der Kinder (Angaben in Prozent) 80 64 55 60 36 40 38 24 16 20 9 5 0 5- bis 6-Jährige alleine 8- bis 9-Jährige Freunde Großeltern Familie 5- bis 6-Jährige N = 1148, 8- bis 9-Jährige N = 1042, p < .001 Mehrfachnennungen möglich Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Sowohl für Kinder im Grundschulalter wie auch für Vorschulkinder sind Mutter, Vater und Geschwister die am häufigsten genannte Personengruppe, wenn es darum geht, mit wem oft ferngesehen wird. Allerdings ist der Anteil der Kinder, der oft mit der Familie vor dem Fernsehapparat sitzt, unter den 8bis 9-Jährigen höher als unter den Vorschulkindern (64% vs. 55%). Gleiches gilt für Kinder, die oft alleine fernsehen. 38% der Schulkinder geben an, oft alleine fernzusehen, während es von den 5- bis 6-Jährigen 25% sind. Dass ältere Kinder eher alleine fernsehen, war zu erwarten. Dass selbst nach Auskunft der Mutter jedes vierte Kind im Vorschulalter oft alleine vor dem Fernsehapparat sitzt überrascht. Die zweite und dritte Welle werden zeigen, welche Auswirkungen diese Art des Fernseh- 16 konsums für die Entwicklung von Kindern hat. Interessant ist, das Vorschulkinder häufiger mit Freunden fernsehen als Kinder im Grundschulalter. Von den 5- bis 6-Jährigen geben 36% an, dass sie oft mit Freunden fernsehen, während es von den 8- bis 9-Jährigen nur 16% sind. Neben dem Alter der Kinder wird das Fernsehverhalten auch von der Anzahl der Geschwister beeinflusst. Im Vergleich zu Kindern, die mit Geschwistern aufwachsen, sehen Einzelkinder häufiger alleine fern, aber auch mit Freunden. Dagegen ist der Anteil von Kindern, der oft im Kreis der Familie fernsieht, unter Geschwisterkindern höher als unter Einzelkindern. Statistisch signifikante Zusammenhänge zeigen sich auch in Verbindung mit dem sozioökonomischen Status der Familie. Der Anteil von Kindern, der oft alleine bzw. mit Freunden vor dem Fernsehapparat sitzt, ist in niedrigen sozialen Schichten nahezu doppelt so hoch wie in höheren Schichten. Dagegen hat der sozioökonomische Status keinen Einfluss, was das Fernsehen zusammen mit der Familie und den Großeltern betrifft. Darüber hinaus zeigen sich weder regionale Unterschiede noch hat die Erwerbstätigkeit der Mutter einen Einfluss auf das Fernsehverhalten der Kinder. Auch Jungen und Mädchen unterscheiden sich nicht wesentlich bzgl. der Personen mit denen sie oft zusammen fernsehen. Allerdings zeigen unsere Daten, dass Kinder Alleinerziehender tendenziell seltener im Kreis der Familie fernsehen als Kinder, die mit beiden Elternteilen zusammenleben. Abb. 12: Personen, mit denen Kinder oft Sport treiben nach Alterskohorten der Kinder (Angaben in Prozent) 80 59 60 46 40 40 33 23 23 20 20 2 0 5- bis 6-Jährige alleine 8- bis 9-Jährige Freunde Großeltern Familie Alle Kinder N = 2190, 5- bis 6-Jährige 8- bis 9-Jährige N = 1042, N = 1148, p < .001 Mehrfachnennungen möglich Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Über die Hälfte der Grundschüler machen oft Sport mit ihren Freunden (59%). Von den Kindern im Vorschulalter sind es dagegen nur knapp ein Viertel (23%). Ganz anders sieht die Verteilung aus, wenn man die Großeltern betrachtet. Wenn es darum geht, sportliche Aktivitäten zu unternehmen sind Großeltern für die 5- bis 6- Jährigen sehr wichtig (46%), während sie von der älteren Kohorte fast nicht als häufige Interaktionspartner genannt werden (2%). Dieses sehr disparate Aktionsmuster ist vor allem auf ein unterschiedliches Maß an Autonomie zurückzuführen. Während Grundschüler eher mit 17 Freunden losziehen dürfen, um Fußball etc. zu spielen, stehen Vorschulkinder stärker unter Aufsicht der Eltern, Geschwister oder eben Großeltern. Abgesehen von den Alterskohorten zeigen sich auch zwischen Kindern in West- und Ostdeutschland Unterschiede. Der Anteil von Kindern, der oft alleine bzw. mit den Großeltern oder der Familie sportliche Aktivitäten unternimmt, ist in Westdeutschland höher als im Osten. Darüber hinaus werden außerhäusliche Aktivitäten vom sozialen Status der Familie beeinflusst. Kinder aus statushöheren Familien nennen häufiger Freunde und Familienmitglieder als Spielpartner. Ansonsten lassen sich bzgl. des sozioökonomischen Status keine signifikanten Unterschiede feststellen. Dagegen unternehmen Geschwisterkinder sportliche Aktivitäten wie Rad fahren, Ball spielen etc. häufiger mit der Familie als dies Einzelkinder tun. Wie bereits beim Fernsehen zeigt sich auch beim Sport, dass der Anteil von Kindern, der oft mit den Eltern sportliche Dinge unternimmt unter den Kindern Alleinerziehender tendenziell geringer ist als bei Paarfamilien. Ob es sich dabei tatsächlich um einen eigenständigen Effekt der Partnerschaftsform handelt, oder ob die gefundenen Differenzen auf die unterschiedliche Familiengröße d.h. primär auf die Zahl der Geschwister zurückzuführen ist, muss in weiteren Analysen geklärt werden. 3 Konflikt aus Mutter-, Vater und Kindersicht Im Fragebogen des DJI-Kinderpanel gibt es ein Modul, mit dem Mütter und Väter zu Konflikten mit ihrem Kind gefragt werden. Die Fragen zielen nicht auf gravierende Konflikte oder häusliche Gewalt ab, sondern es werden kleine Streitereien erfasst, wie sie täglich zwischen Eltern und Kindern vorkommen können. Es werden Informationen darüber erhoben, wann es den letzten Konflikt gab, sowie zu Konfliktursachen und Strategien der Konfliktlösung. Das gleiche Modul kommt im Kinderfragebogen zum Einsatz, wobei die 8- bis 9-Jährigen speziell zu Konflikten mit der Mutter gefragt werden. Damit bietet der Datensatz für Familien mit Kindern im Grundschulalter die einmalige Möglichkeit, Eltern-Kind-Konflikte aus drei Perspektiven zu beschreiben, nämlich aus Müttersicht, Vätersicht und Kindersicht. Wie Abbildung 13 zeigt, kommen kleinere, alltägliche Konflikte in fast allen Familien vor. Mütter, Väter und Kinder antworten auf die Frage nach Konflikten sehr ähnlich. Etwas mehr als 90% der Mütter und Väter können sich an Konflikte mit ihren 8- bis 9-jährigen Kindern erinnern, während die Kinder etwas seltener von Konflikten mit der Mutter berichten (86%). 18 Abb. 13: Konflikte zwischen Kindern im Alter von 8 bis 9 Jahren und ihren Eltern aus MutterVater- und Kinderperspektive (Angaben in Prozent) 100 93 92 86 80 60 40 20 14 7 8 0 Mutter Vater ja Kind nein Mütter N = 1013, Väter N = 638, 8- bis 9-jährige Kinder N = 1025 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Worauf diese marginalen Unterschiede zurückzuführen sind, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Denkbar wäre, dass Kinder eine höhere Konflikttoleranz haben und deshalb nicht jede kleine Streiterei, die Eltern als Konflikt betrachten, bereits als solchen wahrnehmen. Ein anderer Erklärungsansatz wäre, dass Kinder gegenüber fremden Interviewern zurückhaltender sind, oder dass die Anwesenheit der Mutter dazu führt, dass Kinder Konflikte eher einmal unerwähnt lassen. Die Tendenz der Kinder, Konflikte eher zu harmonisieren, zeigt sich an mehreren Stellen. Weitere Analysen zeigen kaum signifikante Zusammenhänge mit anderen Variablen. Lediglich beim sozioökonomischen Status der Familie zeigt sich ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang (vgl. Abb. 14). Mütter und Väter aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status berichten etwas häufiger von Konflikten mit ihren Kindern als Eltern aus statusniedrigen Familien. Bei den 8- bis 9jährigen Kindern sind die Unterschiede nicht signifikant. 19 Abb. 14: Konflikte zwischen Kindern im Alter von 8 bis 9 Jahren und ihren Eltern aus MutterVater- und Kinderperspektive in Abhängigkeit des sozialen Status der Familie (Angaben in Prozent) 100 95 94 96 88 93 84 84 85 88 80 60 40 20 0 Mutter niedrige Schicht Vater mittlere Schicht Kind höhere Schicht Mütter N = 1013, p < .001; Väter N = 638, p < .001; 8- bis 9-jährige Kinder N = 1025 , p = n.s. Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Geringe Unterschiede zeigen sich auch in Abhängigkeit von der Kinderzahl und der Erwerbstätigkeit der Frau. In Familien mit zwei und drei Kindern gibt es aus Sicht aller Familienmitglieder eher Alltagskonflikte als in Einkindfamilien und Familien mit vier und mehr Kindern. Auch ist der Anteil von Müttern und Vätern, die über Alltagskonflikte mit ihren Kindern berichten, höher, wenn die Mutter erwerbstätig ist. Allerdings sind die gefundenen Unterschiede gering. Keinen Einfluss auf das Vorhandensein von Alltagskonflikten zwischen Kindern und Eltern hat die außerhäusliche Betreuung von Kindern. Mütter, Väter und Kinder berichten ähnlich häufig über Konflikte unabhängig davon, ob die Kinder eine Ganztagesschule/Hort besuchen, in die Nachmittagsbetreuung gehen oder keine außerhäusliche Betreuung in Anspruch nehmen. 3.1 Konfliktursachen aus Mütter-, Väter- und Kindersicht Als Ursachen für Konflikte zwischen Eltern und Kindern wurden den Befragten sechs Antwortmöglichkeiten gegeben, mit denen das Spektrum alltäglicher Konflikte und Streitereien abgedeckt werden sollte. Anzumerken ist, dass Mütter, Väter und Kinder sich mit ihren Antworten auf unterschiedliche Konflikte beziehen können. Da Kinder explizit nach Konflikten mit der Mutter gefragt wurden, ist zwischen Mütter- und Kinderantworten eine höhere Ähnlichkeit zu erwarten, als zwischen Väter- und Kinderantworten. Betrachtet man die Häufigkeit der einzelnen Konfliktursachen (vgl. Abb. 15), dann fällt auf, dass das Aufräumen des Kinderzimmers aus Sicht aller Beteiligten die Hauptursache für Alltagskonflikte zwischen Eltern und Kindern ist, während Streitereien darüber, was das Kind anziehen darf/soll, am seltensten als Grund genannt werden. 20 Abb. 15: Ursachen für Eltern-Kind-Konflikte aus Sicht von Müttern, Vätern und 8- bis 9jährigen Kindern (Angaben in Prozent) 80 61 60 40 53 49 33 27 35 25 20 43 30 30 18 29 28 27 20 17 12 9 0 Mutter Vater Kind Aufräumen Zimmer Hausaufgaben Sonstiges zu Bett gehen Helfen im Haushalt Kleidung Mütter N = 972, Väter N = 586, 8- bis 9-jährige Kinder N = 879 Mehrfachantworten möglich Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Zum anderen sieht man, dass Mütter und Kinder, was die Häufigkeit aller sechs Konfliktursachen betrifft, weitestgehend übereinstimmen. Auch die Konflikte, die Väter mit Kindern haben, unterscheiden sich nicht gravierend von Mutter-Kind-Konflikten. Mit zwei Ausnahmen: Väter berichten deutlich häufiger über Streitereien, die sich darum drehen, dass das Kinderzimmer aufzuräumen ist und wann das Kind zu Bett gehen soll. Dieses Ergebnis ist insofern plausibel, da beide Konflikte vor allem abends auftreten dürften, zu einer Zeit, wenn die Väter i.d.R. zu Hause sind. Ein direkter Vergleich zwischen Kinder- und Väterantworten ist aus den bereits genannten Gründen nicht möglich. Zwischen der Hauptursache für Konflikte - nämlich das Aufräumen des Zimmers - und anderen Variablen zeigen sich kaum Zusammenhänge. Lediglich für die 8- bis 9-jährigen Kinder lässt sich zeigen, dass in Familien mit niedrigem Status das unaufgeräumte Kinderzimmer häufiger eine Ursache für Konflikte ist, als in Status höheren Familien. Darüber hinaus streiten ostdeutsche Mütter und Väter häufiger mit ihren Kindern über das unaufgeräumte Kinderzimmer als Eltern Westdeutschland (Mütter 58% vs. 47%, Väter 69% vs. 47%). Dieser Ost/West-Unterschied zeigt sich bei den Kindern jedoch nicht. Auch für die zweithäufigste Ursache für Eltern-Kind-Konflikte ("Hausaufgaben", "Lernen für die Schule") lässt sich zeigen, dass diese Art von Konflikte in Familien aus höheren Schichten seltener vorkommen als in Familien mit niedrigem sozialen Status. Allerdings lässt er sich dieser Zusammenhang nur für Mütter und Väter mit der nötigen Sicherheit feststellen. 21 Abb. 16: Konfliktursache "Hausaufgaben" nach Erwerbstätigkeit der Mutter aus Sicht von Müttern, Vätern und 8- bis 9-jährigen Kindern (Angaben in Prozent) 60 46 38 40 39 37 33 32 24 24 24 20 0 Mutter Vater vollzeit teilzeit Kind nicht erwerbstätig Mütter N = 898, p <.01; Väter N = 494, n.s.; 8- bis 9-jährige Kinder N = 833, p < .01 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Wie Abbildung 16 zeigt, werden Hausaufgaben und das Lernen für die Schule vor allem dann als Ursache für Eltern-Kind-Konflikte genannt, wenn die Mutter nicht erwerbstätig ist. Da nicht erwerbstätige Mütter i.d.R. mehr zu Hause sind und sich folglich intensiver um die Hausaufgaben ihrer Kinder kümmern können, kann es nicht überraschen, dass Schularbeiten in diesen Familien häufiger Ursache von Konflikten sind. Abb. 17: Konfliktursache "Hausaufgaben" nach Nutzung institutioneller Betreuungsangebote aus Sicht von Müttern, Vätern und 8- bis 9-jährigen Kindern (Angaben in Prozent) 60 40 33 44 41 36 33 28 27 31 29 20 0 Mutter Ganztagsschule/Hort Vater Kind Nachmittagsbetreuung keine institutionelle Kinderbetreuung Mütter: Ganztagesschule/Hort N=186, Nachmittagsbetreuung N=67, keine institutionelle Betreuung N=634, n.s. Väter: Ganztagesschule Hort N=93 Nachmittagsbetreuung N=36, keine institutionelle Betreuung N=365, n.s. Kinder: Ganztagesschule Hort N=187, Nachmittagsbetreuung N=65, keine institutionelle Betreuung N=579, n.s. Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen 22 Unsere Daten zeigen auch, dass eine Ganztagsbetreuung von Kindern im Grundschulalter nicht zwangsläufig dazu führt, dass die Familien von Schulbelangen - zumindest was Hausaufgaben und das Lernen für die Schule betrifft - wesentlich entlastet werden (vg. Abb. 17). Mütter und Väter deren Kinder in eine Ganztagsschule oder einen Hort gehen berichten genauso häufig über Konflikte mit ihren Kindern wegen der Hausaufgaben etc. wie Eltern deren Kinder keine Mittagsbetreuung in Anspruch nehmen. Die Kinder selbst, teilen diese Sichtweise. Die zwischen den Betreuungsformen leicht variierenden Prozentsätze stellen keine signifikanten Unterschiede dar. 3.2 Eltern-Kind-Konflikte bei Vorschul- und Grundschulkindern aus Sicht von Müttern und Vätern Im Mittelpunkt dieses Abschnitts steht der Vergleich zwischen den Kohorten der 5- bis 6-jährigen Vorschulkinder und der 8- bis 9-jährigen Grundschulkinder. Berichten Eltern der jüngeren Kinder ähnlich häufig über Alltagskonflikte wie Mütter und Väter der älteren Kinder? Wie Abbildung 18 zeigt, hat das Alter der Kinder keinen Einfluss darauf, ob die Eltern Alltagskonflikte mit ihren Kindern nennen oder nicht. Nahezu aller Mütter von Kindergartenkindern wie von Grundschulkindern können sich an kleinere Streitereien erinnern. Gleiches gilt für die Väter. Nur rund 7% der Mütter und Väter sagen, dass es zwischen ihnen und ihren Kindern keine Alltagskonflikte gibt. Abb. 18: Konflikte zwischen Eltern und Kindern nach Alter der Kinder und Geschlecht der Eltern (Angaben in Prozent) 100 94 93 93 92 80 60 40 20 6 7 7 8 0 Mutter ja Mutter nein 5-6 Jährige Vater ja Vater nein 8-9 Jährige Mütter 5- bis 6-Jährige N = 1112, Mütter 8- bis 9-Jährige N = 1013, Väter 5- bis 6-Jährige N = 639, Väter 8- bis 9-Jährige N = 638 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Auch unter Kontrolle von Drittvariablen zeigen sich keine signifikanten Unterschiede für Vorschul- und Grundschulkinder. Der Anteil der Mütter von Vorschulkindern, die über Alltagskonflikte mit ihren Kindern berichten, entspricht dem der Mütter von Grundschulkindern und zwar unabhängig von der 23 Familienform, dem Erwerbsstatus der Mutter oder regionalen Faktoren. Gleiches gilt für die Väter. Die einzige Ausnahme ist der sozioökonomische Status der Familie. Erneut lässt sich zeigen, dass Väter wie Mütter aus statusniedrigen Familien seltener über Konflikte mit ihren Kindern berichten als Eltern mit hohem sozioökonomischen Status (vgl. Abb. 14). Dieses Muster zeigt sich bei Familien mit Grundschul- und Vorschulkindern in gleicher Weise. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Alltagskonflikte zwischen Eltern und Kindern, wie sie im Kinderpanel erhoben werden, in nahezu allen Familien vorkommen. Was die bloße Existenz von Eltern-Kind-Konflikten betrifft unterscheidet sich die Wahrnehmung von Müttern und Vätern nicht. 3.3 Ursachen für Eltern-Kind Konflikte bei Vorschul- und Grundschulkindern aus Sicht der Eltern Worüber streiten Eltern mit Kindern? Unterscheiden sich Streitereien mit Kindern, die bereits zur Schule gehen ursächlich von Streitereien, die Eltern mit Kindern haben, solange diese noch nicht zur Schule gehen? Nachfolgend werden die Konfliktursachen, wie sie von Müttern und Vätern genannt wurden für Kinder im Alter von 5 bis 6 Jahren und für 8- bis 9-jährige Kinder verglichen. Eltern-KindKonflikte, die um das Thema Schule kreisen (Hausaufgaben/Lernen für die Schule) wurden von den Analysen ausgeschlossen, da sie sinnvoller weise nur bei Kindern der älteren Kohorte auftreten können. Abb. 19: Ursachen alltäglicher Eltern-Kind-Konflikte nach Alter der Kinder und Geschlecht der Eltern (Angaben in Prozent) 5- bis -6-Jährige 80 60 8- bis 9-Jährige 59 61 50 49 36 27 2925 40 20 54 53 41 18 10 30 30 24 15 12 28 17 0 Kleidung Helfen im Haushalt zu Bett gehen Sonstiges Aufräumen Zimmer Kleidung Helfen im Haushalt zu Bett gehen Sonstiges Aufräumen Zimmer Mutter Vater Mütter 5- bis 6-Jährige N = 1018, Mütter 8- bis 9-Jährige N = 899 Väter 5- bis 6-Jährige N = 463, Väter 8- bis 9-Jährige N = 481 Mehrfachantworten möglich Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Insgesamt betrachtet lassen sich bei den Konfliktursachen eher geringe Unterschied in Abhängigkeit vom Alter des Kindes feststellen (vgl. Abb. 19). Mütter und Väter streiten mit Schulkindern ähnlich häufig über unaufgeräumte Kinderzimmer, wie mit Vorschulkindern (Mütter 49% vs. 50%, Väter 61% 24 vs. 59%). Was das Helfen im Haushalt angeht sowie Streitereien, die sich um die Kleidung der Kinder drehen, zeigen sich jedoch markante Unterschiede zwischen den Kohorten. Mütter wie Väter haben mit Schulkindern häufiger Konflikte, was deren Mithilfe im Haushalt betrifft. Dieses Ergebnis ist insofern plausibel, da einerseits von Schulkindern wahrscheinlich mehr Mithilfe erwartet wird als von Vorschulkindern und andererseits diese Hilfe von den Eltern möglicherweise konsequenter eingefordert wird. Dagegen überrascht, dass Eltern von Vorschulkindern Streitereien um die Kleidung annähernd doppelt so oft nennen, wie dies Eltern tun, deren Kinder bereits zur Schule gehen (Mütter 24% vs. 12%, Väter 28% vs. 17%). Betrachtet man die Rangfolge der Konfliktursachen, so zeigt sich eine hohes Maß an Stabilität zwischen Schul- und Vorschulkindern. Lediglich auf den beiden letzten Positionen kommt es zu Positionswechseln. Während Mütter und Väter von Schulkindern Streitereien um die Mithilfe im Haushalt als vierthäufigste Konfliktursache nennen, gefolgt von Streitereien wegen der Kleidung, ist es bei Eltern von Vorschulkindern genau umgekehrt. Eltern von Vorschulkindern erinnern sich eher an Streitereien wegen der Kleidung, als an Konflikte, die wegen der mangelnden Mithilfe im Haushalt entstanden. Zwischen Müttern und Vätern zeigen sich wieder die bereits bekannten Unterschiede (vgl. S. 20). Weitere Analysen der Konfliktursachen, bei denen sich Familien mit Vorschul- bzw. Grundschulkindern am stärksten voneinander unterscheiden, zeigen nur wenige statistisch signifikante Zusammenhänge mit Drittvariablen. Konflikte, die die Mitarbeit der Kinder im Haushalt betreffen, treten in Familien mit mehreren Kindern etwas häufiger auf als in Ein- oder Zweikindfamilien (vgl. Abb. 20). Offensichtlich erwarten Eltern eher Hilfe von Kindern, wenn die Familien relativ groß sind und dementsprechend mehr Hausarbeit anfällt. Dieser Zusammenhang zeigt sich für beide Alterskohorten und wird von Müttern wie Vätern ähnlich gesehen. Statistisch signifikant ist der Zusammenhang jedoch nur für Konflikte zwischen Eltern (Müttern wie Vätern) und Vorschulkindern. Der Tendenz nach zeigt sich eine Zunahme der Konflikte mit steigender Kinderzahl auch für Eltern mit Grundschulkindern. 25 Abb. 20: Konfliktursache "Mithilfe im Haushalt" nach Zahl der Kinder unter 15 Jahren im Haus halt aus Sicht von Müttern und Vätern nach Alter des Zielkindes (Angaben in Prozent) 60 40 40 19 15 20 8 16 19 26 24 15 28 15 23 12 9 0 1 Kind 2 3 4+ Kinder Kinder Kinder 1 Kind 2 3 4+ Kinder Kinder Kinder Mutter 5- bis 6-Jährige Vater 8- bis 9-Jähirge Mütter: 5- bis 6-Jährige N = 1004, p <.05; 8- bis 9-Jährige N = 887, n.s. Väter: 5- bis 6-Jährige N = 463, p <.05, 8-bis 9-Jährige N = 480, n.s. Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Ostdeutsche Mütter wie Väter berichten häufiger über Konflikte mit ihren 8- bis 9-jährigen Kindern als Eltern in Westdeutschland (Mütter 27% vs. 16%, Väter 37% vs. 29%). Für Eltern mit Vorschulkindern zeigt sich dagegen ein Ost/West-Unterschied, was Konflikte wegen der Mithilfe der Kinder im Haushalt betrifft. Bei Eltern-Kind-Konflikten, die sich um die Kleidung der Kinder drehen, lassen sich kaum signifikante Zusammenhänge mit Drittvariablen feststellen. Weder der soziökonomische Status der Familie, noch regionale Faktoren oder der Erwerbsstatus der Frau haben einen Einfluss darauf, wie häufig Mütter und Väter mit ihren Kindern darüber streiten, was diese anziehen sollen. Lediglich für die Väter lassen sich zwei Zusammenhänge feststellen, die jedoch nur Konflikte mit Kindern im Grundschulalter betreffen. Zum einen berichten Väter mit zunehmender Zahl der Kinder häufiger über Konflikte wegen Kleidungsfragen. Zum anderen nennen Väter in Ostdeutschland häufiger diese Art von Konflikten als dies Väter von Grundschulkindern in Westdeutschland tun. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Eltern eher Hilfe im Haushalt von Kindern erwarten, die bereits zur Schule gehen, als von Kindern im Vorschulalter. Auf der anderen Seite gibt es zwischen Eltern und Vorschulkindern mehr Auseinandersetzungen darüber, was Kinder anziehend dürfen oder sollen, als zwischen Eltern und Kindern im Grundschulalter. 26 4 Familienklima: Wie wohl fühlen sich Eltern und Kinder in ihren Familien? Die Familie ist gewöhnlich der primäre Sozialisationsraum von Kindern. Insofern ist zu vermuten, dass das sozial-emotionale Klima, also wie wohl sich Mütter, Väter und vor allem Kinder in der Familie fühlen, wie sehr sie auf die Hilfe des anderen zählen können etc. von grundlegender Bedeutung für die Entwicklungsbedingungen von Kindern ist. Dabei sollte ein positives Familienklima sich günstig auf die Entwicklung von Kindern auswirken. Oder anders ausgedrückt, wenn sich Kinder unwohl im Kreis der Familie fühlen, sich im Notfall nicht auf die Hilfe des anderen verlassen können, ist zu vermuten, dass dies negative Folgen für ihre Entwicklungschancen hat. Im Kinderpanel wurden Müttern, Vätern und Kindern der älteren Kohorte (8- bis 9-Jähirge) insgesamt fünf Fragen gestellt, die verschiedene Dimensionen des Familienklimas abdecken. Aus diesen Fragen wurde ein Index konstruiert, der die Werte 0 bis 3 annehmen kann, wobei 0 Punkte ein äußerst schlechtes Familienklima anzeigen und 3 Punkte für ein sehr positives Familienklima stehen. Eine genaue Beschreibung des Indikators für das Familienklima findet sich im Papier von Christian Alt und Holger Quellenberg (Methoden, Daten und Design). Die Befragten des DJI-Kinderpanels bewerten das Klima in ihren Familien insgesamt gut bis sehr gut. Dies gilt für Mütter, Väter und Kinder in ähnlicher Weise (vgl. Abb. 21). Die Durchschnittswerte variieren maximal um 0,2 Punkte, wobei die 8- bis 9-jährigen Kinder mit 2,5 Punkten den höchsten Wert erzielen. Sie sind etwas zufriedener als die Mütter mit durchschnittlich 2,4 Punkten. Den niedrigsten Wert weisen die Väter mit 2,3 Punkten auf, die nochmals etwas unzufriedener sind als die Mütter. Insgesamt gesehen besteht nicht nur zwischen der Perspektive von Müttern, Vätern und Kindern eine hohe Übereinstimmung, was das Familienklima betrifft, sondern auch innerhalb der einzelnen Personengruppen wird das Familienklima übereinstimmend positiv erlebt. Darauf deutet die sehr niedrige Standardabweichung von 0,4 Punkten hin . 27 Abb. 21: Durchschnittliches Familienklima aus Sicht von Müttern, Vätern und 8- bis 9-jährigen Kindern (0 = sehr negativ, 3 = sehr positiv) 3 2,5 2,4 2,3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 0 Mütter Väter 8-9j. Kinder Mütter N = 2184, std = 0.39; Väter N = 1313, std = 0.38, 8- bis 9-jähirge Kinder N = 1033, std = .38 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Erstaunlich ist, dass sich beim Familienklima kaum Zusammenhänge mit anderen Faktoren zeigen. Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status erleben ihre Familien ähnlich positiv wie solche mit hohem Status. Arbeitslose Mütter und Väter fühlen sich in ihren Familien ähnlich wohl wie Erwachsene mit einem Erwerbseinkommen. Weitere Analysen werden klären müssen, ob die Befragten das Familienklima ungeachtet aller Randbedingungen tatsächlich übereinstimmend positiv erleben. Denkbar wäre, das Mütter, Väter und Kinder schwierige Umweltbedingungen dadurch zu kompensieren versuchen, dass sie die Sicherheit und Harmonie in der eigenen Familie besonders betonen. Eine andere denkbare Erklärung wäre, dass gerade, wenn das Familienklima schlecht ist, fremden Interviewern kein Einblick in diesen sehr privaten Bereich gegeben wird, sondern Mütter, Väter und Kinder die Atmosphäre positiver darstellen als sie tatsächlich ist. 4.1 Familienklima aus Sicht der Mütter Wie bereits erläutert, erleben Mütter ihre Familien als positiv bis sehr positiv. Auf einer Skala von 0 (sehr negativ) bis 3 (sehr positiv) bewerten nur 3% das Familienklima als negativ (0 bis 1,5 Punkte), 53% fühlen sich in ihren Familien wohl (1,6 bis 2,5 Punkte) und immerhin 44% der Mütter beurteilen das Familienklima als sehr positiv ( > 2,5 Punkte vgl. Abb. 22) 28 Abb. 22: Familienklima aus Sicht von Müttern (Angaben in Prozent) 60 53 44 40 20 0 0 3 sehr negativ sehr positiv Mütter N = 2184 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Weder der sozioökonomische Status der Familie, noch der Erwerbstatus der Frau oder der des Partners haben Einfluss auf das Familienklima. Auch die Zahl der Kinder, das Alter des Zielkindes, bzw. das Ausmaß außerhäuslicher Betreuung, haben keinen Einfluss darauf, wie Mütter das Klima in ihren Familien bewerten. Insgesamt schwanken die Mittelwerte um maximal 0,2 Punkte. So bewerten bspw. Alleinerziehende Mütter mit durchschnittlich 2,25 Punkten das Klima in ihren Familien etwas niedriger als ostdeutsche Frauen, die mit 2,47 Punkten den höchsten Durchschnittswert erzielen. Statistisch signifikante Unterschiede zeigen sich lediglich für zwei Variablen. Zum einen bewerten ostdeutsche Mütter das Familienklima positiver als Mütter in Westdeutschland. Zum anderen beurteilen allein erziehende Mütter das Klima in ihren Familien nicht ganz so gut wie Mütter in Paarfamilien. Allerdings sind die gemessenen Unterschiede eher gering. 4.2 Familienklima aus Sicht der Väter Auch aus Sicht der Väter stellt sich das Familienklima überwiegend als gut bzw. sehr gut dar. Nur 3% bewerten die Atmosphäre negativ. Sie erzielen auf einer Skala von 0 bis 3 weniger als 1,5 Punkte. Annährend zwei Drittel der Väter fühlen sich in ihren Familien wohl und ein Drittel der Väter beurteilt das Familienklima als sehr gut (vgl. Abb. 23). Im Vergleich zu den Müttern fällt auf, dass Väter das Klima in ihren Familien etwas häufiger als gut und etwas seltener als sehr gut bewerten. Diese etwas weniger positive Beurteilung des Familienklimas durch Väter darf jedoch nicht überbewertet werden, da sie sich praktisch nicht in den Mittelwerten widerspiegelt (vgl. Abb. 21). 29 Abb. 23: Familienklima aus Sicht von Vätern (Angaben in Prozent) 80 64 60 40 33 20 0 0 3 sehr negativ sehr positiv Väter N = 1313 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Auch für die Väter zeigen sich keine deutlichen Zusammenhänge zwischen dem Familienklima und andern Variablen. Väter in Westdeutschland fühlen sich genauso wohl in ihren Familien, wie Väter in Ostdeutschland. In Familien, die in sozial und wirtschaftlich schwachen Regionen leben, ist das Klima aus Sicht der Väter genauso gut wie in Familien, die in prosperierenden Gegenden leben. Überraschenderweise unterscheiden sich auch erwerbstätig und nicht erwerbstätige Väter nicht in der Beurteilung des Klimas in ihren Familien. Am besten beurteilen Väter mit einem positiven Selbstbild die Atmosphäre in ihrer Familie. Sie erreichen im Durchschnitt 2,4 Punkte. Am wenigsten positiv erleben Väter mit einem negativen Selbstbild ihre Familien. Sie erreichen im Schnitt 2,1 Punkte. Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zeigt sich mit dem soziökonomischen Status und der Partnerschaftsform. Zum einen fühlen sich Väter mit einem niedrigen Status noch etwas wohler in ihren Familien als Väter aus Familien mit hohem Status, zum anderen bewerten verheiratete Väter das Familienklima positiver als Väter, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben. 4.3 Familienklima aus Sicht der Kinder Die allermeisten Kinder erleben das Klima in ihrer Familie als positiv bzw. sehr positiv. Auf einer Skala von 0 (extrem negativ) bis 3 (extrem positiv) bewerten nur 2% das Familienklima als negativ. 49% der Kinder fühlen sich in ihren Familien wohl und weitere 49% der Kinder im Alter von 8 bis 9 Jahren beurteilen das Familienklima sogar als sehr positiv (vgl. Abb. 24). Im Vergleich zur Sicht der Mütter und insbesondere der Vätersicht fällt auf, dass Kinder das Klima in ihren Familien häufiger als sehr positiv bewerten. 30 Abb. 24: Familienklima aus Sicht von Kindern im Alter von 8 bis 9 Jahren (Angaben in Prozent) 60 49 49 40 20 0 0 2 sehr negativ sehr positiv Väter N = 1033 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Auch Kinder beurteilen ihre Familien ungeachtet unterschiedlicher Rahmenbedingungen nahezu übereinstimmend positiv. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob die Kinder auf dem Lande oder in der Großstadt aufwachsen, ob sie in Kernfamilien, Stieffamilien oder bei Alleinerziehenden leben, ob sie in ärmlichen oder wohlhabenden Verhältnissen groß werden. Dieses Ergebnis ist insofern überraschend, da zu vermuten wäre, da sich z.B. Arbeitslosigkeit von Müttern und Vätern negativ auf das Familienklima auswirkt. 5 Familien mit und ohne Migrationshintergrund Einzige Voraussetzung, um in die Stichprobe des DJI-Kinderpanels gelangen zu können, war, dass ein Kind im Alter von 5 bis 6 bzw. 8 bis 9 Jahren in einer Familie/Privathaushalt lebt und unter dieser Adresse beim Einwohnermeldeamt gemeldet ist. Tatsächlich aber konnten nur solche, vor allem ausländische Mütter und Kinder befragt werden, die in der Lage waren, einen relativ anspruchsvollen deutschsprachigen Fragebogen zu verstehen und auch auf deutsch zu antworten. Insofern sind die befragten Familien mit interkulturellem Hintergrund nicht repräsentativ für solche Familien in Deutschland. Vielmehr handelt es sich um eine im hohen Maße selektive Gruppe, bei der Mütter und Kinder i.d.R. gute bis sehr gute Deutschkenntnisse hat.7 Ziel dieses Abschnitts ist es - unter diesem Vorbehalt -, Familien mit und ohne Migrationshintergrund gegenüberzustellen, um so einige Randbedingungen für die Entwicklungschancen deutscher und Kinder mit anderem kulturellen Hintergrund zu beschreiben. Als Familien mit Migrationshintergrund 7 Um die Entwicklungschancen ausländischer Kinder in Deutschland in den Blick zu bekommen, werden in einer vom BMFSFJ finanzierten Zusatzuntersuchung muttersprachliche Interviews mit je 250 russischen und türkischen Familien durchgeführt. Erste Untersuchungsergebnisse werden Ende 2004 vorliegen. 31 gelten all jene, bei denen die Mutter oder der Vater entweder kein deutscher Staatsbürger ist, oder die deutsche Staatsbürgerschaft über Einbürgerung erworben wurde - also auch alle binationalen Familien. Da nicht für jede Familie Informationen über beide Eltern vorliegen, wird der Anteil der ausländischen Familien bzw. Familien mit Migrationshintergrund tendenziell unterschätzt. Der Migrationshintergrund bleibt unerkannt, wenn eine deutsche Frau einen ausländischen Partner hat, der nicht an der Befragung teilnahm. Insgesamt liegt der Anteil von Familien mit Migrationshintergrund in den Daten des DJI-Kinderpanels bei 21%. Welche regionalen Unterschiede lassen sich nun für Familien mit und ohne Migrationshintergrund feststellen? Wie zu erwarten ist, lebt die ganz überwiegende Mehrheit der ausländischen Familien (94%) in Westdeutschland. Annährend jede vierte Familie in Westdeutschland hat einen Migrationshintergrund, während dies in Ostdeutschland nur auf knapp jede zehnte Familie zutrifft (23% vs. 9%). Auch ein Stadt-Land-Vergleich zeigt markante Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Familien. Abb. 25: Familien mit und ohne Migrationshintergrund nach Urbanitätsgrad (Angaben in Prozent) 60 50 39 40 30 31 31 19 20 0 ohne Migrationshintergrund geringe Verdichtung mit Migrationshintergrund mittlere Verdichtung hohe Verdichtung Familien ohne Migrationshintergrund N = 1729, Familien mit Migrationshintergrund N = 454, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Während sich deutsche Familien weitgehend gleichmäßig über ländliche und städtische Regionen verteilen, sieht man bei ausländischen Familien ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. Sie leben häufiger in urbanen Zentren (50% vs. 31%) und seltener in ländlichen Regionen (19% vs. 30%). 32 Abb. 26: Familien mit und ohne Migrationshintergrund nach Qualität des Wohnumgebung8 (Angaben in Prozent) 60 50 36 40 41 31 23 19 20 0 ohne Migrationshintergrund mehrfach belastet mit Migrationshintergrund durchschnittlich positiv Familien ohne Migrationshintergrund N = 808, Familien mit Migrationshintergrund N = 161, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Auch was die Qualität des Wohnumfeldes betrifft, zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen ausländischen und deutschen Familien. Abbildung 26 zeigt eine nahezu entgegengesetzte Verteilung. Deutsche Familien bewohnen häufiger größere und besser ausgestatteten Wohnungen als Familien mit anderem kulturellen Hintergrund. Auch die Wohnumgebung ist kindgerechter, bietet mehr Spielmöglichkeiten und weniger Belastungen durch den Straßenverkehr etc. als die ausländischer Familien. Insgesamt verdeutlichen die beiden Indikatoren, dass Kinder von Migrantenfamilien erheblich häufiger in einer eher schwierigen und wenig kindgerechten Umgebung aufwachen als Kinder deutscher Familien. Welche Auswirkungen diese regionale Benachteilung auf die psychosoziale Entwicklung der Kinder hat, werden die beiden nächsten Wellen zeigen. 5.1 Familienformen deutscher und ausländischer Kinder Betrachtet man zunächst die Partnerschaftsform der Eltern, bei denen die 5- bis 6- und 8- bis 9jährigen Kinder aufwachsen, dann stellt man fest, dass Kinder, die einen nicht deutschen Vater oder eine nicht deutsche Mutter haben, häufiger in so genannten "traditionellen" Familienstrukturen leben. Der Anteil der Kinder, die bei verheirateten Eltern aufwachsen, ist unter den ausländischen Kindern mit 89% etwa 10% höher als unter den deutschen Kindern. 8 Indikator des positiven bzw. negativen Einflusses von Wohnung und Wohnumfeld auf das Kind, gebildet aus 9 Bewertungsindikatoren (20 Ursprungsvariablen): 5 zur Wohnung (Art, baulicher Zustand, Ausstattung, Kinderzimmer pro Kind und qm pro Haushaltsmitglied) und 4 zum Wohnumfeld (Umweltbelastung, Verkehrsbelastung, Spielmöglichkeiten in der näheren Umgebung, Dichte der Bebauung). 33 Abb. 27: Familien mit und ohne Migrationshintergrund nach der Partnerschaftsform der Eltern (Angaben in %) 100 89 77 80 60 40 15 20 8 8 4 0 ohne Migrationshintergrund Ehe NEL mit Migrationshintergrund Alleinerziehend Familien ohne Migrationshintergrund N = 1728, Familien mit Migrationshintergrund N = 454, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Auf der anderen Seite ist der Anteil ausländischer Kinder, die bei unverheirateten oder allein erziehenden Eltern leben, nur etwa halb so groß wie der deutscher Kinder. 4% der Kinder mit einem ausländischen Vater und/oder einer ausländischen Mutter wachsen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auf und 8% bei allein erziehenden Müttern. Die starke Dominanz verheirateter Familien findet sich bei ausländischen Kindern in West- und Ostdeutschland. Auch wenn man die Familienform weiter ausdifferenziert und zusätzlich zwischen Kern- und Stieffamilien unterscheidet, stellt man fest, dass Kinder mit interkulturellem Hintergrund seltener in so genannten reorganisierten Familien, d.h. in Stieffamilien oder Ein-Eltern-Familien leben. Abb. 28: Familien mit und ohne Migrationshintergrund nach der Familienform der Eltern (Angaben in Prozent) 100 80 83 71 60 40 20 14 6 4 5 5 2 2 8 0 ohne Migrationshintergrund mit Migrationshintergrund Ehel. Kernfamilie Ehel. Stieffamilie Nel Stieffamilie Alleinerziehend Nel Kernfamilie Familien ohne Migrationshintergrund N = 1695, Familien mit Migrationshintergrund N = 443, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen 34 Während der Anteil von deutschen und ausländischen Kindern, die in verheirateten Stieffamilien aufwachsen, nahezu identisch ist (6% vs. 5%), leben ausländische Kinder erheblich seltener als ihre deutschen Altersgenossen in nichtehelichen Kern- und Stieffamilien sowie bei Alleinerziehenden. Eine Reorganisation der Familie in Folge von Trennung, Scheidung, neuer Partnerschaft oder Heirat hat in der hier untersuchten Altersgruppe bereits jedes vierte deutsche Kind erlebt, aber nur etwa jedes siebte Kind mit einem ausländischen Vater oder einer ausländischen Mutter. Auch was die Größe ausländischer und deutscher Familien angeht, zeigt sich der zu erwartende Zusammenhang. Kinder mit Migrationshintergrund leben in etwas größeren Familien, wobei die Differenz gegenüber deutschen Kindern sehr moderat ist. (Im Durchschnitt sind Familien mit Migrationshintergrund um 0,3 Personen größer.) Bemerkenswert ist jedoch, dass der Anteil von Einzelkindern in deutschen und ausländischen Familien gleich groß ist. Etwa jedes vierte Kind im Alter zwischen 5 und 9 Jahren wächst ohne Geschwister auf. 5.2 Freizeitaktivitäten deutscher und ausländischer Kinder Wie steht es um die Freizeitaktivitäten deutscher und ausländischer Kinder? Von den sechs zur Wahl stehenden Aktivitäten (Fernsehen, Sport, Ausflüge, Kino/Museum, PC-Spiele, Musizieren) üben Kinder mit einem ausländischen Elternteil im Durchschnitt 3,8 Aktivitäten aus und deutsche Kinder 4,2. Dieser statistisch signifikante Unterschied ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass ausländische Kinder seltener als ihre deutschen Altersgenossen mehr als vier Aktivitäten nennen. Dagegen ist der Anteil der Kinder, die gar keine Aktivität ausüben, in beiden Gruppen gleich groß. Er liegt bei nur 2%. Abb. 29: Freizeitaktivitäten von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund (Angaben in Prozent) 100 95 95 85 80 83 78 74 70 56 54 60 40 30 55 24 20 0 ohne Migrationshintergrund Fernsehen Ausflüge Sport mit Migrationshintergrund Kino/Museum PC-Spiele Musizieren Familien ohne Migrationshintergrund N = 1729, Familien mit Migrationshintergrund N = 454, p < .001 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen 35 Wie Abbildung 29 zeigt, sehen unabhängig vom Migrationshintergrund nahezu alle Kinder fern, aber nur vergleichsweise wenige spielen ein Musikinstrument. Die Rangfolge der Aktivitäten ist bei deutschen und ausländischen Kindern identisch. Dinge die von einem Großteil der deutschen Kinder gemacht werden, tun auch viele der Kinder mit Migrationshintergrund und umgekehrt. Statistisch signifikante Unterschiede zeigen sich bei drei Aktivitäten. Ausflüge und Sport werden von Kindern mit Migrationshintergrund seltener als Freizeitaktivität genannt. Gleiches gilt für kulturelle Unternehmungen wie Kino- und Museumsbesuche. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass ausländische Kinder seltener Dinge außerhalb der eignen vier Wände unternehmen und seltener sportlich aktiv sind. Immerhin gibt jedes vierte ausländische Kind an in seiner Freizeit nie z.B. Ballspiele zu machen, Skaten oder Schwimmen zu gehen. 5.3 Konflikte in Familien mit und ohne Migrationshintergrund Die Alltagskonflikte in Familien mit und ohne Migrationshintergrund werden analog zu Abschnitt 3 aus drei Perspektiven beschrieben: nämlich aus der von Müttern, Vätern und Kindern. Da die 5- bis 6jährigen Kinder nicht selbst befragt wurden, beschränkt sich die Auswertung erneut auf Familien mit Kindern im Grundschulalter. Wie Abbildung 30 zeigt, kommen kleinere Alltagskonflikte nicht nur in fast allen deutschen Familien vor, sondern auch in Familien mit Migrationshintergrund, streitet die überwiegende Mehrheit der Eltern mit ihren Kindern wegen unerledigter Hausaufgaben, unaufgeräumter Kinderzimmer etc. Auffallend ist jedoch, dass in Familien mit Migrationshintergrund Mütter, Väter und Kinder seltener über Streitereien berichten (Mütter 82% vs. 95%, Väter 85% vs. 94%, Kinder 76% vs. 88%). Ob dies darauf zuführen ist, das Migranten möglicherweise eine höher Konflikttoleranz haben und nicht jede Auseinandersetzung gleich als Streit begreifen, oder durch Unterschiede im Verständnis der Elternrolle, oder aber Streit nicht in gleichem Maße zugeben, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Allerdings zeigt sich bei deutschen wie auch bei Familien mit anderem kulturellen Hintergrund ein ähnliches Muster. Der Anteil von Mütter und Vätern, die über Konflikte mit dem Zielkind berichten, ist nahezu identisch, während Kinder sich etwas seltener an Konflikte mit der Mutter erinnern können. 36 Abb. 30: Konflikte zwischen Kindern im Alter von 8 bis 9 Jahren und ihren Eltern aus Mutter-, Vater- und Kinderkinderperspektive nach Migrationshintergrund der Familie (Prozent satz Ja-Antworten) 100 96 94 88 82 80 85 76 60 40 20 0 ohne Migrationshintergrund Mutter mit Migrationshintergrund Vater Kind Mütter: ohne Migrationshintergrund N = 794, mit Migrationshintergrund N = 215, p < .001 Väter: ohne Migrationshintergrund N = 513, mit Migrationshintergrund N = 125, p < .01 Kinder: ohne Migrationshintergrund N = 802, mit Migrationshintergrund N = 219, p < .0019 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Betrachtet man die Ursachen, für Eltern-Kind-Konflikte (vgl. Abb. 31 A-C) dann fällt auf, dass ungeachtet des kulturellen Hintergrunds der Familie ähnliche Konflikte zwischen Eltern und Kindern stattfinden. Aus Sicht von Müttern, Vätern und Kindern ist das "unaufgeräumte Kinderzimmer" der Hauptgrund für Streitereien zwischen Eltern und Kindern. Zweitens wird deutlich, dass das Antwortmuster von Müttern mit Migrationshintergrund weitgehend dem von Müttern ohne Migrationshintergrund entspricht. Lediglich das "Lernen für die Schule" führt in ausländischen Familien häufiger zu Konflikten. Dieser Unterschied ist nur bei den Müttern signifikant, zeigt sich tendenziell aber auch bei Vätern und Kindern. Dieses Ergebnis ist höchst plausibel, wobei jedoch noch nicht klar ist, worauf dieser Unterschied zurückzuführen ist. Einerseits wäre denkbar, dass in Familien mit Migrationshintergrund Kinder stärker zum Lernen angehalten werden oder aufgrund sprachlicher Defizite mehr Zeit für Hausaufgaben etc. verwenden müssen. Eine andere Erklärung wäre, dass die Mütter ihre Kinder bei den Hausaufgaben weniger gut unterstützen können und es deshalb in Familien mit Migrationshintergrund häufiger zu Konflikten wegen der Schule kommt. Auch bei den Vätern ist das Muster der Konfliktursachen weitgehend deckungsgleich. Das "Aufräumen des Kinderzimmers" und das "Zu-Bett-Gehen" sind zwei typische Ursachen für Konflikte zwischen Vätern und Kindern und zwar sowohl in Familien mit wie in Familien ohne Migrationshintergrund. Allerdings scheint das "Zu-Bett-Gehen der Kinder in ausländischen Familien noch häufiger mit Konflikten zwischen Vätern und Kindern verbunden zu sein (61% vs. 50%). 9 Der Migrationshintergrund bezieht sich nicht auf die einzelne Person sondern auf die Familie. Auch einer deutschstämmige Mutter wird ein Migrationshintergrund zugewiesen, wenn sie mit einem nicht deutschstämmigen Partner zusammenlebt. 37 Abb. 31: Ursachen für Konflikte zwischen Müttern, Vätern und ihren 8- bis 9-jährigen Kindern aus Mutter-, Vater und Kindersicht (% ja Antworten) A) Mutter-Kind-Konflikt Mutterperspektive 80 60 50 40 46 31 26 25 20 41 28 18 22 19 11 14 0 ohne Migrationshintergrund mit Migrationshintergrund Aufräumen Zimmer Hausaufgaben Sonsitges zu Bett gehen Helfen im Haushalt Kleidung B) Vater-Kind-Konflikt Vatersperspektive 80 61 61 59 60 50 47 41 40 30 30 27 30 19 16 20 0 ohne Migrationshintergrund mit Migrationshintergrund Aufräumen Zimmer Hausaufgaben Sonsitges zu Bett gehen Helfen im Haushalt Kleidung C) Kind-Mutter-Konflikt Kinderperspektive 80 60 45 42 40 33 28 28 27 28 20 20 26 25 11 9 0 ohne Migrationshintergrund mit Migrationshintergrund Aufräumen Zimmer Hausaufgaben Sonsitges zu Bett gehen Helfen im Haushalt Kleidung Mütter: ohne Migrationshintergrund N = 716, mit Migrationshintergrund N = 168, Mehrfachantworten möglich Väter: ohne Migrationshintergrund N = 393, mit Migrationshintergrund N = 88, Mehrfachantworten möglich Kinder: ohne Migrationshintergrund N = 667, mit Migrationshintergrund N = 154, Mehrfachantworten möglich Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen 38 Auch bei den Kindern zeigen sich keine wesentlichen Differenzen im Antwortmuster. 5.4 Familienklima in deutschen und ausländischen Familien Die Daten des DJI-Kinderpanels belegen, dass Mütter, Väter und Kinder unabhängig vom Migrationshintergrund das Klima in ihren Familien insgesamt sehr positiv bewerten. Auf einer Skala von 0 (sehr negativ) bis 3 (sehr positiv) werden im Durchschnitt etwa 2,4 Punkte erreicht. Abb. 32: Durchschnittliches Familienklima aus Sicht von Müttern, Vätern und 8- bis 9-jährigen Kindern in Abhängigkeit vom Migrationshintergrund der Familie (0 negativ 3 positiv) 3 Mütter Väter 8-9j. Kinder 2,5 2 1,5 1 0,5 0 0 ,5 1 ,5 ohne Migrationshintergrund 2 ,5 3 ,5 mit Migrationshintergrund Mütter: ohne Migrationshintergrund N = 1724, std = 0.39; mit Migrationshintergrund N= 435, std = 0.41 Väter: ohne Migrationshintergrund N = 1058, std = 0.37; mit Migrationshintergrund N= 255, std = 0.40 8- bis 9-Jähirge: ohne Migrationshintergrund N = 809, std = 0.37; mit Migrationshintergrund N= 220, std = 0.39 Quelle: DJI 1. Welle Kinderpanel, eigene Berechnungen Die Durchschnittswerte variieren maximal um 0,2 Punkte, wobei Väter aus deutschen Familien den niedrigsten Wert erreichen und Mütter aus Migrantenfamilien zusammen mit 8- bis 9-jährigen Kindern den höchsten Wert. Obwohl die Differenzen zwischen deutschen und ausländischen Eltern sehr gering ausfallen, sind die Unterschiede signifikant, d.h. Väter und Mütter mit Migrationserfahrung fühlen sich in ihren Familien noch etwas wohler als deutsche Eltern. Dagegen bewerten deutsche und ausländische Kinder das Familienklima ziemlich gleich. 39 6 Fazit Das DJI-Kinderpanel ist eine in der ersten Welle repräsentative Längsschnittuntersuchung, in deren Mittelpunkt die Frage steht: Wie wachsen Kinder heute auf? Was fördert Kinder in ihrer psychosozialen Entwicklung bzw. welche Risikofaktoren sind für die Kompetenzentwicklung von Bedeutung. Ziel dieses Papiers war es einen aktuellen Überblick über die Daten des DJI-Kinderpanels im Bereich Familie zu geben. Die Partnerschaftsform der Eltern ist ein wesentliches Strukturmerkmal von Familie, das für die Entwicklungschancen von Kindern potentiell bedeutsam ist. Auch heute noch basieren die meisten Familien auf der Ehe. Bei rund 7% leben die Eltern unverheiratet zusammen und bei 13% handelt es sich um Einelternfamilien bzw. Alleinerziehende. Dabei ist der Anteil nichtehelicher Lebensgemeinschaften und Alleinerziehender in Ostdeutschland rund doppelt so hoch wie im Westen. Die Analysen haben zudem gezeigt, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften und Einelternfamilien besonders oft in Regionen leben, die sich in einer eher schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lage befinden. Eine Reorganisation in Folge von Trennung/Scheidung, neuer Partnerschaft oder Heirat hat in Westdeutschland etwa jede fünfte Familie mit Kindern im Alter zwischen 5 und 9 Jahren erfahren. In Ostdeutschland trifft dies sogar auf jede dritte Familie zu. Unter den Kernfamilien - also Familien, bei denen die Kinder mit beiden leiblichen Eltern aufwachsen - dominieren eindeutig die verheirateten Familien gegenüber den nichtehelichen Lebensgemeinschaften (74% vs. 3%). Dagegen gestaltet sich das Verhältnis unter den verheirateten und nicht verheirateten Stieffamilien erheblich ausgeglichener (6% vs. 4%). Auffallend ist in Ostdeutschland der niedrige Anteil ehelicher Kernfamilien sowie der im Vergleich zum Westen deutlich höhere Anteil nichtehelicher Kern- und Stieffamilien. Nahezu alle Kinder sind, in ihrer Freizeit auf die ein oder andere Art aktiv sind. Die meisten Kinder gaben an, dass sie von den sechs zur Wahl stehenden Aktivitäten vier bis fünf zumindest ab und zu ausüben. Dabei nennen die 8- bis 9-Jährigen im Durchschnitt eine Aktivität mehr als die Kinder im Vorschulalter. Erwartungsgemäß wurde am häufigsten das Fernsehen genannt und am seltensten das Musizieren. Etwa 80% der Kinder üben klassische Freizeitaktivitäten aus, wie Sport oder Ausflüge. Die Analysen zeigen, dass mit steigendem sozioökonomischen Status der Familie die Zahl der Freizeitaktivitäten zunimmt. Häuslichen Aktivitäten wie z.B. Fernsehen, werden vor allem zusammen mit Eltern und Geschwister unternommen. Dagegen spielen Freunde bei außerhäuslichen Aktivitäten wie z.B. Sport eine wichtige Rolle. Einigermaßen überraschend ist, dass gut ein Drittel der Grundschulkinder angibt, oft alleine fernzusehen, und dass nach Angaben der Mütter immerhin jedes vierte Vorschulkind oft alleine vor dem Fernseher sitzt. Alltagskonflikte zwischen Eltern und Kindern wegen unaufgeräumter Kinderzimmer, unerledigter Hausaufgaben, mangelnder Mitarbeit im Haushalt etc. kommen in nahezu allen Familien vor, wobei sich Mütter und Väter etwas häufiger an derartige Konflikte erinnern als Kinder. Auch berichten Eltern 40 mit höherem sozioökonomischen Status etwas häufiger über Eltern-Kind-Konflikte. Was die Ursachen für Alltagskonflikte betrifft, so ist aus Sicht von Müttern, Vätern und Kindern das unaufgeräumte Kinderzimmer der Streitpunkt Nummer Eins. Konflikte wegen der Kleidung - die Kinder anziehen sollen oder nicht anziehen dürfen - rangieren auf dem letzten Platz. Das Aufräumen des Kinderzimmers sowie das Zu-Bett-Gehen der Kinder sind Konflikte, die häufiger von Vätern als von Müttern genannt werden. Dieses Ergebnis ist insofern plausibel, da beide Konflikte vorwiegend abends auftreten dürften, wenn die Väter zu Hause sind. Interessant ist auch, dass "Hausaufgaben" und das "Lernen für die Schule" vor allem dann als Ursache für Eltern-Kind-Konflikte genannt werden, wenn die Mutter nicht erwerbstätig ist. Auf der anderen Seite trägt eine institutionelle Nachmittagsbetreuung nicht dazu bei, dass Familien von Schulbelangen entlastet würden. Mütter und Väter, deren Kinder in eine Ganztagesschule gehen oder den Hort besuchen, berichten genauso häufig über Konflikte wegen der Hausaufgaben etc. wie Eltern, deren Kinder keine Nachmittagsbetreuung in Anspruch nehmen. Das Klima in der Familie wird von Müttern, Vätern und Kindern nahezu übereinstimmend als gut bis sehr gut bezeichnet. Aber nicht nur zwischen Müttern, Vätern und Kindern besteht ein hohes Maß an Übereinstimmung, sondern auch innerhalb der einzelnen Personengruppen wird das Familienklima weitestgehend gleich gut erlebt. Erstaunlich ist, dass Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status das Klima in ihren Familien nicht weniger positiv bewerten wie solche mit hohem Status. Arbeitslose Mütter und Väter fühlen sich in ihren Familien ähnlich wohl wie Erwachsene mit Erwerbseinkommen. Dagegen beurteilen allein erziehende Mütter das Klima in ihren Familien nicht ganz so positiv wie Mütter in Paarfamilien. Die gefunden Unterschiede sind jedoch eher gering. Rund ein Fünftel der Familien im DJI-Kinderpanel haben einen Migrationshintergrund - d.h. Mutter und/oder Vater besitzen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft oder haben diese durch Einbürgerung erworben. Die bisherigen Auswertungen zeigen zum einen, dass Familien mit Migrationshintergrund häufiger in urbanen Zentren wohnen und zum anderen häufiger vergleichsweise schlecht ausgestattete Wohnungen haben und in einer insgesamt weniger kindgerechten Wohnumgebung leben. Bei den Freizeitaktivitäten zeigt sich, dass Kinder mit Migrationshintergrund seltener Aktivitäten außerhalb der eigenen vier Wände unternehmen. Immerhin jedes vierte ausländische Kind geht nie Ballspielen, Schwimmen oder ist sonst sportlich aktiv. Eltern-Kind-Konflikte werden von Eltern mit anderem kulturellen Hintergrund etwas seltener genannt als von deutschen. Interessanterweise ist das Muster der Konfliktursachen bei Familien mit und ohne Migrationshintergrund weitgehend identisch. Dies trifft auf Mütter, Väter und Kinder zu. Beim Familienklima gibt es nur geringe Unterschiede. Väter und Mütter mit Migrationshintergrund erleben ihre Familien noch etwas positiver als deutsche Eltern, während Kinder im Vergleich mit ihren deutschen Altersgenossen das Familienklima nicht ganz so positiv erleben. Aber auch hier sind die Unterschiede gering. Die spannende Frage, welche Bedeutung die unterschiedlichen familialen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Randbedingungen für die psychosoziale Entwicklung der Kinder haben, wird mit den Daten der beide noch ausstehenden Wellen des Kinderpanels beantwortet werden. 41 Literaturverzeichnis Amato, Paul R. (1993): Children's adjustment to divorce: Theories, hypotheses, and empirical support. In: Journal of Marriage and the Family, 55, S. 23-38 Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a.M. BMFSFJ (Hg.) (2003): Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. 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