Blut an meinem Handy?

Juli - Aug - Sept 2015 | Nr.: 344
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Blut an meinem
Handy?
Metallische Rohstoffe in der
IT-Produktion
Freizeittipp:
Am Ende der Welt
© Bernd Casper / pixelio.de
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22 2
Der Weltmarkt
für Metalle in der
Elektronikindustrie
Elektronische Geräte sind aus
unserem Alltag nicht mehr
wegzudenken, das Handy ist
zu unserem ständigen Begleiter geworden.
Vielen NutzerInnen ist jedoch
nicht bewusst, das die Produktion dieser Geräte mit
erheblichen sozialen und ökologischen Folgen verbunden
sind.
Allein ein Handy besteht aus
bis zu 60 Stoffen, davon sind
ein Großteil Metalle. 2011
wurden 1,8 Mrd. Handys
verkauft, in denen
16.000 t Kupfer,
6.800 t Kobalt, 450 t
Silber und 43 t Gold
verbaut wurden. In
geringen Mengen enthält jedes Handy auch Spuren
des Metalls Tantal, das aus
Coltan-Erz gewonnen wird.
Dieses in der DR Kongo von
Kleinschürfern mit einfachsten Mitteln gewonnene Erz
steht im Verdacht, den
Bürgerkrieg im Kongo zu
finanzieren.
22 2
Aber auch die industrielle Förderung von
Metallen wie Kupfer,
Aluminium oder Eisen ist
vielfach mit großen
Umweltschäden
und
Menschenrechtsverletzungen verbunden. Der
Abbau geschieht meist im
flächenintensiven
Tagebau und ist mit
Umsiedlungen verbunden.
Die eigentliche Gewinnung der Erze benötigt viel
Energie und den Einsatz
von Chemikalien, die die
Umwelt belasten. Auch wenn
es in den Förder- und Verarbeitungssländern, Umweltund
Arbeitsschutzgesetze
gibt, kommt es immer wieder
zu eklatanten Verstößen. Die
Hersteller der Endgeräte verweisen
dann
auf
die
Verantwortung der Lieferanten und lokalen
Regierungen.
Der
Menschenrechtsrat
der
UNO
sieht
jedoch die Hersteller
der Geräte in der Pflicht
sicherzustellen, dass in der
Produktionskette nationale
Gesetze und die Menschenrechte eingehalten werden.
Aber auch der Endverbraucher sollte durch eine längere
Nutzungsdauer der Geräte zu
weniger
Ressourcenverbrauch beitragen.[Ulrich Korfluer]
2 3
Bürgerkrieg für
mein Handy?
Tantal aus der DR Kongo
© Lupo - pixelio.de
Im Jahr 2006 gab es in
Deutschland bereits mehr Mobilfunkverträge und Prepaidkarten als Einwohner. Wegen
sta?
ndig erweiterten Funktionen
und raschem „Out“ des Designs sind Handys zum Wegwerfartikel geworden. In jedem
Handy sind geringe Mengen
des extrem widerstandsfähigen
und gut stromleitenden Metalls
Tantal enthalten, dessen Erz –
oft in Kombination mit Columbium (=Coltan) – vor allem im afrikanischen Raum abgebaut
wird, ein großer Anteil - Vermutungen belaufen sich auf zw.15
und 40% - im Osten der Demokratischen Republik Kongo, in
Gebieten, außerhalb der Kontrolle durch die kongolesische
Regierung. Als bekannt wurde,
dass durch Abbau von Tantalerzen der Bu?
rgerkrieg im Kongo
mitfinanziert wurde, lehnten ei-
nige fu?
hrende Unternehmen offiziell die weitere Nutzung Tantals aus diesem Gebiet ab.
Zwar sank daraufhin der Weltmarktanteil an Tantal aus dem
Kongo, Experten bezweifeln
diese Angaben jedoch und gehen davon aus, dass ein großer
Teil u?
ber die direkten Nachbarstaaten des Kongos als
Schmuggelware verkauft wird.
Ein großer Teil dieser Schmuggelware endet zur Weiterverarbeitung in China, wo inzwischen ein Drittel aller Mobiltelefone produziert wird.
Als 1996 der Bürgerkrieg in der
Republik Kongo begann, plu?
nderten die einmarschierten
Truppen sowie Rebellenfraktionen zunächst die Vorräte (nicht
nur an Coltan) der Zwischenhändler, um durch den Verkauf
Waffen und Sold zu finanzieren.
Tantal ist ein ohne großen technischen Aufwand und ohne
große Investitionen entlang der
Flüsse leicht abzubauender
Rohstoff. Um Coltanklumpen
zu finden, brauchen nur Löcher
gegraben und die Erde ausgewaschen zu werden. Aber
durch Erdrutsche kommt es immer wieder zu Unfällen. Die in
den Minen Arbeitenden wurden
brutal ausgebeutet, oft beraubt,
willkülich verhaftet, vergewaltigt, gefoltert. Auch Morde kamen vor. Dabei waren und sind
viele der Minenarbeiter Kinder.
Und Kindersoldaten hatten die
Minen zu bewachen. Viele Erwachsene wie Kinder wurden
zu dieser Arbeit gezwungen.
Das Coltan wurde mit kleinen
Flugzeugen, die keinen beson-
deren Start- und Landeplatz
benötigen, in die Nachbarstaaten geflogen; von dort über reguläre Flughäfen zu den Weiterverarbeitern. Wie sehr einige
Nachbarstaaten wie Ruanda
und Uganda von den Plünderungen profitierten, zeigt ein
Vergleich mit dem Verteidigungshaushalt ein paar Jahre
nach Ausbruch des Bürgerkriegs. Aus dem ugandischen
Landesbudget hätte kein Kongofeldzug bezahlt werden können, und in Ruanda waren die
„Einnahmen“ durch die Armee
höher aus die Ausgaben für
dieselbe. Dabei flossen die Gewinne in Ruanda überwiegend
staatlichen Stellen zu, während
in Uganda der größte Teil in die
Schatullen derer floss, die die
Geschäfte kontrollierten.
Eine Expertenkommission der
Vereinten Nationen vertrat 2001
die These, in jenem Krieg ginge
es nicht um Konflikte zwischen
verschiedenen Volksgruppen
sondern um den Zugang zu
den 5 wichtigsten Rohstoffen,
zu denen auch Tantal gehört.
Angesichts zeitweise sehr hoher Coltanpreise durch knappere Versorgung sind nach wie
vor weltweit Verarbeiter leider
auch bereit, günstigeres Coltan
aus dubiosen Abbaugebieten
zu beziehen.
[Ursula Bartscher]
© FotoHiero / pixelio.de
4 5
Kupferbergbau unter Militärschutz
Welch starke Konflikte die
Einrichtung großer Minen
selbst in abgelegenen Regionen hervorrufen kann, zeigt
der Grasberg-Komplex in der
indonesischen Provinz WestPapua. Dieser gehört zu 90
% dem Minenkonzern Freeport Indonesia, einer Tochter
des US-Unternehmens Freeport-McMoRan, einem der
weltweit größten Produzenten
von Kupfer und Gold. Das
Land, auf dem Freeport seit
1967 arbeitet, wurde der
lokalen Bevölkerung ohne
Entschädigung
abgenommen.
Ende der 1980er Jahre wurden große Goldvorkommen
nahe der Kupfermine entdeckt. Freeport sicherte sich
auch für diese die Abbaurechte. Das Gebiet mit einer
großen religiösen Bedeutung für die lokale
Bevölkerung
wurde
durch den Tagebau zerstört.
Der größte Teil dieser
Erze bleibt als Abfall
zurück und wird in Flüsse
gekippt. Die Entsorgung
der Produktionsreste über
Flüsse ist in allen Industrienationen verboten. Das
gesamte Flusssystem unterhalb der Mine wurde
massiv geschädigt. Ein
weiteres Problem sind die
Steinhalden in den Tälern
rund um die Mine, auf denen
weitere 360.000 bis 510.000
Tonnen Gestein täglich deponiert werden. Das Gestein
enthält Schwefel, der durch
Wasser- und Sauerstoffkontakt Schwefelsäure bildet.
Diese löst Schwermetalle aus
dem Gestein, und die giftige
Mischung verseucht Grundund Oberflächenwasser.
).
Tausende Menschen wurden
umgesiedelt, um die Mine
aufzubauen. Gab es Widerstand, rief Freeport Polizei
und Militär zu Hilfe. Die
Sicherheitskräfte schlugen
hart zu und bombardierten
sogar Dörfer. Es kam immer
wieder zu Übergriffen des
Sicherheitspersonals, Vergewaltigungen und Zwangsumsiedelungen, bei denen mindestens 200 Menschen größtenteils Zivilisten - starben und viele andere verschwanden. Das Militär forderte lange Zeit von Freeport
die Bezahlung der Einsätze.
Mindestens bis 2004 flossen
Schätzungen zufolge jährlich
rund 10 Mio. US-Dollar sowie
Einmalzahlungen. Ein Teil der
Gelder gingen direkt an die
Offiziere.
Ende des Jahres 2011 lag die
Produktion durch Streiks
immer wieder still. Es kam zu
Schießereien, die auf Aus-
einandersetzungen zwischen
Polizei- und Militäreinheiten
hindeuten, die über die
Kontrolle der Region streiten.
Freeport will Milliarden USDollar in den Ausbau der Mine
investieren. Anfang 2012 besserte sich die Lage, nachdem
das Unternehmen deutliche
Lohnerhöhungen zugestanden hatte.
Der Abbau von Kupfer ist
nicht in allen Regionen so
konfliktfördernd wie in WestPapua. Doch auch in den
Abbaugebieten von Sambia,
der Demokratischen Republik
Kongo und Peru kommt es zu
schweren Menschenrechtsverletzungen und großen Umweltzerstörungen. Der weltgrößte Förderer, Chile, hat es
dagegen geschafft, Probleme
zu reduzieren und Wohlstand
mit dem Abbau von Kupfer zu
erwirtschaften.
[Thomas Schmikowski]
© rudolf ortner - pixelio.de
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Ausbeutung
in der Elektronikindustrie
© Frank Radel - pixelio.de
Sie erleichtern uns den Alltag,
bieten Unterhaltung und ohne
sie können sich die meisten
Menschen ihr Leben wohl
nicht mehr vorstellen:
Computer, Handys, Spielekonsolen, Fernseher und
Kameras.
Der Großteil dieser elektrischen Geräte wird in Asien
produziert. Thailand ist dabei
der
größte
FestplattenExporteur der Welt, aus China
stammt 25 % der globalen
Elektronik-Produktion. Vorallem billige Arbeitskräfte,
und niedrige Sozial- und
Umweltstandards machen die
Produktion dort hochprofitabel und damit attraktiv für
Investoren.
Weltweit
sind
Millionen
Menschen in der Produktion
von Computern beschäftigt,
die Arbeitsverhältnisse sind
dabei oft unsicher: Die meisten Verträge sind befristet,
und es wird häufig auf
LeiharbeiterInnen zurückgegriffen. Löhne befinden sich
oft unter dem Existenzminimum, und die Arbeitsbedingungen sind trotz zahlreicher
Versprechen von den verantwortlichen Konzernen in den
meisten Fällen immer noch
sehr schlecht.
Die großen Handy- und
Smartphone-Hersteller übernehmen dabei die Entwicklung und das Marketing, während für die Herstellung an
sich größtenteils Lieferanten
zuständig sind.
Traurige Berühmtheit erlangte
das größte Zulieferunternehmen Foxconn, als sich Anfang 2010 mindestens 13
Fälle von Suiziden von
io.de
ArbeiterInnen in chinesischen
Produktionsstätten ereigneten, meist durch Sprünge
vom Dach der Fabrikgebäude. Zuvor wurde Foxconn für
sehr niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen, großen Druck auf die Beschäftigten, unmenschliche Behandlung durch Vorgesetzte
und
äußerst
schlechte
Unterbringung von WanderarbeiterInnen in Massenunterkünften kritisiert. Bei
Foxconn lässt unter anderem
Apple iPods und iPhones fertigen, doch auch Konzerne
wie Hewlett-Packard, Dell,
Nintendo, Microsoft und Sony
lassen dort produzieren.
Apple versprach Besserung,
Berichten zufolge habe sich
die Situation der ArbeiterInnen trotz einzelner Fortschritte bis heute jedoch nicht
grundlegend verbessert. So
wurden z.B. zwar die Löhne
angehoben, gleichzeitig jedoch die geforderte Arbeitsleistung pro Kopf erhöht. Die
Firma Pegatron, ein anderer
in China produzierender
Apple-Zulieferer, sieht sich
Vorwürfen von der Mens c h e n re c h t s o rg a n i s a t i o n
China Labor Watch ausgesetzt, teils sogar Schwangere
bis zu elf Stunden täglich
arbeiten zu lassen.
Die Arbeitsbedingungen bei
Foxconn sind jedoch keine
Ausnahme, sondern weit verbreitet. So steht z.B. der
Konkurrent Samsung aufgrund gefährlicher und menschenunwürdiger
Arbeitsbedingungen sowie der illegalen Beschäftigung von
Minderjährigen in chinesischen
Produktionsstätten
massiv in der Kritik. Insbesondere bei kleineren Zulieferern, die bislang im Gegensatz zu Foxconn nicht im
Fokus der Öffentlichkeit standen, sind die Bedingungen
sogar oft noch schlechter.
[Patrick Gregorz]
8 9
Jedes Jahr
ein neues Telefon?
Das Fairphone als Alternative
Um diese Missstände zu
beheben, braucht es eine
Mischung aus politischem
Druck und verantwortungsvollerem Konsumverhalten
der Verbraucher, wobei "die
Politik" die wirkliche Macht
und damit auch die größere
Pflicht
hat,
wirksame
Veränderungen herbeizuführen.
Die Einhaltung von bestehenden Gesetzen wäre in vielen
© FotoHiero
Ländern schon ein großer
Fortschritt, allerdings
schreckt die Angst vor dem
Verlust von Arbeitsplätzen die
Regierungen vor Ort oft davor
ab.
Norbert Lorenz - pixelio.de
Importländer von Produkten, bei deren Herstellung
Sozialstandards verletzt wurden,
könnten diese Produkte
aber z.B. durch Aufschläge verteuern.
Gemeinden oder öffentliche Einrichtungen sollten
ihre Beschaffung von ITProdukten nach sozialen
und ökologischen Kriterien ausrichten.
In Deutschland tauschen
Nutzer ihre Smartphones
laut der Verbraucherzentrale in NRW nach durchschnittlich 18 Monaten aus,
obwohl ein großer Teil davon
auch
wesentlich
länger
genutzt werden könnte.
Eine Alternative stellt das
erste fair produzierte Smartphone namens "Fairphone"
dar, bei dem durch lange
Haltbarkeit, günstige Reparaturmöglichkeit, Dual-SIMFähigkeit und ein RecyclingProgramm die Nachhaltigkeit
/ pixelio.de
explizit
mitberücksichtigt
wird. Zudem wird bei der
Herstellung
auf
die
Verwendung
konfliktfreier
Rohstoffe und faire Produktionsbedingungen geachtet.
[Patrick Gregorz]
Literaturtipps
zu dieser Ausgabe:
SÜDWIND e.V.(Hg.)
Friedel Hütz-Adams
Von der Mine zum Konsumenten - Die
Wertschöpfungskette von Mobiltelefonen
Siegburg, 2012
Pelmkestraße 14
0 23 31/ 33 69 67
www.pelmke.de
Sa 04.07.
20:30 Uhr
Konzert: Blockflöte des Todes/Fifty Shades of Earl
Grey
Sa 25.07.
20 Uhr.
Comic Lesung: Piero Masztalers „Schöne Scheiße“
Do 06.08.
20 Uhr.
Umsonst und drinnen
Andy Frasco & the U.N.
Sa 22.08.
17 Uhr.
Stadtteilfest Wehringhausen/Wilhelmsplatz
Fr 04.09.
20 Uhr.
Konzert: Honigdieb
Mit finanzieller Unterstützung
des BMZ
Bildnachweis:
- Titelbild: © Bernd Casper - pixelio.de
- S. 3: © Dirk Kruse - pixelio.de
- S. 4/5 © Lupo - pixelio.de
- S. 6/7 © rudolf ortner - pixelio.de
- S. 8/9 © Frank Radel - pixelio.de
- S. 10 © Norbert Lorenz - pixelio.de
licenses/by-sa/3.0)], via
Wikimedia Commons
WEED e.V.
Florian Butollo, Johanna Kusch, Tine
Laufer
Buy IT fair. Leitfaden zur Beschaffung
von Computern nach sozialen und
ökologischen Kriterien
Berlin 2009
missio.(Hg.)
Friedel Hütz-Adams
Kongo, Krieg und unsere Handys
Aachen, 2012
Verbraucherzentrale NRW (Hg.)
Wohin mit dem alten Handy?len:
http://www.vz-nrw.de/wohin-mit-demalten-handy--1
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Gregorz, T. Schmikowski
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10 11
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