Alban Berg Sieben frühe Lieder

Alban Berg
Sieben frühe Lieder
(Fassung für Sopran und Orchester)
RSO Konzertzyklus 2
Do 22. Oktober 2015, 19.30 Uhr
Fr 23. Oktober 2015, 19.30 Uhr
Konzerteinführung jeweils 18.30 Uhr
Stuttgart, Liederhalle, Beethoven-Saal
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
Dirigent: David Afkham
(Live-Übertragung zeitversetzt ab 20.03 Uhr auf SWR2 am
23.10.2015)
Erstellt von Barbara Kiem
Alban Berg – Sieben frühe Lieder
Seite 1
>Sieben frühe Lieder<
von Alban Berg
Manuskript: Barbara Kiem
Kurzfassung der Fortbildung vom 22. Februar 2008
Alban Berg – Sieben frühe Lieder
Seite 1
Die >Sieben frühe Lieder< hat Alban Berg 1928 in einer Klavier- und einer Orchesterfassung herausgegeben. Es sind Vertonungen, die 20 Jahre zuvor, während der Zeit seines
Kompositionsunterrichts bei Arnold Schönberg entstanden sind und deutlich die Spuren
des fortschreitenden Unterrichts zeigen. Auch vor seiner Studienzeit hatte Berg schon
über 100 Lieder komponiert, die noch ganz der spätromantischen Klangsprache verpflichtet sind. Die 1928 von ihm ausgewählten 7 Vertonungen stellen eine Art Bindeglied dar
zwischen den unveröffentlichten Jugendkompositionen und den späteren groß angelegten
Werken.
Einige Jahre nach dem frühen Tod Alban Bergs – er lebte von 1885 bis 1935 – erinnert
sich Schönberg an seinen ehemaligen Schüler:
„Schon aus Bergs frühesten Kompositionen, so ungeschickt sie auch gewesen sein mögen, konnte man zweierlei entnehmen: Erstens, dass Musik ihm eine Sprache war und
dass er sich in dieser Sprache tatsächlich ausdrückte; und zweitens: überströmende
Wärme des Fühlens.“
Auch nach der Studienzeit verfolgte Schönberg anteilnehmend Bergs künstlerische Entwicklung und zeigte sich überrascht
„durch die Fülle und Ungezwungenheit seiner Tonsprache, die Kraft und Sicherheit der
Darstellung, die sorgfältige Durcharbeitung und die bestechende Originalität.“
Aber schon bald nach der Veröffentlichung der Lieder wurden unterschiedliche Einwände
laut. So wurde gefragt, warum Berg Werke herausgegeben habe, die noch jenseits seines
persönlichen Stils lägen, da doch einige der Lieder in die Hochromantik zurückweisen
würden. Die Texte stammen von verschiedenen, meist zeitgenössischen Dichtern. Heute
sind uns nur noch Lenau, Storm und Rilke vertraut.
Berg eröffnet seinen Zyklus mit dem zeitlich zuletzt entstandenen Lied >Nacht<. Die
nächtliche Vision stammt von Carl Hauptmann, dem älteren Bruder Gerhard Hauptmanns.
Dämmern Wolken über Nacht und Tal,
Nebel schweben, Wasser rauschen sacht,
Nun entschleiert sich’s mit einemmal:
O gib acht! Gib acht!
Weites Wunderland ist aufgetan.
Silbern ragen Berge, traumhaft groß
Stille Pfade, silberlicht talan
aus verborg’nem Schoß:
und die hehre Welt so traumhaft rein
Stummer Buchenbaum am Wege steht
schattenschwarz, ein Hauch vom fernen Hain
einsam leise weht.
Und aus tiefen Grundes Düsterheit
blinken Lichter auf in stummer Nacht.
Trinke Seele! Trinke Einsamkeit!
O gib acht! Gib acht!
Gleich zu Beginn des Liedes fühlt sich der Hörer in die geheimnisvolle Atmosphäre der
nächtlichen Nebellandschaft versetzt. Berg breitet eine ganztönige Klangfläche aus – in
sich leicht bewegt durch gleichförmige Achtel. Den weiten, düsteren Raum öffnet ein aus
tiefer Lage in die Höhe versetzter übermäßiger Dreiklang, dessen Töne die Gesangsstimme aufnimmt, in abwärts gleitender Bewegung.
Bläser malen die Dämmerstimmung des Anfangs. Der Gesang ist umhüllt von gestopften
Hörnern und der Bassklarinette; Streicherpizzicati setzen leise Akzente. Die Steigerung
zum Forte wird durch sukzessives Einsetzen der verschiedenen Instrumente erreicht, bis
zwei Posaunen zum strahlenden A-Dur überleiten. Der Nebel reißt auf.
Alban Berg – Sieben frühe Lieder
Seite 2
Mit Harfenklängen und dem Doppeln von Singstimme und Violinen illustriert Berg das
weite Wunderland.
Silbern ragen Berge, traumhaft groß
Stille Pfade, silberlicht talan
aus verborg’nem Schoß.
Während der Text bisher das große Naturbild schilderte, beschreiben die folgenden Zeilen
nur eine vereinzelte Erscheinung:
Stummer Buchenbaum am Wege steht
schattenschwarz, ein Hauch von fernem Hain,
einsam leise weht.
Die Harfenklänge verstummen, die Instrumente des Liedbeginns setzen wieder ein, das
Tempo verlangsamt sich. Die Verlorenheit des einzeln stehenden Baums, umweht vom
leisen Hauch, symbolisiert Berg durch eine Solovioline, die die Gesangslinie umspielt. Die
Schattenschwärze der Worte verstärken Posaune, Bassklarinette und Kontrafagott und
beim Wehen des leisen Hauchs steigt über vollen Streicherakkorden eine Hornlinie sehnsüchtig in die Höhe, bis die Stimmung jäh von drei markanten Forte-Schlägen unterbrochen wird, die nun wieder die diffuse Stimmung des Anfangs ankündigen.
Die Quarte bei „Trinke Seele“ dehnt sich beim Wort „Einsamkeit“ zur übermäßigen Quarte, dem Tritonus, den die Flöte sofort tongetreu wiederholt.
Kurz darf sich hier die Seele an den warmen Klängen der Holzbläser und tiefen Streicher
erquicken, bevor die Stimmung umschlägt. Das ganztönige Feld und auch der übermäßige Akkord tauchen wieder auf, der jetzt in einem Pianissimo-Klang der tiefen Streicher
mündet, gestützt von dunklen Bläsern und vom Tam-Tam in Nebel gehüllt.
Übergehaltene Töne und chromatische Anschlüsse vermitteln in dieser Komposition die
Beziehungen der Akkorde. Erwartete Auflösungen vollziehen sich nicht, da die Klänge
sogleich leittönig weiterstreben. Dies ständige Umfärben und Gleiten kann das Orchester
subtil ausmodellieren; die Instrumente erzählen von schwindenden Umrissen und der
Schattenschwärze des Textes.
Es folgt das von zarter Melancholie durchzogene >Schilflied< von Nikolaus Lenau, dem
romantischen Dichter.
Lenau lässt stets alles Geschehen in der Schwebe, durch ein „es war, als ob“. Hier, in
diesem Gedicht, heißt es: „und ich mein, ich höre wehen“.
Auf geheimem Waldespfade
Schleich ich gern im Abendschein
An das öde Schilfgestade,
Mädchen und gedenke dein!
Wenn sich dann der Busch verdüstert,
Rauscht das Rohr geheimnisvoll,
Und es klaget, und es flüstert,
Daß ich weinen, weinen soll.
Und ich mein, ich höre wehen
Leise deiner Stimme Klang
Und im Weiher untergehen
Deinen lieblichen Gesang.
Auch mit dieser sublim instrumentierten Komposition überschreitet Berg die Grenzen der
spätromantischen Harmonik. Ganz im Gegensatz zum nun folgenden Lied >Die Nachtigall<, durch das Berg in den Ruf eines nostalgischen Romantikers geraten ist.
–2–
Alban Berg – Sieben frühe Lieder
Seite 3
Theodor Storm findet für sein Gedicht subtile lyrische Bilder, um das leise Ahnen neuer
Erlebnisregionen anzudeuten.
>Die Nachtigall<
Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.
Sie war doch sonst ein wildes Blut;
Nun geht sie tief in Sinnen,
Trägt in der Hand den Sommerhut
Und duldet still der Sonne Glut,
Und weiß nicht, was beginnen.
Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.
Nach dieser hellen, überschwänglichen Komposition wendet Berg sich einer nächtlichinstabilen Sphäre zu.
>Traumgekrönt< nach Versen von Rainer Maria Rilke bildet als 4. Lied die Mittelachse
des Zyklus. Rilke kündigt die Sammlung 1896 in seiner kleinen Zeitschrift >Wegwarten<
an:
„Wieder ein paar Lieder. – Geständnisse, Träume. Ich ewiger Schwärmer! Ich sitz’ in
meiner stillen Dämmerstube. Und meine Sehnsucht sitzt bei mir. Sie hat abendrotes Haar
und seetiefe Augen. Und mit ihren schmalen, durchscheinend weißen Händen reicht sie
mir Orakelblumen. Und ich zerpflücke, halb unbewußt, die sternigen Kelche. Blättchen
um Blättchen sinkt.“
Das war der Tag der weißen Chrysanthemen, –
mir bangte fast vor seiner schweren Pracht ...
Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmen
tief in der Nacht.
Mir war so bang, und du kamst lieb und leise, –
ich hatte grad im Traum an dich gedacht.
Du kamst, und leis wie eine Märchenweise
erklang die Nacht ...
Der Rückschauende nimmt eine hinreißende, aber schon müde Schönheit in den Blick:
„Das war der Tag der weißen Chrysanthemen.“ Die Zeile öffnet eine Atmosphäre, in der
Licht und Fülle – vielleicht schon die Überfülle der schweren Pracht – vielfältige Assoziationsströme auslösen, die noch tiefere Erlebnisschichten offenbaren können. Rilke sinniert:
„... dieser Gefühlsstoff ... erscheint mir nur der Vorwand für noch feinere, ganz persönliche Geständnisse, die nichts mit dem Abend oder dem Blütentag zu tun haben, aber bei
dieser Gelegenheit in der Seele sich lösen und ledig werden.“
Intime Erlebnisse sind es auch, die den jungen Alban Berg bewegen während der Vertonung seines Liedes >Traumgekrönt<. Zu dieser Zeit lernte er seine zukünftige Frau, Helene Nahowsky, kennen, der er später die >Sieben frühen Lieder< widmen wird. 1907
schreibt er an sie:
Mir bangte fast, vor der Pracht des gestrigen Glücks.
–3–
Alban Berg – Sieben frühe Lieder
Seite 4
Und kurz darauf heißt es:
„Was war das gestern für ein Tag! Es war um die Mittagszeit, ich komponierte grad, es
fehlten nur mehr einige Takte zur Vollendung: da brachte man mir Deinen Brief! „Endlich“ jubelte es in mir – ich wollte ihn öffnen, da fiel mein Blick auf das Lied, und da
kam’s wie eine Selbstzüchtigung über mich – uneröffnet legte ich Deinen Brief weg, so
unglaublich es klingen mag – und vollendete pochenden Herzens das Lied >Das war der
Tag der weißen Chrysanthemen<.“
Das pochende Herz, zögernde Erwartung und steigernde Unruhe charakterisieren auch
die Komposition. So fallen die vielen Taktwechsel auf; Berg wählt für die 2. Zeile beider
Strophen jeweils den Drei-Viertel-Takt, was den Eindruck einer tastenden Labilität erzeugt. Das Klima der Sehnsucht und des Geheimnisvollen schafft Berg durch übermäßige
Intervallbildungen. Gleich zu Beginn erklingt eine motivische Keimzelle.
Das auffällige Intervall ist der Tritonus. Die meisten motivischen Gestalten – rhythmisch
und kontrapunktisch verarbeitet – lassen sich auf diese Anfangstöne zurückführen.
Bei den Worten: „Mir war so bang“ greift auch die Gesangslinie das zentrale Motiv auf:
Du kamst, und leis wie eine Märchenweise
erklang die Nacht
Das letzte Intervall der Gesangsstimme, der Klang der „Nacht“ ist eine kleine, aufwärts
geführte Septime:
Die Stelle korrespondiert mit der Zeile
... dann kamst du mir die Seele nehmen
Hier wurde die Septime abwärts geführt. So erscheint die Vertonung des Schlusswortes
„Nacht“ als melodische Umkehrung von „mir die Seele nehmen“. Die bange Stimmung
scheint gewandelt zur märchendurchwobenen Nacht. Der Klangraum weitet sich zu einem
Umfang von mehr als 5 Oktaven; die Bewegung verrinnt sanft in einem hellen DurAkkord.
>Traumgekrönt< hatte das „du“ erscheinen lassen; im jetzt folgenden Lied ist ein Paar
innig beieinander. Der naturalistische Dichter Johannes Schlaf zitiert die Beschaulichkeit
eines abgeschlossenen, heimeligen Raums herbei. >Im Zimmer<, so lautet der Titel der
kleinen Idylle.
Herbstsonnenschein.
Der liebe Abend blickt so still herein
Ein Feuerlein rot
knistert im Ofenloch und loht.
So! Mein Kopf auf deinem Knie
so ist mir gut.
Wenn mein Auge so in deinem ruht
wie leise die Minuten zieh’n.
>Im Zimmer< ist die früheste Vertonung der sieben Lieder. Die Harmonik erzeugt den
Eindruck des Schwebenden, Leichten.
Berg besetzt solistisch, nur mit Bläsern, Becken und Celesta.
Nach dem leisen Ziehen der Minuten steigert Berg mit dem nächsten Lied, der >Liebesode< plötzlich die Intensität und Schwungkraft des Verlaufs. Der Text stammt von
Erich Hartleben, um 1900 ein geschätzter Poet. Sein schwärmerisches Liebesgedicht kleidet er in die strenge Form der Ode.
Im Arm der Liebe schliefen wir selig ein.
Am offenen Fenster lauschte der Sommerwind,
Und unsrer Atemzüge Frieden
Trug er hinaus in die helle Mondnacht.
–4–
Alban Berg – Sieben frühe Lieder
Seite 5
Und aus dem Garten tastete zagend sich
Ein Rosenduft an unserer Liebe Bett
Und gab uns wundervolle Träume,
Träume des Rausches – so reich an Sehnsucht.
Die Vertonung steigert die Wirkung des Gedichts; Berg musikalisiert die „Träume“ „so
reich an Sehnsucht“. Der Eindruck des ständig Fließenden wird durch häufigen Tonartenwechsel und eine oszillierende Chromatik verstärkt.
In der ersten Zeile klingen zwei romantische Sexten und im Weiteren sind „Liebe“ und
„Mondnacht“ auch mit der Sexte verbunden. Violinen und bewegte Arpeggien der Harfen
lassen den Sommerwind aufrauschen. Wenn zum Ende vom Rosenduft und wundervollen
Träumen gesungen wird, weitet sich beim wiederholten Ansprechen der „Träume“ die
melodische Spannung von der Sexte hin zur Septime, um bei den letzten Worten „so
reich an Sehnsucht“ in einen kleinen Sekundvorhalt zu gleiten, der seltsam wehmütig in
der Schwebe verbleibt.
Mit dem letzten Lied holt Berg zu noch schwungvollerer Geste aus. Paul Hohenberg ist
der Dichter von >Sommertage<.
Nun ziehen Tage über die Welt,
gesandt aus blauer Ewigkeit,
im Sommerwind verweht die Zeit.
Nun windet nächtens der Herr Sternenkränze mit seliger Hand
über Wander- und Wunderland
O Herz, was kann in diesen Tagen
dein hellstes Wanderlied denn sagen
von deiner tiefen, tiefen Lust:
Im Wiesensang verstummt die Brust
nun schweigt das Wort, wo Bild um Bild
zu dir zieht und dich ganz erfüllt.
Alle weiten, spannungsvollen Linien dieser Komposition wachsen wiederum aus einem
kleinen Motiv hervor. Wie in >Traumgekrönt< zieht sich auch durch >Sommertage< eine
Keimzelle, aus der die Melodiebildungen entwickelt sind. Dieses Kleinstmotiv erscheint
gleich zu Beginn in einem eng geführten Fugato und wird sofort von der Singstimme übernommen.
Nun windet nächtens der Herr
Sternenkränze mit seliger Hand
Über Wander- und Wunderland
Diese zweite Strophe ist in ihrer Begleitung von leichten Achteltriolen durchzogen, die die
Hauptnoten umwinden. Eine aufwärts strebende crescendierende Linie treibt dem ForteHöhepunkt, dem „Wunderland“, entgegen, von der Singstimme lange ausgehalten.
In kurzer Zeitspanne steigert die Dynamik bis zum strahlenden Fortissimo-Dur; und statt
des erwarteten kräftigen Schlusses beschließt ein weicher Moll-Akkord das Lied.
>Sommertage< ist wie >Nacht< und >Traumgekrönt< ein frühes Zeugnis jener Vorstellung von musikalischem Zusammenhang – die die zweite Wiener Schule kennzeichnet –
ein Werk stringent aus einem einzigen Motiv zu entwickeln. In den kleinen Meisterwerken
ist bereits alles vorgebildet, was den späten Berg charakterisiert: ein Höchstmaß an Expressivität und Farbigkeit des Klangs, bei einer äußerst strengen Konstruktion.
Offenbar konnte Berg noch 1928 zu diesen Kompositionen stehen, da er sie nach 20 Jahren anlässlich der Orchesterfassung zu einem Zyklus formte. Trotz der verschiedenen
Dichter lässt sich eine Art Themen- und Bedeutungskette aufzeigen.
–5–
Alban Berg – Sieben frühe Lieder
Seite 6
Wegen seiner inhaltlichen Aussage leitet das zuletzt komponierte Lied >Nacht< den Zyklus ein. Aus Nebelschleiern öffnet sich kurz der nächtige, silberhelle Raum für den Einsamen.
Nächtliche, abendliche Stimmungen durchziehen auch weiterhin den Zyklus, bis die Atmosphäre sich mit dem siebten Lied >Sommertage< ins Helle wandelt. Das Wunderland
wird wieder besungen, aber nun von leuchtendem Licht überstrahlt.
>Nacht< und >Sommertage< umrahmen den Zyklus, runden das Geschehen. Dazwischen werden Liebeslieder gesungen: Das >Schilflied< malt eine sehnsüchtigmelancholische Abendstimmung und der Gesang der Nachtigall erzeugt während des folgenden Tags das verwirrende Ahnen. >Traumgekrönt< führt in die Tiefe der Nacht. Das
„du“ wird angesprochen und erscheint auch. Dieses Lied, als Herzstück des Zyklus, bringt
die Stimmungswende. Das Bange löst sich auf im Märchenklang der Nacht; die folgenden
Lieder singen überschwänglich von beglückenden Stimmungen.
Wie sorgfältig Berg die Folge der einzelnen Lieder bedacht hat, zeigt auch die unterschiedliche Besetzung des Orchesters: Das erste Lied ist voll besetzt, das >Schilflied<
kammermusikalisch, das des dritten Liedes, der >Nachtigall<, solistisch, nur mit geteilten Streichern. Das Orchester von >Traumgekrönt< hat eine mittlere Besetzung, das des
fünften Lieds >Im Zimmer< ist solistisch gehalten für Bläser, Becken und Celesta, das
des sechsten, der >Liebesode<, wiederum kammermusikalisch und zum siebten Lied
>Sommertage<, der schwungvollen Schlussapotheose, wird alles aufgeboten, was an
Begleitstimmen verfügbar ist.
Alban Berg: >Sieben frühe Lieder< U.E. 8855/Orchesterfassung U.E. 12479
CD: Klavierfassung Dt. Grammophon 437515-2 LC 0173
Anne Sofie von Otter, Mezzosopran
Bengt Forsberg, Piano
CD: Orchesterfassung Dt. Grammophon 445846-2 LC 0173
Anne Sofie von Otter,
Wiener Philharmoniker
Claudio Abbado
–6–