HEIMAT:STRASSE MBIMBA JON MAVINGA ORGANISIERT DEUTSCHLANDS GRÖSSTES STREETBALL-TURNIER, DEN GERMANY‘S REALITY CHECK. SEIN TURNIER UND AUCH SEIN LEBEN SIND GRADMESSER FÜR TEXT: NICOLAS RACZ DIE DEUTSCHE REALITÄT FOTOS: MARCO HEINEN 18_25_Mbimba.indd 18-19 20.06.10 16:59 LUANDA IM JAHR 1985. DER SEIT ZEHN JAHREN ANDAUERNDE BÜRGERKRIEG DER JUNGEN REPUBLIK ANGOLA HAT MASSEN AN MENSCHEN IN DIE HAUPTSTADT GETRIEBEN, DIE AUS ALLEN NÄHTEN PLATZT. DAVON BEKOMMT DER JUNGE MBIMBA JON MAVINGA MIT SEINEN SIEBEN JAHREN NOCH WENIG MIT. SEINE FAMILIE UND FREUNDE, DAS HAUS SEINER ELTERN, DAS IST SEIN LEBEN. ALS ER ZUM ERSTEN MAL ÜBERHAUPT EINEN BASKETBALLPLATZ BETRITT UND DEN BALL RICHTUNG KORB WIRFT, AHNT ER NOCH NICHT, DASS ER ALLES, WAS ER BISHER KANNTE, BALD ZURÜCKLASSEN WÜRDE. UND DASS DIESER ORANGEFARBENE BALL ZUKÜNFTIG DER ROTE FADEN SEIN WÜRDE, DER SICH DURCH SEIN LEBEN ZIEHT. CROSSOVER: Jon, heute sitzen wir bei regnerischem Herbstwetter in Köln am Nike Court. Dabei beginnt deine Geschichte in Afrika. JON: Richtig. Ich bin eigentlich in Kinshasa im Kongo geboren, dem Heimatland meiner Mutter. Mein Vater ist Angolaner, weshalb wir nach Luanda zogen, als ich ein Jahr alt war. Sechs Jahre später wurde er zur angolanischen Botschaft nach Paris versetzt und die ganze Familie zog nach Europa: meine Eltern, meine drei Schwestern, drei Brüder und ich. Später gingen meine Eltern und einige Geschwister wieder nach Afrika zurück. Mein kleiner Bruder und ich blieben aber, um vom französischen Bildungssystem profitieren zu können. Wir wohnten dann bei einem Onkel im Pariser Vorort Aubervillier. Das ist keine gute Gegend; Saint-Denis, wo 2006 die Autos angezündet wurden, grenzt direkt an unser Viertel. Du hast in Paris dein Abitur gemacht und auch dort studiert. Wie kamst du nach Deutschland? Nach zwei Kurzbesuchen in Hamburg und Köln lernte ich meine heutige Ehefrau kennen, die auf Schüleraustausch in Paris war, und besuchte sie 1996 in Köln. Wegen meiner Freundin war ich mindestens zwei Mal im Monat in Deutschland. Dann habe ich in Paris ein Sozialpädagogik-Studium an der katholischen Uni Paris begonnen, bin ständig nach Köln gependelt. Während des Studiums wurde meine Freundin dann schwanger. Zugegebenermaßen kam das ein bisschen früher als geplant. Also zog ich nach Beendigung des Studiums nach Kerpen. Eigentlich war ich aber mehr in Köln, das passt besser zu mir. Eine große Stadt, in der ich mein Ding machen kann. Wie war dein erster Eindruck von Deutschland? Deutschland hat mich überrascht; ich hatte ein viel negativeres Bild von dem Land. Nazis überall, Ausländer werden gejagt... was man so vermittelt bekommt. Als ich dann hier war, war es das glatte 20 CROSSOVER 18_25_Mbimba.indd 20-21 Gegenteil. Wobei ich zugeben muss, dass es mich trotzdem zuerst woanders hingezogen hat. Als ich 2001 mit dem Studium fertig war und meine Frau schwanger war, ging ich für drei Monate nach Kanada. für jeden da. Durch Basketball kann ich in ganz Deutschland herumreisen und weiß, dass es überall Communitys auf meiner Wellenlänge gibt. Was würdest du jemandem empfehlen, der neu nach Deutschland kommt? Wieso gerade Kanada? Ich hatte das Gefühl, etwas Neues erleben zu müssen. Afrika kam nicht in Frage, weil ich dachte, dass ich dort viel Geld brauchen würde, um mich zu etablieren. Mein Diplom alleine hätte mir dort nicht viel geholfen. Nach Kanada konnte ich mit dem Abschluss relativ einfach gehen. Nach drei Monaten kam ich aber wieder zurück. In Quebec ist alles groß, weit, aber es gibt keine Kultur. Da hätte ich gleich in die Staaten gehen können. Heute weiß ich: Europa ist das Beste. Deshalb kam ich wieder zurück, was für meine Frau auch viel einfacher war, als gemeinsam auszuwandern. Du kamst ziemlich Hals über Kopf hier an. Konntest du überhaupt Deutsch? Nein, überhaupt nicht. Erst habe ich mich mit Englisch durchgeschlagen. Nach kurzer Zeit sah ich aber, dass es so nicht ewig weiter gehen kann, und habe mich voll auf Deutsch konzentriert. Allerdings ohne jemals einen Kurs besucht zu haben. Ich habe alles von Freunden und im täglichen Leben gelernt. Wie hast du es geschafft, dich in Deutschland zu integrieren? Darüber habe ich mir eigentlich nie viele Gedanken gemacht. Ich habe einfach versucht, viele Freunde zu finden. Basketball war für mich auf jeden Fall ein Schlüssel. Ich habe für Köln und Nordrhein-Westfalen Integrationsprojekte mit Jugendlichen durchgeführt – Integration durch Sport. Dadurch habe ich Zugang zur deutschen Gesellschaft gefunden. Gemeinsam ein Ziel verfolgen, egal ob schwarz oder weiß. Basketball ist Jon, der Familienvater Man muss hier Disziplin haben, organisiert sein, und ein Ziel vor Augen haben. Und natürlich ist die Sprache der Schlüssel zu allem. Wie ist deine Verbindung zu Frankreich heute? Ich habe in Frankreich noch viele gute Freunde aus der Schulzeit. Der Kontakt ist sehr intensiv, inzwischen allerdings hauptsächlich über Telefon und Internet. Nach Paris fahre ich persönlich nur noch ab und zu in den Ferien. Französischer Staatsbürger bin ich auch nicht mehr. Den Pass musste ich abgeben, um den deutschen zu bekommen. Meine Kinder wachsen aber zweisprachig auf. Wenn Deutschland gegen Frankreich spielt, zu wem hältst du? Beim Fußball zu Frankreich, beim Basketball auf jeden Fall zu Deutschland. Wie bitte? Die Staatsbürgerschaft müssen wir wohl nochmal überprüfen. Wie steht es mit deiner Verbindung zu Afrika? Dort habe ich das Licht der Welt erblickt, meinen ersten Basketball geworfen. Ich habe in Afrika den Anfang meiner Kindheit verbracht und meine Eltern leben dort. Aber du fühlst dich als Deutscher? Die deutsche Sprache dominiert in meinem Leben, ich lebe gerne in Deutschland. Fremd fühle ich mich hier nicht. Mal abgesehen von der Nationalität – wer ist Jon Mbimba eigentlich? Jon Mbimba ist Basketballer, Familienvater und Denker. In dieser Reihenfolge? Moment; da kommt die Vaterrolle natürlich an erster Stelle. Der Familienvater Jon Mbimba ernährt seine Frau, zwei Söhne und eine Tochter durch seine Anstellung als sozialer Arbeiter im Sprungbrettverein in Bonn. Dort kümmert er sich um straffällige Jugendliche, die direkt in den Arrest gehen müssten, durch das Engagement des Vereins aber noch eine letzte Bewährungschance erhalten. Jon führt mit den Jugendlichen dann ein dreimonatiges Antigewalt-Training durch. Er begleitet sie zu Gerichtsterminen, redet mit den Richtern. Außerdem betreibt er Konfliktmanagement mit Schulklassen der sechsten und siebten Stufe. Von zehn Kindern bringt er vier bis fünf wieder auf den richtigen Weg – trotz des Widerstandes der Eltern, die sich gegen solche Maßnahmen wehren, weil sie glauben, allein mit ihren Kindern fertig zu werden. Der Basketballer Jon Mbimba hat sein Können in den oberen Ligen unter Beweis gestellt, auch wenn er nie Profi wurde. Basketball hat ihm bei der Integration geholfen und ihm ermöglicht, eine prägende Rolle in der deutschen Streetballszene einzunehmen. Wie kamst du zum Basketball? In Frankreich habe ich immer mit Freunden im Jugendzentrum gezockt. Damals, als Jordan die ersten Titel gewonnen hat. Jeden Tag gab es NBA live im Fernsehen oder französischen Basketball. Auf dem Platz war die Konkurrenz groß. In LeVallois fing ich mit ungefähr zwölf Jahren im Verein an. Zwei Jahre später habe ich wieder aufgehört, weil mir der Basketball in der Schule und auf dem Freiplatz ausreichte. Mit 15 Jahren ging ich wieder zurück in den Verein, habe einen Sprung nach vorne gemacht und sogar mit dem Zweitligakader trainiert und zwei Kurzeinsätze absolviert. Dann knickte ich beim Streetballzocken um. Der Trainer stellte mich vor die Wahl: Streetball oder Basketball. Und wofür hast du dich entschieden? Mir war der Spaß wichtiger. Und das bedeutete Streetball. In Deutschland hast du dann aber doch wieder im Verein gespielt. Richtig, unter anderem bei Bayer Leverkusen in der A-Jugend Regionalliga. Einmal die Woche konnten wir mit der ersten Mannschaft unter Dirk Bauermann trainieren. Ich habe dann aber oft den Verein gewechselt, weil ich mit den Systemen nicht klar kam. Mein Konzept war Dribbeln und Kreativität, das Konzept der Trainer immer nur System und Passen. Im Training ging das ja noch, aber während des Spieles fühlte ich mich dann blockiert. So war ich nie länger als eine Saison beim gleichen Verein. Irgendwann ließ ich es gut sein und fing stattdessen als Jugendtrainer an. Dazu kommen deine Basketballprojekte, die du vorhin erwähnt hast. Was war das genau? Ende 2002, als ich bereits als Trainer eine U16 betreut habe, startete ich ein Projekt – Mitternachtsbasketball in Kooperation mit Sport/Jugend Köln, die mir die Halle organisierten. Das war allerdings nicht leicht, weil immer jemand dabei sein musste, der einen Jugendleiterschein besaß. Dabei hatte ich in dem Bereich viel mehr Erfahrung. Dann wurde mir aber ständig reingeredet und die jungen Leute konnten sich nicht entfalten. Man muss sie erst mal von der Leine lassen, und sie danach mit den Regeln konfrontieren, sonst verlieren sie den Spaß. Kam der Mitternachtsbasketball, den es ja auch in anderen deutschen Städten gibt, gut an? Ja, es kamen sofort 30, 40, 50 Leute. Mitternachtsbasketball war für mich ein Versuch, um zu sehen, wie die Akzeptanz für Streetball in Deutschland ist. In einer Nacht 2004 kamen 150 bis 200 Leute. 2005 sogar doppelt so viele, als ich das Event zum letzten Mal veranstaltete. Das lief dann unter „Team Jon’s Session“, weil wir die besten Spieler unter diesem Teamnamen rekrutierten und zu anderen Turnieren schickten, um Köln und Nordrhein-Westfalen zu repräsentieren. CROSSOVER 21 20.06.10 16:59 „WENN DU NUR EIN MACHER BIST, ERREICHST DU DIE LEUTE NICHT, DU MUSST MACHER UND FAN ZUGLEICH SEIN.“ JON, WAS SOLL DIE MASKE? EIN GESCHENK VON SIDO? (Lacht). Nein. Als ich die Idee mit der Maske hatte, gab es Sido noch gar nicht. Bei meinem Event bin ich zwar primär der Organisator, gleichzeitig aber auch eine Art Clown, der für Unterhaltung sorgt. Ich mache gerne Faxen während der Moderation. Die goldene Maske und die Afro-Perücke unterstützen das ganz gut. Dazu dann noch die goldenen Schuhe mit den Flügeln, hohe Socken, Shorts und Shirt in markanten Farben. Für das Event lackiere ich mir sogar die Fingernägel. Dem weiblichen Publikum scheint es zu gefallen. Ich bekomme sogar E-Mails, in denen Frauen mich fragen, was ich außer Kosmetik denn noch für Interessen hätte. Aber zurück zur Maske: Zuerst hatte ich eine weiße Maske… …WIE IN „SCREAM“… …nicht ganz so einschüchternd. Aber Gold strahlt etwas Positives aus. Deshalb habe ich die Farbe gewechselt. TJS steht für Entertainment, Basketball-Skills, Show. Das Team repräsentierte ursprünglich Köln. Inzwischen haben wir aber so viele Mitglieder, dass wir uns aus verschiedenen Städten zusammensetzen. Weil es in Deutschland nicht so viele gute Turniere gibt, sind wir beim Quai54 in Paris dabei. Wir waren schon dreimal dort. Einmal, um die Gewässer zu testen. Da flogen wir mit sechs Punkten in der ersten Runde gegen einen der Favoriten raus, obwohl wir Heiko Schaffartzik in unseren Reihen hatten. Dafür fehlte es aber unter dem Korb. Im zweiten Jahr haben wir deutlich verloren. Letztes Jahr wollten wir nicht gleich zu Beginn ausscheiden und haben uns professioneller aufgestellt. So gewannen wir die erste Runde und schieden mit vier Punkten Unterschied in der zweiten Runde aus. Jedes Jahr lernen wir dazu und wollen weiter kommen. Wir wollen die besten Spieler aus Deutschland mitnehmen, die wir bekommen können. Das Quai54 ist das beste Turnier in Frankreich, das für dich sicherlich in zweierlei Hinsicht interessant ist. Zum einen, um mit deinem Team dort etwas zu reißen, zum anderen als Vorbild für dein eigenes Event, das aus den Mitternachtsturnieren hervorgegangen ist: den Germany‘s Reality Check. Weshalb hast du diesen Namen gewählt? Jon, der Denker Damit die deutsche Szene auch einen Namen mit Bezug zu Deutschland erhält. Streetbasketball in Deutschland brauchte ein eigenes Image. Unser Turnier soll die Realität des deutschen Streetbasketballs aufzeigen. Nach einer Anfangszeit des Streetballs, in der auch Profis vom Basketball auf der Straße begeistert waren, kam eine Zeit, in der fast nur Amateure den Streetball ausmachten. Starke Spieler hielten sich wegen des zweifelhaften Rufs und der Verletzungsgefahr fern. Ich wollte sie wieder zum Streetball bewegen. Erste Liga und Streetball schließen sich nicht aus. Deshalb habe ich gezielt Profis – Regionalliga aufwärts – eingeladen. Zuerst über meine Kontakte, Spieler aus Düsseldorf, Wuppertal, Bremen, Bonn und Köln. Später wollte ich Städte aus ganz Deutschland involvieren, was auch geklappt hat. Der GRC findet 2010 zum sechsten Mal statt. Erzähl uns ein bisschen über die Entwicklung des Turniers! Beim ersten Turnier bekam ich die Abenteuerhalle Kalk drei Tage lang für zehn Euro. Das war ein Wunder. Die Verwalter dort wussten nicht viel von mir und unterschätzten die Energie, die in der Sache steckt. Im zweiten Jahr musste ich 150, dann 250 Euro (2008) und 500 Euro (2009) abdrücken. Das ist immer noch ein optimaler Preis. Am Anfang haben fünf Leute bei der Organisation mitgeholfen, inzwischen sind es 50. Jedes Jahr werden die Spieler professioneller, die Zuschauer mehr. 2009 haben wir für die beiden Tage zusammen 2.000 Tickets verkauft, obwohl Kinder beispielweise nicht mitgezählt werden. Inzwischen kommen auch nicht nur Basketballer, sondern Familien, basketballfremde Menschen … es wird immer härter und intensiver gespielt. Gewinnen steht im Vordergrund, Show nur an zweiter Stelle. 2009 gab es sogar die ein oder andere Rangelei… Ja, dreimal. Das gehört dazu. Es zeigt, dass die Spieler gewinnen wollen. Manchmal kanalisieren sie ihre Emotionen dann falsch. Am Ende geben sie sich aber die Hand und alles ist in Ordnung. Wieso gibt es trotz der Namensgebung beim GRC auch Mannschaften aus dem Ausland? Um die Attraktivität zu erhöhen, laden wir auch Mannschaften aus dem Ausland ein. Das ist auch Werbung für die deutsche Streetballszene im Ausland. Frankreich, Belgien, Polen, Rumänien… die Grenzen sind offen, aber mehr als vier ausländische Teams bei 16 Teilnehmern sollten es nicht sein. Wie lockst du die ausländischen Teams nach Köln? Zum einen wollen die Jungs natürlich gerne ihre Länder repräsentieren. Wir greifen ihnen dann noch finanziell unter die Arme und teilen uns die Kosten für Übernachtung und Verpflegung. Die Fahrtkosten zahlen die ausländischen Teilnehmer allerdings selbst. Finanzen sind ein gutes Stichwort. In Deutschland hat Basketball ja generell ein Finanzierungsproblem. Clubs gehen Jahr für Jahr pleite, in der ProA sieht man schon fast nur noch Werbung von lokalen Autowerkstätten, Supermärkten und Sparkassen. Inwiefern merkst du das beim GRC? Wir sind sehr selektiv bei den Sponsoren. Geld steht nicht im Vordergrund. Unsere Sponsoren müssen zur Zielgruppe passen. Das Sponsoringproblem des Basketballs liegt daran, dass der deutsche Basketball kein Image hat. Wir brauchen deutsche Gesichter, Spieler mit Geschichte. Davon gibt es viel zu wenig. Die Spieler mit Geschichte haben diese Geschichte woanders entwickelt und dann importiert. Solange wie in der Bundesliga von Saison zu Saison geplant wird, wird sich daran nur schwerlich etwas ändern. Jedes Jahr kommen andere Spieler. Sponsoren denken langfristiger. Ist eines der Ziele des GRC also, den deutschen Spielern ein Gesicht und eine Geschichte zu geben? Ja, durchaus. Nehmen wir das Bremer Team als Beispiel. Die sind seit drei Jahren immer mit dem gleichen Kern an Spielern da. Sie repräsentieren Bremen, und das weiß bei dem Turnier inzwischen jeder. Wo beginnt für dich Streetball, wo hört Basketball auf – und was spielt man beim GRC? Streetball ist für mich der Inbegriff der Freiheit. Freundschaft, Spaß, Entertainment. Basketball steht eher für Arbeit, Disziplin, Geschäft. Der Germany‘s Reality Check ist Streetball. Streetball CROSSOVER 23 18_25_Mbimba.indd 22-23 20.06.10 16:59 und Basketball schließen sich nicht aus. Deshalb haben wir viele Spieler beim Turnier, die ansonsten wohl eher als Basketballer zu bezeichnen sind. Unser Feld ist kleiner, es gibt mehr Körperkontakt, das macht die Umsetzung von Systemen schwierig. Deshalb ist Kreativität gefragt. voll, Sonntag war eher Chill-out angesagt. Dann kamen die Leute mit der Familie, oder um zu posen. Erste Liga, zweite Liga, Regionalliga, alles war vertreten. Das war damals. Was ist deiner Meinung nach der Schlüssel zum großen Erfolg des Germany‘s Reality Check? Jetzt spielt eine andere Generation hier. Uns gehörten die Neunziger. Die Spieler auf diesem Platz haben heute nur ein schwach ausgeprägtes Spielverständnis. Show ist gleichbedeutend mit One-Man-Show. Einer macht etwas, die anderen gucken zu. Früher hat das ganze Team mitgewirkt – alle fünf Spieler. Das war großer Basketball. Aber auch heute gilt noch: Wenn jemand aus Köln oder aus NRW Streetball auf dem bestmöglichen Niveau spielen möchte, muss er hierher kommen. Wenn du nur ein Macher bist, erreichst du die Leute nicht. Du musst Macher und Fan zugleich sein. Das bin ich, und das sind meine Helfer. Wir bieten den Leuten ein Event, das nicht Mittel zum Zweck ist, um beispielweise ein Produkt zu verkaufen. Das merken die Fans, und deshalb stößt der GRC auf solch positive Resonanz. Der nächste Schritt des Turniers wäre wohl ein Ausbau der überregionalen Bekanntheit. Die Teams kommen zwar von überall her, die Zuschauer aber noch fast ausschließlich aus Köln und dem Umkreis. Wir erreichen noch nicht alle. Auch, weil die deutschen Basketballmedien das Event in gewisser Weise boykottieren. Da geht es nur um Exklusivverträge, statt darum, den Basketball zu fördern. Wenn berichtet wird, dann nicht im angemessenen Rahmen. Teilweise sogar mit Fehlern gespickt. Im Vergleich zum Quai54 tun wir uns außerdem schwer, weil es hier viele wichtige Großstädte gibt. In Frankreich konzentriert sich alles auf Paris. Jeder Immigrant geht zuerst nach Paris, bevor er weiterzieht. Die französische Politik, Kultur, Szene, alles spielt sich in Paris ab. In Deutschland hingegen wird alles geteilt: Berlin, München, Hamburg, Köln… jede Stadt bietet etwas. Aber es gibt keine Stadt, in der sich die urbane Kultur landesweit konzentriert. Während die Fotografen die Ausrüstung für das Fotoshooting auf dem Nike Court in Position bringen, rattern die Gedanken in Jons Kopf. In diesem Moment ist er der Denker Jon Mbimba, der seine verschiedenen Lebenswelten vereint, die Probleme in Relation rückt und Pläne für die Zukunft schmiedet – so wie für den Ausbau des GRC. Wie kann man möglichst vielen Basketballfans ein möglichst hochwertiges Turnier bieten? Köln hat sich als geeigneter Standort für Streetball schon einmal hervorgetan. 1997 war auch Jon mit der lokalen Streetballgröße Andrew Chong dabei, als Scottie Pippen den Nike Court eröffnete. Der Platz avancierte in kürzester Zeit zum ultimativen Basketballplatz in Köln und zum bekanntesten Court des Landes. Jon kam selber oft hierher – donnerstags, freitags und am Wochenende. Samstags war es 24 CROSSOVER 18_25_Mbimba.indd 24-25 Wie steht es heute um den Nike Court? Glaubst du, es tut der Szene in Köln weh, dass es jetzt keine Bundesligamannschaft mehr in der Stadt gibt? Schwierig zu sagen. Als der Club etabliert wurde, ist Basketball hier in Köln schon sehr gepusht worden, insbesondere in den Medien und der Wahrnehmung von Leuten, die sonst nicht viel mit Basketball zu tun hatten. Eine Basketballszene an sich gab es hier aber schon immer, und sie war schon immer eine der größten in Deutschland. Schade, dass es jetzt keine Vorbilder in der ersten Mannschaft mehr gibt, aber es gibt ja auch genügend andere Vereine, die sich um die Nachwuchsförderung kümmern. Du hast sehr viel mit Nachwuchstalenten zu tun. Was sind deren Ziele? Die erste Liga? Viele junge Spieler, die ich begleitet habe, wollen in erster Linie ein bis zwei Jahre in den USA spielen, an der High School oder am College. Sie spekulieren, dass sie dadurch in der Bundesliga leichter den Durchbruch schaffen. Eigentlich schade, dass die Spieler erst dann Respekt bekommen, wenn sie sich im Ausland durchgesetzt haben. Verfolgst du die Bundesliga? Wenn Sie im Fernsehen kommt, dann auf jeden Fall. Außerdem kaufe ich die FORWARD, weil es darin hauptsächlich um deutschen Basketball geht. Die Präsenz der Bundesliga in den Medien ist wichtig, damit der Nachwuchs von klein an mitbekommt, dass wir eine eigene Liga haben. Die Kids kennen zu 99 Prozent die NBA und zu einem Prozent die Bundesliga. Dabei ist die Liga vor Ort. Wie siehst du die Rolle der NBA in Deutschland? Die NBA ist ein sehr wichtiges Zugpferd für den deutschen Basketball. Weniger NBA bedeutet auch weniger Popularität und eine geringere Wahrnehmung der BBL. Unter „weniger NBA“ scheinen wir heutzutage auf jeden Fall zu leiden. Anfang bis Mitte der Neunziger hat die NBA massiv in Europa investiert. Die Liga war medial jeden Tag präsent, Freiplätze und Basketballvereine schossen aus dem Boden, Basketball war der Trendsport schlechthin bei den Jugendlichen. Inzwischen hat man das Gefühl, dass die Körbe eher wieder abgebaut werden… Ja, das stimmt wohl. Die erste große Basketballgeneration hat wenig aufgebaut, um den Basketball weiter leben zu lassen. Die großen Sportartikelhersteller, die damals mit Turnieren, Werbung etc. sehr präsent waren, arbeiten heute nur noch gegeneinander und investieren allgemein weniger. In Sachen Streetball haben viele gute Spieler keine Lust mehr auf Turniere, weil ihnen das Niveau zu niedrig ist. Sie gehen nur noch zum Zuschauen hin… …aber nicht bei deinem Turnier… Jon, der Basketballer DER GERMANY‘S REALITY CHECK FINDET AM SAMSTAG, DEN 17. JULI, UND AM SONNTAG, DEN 18. JULI 2010 ZUM SECHSTEN MAL STATT. 16 TEAMS STREITEN SICH UM DEN TITEL. DAS K.O.-SYSTEM GILT AB DER ERSTEN RUNDE: WER VERLIERT, FÄHRT HEIM. START IST AB 11.00 UHR IN DER ABENTEUERHALLE KALK, KÖLN. DIE HIPHOP-KULTUR GEHÖRT 100 % ZUM STREETBALL UND WIRD BEI DEM EVENT AUCH REPRÄSENTIERT. RAP, HIPHOP-DANCE, BEATBOXING, ABER AUCH EINE OPERNSÄNGERIN RUNDEN DAS PROGRAMM SCHON AB. …genau, nicht beim Germany‘s Reality Check. Eines Tages soll der GRC das Herz der gesamten deutschen Streetballszene sein. Diese Szene ist momentan noch zu zersplittert. Die besten Spieler und Fans aus allen Städten sollen zwei Tage im Jahr beim GRC im Sommer zusammen kommen, um dort Streetball zu feiern und sich miteinander zu messen. Amateure und Profis, Spieler und Fans. Wenn wir dieses Ziel erreicht haben, würde ich gerne in acht bis zwölf Städten qualitativ hochwertige Qualifikationsturniere austragen. Das erfordert allerdings Mittel, die wir momentan noch nicht haben. Aber da kommen wir noch hin. Wir bauen das Turnier weiter aus. DARÜBER HINAUS GIBT ES EINE ONE-ON-ONE CHALLENGE UND EINEN DUNKING CONTEST. Du bleibst Köln und Deutschland also weiterhin treu? Ich gehöre dahin, wo meine Kinder sich am wohlsten fühlen. Im Moment ist das Deutschland. Hier werde ich wohl auch die nächsten 15 bis 20 Jahre verbringen. CROSSOVER 25 20.06.10 16:59
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