Mein Leib, mein Blut für euch Die Feier des Heiligen Abendmahl – Bedeutung und Praxis 1. Die Situation 1.1.In unserer Kirche Die Feier des Heiligen Abendmahls hat in den letzten Jahrzehnten wieder an Bedeutung gewonnen. Wurde es zu früheren Zeiten nur gelegentlich, oftmals im Anschluss an den Sonntagsgottesdienst, gefeiert, gehört es heute weithin zum festen Bestandteil gottesdienstlichen Lebens in den Kirchgemeinden und wird wenigstens monatlich in den Gottesdienst eingeschlossen. Dennoch besteht die Gefahr, dass das Abendmahl für viele Christen ein Ritus bleibt und die Verinnerlichung vermissen lässt. 1.2. In unseren Landeskirchlichen Gemeinschaften Weil die örtliche Landeskirchliche Gemeinschaft, wie es der Name sagt, zu ihrer jeweiligen Kirchgemeinde gehört, ist der Normalfall die Teilnahme an der Abendmahlsfeier im kirchlichen Gottesdienst. In der Praxis zeigt sicher aber ein sehr unterschiedliches Bild. So wurde 1999 im Rahmen einer Übereinkunft mit der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens die Möglichkeit geschaffen, dass die Landeskirchliche Gemeinschaften, die dies möchten, mehrmals im Jahr eigene Abendmahlsfeiern durchführen. Wie beim Thema Taufe (Taufgedächtnis), so ist auch im Blick auf die Feier des Abendmahls die Erinnerung an die Einsetzung und die Frage nach der Bedeutung für meinen Glauben nötig. Als wichtigste Quelle kann 1 Kor 11,17ff herangezogen werden. Dort haben wir es mit dem ältesten Text hinsichtlich der Feier des Abendmahls zu tun. Die Ausführungen des Apostels Paulus verdanken wir der Tatsache, dass es gravierende Missstände in der Gemeinde von Korinth gab. Korinth war damals eine berühmt-berüchtigte Hafenstadt mit krassen sozialen Unterschieden. Da gab es die einen, die durch den Betrieb der Hafenanlagen, durch Handel und Handwerk reich geworden waren, und es gab die vielen Armen und die große Zahl der Sklaven. Außerdem blühten in den Hafenstädten des Altertums und der Antike Laster und sittliche Entartung. Nach dem, was wir wissen, spiegelte sich die gesellschaftliche Situation in der Gemeinde von Korinth wieder. Gewiss gab es auch viel Positives und einen großen Reichtum an Gaben, aber dies wurde überschattet durch problematische Entwicklungen. Neben den „Fan-Clubs“, von denen 1 Kor 1,10ff spricht, gab es viele andere kritikwürdige Erscheinungen. Die Briefe des Apostels Paulus an die Korinther sind der Versuch, das „Chaos" zu ordnen. Dieser Brief, vermutlich der zweite, wurde von Paulus im Frühjahr 55 von Ephesus aus geschrieben. Die Missstände in der Gemeinde von Korinth zeigen sich besonders an der Art und Weise, wie das Abendmahl gefeiert wurde. 2. Der Text l. Korinther 11, 17-28 (29-34) 2.1. Unwürdiges Geschehen bei der Feier des Herrenmahles in Korinth (V. 17-22) V. 17 Dies aber muss ich befehlen: Ich kann's nicht loben, dass ihr nicht zu eurem Nutzen, sondern zu eurem Schaden zusammenkommt. Paulus ist sonst in seinen Briefen sehr vorsichtig mit Anordnungen; hier aber geht es um die Grundlagen der Gemeinde (Apg. 2,42). Das Abendmahl ist keine Randerscheinung, sondern es gehört in die Mitte. Darum nimmt er seine apostolische Autorität in Anspruch: Dies muss ich befehlen! Die Versammlungen finden zwar regelmäßig statt, aber sie dienen nicht der Einheit der Gemeinde, sondern sie spalten! Insofern haben sie zerstörende Auswirkungen. V.18 Zum ersten höre ich: Wenn ihr in der Gemeinde zusammenkommt, sind Spaltungen unter euch; und zum Teil glaube ich 's. Spaltungen in verschiedene Parteien und Gruppen haben deutliche Spuren hinterlassen. Paulus hat Informationen darüber erhalten, aber er will noch nicht vorschnell urteilen. Darum sagt er zurückhaltend: „... zum Teil glaub ich‘s!" V.19 Denn es müssen ja Spaltungen unter euch sein, damit die Rechtschaffenen unter euch offenbar werden. Paulus verwendet nun das Wort „Spaltungen" in einem anderen Sinne: es muss zu einer Trennung, zu einer Scheidung kommen, wenn Menschen unbeirrbar am Wort Christi festhalten; denn es gibt keine Gemeinschaft mit unbelehrbaren Sündern (vgl. Mt 18,17; l Joh.2,19). 20 Wenn ihr nun zusammenkommt, so hält man da nicht das Abendmahl des Herrn.21 Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist betrunken. 22 Habt ihr denn nicht Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämt die, die nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich euch nicht. Beim Herrenmahl wurden die Spaltungen deutlich! Es ist sinnvoll, den Ablauf einer urchristlichen Mahlfeier zu rekonstruieren: 1. Mit „Abendmahl" (wörtlich: „Mahl des Herrn“) ist zunächst die damals übliche Hauptmahlzeit am Abend gemeint. 2. Mit „Abendmahl" wird aber auch das festliche Mahl bezeichnet. Im urchristlichen Gottesdienst waren Gemeinschaft miteinander, die auch im gemeinsamen Essen Ausdruck fand, Wortverkündigung und Herrenmahl noch dicht beieinander. In Korinth wurde dies vermutlich aus praktischen Gründen, die in den unterschiedlichen sozialen Schichten ihre Ursache hatten, aufgelöst. Daran macht sich die Kritik des Paulus fest. Einige Exegeten nehmen nun an, dass ursprünglich das „Brotwort“ der Einsetzungsformel am Anfang des Gemeindegottesdienstes, der sicher mehrere Stunden umfasste, stand und das „Kelchwort“ am Schluss [„… den Kelch nach dem Mahl …“], so dass das Abendmahl geradezu eine Klammer um den Gottesdienst bildete. Aus praktischen Erwägungen, z.B. weil die Sklaven erst später dazu kommen konnten, habe man Brot- und Kelchwort, also die eigentliche Abendmahlsfeier, auf den Schluss geschoben, also angehängt. Davor haben die gutsituierten Freien, die ja nicht arbeiten mussten, gegessen und (einige von ihnen auch „über den Durst“) getrunken (V.21). Damit hätten die Korinther, so Paulus, eine wesentliche Komponente des Abendmahls, nämlich die der Gemeinschaft, zerstört. 2.2. Die Einsetzung V. 23-25 23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot,24 dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. 25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 3. Die Bedeutung Hier ist der Vergleich mit den entsprechenden Evangelientexten, z.B. Lk 22,7.14-20, erforderlich. Auch wenn diese zur Zeit der Abfassung des 1 Kor nicht schriftlich fixiert vorlagen, wird Paulus die mündliche Überlieferung gekannt haben. Offen bleibt, was Paulus damit meint, wenn er schreibt „…ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe:“. Der Blick in die Evangelien macht zunächst deutlich: Jesus feiert mit seinen Jüngern das jüdische Passafest. "Ich habe mich sehr danach gesehnt, dieses Passahmahl mit euch zu feiern, ehe ich leiden muss." (V. 15) Hier spürt man die Liebe, die sich selbst durch Untreue, Verleugnung und Verrat nicht erschüttern lässt. - Es ist das letzte Mal, dass Jesus mit seinen Jüngern zusammen ist und er schaut schon über den Horizont des Furchtbaren, das ihm bevorsteht, hinaus auf die Vollendung der Königsherrschaft Gottes. (V.16.18) Passah heißt: Gott hat sich als der Retter seines Volkes erwiesen (2 Mo 13,7ff). Sitte, Ordnung und „Liturgie“ des Festes werden von Jesus übernommen, aber gleichzeitig bekommt die Feier des Passamahles eine übergreifende Bedeutung: Gott hat sein Volk vor langer Zeit aus der ägyptischen Sklaverei befreit. Nun ist es für ihn beschlossene Sache, durch seinen Sohn der ganzen Welt Freiheit von Sünde und Schuld anzubieten. So darf ich bei dieser Feier nicht nur hören, sondern sehen und schmecken, dass Jesus für mich persönlich in den Tod gegangen ist. So wird, sozusagen unter den Händen von Jesus, aus dem Passafest das Herrenmahl, das Abendmahl. Drei Wesenszüge treten hervor: 3.1. Abendmahl heißt: Er verabschiedet sich – wir blicken in die Vergangenheit Es ist ein Abschied, wie es keinen zweiten auf Erden gegeben hat. Jesus verabschiedet sich, um sich verwunden und töten zu lassen. Aber gleichzeitig verabschiedet er sich, um zum Vater zu gehen, in den Frieden Gottes, in die vollkommene Freude. Dieser Abschied wird verursacht durch die Schuld der Menschen und das Ziel seines Weges ist die umfassende Vergebung der Schuld. Zerbrochener Leib und vergossenes Blut (V.19f) sind sozusagen die Abschiedsgeschenke. Im gesunden Zustand gehören Leib und Blut zusammen. Erst durch den gewaltsamen Tod werden sie voneinander getrennt. Darum stehen die Elemente Brot und Wein getrennt auf dem Altar und sind so in ihrer äußeren Anordnung und Gestalt die immer wieder neue Erinnerung an den Kreuzestod unseres Herrn. Dieses Geschehen vor 2000 Jahren am Kreuz von Golgatha hat Auswirkungen auf mein Leben. Meine Vergangenheit, so verrückt, so verkommen und so verfahren sie auch sein mag; sie wird durch das Blut Jesu rein gewaschen. Mein Leben kann noch einmal beginnen. Doch es betrifft nicht nur mich, sondern auch meine Schwestern und Brüder neben mir. Die Ausspendungsworte sind im Plural formuliert. 3.2. Abendmahl heißt: Er bleibt – wir glauben seine Gegenwart Auf ganz neue Weise ist und bleibt er mit seinen Jüngern damals und heute verbunden. Brot und Wein sind Zeichen seiner Gegenwart. So wie er durch die menschlichen Worte in der Predigt und im Zeugnis des Glaubens zu uns spricht, begegnet er uns geheimnisvoll in Brot und Wein. Der Vergleich mit einem Geldschein kann helfen, das evangelisch-lutherische Abendmahlsverständnis zu verstehen und das letztlich Unerklärliche auf bescheidene Weise zu erklären. Ein 50-EURO-Schein ist nicht nur ein Stück Papier, so wie das Brot beim Abendmahl nicht einfach nur Brot ist. Die garantierte Zusage der Bank macht aus dem Stück Papier ein WERT-Papier mit einer Kaufkraft von 50 EURO. Die Zusage unseres Herrn „Mein Leib …, mein Blut …“ geben dem Stück Brot die besondere Bedeutung. Beim Abendmahl verwandeln sich die Substanzen von Brot und Wein aber genauso wenig in Leib und Blut Christi, wie sich der Geldschein beim Kauf einer Ware in den betreffenden Gegenstand verwandelt. So wie wir beim Vorgang des Kaufes die Ware nicht ohne den 50-EURO-Schein bekommen, können wir Jesus Christus beim Abendmahl in dieser besonderen Weise auch nicht ohne Brot und Wein begegnen. Das Abendmahl ist neben dem, was dabei zwischen Mensch und Gott geschieht, auch ein Gemeinschafts-Mahl, das unsere Beziehungen als Schwestern und Brüder im Glauben verdeutlicht. Das Kreuz ist Zeichen unseres gemeinsamen Glaubens und kann uns das Geheimnis der durch Christus geschenkten Gemeinschaft mit Gott und untereinander verdeutlichen. Es entsteht durch die Verbindung des senkrechten mit dem waagerechten Balken. Im Abendmahl geschieht beides: Wir sind durch Jesus Christus in Brot und Wein mit unserem Vater im Himmel verbunden (die Senkrechte). Indem wir gemeinsam von einem Brot essen und aus einem Kelch trinken machen wir deutlich, dass wir als Schwestern und Brüdern zusammengehören (die Waagerechte). 3.3. Abendmahl heißt: Er kommt – wir schauen in die Zukunft In den Evangelientexten lesen wir, dass Jesus in die Zukunft blickt und schon den großen Abendmahlstisch im vollendeten Reich Gottes sieht (V. 18, Matthäus 26,29). An diesem Tisch wird nur noch Freude sein und das Feiern findet kein Ende. So nimmt jede Mahlfeier zeichenhaft das vorweg, was sich beim großen Fest aller Völker (Matthäus 8,11) ereignen wird und will die Vorfreude auf Gottes neue Welt stärken und unserer Hoffnung wieder neue Nahrung geben. Zurück nach Korinth: V 26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. Der Tod des Herrn wird „proklamiert", bekannt gemacht! Sein Tod ist für uns geschehen; das ist die zentrale Aussage des Heilsgeschehens. Das „Wort vom Kreuz" (l Kor 1,18) wird nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar und schmeckbar. Das Abendmahl bringt es auf den Punkt: „Für euch …“. 4. Die würdige Feier des Herrenmahles V. 27 Wer nun unwürdig von dem Brot isst oder aus dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. Was ist mit „unwürdig" (vgl. V. 21/22) gemeint? Wer in Selbstsucht und Eigensinn verharrt, hat die Bedeutung des Abendmahls nicht verstanden und verhält sich demnach unwürdig. Die Art und Weise wird verurteilt, in der der Mensch am Mahl teilnehmen will. Würdig ist der, der im Bewusstsein und mit dem Bekenntnis seiner Schuld kommt, bereit ist, sich segnen zu lassen, sich von der Liebe Christi berühren lässt und sich so in die Gemeinschaft der Schwestern und Brüdern hineingeben will. Wir brauchen keine Scheu vor der Teilnahme am Abendmahl zu haben, wohl aber Furcht vor unserer Selbstsucht und Lieblosigkeit. Die fehlende geschwisterliche Liebe ist ja der Grundschaden der Gemeinde von Korinth. V. 28 Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke aus diesem Kelch. Prüfen heißt, sich darauf vorzubereiten. Es ist darum gut, wenn dem Abendmahl die Beichte, in welcher Form auch immer, vorausgeht. Wer sich vor Gott fragt und mit ihm bespricht, ob er würdig sei, wer sich seiner Schuld bewusst ist und weiß, dass er der Vergebung bedarf, der ist würdig, darf kommen und ist herzlich dazu eingeladen. Martin Luther schreibt dazu im 5. Hauptstück des Kleinen Katechismus: Wer empfängt denn dieses Sakrament würdig? Fasten und leiblich sich bereiten ist zwar eine feine äußerliche Zucht; aber der ist recht würdig und wohl geschickt, wer den Glauben hat an diese Worte: Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden. Wer aber diesen Worten nicht glaubt oder zweifelt, der ist unwürdig und ungeschickt; denn das Wort Für euch fordert nichts als gläubige Herzen.
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