GERMAN MITTELSTAND IN RUSSLAND 2016 Ein Leitfaden zum Geschäftserfolg GERMAN MITTELSTAND IN RUSSLAND 2016 Ein Leitfaden zum Geschäftserfolg 48 FINANZIERUNG VON HANDEL UND INVESTITIONEN ALEXANDER FREY Mitglied des Vorstandes der VTB Bank (Deutschland) AG ANFORDERUNGEN BEI BANKGESCHÄFTEN IN RUSSLAND Zusätzliche Bürgschaften hilfreich/ Möglichst umfassende Informationen bei Zahlungsaufträgen Die russische Wirtschaft kämpft aktuell mit der Bewältigung einiger Herausforderungen von globaler Bedeutung. Vor allem die aktuell noch anhaltenden Sanktionen und der Verfall des Erdölpreises mit entsprechenden Auswirkungen auf den Rubelkurs beschäftigen in diesem Zusammenhang Anleger, Unternehmen und auch Banken. Die russische Wirtschaft befindet sich seit zwei Jahren auf Talfahrt. Die Inflationsrate mit zirka 16 Prozent und der Leitzins mit elf Prozent liegen derzeit auf einem sehr hohem Niveau. Kredite sorgen für ein ausgeprägtes Bankensterben – ein Trend, der schon seit Jahren zu beobachten ist. Dies erschwert in weiterer Folge vielen lokalen Unternehmen die Finanzierung ihrer Investitionsvorhaben, mit entsprechenden Auswirkungen auf die deutsche Exportwirtschaft. Hinzu kommen Skandale, die auch ausländische Institute betreffen und diese zum teilweisen Rückzug aus Russland zwingen. DER UMGANG MIT RISIKEN Russland ist ein Land mit 144,1 Millionen Einwohnern und einer Staatsverschuldung von gerade einmal 21 Prozent des BIP, das trotz aller Probleme immerhin noch Platz 13 bei den deutschen Ausfuhren belegt. So denken auch 5.600 deutsche Unternehmen, die in 80 Regionen Russlands zuletzt rund 40 Milliarden Euro Umsatz erzielten. Die Grundlagen für die heute noch guten Geschäfte wurden oft schon vor Jahrzehnten gelegt. In langjährigen Beziehungen wurde viel Vertrauen aufgebaut. Auch die langfristige Perspektive stimmt viele deutsche Unternehmen positiv. So gilt für die meisten: »Mit Augenmaß durch die Krise«. Deutschland ist dabei auch für russische Unternehmen von großer Bedeutung. Mehr als die Hälfte des Erdölbedarfs und knapp ein Drittel des Gasbedarfs deckte Deutschland 2014 durch Importe aus Russland. Das Gesamtvolumen aller Importe aus Russland nach Deutschland belief sich auf 38,4 Milliarden Euro. Gerade die großen russischen Institute begannen schon vor einigen Jahren mit der Internationalisierung. So begleiten sie die deutschen Töchter russischer Unternehmen und Unternehmer, die sich auf dem Weg nach Deutschland befinden. Die VTB beispielsweise kaufte in Deutschland und Österreich seit Jahrzehnten bestehende Institute. Für deutsche Unternehmen sind russische Institute mit lokaler Präsenz in der eigenen Heimat von wachsender Bedeutung. Die Betreuung kann aus einer Hand erfolgen, beispielsweise durch Investitionsfinanzierungen in Deutschland oder Exportfinanzierungen nach Russland. Die Präsenz und Netzwerke in den jeweiligen Märkten sind von herausragender Bedeutung. Auf diese Weise wird auch die Lücke gefüllt, die durch den teilweisen Rückzug internationaler Institute aus Russland entstanden ist. Die gute Nachricht ist aber, dass trotz Sanktionen und eines schwierigen Marktumfelds nach wie vor Geschäfte mit Russland möglich sind – soweit Unternehmen einige Regeln beachten. Grundsätzlich sind Außenhandelsaktivitäten mit sanktionierten Unternehmen nicht verboten. Die Sanktionen betreffen vorrangig ein Embargo von Dual-Use-Gütern und Ausrüstungen für den Erdöl- und Erdgassektor sowie Beschränkungen im Kapitalverkehr, zu dem der Handel mit Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten zählt. Das trifft vor allem die mehrheitlich im Staatsbesitz stehenden Banken. Für Unternehmen ergeben sich neue beziehungsweise größere Risiken. Neben der üblichen Prüfung des Geschäftspartners und seiner Befugnisse mittels Prüfung eines Auszuges aus dem Handelsregister kann es daher ratsam sein, auf Sicherungsarten gemäß Kapitel 23, Art. 329 Abs. 1 des russischen Zivilgesetzbuches zu bestehen: So können sich beispielsweise Bürgschaften (»porucitelstvo«) und unabhängige Garantien (»nezavisimaja garantija«) von namhaften Kreditinstituten als hilfreich erweisen. Eine Absicherung über Standardprodukte schafft oft Abhilfe. Dabei handelt es sich zum Beispiel um bestätigte Akkreditive oder Garantien, aber auch Euler-Hermes-gedeckte Transaktionen gewinnen an Bedeutung. Zur Verringerung von Transferrisiken (z. B. bei Rohstofflieferungen) eignen sich außerdem Pre-Export-Konstruktionen. Vor allem geraten kleine Banken in Russland in Bedrängnis. Der fallende Rubelkurs, die sukzessive Umsetzung der Basel III ähnlichen Vorschriften sowie eine erhebliche Anzahl notleidender NOCH IMMER EIN ENORMES POTENZIAL FINANZIERUNG VON HANDEL UND INVESTITIONEN 49 HERAUSFORDERUNGEN IM ZAHLUNGSVERKEHR Ein weiterer wichtiger Aspekt für das Bankengeschäft mit Russland sind die hohen Transparenzanforderungen, welche Banken erfüllen müssen. Das betrifft vor allem den internationalen Zahlungsverkehr, der teilweise mit großer Verzögerung einhergeht. Das liegt vor allem daran, dass Zahlungsaufträge von und nach Russland oft eine Reihe von Banken beziehungsweise Zahlungsdienstleistern durchlaufen, die alle die Sanktionsvorschriften beachten müssen. Zahlungsaufträge sollten daher so viele Informationen wie möglich bezüglich des zugrunde liegenden Geschäftsvorfalles (Art der Waren, Laufzeit der Kredite, etc.) und der beteiligten Geschäftspartner, Auftraggeber und Zahlungsempfänger (Name und vollständige Adresse) beinhalten. Diese Informationen beschleunigen die Bearbeitung in den entsprechenden Compliance-Abteilungen und verkürzen so die Laufzeit des Zahlungsauftrags. Auch die neuen europäischen Vorschriften aus der Geldtransferverordnung, die im Juni 2017 in Kraft treten wird, könnten laufzeitverlängernd wirken: Das Hauptziel der Vorschriften ist die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Geldtransfers. Demzufolge müssen alle Zahlungsaufträge auf Vollständigkeit bezüglich der Auftraggeber- und Empfängerdaten geprüft werden; fehlende Daten sind nachzufordern. Das gilt sowohl für die Bank des Auftraggebers als auch für die Bank des Begünstigten. Mit dieser Vorschrift ist die Prüfungspflicht für alle zwischengeschalteten Banken hinzugekommen. Bei wiederholter Nichtbeachtung der Vorschriften muss der Auftraggeber der Zahlung abgemahnt und gegebenenfalls sogar die Geschäftsbeziehung beendet werden. Der räumliche Anwendungsbereich ist hier nicht nur auf den europäischen Wirtschaftsraum beschränkt, sondern umfasst auch Zahlungsaufträge mit Drittstaaten-Bezug – also auch Russland. Es bleibt abzuwarten, ob sich Auswirkungen auf das Netz der Korrespondenzbanken ergeben. Möglicherweise werden sich einige Institute aus dem Clearinggeschäft zwischen Banken zurückziehen. Unternehmen sind gut beraten, sich kompetente Bankpartner zu suchen, die über genügend Erfahrung und Know-how verfügen und auch in turbulenten Zeiten Lösungen anbieten können. Die erste Adresse sind hier große und international aufgestellte Institute, welche Wissen bündeln und alle relevanten Sparten abdecken.
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