Zeitungsbericht der Siegener Zeitung - Ludwig-zu

Schulfrei für immer
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Ruhebank für den Ruhestand: Das Lehrerkollegium schenkte Doris Oster (l.) zum Abschied eine große Bank für ihren
Garten. Auf dieser soll sie ihre schulfreie Zeit genießen – und Pläne für die Zeit nach der „Kreidezeit“ schmieden. Fotos
(2): Timo Karl
Bad Berleburg Engagiert, innovativ, beliebt: Doris Oster als Hauptschulleiterin
verabschiedet
„Ich habe meinen Beruf bis zum letzten Tag mit Freude ausgeübt“, erklärte die bewegte Bad
Laaspherin.
tika ■ Auf ihre letzte große Rede hatte sich Doris Oster gut vorbereitet. Niemanden wollte sie in ihrer Dankesrede vergessen,
das war immer ihre Art – und dieser Linie blieb sie bis zuletzt treu. Niemanden hatte die Schulleiterin der Ludwig-zu-SaynWittgenstein-Hauptschule in Bad Berleburg jemals auf der Strecke zurückgelassen. „Diese Schule ist ein Ort, an dem jeder
angenommen wird, ein Ort des Miteinanders – und das soll so bleiben“, konstatierte die Lehrerin. Sie hatte mit sich gekämpft, um
Luft gerungen, doch als sie die Bühne verließ, brachen sich ihre Tränen doch Bahn.
Es war ein emotionaler Abschied, einer, der der 65-jährigen Bad Laaspherin nicht leicht fiel. „Das ist ein bedeutender
Lebensabschnitt, der nun nach über 44 Jahren von heute auf morgen vorbei ist“, erklärte Doris Oster, die sich gestern im Rahmen
einer Feierstunde in der Hauptschule im Schulzentrum auf dem Stöppel verabschiedete. Seit 1997 war sie als Lehrkraft in der
Odebornstadt aktiv – zunächst als stellvertretende Rektorin, ab 2004 dann als Schulleiterin. Eine Zeit, in der sie der Hauptschule
ihren Stempel aufgedrückt hat – Doris Oster tritt mit der Ausgabe der Halbjahreszeugnisse am 29. Januar in den Ruhestand, ihre
Handschrift bleibt. „Doris Oster war immer eine kompetente und verlässliche Persönlichkeit in der Bad Berleburger
Schullanschaft – und sie war prägend für diese Schule. Die Zusammenarbeit mit ihr war immer ein engagiertes und zielgerichtetes
Miteinander“, erklärte Bernd Fuhrmann. Der Bürgermeister der Stadt Bad Berleburg als Schulträger wusste genau, dass mit der
Wahl-Wittgensteinerin eine engagierte Persönlichkeit geht, die sich einen nachhallenden Ruf erarbeitet hat. Und die Hauptschule
in Bad Berleburg – entgegen des bundesweiten Trends – zukunftssicher gemacht hat.
„Die Ludwig-zu-Sayn-Wittgenstein-Schule zeigt sich stabil – und das hat Gründe. Dieser Schule wird eine große Akzeptanz
entgegengebracht, die Hauptschule ist ein starker Partner innerhalb der Berleburger Schullandschaft“, erklärte Manfred Müller.
Der Rektor der benachbarten Realschule auf dem Stöppel bedauerte den Abgang seiner Kollegin nach Jahren der konstruktiven
Zusammenarbeit. „Doris Oster hatte immer das große Ganze im Blick“, konstatierte Manfred Müller.
Tatsächlich offenbarte sich die Bad Laaspherin inmitten einer sich ständig wandelnden Schullandschaft und damit immer neuer
Verantwortungsbereiche als eine Konstante mit Weitsicht. Die scheidende Schulleiterin knüpfte Kontakte zu Unternehmen in
Wittgenstein und arbeitete Kooperationsverträge aus, von denen gegenwärtig die Schule und die Industrie profitieren. „Wir sind
aus einer Beliebigkeit herausgekommen und haben Verpflichtungen geschaffen. Es sind Kooperationen entstanden, die diese
Schule gelebt hat. Denn wenn diese Schule keine guten Schüler liefert, haben wir ein riesengroßes Problem“, erklärte Winfried
Schwarz. Der Geschäftsführer der Firma Ejot und des Bildungszentrums Wittgenstein in Personalunion attestierte der Pädagogin
ein großes Engagement. „Die Hauptschule hat einen ungewöhnlichen Überlebensdrang, Sie blühen mit dieser Schule auf. Das
größte Gut, dass wir als Unternehmen haben, sind unsere Mitarbeiter – viele von diesen haben Sie vorgeprägt“, erklärte Winfried
Schwarz.
Die Art und Weise, in der das geschehen ist, war eine – ihrem Kollegium und den Schülern gegenüber – stets von Respekt und
Menschlichkeit geprägte Umgangsform. „Sie haben immer Ihr Bestes für uns gegeben. Bei Ihnen blieben keine Probleme
ungelöst. Wir Schüler empfinden ihren Abgang als besonders starken Einschnitt“, erklärte Schülersprecher Tom Müller. Und sein
Pendant Melissa Strack war sich sicher: „Wir Schüler konnten immer spüren, wie sehr Sie Ihre Arbeit lieben. Wir haben daher
auch einen Grund zu feiern – eine tolle lange Zeit mit Ihnen“, erklärte die Schülersprecherin – ein größeres Lob gibt es für eine
Lehrerin kaum.
25.01.2016 16:40
Schulfrei für immer
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„Doris Oster kannte nicht nur die Schüler, sondern auch deren Geschichte. Das macht den Geist der Schule aus. Die Würde eines
Menschen ernstzunehmen, das macht sie aus“, erklärte Henning Debus, der gemeinsam mit Silke van Doorn für das
Lehrerkollegium sowie als Vertreter der Kirche sprach. Allein, nicht nur innerhalb der Schulmauern brachte ihr Umgang mit
Menschen ihr Anerkennung ein. „Ich bedauere, dass eine erfahrene Schulleiterin von Bord geht. Doris Oster hat immer neue
Wege gefunden und war als Leiterin eine verlässliche Ansprechpartnerin. Lehrerin – das ist der Beruf, der zu dir passt, das bist
du“, erklärte Schulamtsdirektor Walter Sidenstein, der der Schulleiterin ihre Entlassungsurkunden übergab.
Als alle Reden gehalten, alle Hände geschüttelt und alle Abschiedsgeschenke überreicht waren, betrat Doris Oster die Bühne. Sie
wusste, dass dies ihre letzte große Rede vor dem Ruhestand sein würde – und deshalb wollte sie jedem danken: dem Land, dem
Kollegium, der Schulpflegschaft und nicht zuletzt den Protagonisten: ihren Schülern, die sich nun gleichsam auf eine neue Leitung
einstellen müssen. „Ein Wechsel in der Leitung bringt immer frischen Wind mit. Ich hoffe aber, dass dieser Wind kein Durchzug
ist und alles auf den Kopf stellt“, erklärte Doris Oster. Dann sah sie auf, atmete tief ein und sagte: „Ich habe meinen Beruf bis
zum letzten Tag mit Freude ausgeübt. Und nun habe ich schulfrei.“ Verließ die Bühne und ließ ihren Gefühlen freien Lauf.
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