Worte, die laufen - Zum Heilsbronnen

Predigt über 2. Thessalonicher 3,1-5 „Worte, die laufen“
Pfarrer Florian Kunz
Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen
werde wie bei euch und dass wir erlöst werden von den falschen und bösen
Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding. Aber der Herr ist treu;
der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen. Wir haben aber das
Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten.
Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld
Christi.
Betet, dass das Wort des Herrn laufe!
Worte, die laufen … von Mündern in die Welt gesetzt machen sie sich auf den
Weg. Sie laufen aus der Feder des Schreibers oder machen ihre Schritte auf dem
Bildschirm des Computers. Mal werden sie mit Tempo ins Rennen geschickt,
schnellen an ihr Ziel. Mal brauchen sie länger, drehen einige Runden bis sich
ihre Wirkung entfaltet. Manchmal treten sie einen Hürdenlauf an, müssen
Hindernisse nehmen, Kommunikationsbarrieren überwinden. Manchmal
kommen sie nicht ans Ziel, dringen nicht durch, erreichen weder Kopf noch
Herz – versprochen, verhallt, totgelaufen.
Worte die laufen … mit hartem Schritt können sie unterwegs sein - Parolen, die
marschieren. Wer ihnen nicht folgt, wird niedergetrampelt, niedergebrüllt.
Andere Worte kommen sanft daher, laufen auf leisen Sohlen, flüstern sich ins
Ohr, schleichen sich ins Herz und bei ihrem Klang wird es warm.
Manchmal kann man zugucken, wenn Worte das Laufen lernen, wenn zu
Sprache wird was nicht verschwiegen werden kann. Worte, wie kleine Kinder.
Tapsig machen sie sich auf den Weg, ein Bein vor das andere, brauchen mehrere
Versuche, suchen Halt … und schließlich fügen sich die Satzteile, wird das
Stottern flüssige Rede, es läuft …
Worte, die laufen … „Fahre hinaus wo es tief ist und werft eure Netze zum Fang
aus!“
Das Wort des Herrn läuft …. zu Petrus, im Fischerboot, nahe dem sicheren
Ufer. Es läuft an gegen die Erfahrung des Profifischers, gegen seine schlechte
Laune nach dem missglückten Fang: „Meister wir haben die ganze Nacht
gearbeitet und nichts gefangen“ Doch das Wort dringt durch zu Petrus, er nimmt
es an Bord: „Aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.“
Und so bewegt sich das Wort weiter, bewegt das Boot weiter, setzt Petrus und
seine Freunde in Bewegung. Und auf dem See, da wo es tief ist, bekommt das
Wort Hände - kräftige Fischerhände, die zum Bersten volle Netze aus dem
Wasser ziehen. Doch hier ist das Wort noch nicht am Ziel, es läuft noch weiter
in den Herzen der Männer nach dem wundersamen Fischfang, wirbelt alles
durcheinander was sie glaubten zu kennen und zu wissen. Bis sie schließlich
ganz zu dem gehören wollen, dessen Wort schon zu ihnen gehört. Da ist es am
Ziel das Wort des Herrn - macht aus Fischern Menschenfischer. Nun werden sie
sein Wort laufen lassen, es auswerfen wie ein Netz. Mit ihm laufen, mit ihm
leben. Und so macht es sich wieder auf den Weg, das lebendige Wort des Herrn
und sie folgen ihm nach.
Worte, die laufen … vor hundert Jahren, am 29. Juni sind es diese Worte:
„Österreichischer Thronfolger erschossen, Erzherzog Franz Ferdinand ermordet,
Die Bluttat von Sarajevo“. Diese Worte laufen über die Telegrafen, prangen auf
den Titelseiten der Gazetten, die Zeitungsjungen rufen sie durch die Straßen.
Entzündliche Worte. Das schreckliche Ereignis das sie beschreiben, wird schnell
zum Vorwand genommen für Mobilmachung und Krieg. Nur einen Monat
später. Die Worte, die dann folgen, sind durchtränkt von Nationalismus und
Kriegsbegeisterung. Sie stacheln an, verbreiten Euphorie, wecken ein Gefühl
von Überlegenheit und Zusammenhalt. Bei Kundgebungen werden sie laufen
gelassen und von Kanzeln losgepredigt … schnell erreichen sie ihr Ziel, krallen
sich fest in den Herzen. Wo sind die anderen Worte? „Selig sind die
Friedfertigen“, „Verleih uns Frieden gnädiglich!“ Wer schickt sie ins Rennen?
Wer singt und betet sie? Wenige sind es. Ihre Stimmen verhallen, ihre Worte
laufen ins Leere, gehen unter in Kriegstümelei und Hurrah-Geschrei. Die
Parolen, die marschieren lauten: „Die Russen und die Serben – wir schlagen sie
in Scherben!“
Worte, die laufen, zum Lauffeuer werden, bis ganz Europa in Flammen steht.
Worte die laufen … schnell sind sie ihm aus der Feder geflossen, ungebremst in
seiner Erregung hat er sie niedergeschrieben, ganz ungefiltert. Dann schickt er
sie raus, lässt sie an das schwarze Brett der Stadt anbringen, die Tür der
Schlosskirche in Wittenberg. Hier sollen sie hängen, damit sie weiterlaufen …
in den Köpfen und Herzen. Damit sie protestieren, bewegen, verändern: 95
Thesen gegen eine Kirche, die den Menschen Angst macht vor Gott, ihnen
erzählt er wäre käuflich und wolle bestochen werden. 95 Thesen gegen eine
Kirche, die zur Heilsfabrik geworden ist und Vergebung produziert und verkauft
– schön gedruckt auf Ablassbriefen. 95 Thesen gegen das Geschäft mit der
Angst und für einen Gott, der die Menschen liebt - gerade in ihrer Schwäche,
ihrer Angst und ihrer Schuld. Worte, die laufen, … mit schnellen Schritten,
immer weiter und weiter verbreiten sich die Ideen Martin Luthers. Und seinen
Worten wachsen noch ganz neue Beine - bewegliche Lettern. Buchstaben aus
Blei. In Druckschienen eingesetzt, lassen sich mit ihnen schnell neue Wörter
und Sätze formen. So bringt der Buchdruck den Worten noch einmal ganz neu
das Laufen bei.
Worte, die laufen … von Mündern in die Welt gesetzt machen sie sich auf den
Weg. Sie laufen aus der Feder des Schreibers oder machen ihre Schritte auf dem
Bildschirm des Computers. So viele Worte sind in ihrem Lauf, jeden Tag, jede
Sekunde werden neue ausgesandt, laufen über die Nachrichtenticker, strahlen
von Werbetafeln, schießen als Email und SMS durch die digitalen Welten…
Bedeutungschweres und Wortmüll ist dabei. Wir hören und sagen diese Worte,
lesen und schreiben sie. Sie strömen auf uns ein und kreisen in unseren
Gedanken. Manche laufen ins Leere, andere gehen uns noch lange nach.
Betet, dass das Wort des Herrn laufe!
Im Getümmel der vielen, läuft das eine Wort. Gekleidet in Alltagssprache und in
manch fremdes Gewand. Geborgt von unseren Müttern und Vätern und doch für
uns. Gesagt auf Kanzeln und in den Straßen. Gebetet und gerufen in Freude und
Not. Gesungen in Dur- und Moll. Geflüstert zu Kindern, gelegt auf Sterbende,
geheiligt im Sakrament, gelebt in der Tat.
Damals und heute, immer wieder neu ins Rennen gesandt, ein Stück vom Herrn
zu sagen, Leben zu spenden, zu bewahren, zu sein.
Wie all die anderen Worte, findet auch das eine Wort manchmal nicht sein Ziel.
Stößt auf Fragezeichen, Kopfschütteln, Achselzucken. Der Glaube ist nicht
jedermanns Ding. Wie all die anderen Worte kann auch das Wort des Herrn
verhallen. Vielleicht dieses noch viel mehr. Denn das Wort des Herrn trägt alles
in sich, will es aber schenken, will nicht zwingen und überreden, sondern zum
Herzen eingehen. Das braucht Raum und Laufzeit.
Und auch das Wort des Herrn ist kein Selbstläufer. Es reicht nicht dass wir es
sagen, vom Mund abgesetzt und ins Rennen geschickt. Wer es sagt muss mit
ihm laufen, muss dafür einstehen, dafür leben. Dann wachsen dem Wort und
unsere Worten Beine, setzen sie sich und andere in Bewegung. Dann weht der
Geist Gottes und sie bekommen Rückenwind: Worte, die laufen.
„Im Anfang war das Wort“ heißt es bei Johannes, „und Gott war das Wort. Das
Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“ Fleischgewordenes Wort – Wort mit
Händen und Füßen, wohnt unter uns, läuft mit uns.
Amen.