Vorschläge zur Deregulierung 60,13 KB

LH. Dr. Josef Pühringer – Übergabe an EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker am 23. Juli 2015
Ideen und Positionen zu Deregulierung und Subsidiarität in der EU
Oberösterreich
Vorgangsweise/Ausgangspunkt
Europäische Union: Das Land wird sich verstärkt an der EU-Rechtssetzung
beteiligen und auch auf dieser Ebene Deregulierungsinitiativen unterstützen
sowie die notwendigen Deregulierungsschritte fordern. Der Oö. Landtag hat
dazu im Jahr 2014 einen eigenständigen Mechanismus in die Wege geleitet
(„Subsidiaritätskontrolle“), dessen Ergebnisse nicht nur der Europäischen
Kommission und dem Bundesrat zur Verfügung gestellt werden, sondern auch
im Wege des Ausschusses der Regionen sowie der sonstigen Netzwerke
transportiert werden.
Ziele der Maßnahmen sind:
Verringerung des Bestands an verbindlichen Rechtsvorschriften, die mit
einer Aufwandsentlastung sowohl für die Verwaltung als auch für die
Bürgerinnen und Bürger verbunden ist;
Raschheit: Sicherung der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts
Oberösterreich durch Herstellung von Rechtssicherheit innerhalb
angemessener Zeit;
Konzentration des Mitteleinsatzes: Ressourceneinsparung im Standardund
Routinebereich
zur
Ermöglichung
eines
konzentrierten
Ressourceneinsatzes bei komplexeren Fällen.
Grundsätze: Zur Erreichung dieser Ziele gelten folgende Grundsätze, an denen
sich die einzelnen konkret zu setzenden Maßnahmen messen lassen müssen:
Abschied vom gesellschaftlichen „Vollkasko-Denken“: Die Stärkung der
Eigenverantwortung der Menschen, der Unternehmen und der
Selbstverwaltungskörperschaften auch in einer komplizierter werdenden
Lebensumgebung sowie die Verwirklichung des Grundsatzes der
Subsidiarität. Allgemeine Gefahren, deren Folgen von der einzelnen
Person durch entsprechende persönliche Vorsicht vermieden werden
können, bedürfen ebenso keiner gesetzlichen Regelung wie
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Interessenskonflikte, die individuell durch andere Instrumente und
Einrichtungen gelöst werden können. Im Zweifel hat der Gesetzgeber auf
die Erlassung von (letztlich die Freiheit der einzelnen Person
beschränkenden) Regelungen zu verzichten. Die einzelne Person oder die
jeweils kleineren Gemeinschaften sollen befähigt werden, ihre Aufgaben
eigenverantwortlich und dadurch lebensnah zu lösen.
Regelungen sind nur dann unbedingt notwendig, wenn sie einem
öffentlichen Interesse dienen (und nicht deshalb erfolgen, weil dies für
einzelnen Betroffene bequemer ist, als sich privatrechtlich abzusprechen).
Dabei ist aber auch zu bedenken, dass die Sicherung des
Wirtschaftsstandorts (Ober)österreich als ein sehr erhebliches öffentliches
Interesse zu bewerten ist. Die Rechtssicherheit für Anlagenbetreiberinnen
und
-betreiber,
die
mit
einem
öffentlich-rechtlichen
Genehmigungsverfahren verbunden ist, soll als grundsätzliches Ziel nicht
aus den Augen verloren werden.
Standardisierung und Vereinfachung: Behördliche Routineverfahren
werden generell standardisiert und vereinfacht, um die dadurch frei
werdende Ressourcen für anspruchsvolle Verfahren einsetzen zu können,
die damit ebenfalls beschleunigt werden.
Gesamtheitliche
Leistungsbetrachtung
einschließlich
der
Zusammenfassung von Leistungen sowie einheitliche, konzentrierte und
einfache Kontakte für die Kundinnen und Kunden der jeweiligen
Verwaltungseinheit.
Vermeidung von Neuregelungen, damit eine nachgehende Deregulierung
überflüssig wird: Durch diesen verfahrensmäßigen Zugang (nicht nur
Durchforstung des bestehenden Rechts, sondern strikte Prüfung auch
sämtlicher neuer Rechtsetzungsvorhaben an den hier verankerten
inhaltlichen Grundsätzen) soll sichergestellt werden, dass die Beachtung
der Ziele der Deregulierung nicht auf einzelne Projekte beschränkt sein
darf, sondern eine Daueraufgabe darstellt.
Vermeidung von behördlichen Doppel- und Mehrfachprüfungen
desselben Sachverhalts insbesondere auch auf Sachverhaltsebene (=
Sachverständigenebene).
Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips als zentrale Grundregel für das
Verhältnis zwischen Union und Mitgliedstaaten: Das Land Oberösterreich
bekennt sich zum Subsidiaritätsprinzip, welches besagt, dass die Union nur
dann tätig werden darf, sofern und soweit die Ziele der Maßnahmen auf
Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können. Alle
Entscheidungen müssen somit auf einer möglichst bürgernahen Ebene
getroffen werden. Die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips ist somit der
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Schlüssel zu mehr Bürgernähe und zur Akzeptanz der EU in der
Bevölkerung.
Aktive Prüfungstätigkeit: Das Land Oberösterreich nimmt seine
Verpflichtungen, die dem Subsidiaritätsprinzip entspringen, ernst und
wirkt daher aktiv in zahlreichen Initiativen mit, welche der Kontrolle ihrer
Einhaltung dienen und die dazu beitragen, dass "Multi-Level-Governance"
nicht bloß ein Schlagwort, sondern gelebte europäische Realität wird:
o Der Oberösterreichischen Landtag betreibt seit Anfang 2015 ein
eigenes Subsidiaritätsprüfungssystem, in dem der Ausschuss für EUAngelegenheiten rund fünf Vorhaben der Kommission pro Jahr prüft
und Stellungnahmen dazu abgibt. Diese Subsidiaritätsstellungnahmen
ergehen an die Kommission, die Bundesregierung, weitere Landtage in
Österreich und Deutschland, den Ausschuss der Regionen und an den
Bundesrat als Länderkammer des österreichischen Parlaments, der
eine Kammer im Sinne des EU-Subsidiaritätsprotokolls darstellt und
die Stellungnahmen der Landtage gemäß Art. 23g B-VG zu erwägen
hat. Der Oö. Landtag hat in den ersten Monaten bereits drei
Kommissionsvorhaben geprüft und zwei Stellungnahmen abgegeben.
o Das Amt der Oö. Landesregierung beteiligt sich durch eigene
Prüfungen aktiv an der seit 2006 bestehenden koordinierten
Subsidiaritätskontrolle der österreichischen Bundesländer, welche
mitunter bindend ist und daher konkrete Auswirkungen auf das
Abstimmungsverhalten der Bundesregierung im Rat sowie auf die
Subsidiaritätsprüfung des Bundesrates hat.
o Auch im Ausschuss der Regionen bringt Oberösterreich seine
Erfahrungen und Positionen im Entwurfstadium der europäischen
Rechtsetzung regelmäßig ein.
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25 Konkrete Ideen/Maßnahmen
[01] Aufwertung des Subsidiaritätsprotokolls – Verlängerung der
Stellungnahmefrist
Das Land Oberösterreich erinnert daran, dass das Subsidiaritätsprinzip ein
Grundprinzip der EU darstellt und ausdrücklich im Art. 5 des Vertrags über die
Europäische Union verankert ist. Durch das im Vertrag von Lissabon enthaltene
"Subsidiaritätsprotokoll" hat es eine weitere Stärkung erfahren. Dieses
Protokoll
schuf
ein
System
zur
Subsidiaritätsund
Verhältnismäßigkeitskontrolle, welches den nationalen Parlamenten das Recht
gibt, zu allen Entwürfen von EU-Rechtsakten eine Rüge auszusprechen, und
gegebenenfalls, wenn ein Drittel der nationalen Parlamente dies ebenso sieht,
die Kommission dazu zu zwingen, ihren Vorschlag erneut zu überprüfen. Jeder
Parlamentskammer kommt ein Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof bei
Verstößen gegen das Subsidiaritätsprinzip zu. Das Land Oberösterreich würdigt
die Bedeutung des Subsidiaritätsprotokolls und anerkennt die Bemühungen der
EU, durch dieses Protokoll dem Prinzip zur Durchsetzung zu verhelfen. Hiezu ist
es jedoch unerlässlich, die jetzige Frist zur Erhebung einer Subsidiaritätsrüge
von acht Wochen auf zumindest zwölf Wochen zu verlängern, um insbesondere
den zeitlichen Erfordernissen parlamentarischer Verfahren zu begegnen und
allen Mitgliedstaaten und Regionen die Möglichkeit zu geben, wertvolle und
sachgerechte Hinweise zur Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes
abzugeben. Auch weitere Stärkungen der Rechte des Protokolls, etwa die
Herabsetzung der notwendigen Zahl der rügenden Parlamentskammern,
könnten wichtige Impulse zur Effektuierung des Subsidiaritätsprinzips
darstellen.
[02] Frühzeitige Beachtung der Subsidiarität durch die Kommission
Das Land Oberösterreich fordert, dass der Subsidiaritätsgrundsatz auch auf
Seiten der Kommission schon frühzeitig mit Leben erfüllt wird und von der
Kommission nicht bloß als Rechtfertigungslast beim Vorschlag neuer
Rechtsakte angesehen wird, derer man sich durch einen formalen Hinweis
entledigen kann. Subsidiarität sollte kein Aspekt sein, der erst von
Mitgliedstaaten und Regionen nach der Veröffentlichung eines
Kommissionsvorschlags aufgegriffen wird, sondern muss aufgrund seines
Ranges als Grundprinzip der Union schon frühestmöglich im
Rechtssetzungsprozess der EU Beachtung finden. Bereits am Beginn jedes
Rechtssetzungsvorhabens sollte sich die Kommission die grundsätzliche Frage
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stellen, ob der geplante Norminhalt nicht auf nationaler oder subnationaler
Ebene besser geregelt werden könnte.
[03] EU-Rechtsakte nur bei entsprechender Rechtsgrundlage
Das Land Oberösterreich ist der Ansicht, dass Subsidiarität auch bedeutet, dass
die Union in Rechtsbereichen, in denen keine völlig eindeutige Rechtsgrundlage
für ihr Tätigwerden besteht, davon Abstand nimmt, Rechtsakte vorzuschlagen.
Die EU sollte aufgrund des unionsrechtlichen Prinzips der begrenzten
Einzelermächtigung nur dort tätig werden, wo die Verträge ihr das klare und
unzweideutige Recht dazu geben. Auch das Vorlegen nichtbindender
Mitteilungen und Empfehlungen durch die EU sollte in Rechtsbereichen, die
den Mitgliedstaaten zukommen, unterlassen werden, um eine zunehmende
Erosion der nationalen und regionalen Kompetenzen zu unterbinden. Als
Beispiel sind hier etwa die Mitteilungen der Kommission zur Energieunion zu
nennen, in denen mitgliedstaatliche Kompetenzen erkennbar langfristig
gefährdet werden.
[04] Weniger delegierte Rechtsakte
Das Land Oberösterreich erkennt in der steigenden Anzahl von sogenannten
„delegierten Rechtsakten“ ein weiteres Beispiel für eine Kompetenzerosion zu
Ungunsten von Mitgliedstaaten und Regionen. Delegierte Rechtsakte beruhen
auf einer Basisgesetzgesetzgebung von Rat und Parlament und räumen der
Kommission
Rechte
von
faktisch
gesetzgeberischer
Art
ein.
Mitgestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten existieren – im Gegensatz
zum früheren Komitologieverfahren – kaum mehr. Durch die Häufung von
Kommissionsvorschlägen, in denen vorgesehen ist, dass Regelungen im
Rahmen von delegierten Rechtsakten bzw. Durchführungsakten weiterverfolgt
werden sollen, werden mitgliedstaatliche Kompetenzen in erheblicher Anzahl
an die Kommission delegiert. Dies ist sowohl vom Gesichtspunkt der
demokratiepolitischen Legitimität als auch vor dem Hintergrund der
Bürgernähe kritisch zu beurteilen.
[05] Richtlinien als Zielvorgaben
Das Land Oberösterreich bemerkt, dass das Rechtsakt der Richtlinie, welcher
nach seiner Grundkonzeption gemäß Art. 288 AEUV geradezu ein
Musterbeispiel für eine Form der Subsidiarität wäre, zunehmend seinen
Charakter als leitende Vorgabe verliert und immer öfter zu einer detailliert
ausformulierten Regelung wird. Obwohl in den Verträgen normiert ist, dass
Richtlinien nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind, den
innerstaatlichen Stellen aber die Wahl der Form und der Mittel überlassen, sind
Richtlinien in der Praxis in aller Regel höchst konkrete und sehr genaue
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Rechtsakte, die von den Mitgliedstaaten oft nicht mehr inhaltlich umgesetzt
werden können, sondern – ohne Rücksicht auf nationale und regionale
Rechtsordnungen, -begriffe und –traditionen – oft wörtlich abgeschrieben
werden müssen. Das Land Oberösterreich fordert daher, dass die Kommission
im Sinne einer sinnvollen Deregulierung die Rechtsform der Richtlinie wieder
gemäß ihrer eigentlichen Bestimmung verwendet und sich auf eine Vorgabe
der zu erreichenden Ziele beschränkt.
[06] Kein formalistischer Prüfungsmaßstab
Das Land Oberösterreich stellt mit zunehmender Besorgnis fest, dass die
dargestellte Detailliertheit unionsrechtlicher Vorgaben Hand in Hand geht mit
einer Form der Kontrolle der mitgliedstaatlichen Umsetzung durch
Kommissionsdienststellen, die mitunter nicht mehr den Zweck der Maßnahmen
vor Augen hat, sondern sich auf bloße Formulierungsfragen zurückzieht. Der
enge, geradezu formalistische Prüfungsmaßstab, den die Kommission in einigen
Vertragsverletzungsverfahren - vor allem im Energiebereich - anlegt, führt
dazu, dass Unionsrechtsakte immer seltener harmonisch in nationale und
regionale Rechtsordnungen eingepasst werden können, und dass stattdessen
oftmals Sondergesetze geschaffen und neue Rechtsbegriffe eingeführt werden
müssen. Dies zersplittert die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, trübt die
legistische Qualität der Normen, steht nationalen Deregulierungsbestrebungen
im Wege und ist daher keineswegs bürgerfreundlich.
[07] Verkürztes Vertragsverletzungsverfahren nur bei Nichtumsetzung
Das Land Oberösterreich ist der Auffassung, dass das verkürzte
Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV die geschilderte
Problematik massiv verschärft. Insbesondere seine rigide Anwendung durch die
Kommission und die dabei festzustellende Auflösung der Unterscheidung
zwischen Nichtumsetzung und Schlechtumsetzung von Richtlinien führt dazu,
dass sich die Mitgliedstaaten und ihre Regionen angesichts der unmittelbar
drohenden Sanktionen gezwungen sehen, auf einen redlichen juristischen
Wettstreit der Argumente vor dem EuGH zu verzichten und schon im
Mahnverfahren - bzw. spätestens im Klagsverfahren - alle Kritikpunkte der
Kommission letztlich zu akzeptieren, nur um den bereits im ersten Urteil des
EuGH zu verhängenden gravierenden Zwangsgeldern und Pauschalbeträgen zu
entgehen. Wenn aber den Mitgliedstaaten auf faktischem Wege – durch
Androhung erheblicher finanzieller Folgen – die Möglichkeit genommen wird,
ihre Argumente zur Frage der Umsetzung von Richtlinien vor einer
unabhängigen Instanz vorzubringen, dann ist dies ein nicht zu leugnendes
rechtsstaatliches Problem, welchem sich die Union zu stellen hat. Das Land
Oberösterreich fordert daher die Kommission auf, das verkürzte
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Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV wie ursprünglich
vorgesehen nur in solchen Fällen anzuwenden, in denen ein Fall der
Nichtumsetzung von Richtlinien vorliegt. Überall dort, wo nationale und
subnationale Rechtsvorschriften existieren und diese nach Auffassung der
Mitgliedstaaten eine Richtlinie voll umsetzen, kann maximal eine
Schlechtumsetzung vorliegen; ob die Umsetzungsmaßnahmen tatsächlich
ausreichend sind, hat der EuGH im regulären Verfahren gemäß Art. 258 AEUV
zu klären.
[08] Deregulierung durch adäquate Reaktion auf EuGH-Judikatur
Das Unionsrecht ist in einem hohen Maße durch die Rechtsprechung des EuGH
determiniert, oft auch in einer Weise, die ursprünglich nicht vom EURechtssetzer intendiert war. Um einer Überregulierung durch Richterrecht
entgegenzuwirken, fordert das Land Oberösterreich, dass in solchen Fällen der
Unionsgesetzgeber entsprechend reagiert und das EU-Recht so ändert, um die
wieder ursprünglich von Kommission, Rat und Parlament gewünschte
Rechtsfolge zu erzielen.
[09] Bessere Folgenabschätzung
Eine Vielzahl von Unionsregelungen wirkt sich deshalb in den Mitgliedstaaten
als Überregulierung aus, weil im Rechtssetzungsprozess die Folgen des
Rechtsaktes zu wenig erwogen wurden. Das Land Oberösterreich fordert daher
die Kommission dazu auf, größeres Augenmerk auf die Folgenabschätzung von
Rechtsakten zu legen, in welcher insbesondere die Grundsätze der
Deregulierung und das Hinterfragen der Notwendigkeit einer Regelung im
Mittelpunkt stehen sollten.
[10] Energieunion darf nicht zu Überregulierung und Subsidiaritätsverletzung
führen
Der Ausschuss für EU-Angelegenheiten des Oö. Landtags prüfte die Mitteilung
"Paket zur Energieunion. Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion
mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie", COM(2015) 80 final vom
25. Februar 2015 und stellte dabei fest: „Zusammenfassend ist festzuhalten,
dass durch mehrere in der Mitteilung einseitig vorgenommene Darstellungen in
letzter Konsequenz die primär rechtlich verankerte Wahlfreiheit der
Mitgliedstaaten bezüglich ihrer Energieversorgungssysteme beeinträchtigt
wird. Insbesondere die argumentative Bevorzugung der Atomenergie im Text
dieses für die Energieunion zentralen Dokuments wird es den Mitgliedstaaten
in der Zukunft erschweren, ihren atomkritischen Kurs fortzusetzen und aus der
Kernenergie auszusteigen bzw. ihren Ausstieg beizubehalten. Die Union lässt
eine generelle Zentralisierungstendenz im Energiebereich erkennen und nimmt
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eine Schwerpunktsetzung vor, die Bereiche betrifft, in denen die Ziele sehr
wohl auf der Ebene der Mitgliedstaaten ausreichend verwirklicht werden
können. Die dargestellten Kritikpunkte stehen daher in einem direkten
Spannungsverhältnis mit dem Subsidiaritätsprinzip gemäß Artikel 5 Abs. 3
EUV.“
[11] Keine Scheinsubsidiarität - echte Untersagungsrechte bei der
Verwendung von GVO
Weiters analysierte der Ausschuss für EU-Angelegenheiten des Oö. Landtags
den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates
zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 hinsichtlich der Möglichkeit
für die Mitgliedstaaten, die Verwendung genetisch veränderter Lebens- und
Futtermittel in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen,
COM(2015) 177 final vom 22. April 2015, und hielt als Ergebnis Folgendes fest:
„Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die durch den
Verordnungsvorschlag den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit zur
Untersagung der Verwendung von zugelassenen GVO und gentechnisch
veränderten Lebens- und Futtermitteln sich bei näherer Prüfung als eine bloß
scheinbare Erweiterung der mitgliedstaatlichen Mitwirkungsmöglichkeiten
erweist. Insbesondere das Verbot, sich auf Gründe des Schutzes menschlicher
und tierischer Gesundheit sowie auf Gründe des Umweltschutzes zu berufen,
entlarvt den Verordnungsvorschlag als Fall bloßer "Scheinsubsidiarität", in dem
sich die vermeintliche Erweiterung der mitgliedstaatlichen Einflussnahme als
lediglich fiktiv erweist. Da zu befürchten ist, dass angesichts der neuen
Rechtslage eine Lockerung des Beurteilungsmaßstabs der Kommission bei der
GVO-Zulassung erfolgt, besteht im Ergebnis die realistische Gefahr einer
Erhöhung der Zahl der zugelassenen GVO sowie gentechnisch veränderten
Lebens- und Futtermitteln und damit einer Verschlechterung der Situation
derjenigen Mitgliedstaaten, die einer Verwendung von GVO kritisch gegenüber
stehen. Der Verordnungsvorschlag verstößt damit zwar nicht unmittelbar
gegen das Subsidiaritätsprinzip gemäß Artikel 5 Abs. 3 EUV, steht aber
angesichts der drohenden Verschlechterungen für die Mitgliedstaaten
zweifellos in einem gewissen Spannungsverhältnis zu demselben.“
[12] Kein Zwang zum Breitband-Anschluss
Die Richtlinie 2014/61/EU über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des
Ausbaus
von
Hochgeschwindigkeitsnetzen
für
die
elektronische
Kommunikation verpflichtet Bauherren dazu, bei Neubauten oder
umfangreichen Gebäuderenovierungen zwingend „hochgeschwindigkeitsfähige
gebäudeinterne physische Infrastrukturen“ bis zu den Netzabschlusspunkten
vorzusehen. Dieser Zwang zum Breitband-Anschluss verstößt gegen das Prinzip
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der Eigenverantwortung der Bürger und stellt eine krasse Überregulierung dar.
Auch die Regelung, wonach jeder Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze
ein Recht auf Zugang zu bestehenden gebäudeinternen physischen
Infrastrukturen hat, ist überschießend und sollte dereguliert werden. Das Land
Oberösterreich fordert daher, diese Verpflichtungen aufzuheben und die Art. 8
und 9 der RL 2014/61/EU entsprechend abzuändern.
[13] Verringerung der Verwaltungslasten der Bauprodukteverordnung
Die Bauprodukteverordnung Nr. 305/2011 sieht unter anderem vor, dass alle
Hersteller von Bauprodukten für jedes Produkt, für das eine harmonisierte
Norm im EU-Amtsblatt kundgemacht wurde, eine Leistungserklärung erstellen
müssen (CE-Kennzeichnung). Die Verordnung legt somit auch nichtindustriellen
Unternehmen, die mit handwerklichen Produktionsmethoden individuelle
Produkte erzeugen, eine unnötig hohe administrative Belastung auf. Durch eine
Deregulierung in Form einer Novellierung der Ausnahmebestimmungen des
Art. 5 könnten die Verwaltungslasten für solche Unternehmen entscheidend
verringert werden.
[14] Vereinfachung der Naturschutzrichtlinien
Die in der Praxis sehr relevanten Naturschutzrichtlinien, konkret die
Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG und die FFH-Richtlinie 92/43/EWG, sollten
auf ihre Aktualität und Zweckmäßigkeit überprüft werden. Beide Richtlinien
regeln unterschiedliche von den Mitgliedstaaten zu treffenden Maßnahmen,
welche die Ausweisung von Vogelschutzgebieten bzw. die Ausweisung von
Schutzgebieten für Lebensräume und Arten von Gemeinschaftsinteresse zum
Ziel haben, welche zusammen das so genannte Natura 2000-Netzwerk bilden.
Insgesamt ergibt sich ein komplexes und zum Teil stark veraltetes
Regelungswerk, das in der Vergangenheit aufgrund unterschiedlicher Fach- und
Rechtsmeinungen von Mitgliedstaaten und Kommission zu langwierigen
Vertragsverletzungsverfahren führte. Das Land Oberösterreich fordert eine
Vereinfachung, Aktualisierung und Deregulierung dieser Normen, etwa in Form
einer Zusammenführung
der
sich
zum Teil überschneidenden
Richtlinieninhalte. Allfällige Initiativen der Kommission in diesem Bereich
werden unterstützt.
[15] Hinterfragen der Umgebungslärmrichtlinie
Die Umgebungslärmrichtlinie 2002/49/EG regelt die Ermittlung der Belastung
der Bevölkerung durch Umgebungslärm und das Erstellen von Aktionsplänen
zur Vermeidung und Verminderung von Lärm. Es ist zu hinterfragen, ob dieser
Bereich – unbeschadet seiner inhaltlichen Wichtigkeit – wirklich ein Problem
von transnationalem Ausmaß darstellt, welches eine unionsweit harmonisierte
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Regelung durch die EU erfordert. Eine nationale bzw. regionale Regelung
könnte besser auf die unterschiedlichen Erfordernisse in den Mitgliedstaaten
eingehen.
[16] Praxisferne INSPIRE-Richtlinie
Die Richtlinie 2007/2/EG zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der
Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE) machte in Österreich auf nationaler und
regionaler Ebene die Erlassung zahlreicher völlig neuer Gesetze erforderlich,
welche unter anderem Nutzungsvorschriften, Verfahrensregeln für den Zugang
zu Geodaten sowie Monitoring- und Berichtspflichten regeln mussten. In
Oberösterreich fand dies durch das Oö. Geodateninfrastrukturgesetz statt. Fünf
Jahre nach Erlassung muss festgestellt werden, dass es in Oberösterreich in der
Praxis keine Anwendungsfälle für dieses Gesetz gibt und dieses daher eine
unionsrechtlich veranlasste, aber tatsächlich nicht benötigte Regelung darstellt.
[17] Invasive gebietsfremde Arten
Die Eindämmung der Verbreitung invasiver gebietsfremder Arten ist ohne
Zweifel eine wichtige naturschutzrechtliche Aufgabe. Dennoch stellt der
Vorschlag für eine Verordnung über die Prävention und die Kontrolle der
Einbringung und Verbreitung invasiver gebietsfremder Arten ein Beispiel für
Überregulierung dar, welches auf nationaler und regionaler Ebene neue
Behördenzuständigkeiten,
Genehmigungsverfahren,
Untersuchungen,
Aktionspläne und Berichtspflichten erforderlich macht.
[18] Weniger Hygienevorgaben für Küchen (GHP und HACCP)
Die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene enthält
allgemeine Lebensmittelhygienevorschriften für Lebensmittelunternehmer und
normiert strenge, bisweilen überzogene Hygienevorgaben. Besonders
aufwendig sind die sogenannten Rückstellproben.
[19] Deregulierung im Forstwesen
Die Verordnung (EG) Nr. 2173/2005 zur Einrichtung eines FLEGTGenehmigungssystems für Holzeinfuhren in die Europäische Gemeinschaft
regelt einen in Oberösterreich nicht existenten Sachverhalt. Probleme des
illegalen Holzeinschlages kommen in Oberösterreich faktisch nicht vor und
wenn doch, dann nur in einem solch geringen Ausmaß, dass die bestehenden
Regelungen des Forstgesetzes ausreichen, um dies zu verhindern. Die
Überwachungs-, Dokumentations- und Berichtspflichten stellen unnötige
Überregulierungen dar und sind mangels Wirkung entbehrlich.
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[20] Deregulierung bei bäderhygienerechtlichen Bestimmungen
Die umfangreichen Berichtspflichten der RL 2006/7/EG über die Qualität der
Badegewässer und deren Bewirtschaftung machen zeitaufwendige und
umfangreiche Recherchen der Behörde erforderlich und führen daher zu einem
hohen Verwaltungsaufwand.
[21] Deregulierung bei Arbeitnehmerschutzvorschriften
Im Bereich des Arbeitnehmerschutzes haben die EU-Regelungen einen
derartigen Grad an Dichtheit und Detailliertheit erreicht, dass deren
Umsetzung eine regelrechte Flut an nationalen und regionalen
Rechtsvorschriften erforderlich gemacht hat. Als Beleg sei hier nur beispielhaft
auf die alleine im Gemeindebereich geltenden, 15 verschiedenen
Arbeitnehmerschutzverordnungen hingewiesen, die allesamt unionsrechtlich
bedingt sind:
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Oö. Gemeinde-Bildschirmarbeitsverordnung
Oö. Gemeinde-Gesundheitsüberwachungsverordnung
Oö. Gemeindeverordnung über physikalische Einwirkungen
Oö. Gemeinde-Bauarbeiterschutzverordnung
Oö. Gemeindeverordnung biologischer Arbeitsstoffe
Oö. Gemeinde-Sprengarbeitenverordnung
Oö. Gemeinde-Fachkenntnisverordnung
Oö. Gemeinde-Arbeitsstoffgrenzwerteverordnung
Oö. Gemeinde-Schutzausrüstungsverordnung
Oö. Gemeindeordnung über explosionsfähige Atmosphären
Oö. Gemeinde-Arbeitsstättenverordnung
Oö. Gemeinde-Kennzeichnungsverordnung
Oö. Gemeindesicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente-Verordnung
Oö. Gemeinde-Arbeitsmittelverordnung
Oö. Gemeinde-Lastenverordnung.
Es ist naheliegend, dass der Vollzug dieser vielfältigen und komplexen
Vorschriften insbesondere Klein- und Kleinstgemeinden vor große
Schwierigkeiten stellt. Für den Landesbereich gilt im Übrigen noch einmal
dieselbe Zahl an vergleichbaren Vorschriften.
[23] Konzentration auf erhebliche europarechtliche Fragen
Die Verwaltungs- und Kontrollpraxis der Kommission führt bisweilen dazu, dass
die Mitgliedstaaten mit Fragestellungen konfrontiert werden, die keine
erhebliche europäische Relevanz aufweisen. Als Beispiel kann etwa im
Verkehrsbereich das Pilotverfahren Nr. 4059/12/HOME genannt werden, in
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dem die Kommission eine Erhöhung der erlaubten Geschwindigkeit an
Binnengrenzübergangsstellen auf österreichischen Straßen fordert, in
Oberösterreich konkret beim Grenzübergang Wullowitz. Ungeachtet der
existierenden Straßengestaltung, welche sich an realen, physischen und
baulichen
Gegebenheiten
und
den
daraus
resultierenden
Verkehrssicherheitserfordernissen orientiert, besteht die Kommission auf einer
Geschwindigkeitserhöhung, obwohl eine solche selbst bei der Durchführung
kostenintensiver Baumaßnahmen nur schwer möglich wäre. Die Kommission
schafft somit künstlich einen Verwaltungsaufwand rechtlicher wie faktischer
Natur, welcher weder für die Bürger noch für die Mitgliedstaaten einen Nutzen
oder gar einen europäischen Mehrwert bringt.
[23] Vereinfachung der GAP – Ländliche Entwicklung
Die Gemeinsame Agrarpolitik bedarf in vielen Bereichen einer grundlegenden
Vereinfachung. Im Kern wird bezüglich der Ländlichen Entwicklung gefordert,
weniger Detailregelungen zu normieren und mehr Subsidiarität walten zu
lassen, weniger Berichtspflichten vorzusehen und mehr Flexibilität bei der
Evaluierung zu ermöglichen. So ist vor allem der Detaillierungsgrad der
Programme zu hinterfragen; diese könnten einen mehr strategischen Charakter
erhalten und bei den Maßnahmen mehr auf die zu erreichenden Ziele als auf
Detailfestlegungen eingehen. Angeregt wird weiters eine Streichung der
Vorgaben für Auswahlverfahren gemäß Art. 49 der VO Nr.1305/2013. Es sollte
den Mitgliedstaaten überlassen werden, wie sie es sicherstellen, dass eine
Gleichbehandlung der Projektträger gewährleistet wird und bei welchen
Maßnahmen welche Art der Projektauswahl angewandt wird. Außerdem sollte
aus beihilfenrechtlicher Sicht auch für Maßnahmen außerhalb des Art. 42 AEUV
die
wettbewerbsrechtliche
Genehmigung
gemeinsam
mit
der
Programmgenehmigung ausgesprochen werden. Diese Änderung hätte zur
Folge, dass Beihilfeninstrumente dem Begünstigten schneller zur Verfügung
gestellt werden könnten.
[24] Vereinfachung der GAP – Kontroll- und Rechnungsprüfungssystem
Das Kontroll- und Rechnungsprüfungssystem der Gemeinsamen Agrarpolitik
sollte einer Deregulierung unterzogen werden. Leistungsanreize für
Mitgliedstaaten zur Schaffung effektiver Kontrollsysteme sind ebenso
notwendig wie praxisgerechte Bestimmungen zur Reduktion der Vor-OrtKontrollen. Zum Kontrollzeitpunkt wird angemerkt, dass die gemäß Art. 26 der
VO Nr. 809/2014 notwendige Kontrolle aller Förderkriterien, Verpflichtungen
und sonstigen Auflagen zu mehrmaligen Kontrollbesuchen pro Jahr führen und
einen wesentlichen Mehraufwand für den Antragsteller bedeuten. Es muss
ausreichend sein, wenn der für eine Vor-Ort-Kontrolle ausgewählte Begünstigte
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zu einem Zeitpunkt kontrolliert wird, an dem die meisten Anforderungen und
Standards, für die er ausgewählt wurde, überprüft werden können. Das Land
Oberösterreich hält weiters zum Gegenstand der Vor-Ort-Kontrollen fest, dass
die derzeit normierte Begehung und Kontrolle aller beantragten Parzellen einen
hohen zeitlichen Aufwand für den Antragsteller bedeuten; diese Regelung
könnte durch Stichprobenkontrollen von mindestens der Hälfte der Parzellen
des Betriebs ersetzt werden.
[25] Vereinfachung der GAP – Statistiken, Informations- und
Dokumentationspflichten
Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik ist derzeit eine Vielzahl von
Berichtspflichten und statistischen Abfragen vorgesehen. Das Land
Oberösterreich fordert, dass die Kommission eine Prüfung der GAP auf
tatsächlich notwendige Analysen- und Berichtspflichten durchführt und dass
sich die statistischen Regelungen der GAP auf das unbedingt Notwendige
beschränken. Die abgefragten Parameter sollten reduziert werden und die
Verwendung von bereits verfügbaren Daten sollte im Vordergrund stehen.
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