TEXTILPLUS Vereine SENIORENFLASH: Claude Greppin Unter dieser Rubrik spürt Piero Buchli verflossenen Textilunternehmen nach und berichtet, was heute aus ihnen geworden ist. Die Schweizer Sockenindustrie damals… Chaussettes Es gab damals zahlreiche Strumpfwa- Unsere Grossverteiler kauften Socken renhersteller in unserem Land. War die und Strumpfwaren damals noch in un- Westschweiz in der gesamten Textilin- serem Land. Wolle, Baumwolle, Spitze dustrie nur spärlich vertreten, im und Ferse verstärkt mit Nylon, und wenn Strumpfwarensektor – «chaussettes» es etwas Schöneres sein durfte, wurden hiess das auf Französisch, hatte die Ro- mercerisierte Baumwollzwirne einge- mandie eine grosse Bedeutung. Es gab setzt, aufwändig auf Strangen veredelt. leistungsfähige Betriebe in Fribourg, Später im Zuge der Globalisierung Lausanne und Renens. Hoch oben im ju- wurden diese Produkte mehr und mehr rassischen Alle in der Ajoie produzierte aus dem fernen Ausland bezogen, dort die Paul Greppin SA, eine Strumpfwa- wo die Löhne niedrig und die Vorschrif- renproduktionsstätte mit damals ca. 30 ten an die Fabrikanten inexistent wa- MitarbeiterInnen, auf hochwertigen Claude Greppin ren. So musste eine um die andere Bentley Komet-Maschinen (Abb. 1) Strumpfwarenfabrikation in unserem «chaussettes» für den Schweizer Handel. Land schliessen, es gibt heute keine ein- Schon in den 40er-Jahren gab es in Strumpfwaren, «chaussettes», produ- zige Produktionsstätte mehr. Wenn aus der Ajoie viele kleinere Betriebe, die zierte. irgendeinem Grund die Grenzen ge- Strumpfwaren herstellten und diese Claude Greppin, im Elternhaus neben schlossen würden, wir müssten barfuss dann auch auf lokalen Märkten anbo- dem Fabrikgebäude aufgewachsen, ab- herumlaufen… Um genau dies zu ver- ten. Die Fabrik in Alle, aus einer solvierte seine Ausbildung im Hinblick hindern und nicht vom Ausland abhän- Schmiede hervorgegangen, wurde von darauf, einmal Nachfolger seines Vaters gig zu sein, hatten die Strumpfwaren- Paul Greppin damals von seinem Vater zu werden. Nach einer kaufmännischen produzenten damals «Pflichtlager» zu übernommen, der mit 60 Mitarbeite- Ausbildung folgte als Höhepunkt die unterhalten, die teilweise vom Bund rInnen, die vor allem in Heimarbeit Weiterbildung zum Textilmaschinen- bezahlt wurden … tätig waren, jahrelang erfolgreich techniker in Leicester/GB, dem Standort der damals weltbekannten Bentley- Abb. 1: Bentley Komet-Maschinen Werke. Nach zwei Jahren Praktikum bei der ortsansässigen FLASA übernahm Claude Greppin 1977 die familieneigene Unternehmung. Als kleinere Firma hatte sich der Patron um alles zu kümmern, um den Betrieb, um die Büroarbeit, die Kollektionsgestaltung, den Einund Verkauf, ja auch um das Wohl der damals etwa 30 MitarbeiterInnen. Erfolg dank Kundenkontakten und Abruflager Die Geschäfte liefen ausgezeichnet, nicht zuletzt dank den engen, ja oft Ausgabe 05/06-2015 41 TEXTILPLUS Vereine Alle treu geblieben Monsieur Greppin ist seinem geliebten Alle treu geblieben. Er bewohnt daselbst ein kleines Appartement, pflegt regelmässig den Kontakt mit seinen Freunden und freut sich über das Gedeihen seiner Kinder und Grosskinder. Die Ajoie Auf der Fahrt nach Alle zum Interview Abb. 2: Das Fabrikareal heute an diesem sonnigen Frühlingstag wurde mir bewusst, wie landschaftlich wild un- freundschaftlichen Kontakten zu den einfacher und damit billiger produ- ser Jura nach wie vor ist. M. Greppin er- Kunden. Ein weiteres Geheimnis des ziert werden konnten als auf den her- klärte mir, dass bis auf die FLASA, die Erfolges war die Bereitschaft, die pro- kömmlichen Doppelzylindermaschi- exklusive technische Garne produziert, duzierten Strumpfwaren «auf Abruf» nen. Noch versuchte man durch eine wohl keine Textilien mehr industriell zu lagern und damit für die Kunden die Zusammenarbeit mit der Thurgauer hergestellt werden. Andererseits verfügt Lagerhaltung und deren Finanzierung Firma Thomann in Münchwilen der im- die Gegend nach wie vor über eine ge- zu übernehmen. In jenen Jahren war mer schwieriger werdenden Situation sunde Industrie, hauptsächlich für Uh- auch eine gewisse Kundentreue und entgegenzutreten, wobei M. Greppin rengehäuse und Werkzeug(maschinen) Wertschätzung zu erkennen. Zudem die guten Beziehungen zu seinen Kun- für eine glücklicherweise nach wie vor hatte man mit den Militärsocken mit den zupass kamen. blühende Uhrenindustrie. Wollplüschsohle einen exklusiven Ver- Auch lobt M. Greppin das funktionie- kaufsschlager im Sortiment. «Globalisierung» In verschiedenen Häusern wechselten haltigen Systems zur Lehrlingsausbil- Handelsgeschäfte dann die Einkäufer und wurden von dung, um welches die Ajoie vor allem Als in späteren Jahren Socken mit Fan- den Firmenleitungen angewiesen, im- auch vom nördlichen Nachbarland sehr tasie-Mustern Mode wurden, hat man mer billiger einzukaufen. Aufgrund beneidet wird. ■ diese auf den eigenen Jacquard Maschi- massiver Preisvorteilen verzichtete nen hergestellt. Allerdings wurde es zu man auch auf den bis anhin so ge- aufwändig und zu teuer, jede Saison – schätzten Abrufservice und kaufte mit Auf ein köstliches Erlebnis ange- also 2-mal pro Jahr – eine Kollektion vollem Risiko direkt im (weit entfern- sprochen, erzählte mir M. Greppin mit neuen Artikeln herauszugeben. So ten) billigeren Ausland ein. einen Vorfall, den er damals alles rende Konzept eines seriösen und nach- andere als köstlich empfand, der viel gab denn der relativ kleine Schweizer-Markt auch nicht her. So hat sich Rückbau aber aufzeigte, wie der Schweizer dann M. Greppin in Italien einen Ge- Damit verschlechterten sich die Ge- Fabrikant in der Anfangszeit der schäftspartner gesucht, um diese Pro- schäftsmöglichkeiten zusehend und M. «Globalisierung» behandelt wurde: dukte seinen Kunden als Handelsge- Greppin baute den Betrieb allmählich Mit viel Aufwand und Herzblut schäft weiter anbieten zu können. Die schrittweise zurück. Für das Personal, hatte M. Greppin für seinen bis an- eigenen Maschinen sind darauf das das sich grösstenteils aus Grenzgängern hin besten Kunden eine Kollektion ganze Jahr auf Uni-Artikeln gelaufen, zusammensetzte, bestanden keinerlei vorbereitet, fein säuberlich ver- welche auch von den Einstellungen her Probleme, in der produktiven Gegend packt, ausgezeichnet und ange- weit weniger Aufwand benötigten. neue Stellen zu finden. 2002 entschloss schrieben. sich M. Greppin, Käufer für das Fabrika- Als die Kollektion zurückkam mit Die Monozylinder-Maschinen real zu suchen, was ihm mit einem Sa- dem Bescheid, man habe nichts Pas- In den 90er-Jahren tauchten – vor- nitärbetrieb und einem Hersteller von sendes gefunden, konnte M. Greppin nehmlich aus Italien- die Monozylin- Uhrengehäusen auch gelang, welche nachweisen, dass das Paket nie ge- dermaschinen auf dem Markt auf, mit auch heute weiterhin im schmucken öffnet worden war … welchen Strumpfwaren schneller und Fabrikgebäude produzieren (Abb. 2). 42 Ausgabe 05/06-2015
© Copyright 2024 ExpyDoc