Nummer 95 • Samstag, 25. April 2015 Pro und Contra Seinen Namen annehmen? Früher war es gar keine Frage: Wenn eine Frau heiratete, nahm sie den Namen des Mannes an. Heute kann man sich frei entscheiden. Trotzdem hält es die Mehrzahl traditionell. Altmodisch? Oder einfach nur schön und romantisch? PRO In eine neue Zeit aufbrechen Eine Hochzeit ist etwas Tolles. Wochen lang bereitet man vor, organisiert, macht sich Gedanken um Details. Auch die Nachnamen spielen eine Rolle. Klar: Viele meinen, es sei altmodisch und einfach nicht mehr zeitgemäß, den eigenen Namen herzugeben und den des Mannes anzunehmen. Und klar: Man gibt tat sächlich ein bisschen Identität her – den Mädchennamen, ein Stück Herkunft, Kindheit, Jugend. Aber eine Hoch zeit ist nun mal ein Aufbruch in eine Claudia Bell ist freie neue Zeit, in einen Mitarbeiterin neuen Lebens unserer Zeitung abschnitt. Warum sollte man das nicht mit einem neuen Namen markieren? Warum sollte man nicht mit einem gemeinsamen Namen zeigen: Wir zwei gehören zusammen! Es ist schön zu sagen: „mein Mann“. Und genau so schön und gleichzeitig verbin dend ist es, nun seinen Namen zu tragen, sich am Telefon mit dem neuen Namen zu melden, mit ihm zu unterschreiben, damit angesprochen zu werden. Hochroman tisch ist das! Irgendwie verbindet es fast noch mehr als die Hochzeit selbst. Bei aller praktizierten Emanzipation bedeutet so ein kleines bisschen altmo disch zu sein auch Traditionsverbunden heit. So vieles wird ständig modernisiert, vermeintlich neu und besser gemacht. Aber kann es denn wirklich so schlecht sein, sich an Altem zu orientieren? Haarig wird es nur, wenn die Scheidung ins Haus steht. Doch wenn man sich trotz allem mit dem Ex versteht und er nichts dagegen hat, wenn man seinen Namen behält, ist alles in Butter. [email protected] CONTRA Die Identität behalten „Er gehört zu mir, wie mein Name an der Tür“ sang Marianne Rosenberg 1975. Um ihren Mann kann sich das Lied nicht ge dreht haben. Damals war es nicht nur üblich, bei der Heirat den Namen des Mannes anzunehmen. Es war sogar un möglich, dass sie ihren eigenen behielt. Heute gibt es Wahl möglichkeiten. Man entscheidet sich für einen gemeinsamen Namen – seinen oder ihren. Einen Doppel namen (wenn es denn unbedingt sein muss). Oder jeder behält den eigenen. Was am logischsten erscheint. Und in Bettina Hartmann vielen Ländern übri leitet stellvertregens so Usus ist. tend das Ressort Denn warum sollte Themenpool man mit einer Heirat seine Identität auf geben? Namen sind nur Schall und Rauch? Für die meisten Menschen gilt das nicht. Wer den wir gefragt: „Wer bist du?“, antwor ten wir mit dem Namen. Er gehört einfach zu uns. Wieso sollte sich dies durch eine Eheschließung ändern? Weil es nun mal Tradition ist, den Namen des Partners zu tragen? Und zudem romantisch? Wirk lich? Warum beschränkt sich die Roman tik dann auf Frauen? Warum kommt kaum ein Mann auf die Idee, ganz gefühlsbetont ihren Namen anzunehmen? Stattdessen wird noch heute von Frau en erwartet, dass sie sich der Tradition fügen. Weil ein gemeinsamer und vor allem sein Name die Familie zusammen schweiße, wie man oft hört. Weil man sich dem Partner und den Kindern nur nahe fühle, wenn man gleich heiße. Quatsch! Wer sich liebt, gehört zusammen – auch wenn zwei Namen an der Tür stehen. [email protected] Solo Ja, ich will – aber bitte weit weg! Standesamt und Kirche sind langweilig? Dann kann man sich auch auf Leuchttürmen, auf Burgruinen oder im Wald trauen lassen Kirchlich heiraten? Nein danke, sagen viele Paare. Und tauschen ihre Ringe lieber an ungewöhnlicheren Orten. Inzwischen gibt es kaum mehr ein Fleckchen Erde, an dem Verliebte sich nicht das Jawort geben können. Foto: Kur- und Tourismusservice Pellworm V2 Von Stefanie Köhler Sie schweifen in die Ferne, gehen in die Luft oder runter zum Meeresgrund. Immer mehr Paare heiraten ungewöhnlich oder stellen bei der Trauung ihr Hobby in den Mittel punkt. Eine Auswahl. Freie Trauungen Ulla und Fred zum Beispiel. Sie lieben Le derjacken, Motorradfahren, Rockmusik. Bei ihrer Hochzeit wollen sie ihre Leidenschaft mit den Gästen teilen. Sie mieten eine Jagd hütte, aus der Musik dröhnt. In der Traurede erfahren die Gäste, dass Ulla und Fred sich im Motorradurlaub in Spanien kennenge lernt haben. Viele der Gäste tragen Leder kleidung, fast alle Schwarz. Freie Trauun gen machen Mottohochzeiten und Wünsche wie die von Ulla und Fred möglich. Gewächshäuser, Obstplantagen, Wald lichtungen, Burgruinen, selbst Zirkuszelte oder BungeeSprünge sind denkbar: Oliver Bisanz aus Stuttgart ist freier Theologe und kommt an fast jeden Ort, an dem Paare sich trauen lassen wollen. Sofern der Ort in pri vater Trägerschaft ist. Viele freie Theologen haben zwar Theologie studiert. Sie arbeiten jedoch kirchenunabhängig und sind keine Pfarrer. Die Trauungen sind rechtlich nicht bindend. Die Verliebten müssen zuvor aufs Standesamt gehen. In Burg und Schlosskapellen heiraten Paare besonders gern. Mit den Orten verbin den sie nicht immer Erinnerungen. „Einige wollen mit der Kirche nichts zu tun haben“, sagt Bisanz. Eine freie Trauung sei aber nicht automatisch eine unchristliche Trau ung. Manche Paare hätten zwar einen Bezug zu Gott, zum Pfarrer vor Ort jedoch keinen Kontakt. Ob die Rede nur weltliche oder auch religiöse Aspekte beinhaltet, bestimmt allein das Paar. „Viele schätzen die Freihei ten, die freie Trauungen ermöglichen. In der Kirche hat man nur begrenzt Einfluss auf Dinge wie Musik“, sagt Bisanz, der pro Trauung rund 850 Euro verlangt. Fahrtkos ten sowie Kosten für Raummiete, Essen oder Musik kommen hinzu. Im Ausland Andere Zeremonien Christoph Krell ist Druide. Bei dem Lübe cker, der europaweit unterwegs ist, heiraten Paare nach keltischen Riten. Sie tragen klas sisch Brautkleid und Anzug – oder mittel alterliche Kleidung. Keltische Hochzeiten beziehen die Natur und die Elemente mit ein – in Burgruinen, Wäldern, an Seen oder auf Burgen. Sie sind rechtlich nicht bindend. Zu Beginn wird das Paar beim Ausräuchern rituell gereinigt, sagt Krell. „Dann folgt die Zeremonie mit Ansprachen, Schwert und Dolchgeschenk, das Paar teilt auch Brot und Wein.“ Beim sogenannten Handfasting wer den die Hände der Eheleute mit einem Band verbunden. Wozu das Ganze? Rituale helfen Menschen „in Zeiten, in denen Beliebigkeit und Schnelllebigkeit dominieren, wieder Substanz im Leben zu finden“, sagt Krell. Auch bei Cornelia Wetzel besinnen die Paare sich auf Rituale – „um die natürlichen Abläufe zu ehren und wertzuschätzen“. Die bis zu 20 Paare, die Wetzel im Jahr traut, be vorzugten neben keltischen und germani turm daher als „weltoffenes Sinnbild und Ort internationaler Begegnungen“. Viele Paare seien vor ihrer Trauung noch nie auf Pellworm oder auf einem Leuchtturm gewe sen. Wer sich dafür entscheidet, fährt meist mit der Fähre auf die nordfriesische Insel. Und sieht vielleicht sogar Seehunde. Im Standesamt ist Platz für sieben Gäste. Der Rest der Gesellschaft muss künftig allerdings nicht mehr auf die Zeremonie verzichten. „Dieses Jahr sind erstmals Live Übertragungen aus dem Standesamt ins benachbarte Landhaus möglich“, sagt Pelzl. Eine einfache Trauung kostet unter der Woche ab 299,50 Euro. Für die maritime Hochzeit mit Extras wie einem Rundgang auf der Aussichtsplattform zahlen Paare an Wochentagen 599 Euro. Heiraten kann man auf vielen Leuchttürmen. Pelzl hat bei ihren Recherchen mindestens 13 gefunden. Etwa in Westerhever oder auf Sylt, ebenso auf Rügen und Borkum. Andere angesagte Orte im Norden sind Kutter, Halligen oder Wind mühlen. Und Seehundbänke, sagt Pelzl. Dorthin fahren das Paar und die Gäste dann natürlich mit dem Schiff. Standesbeamte trauen Paare an allen öf fentlichen Orten, die Kommunen für Hoch zeiten ausweisen, besonders Schlösser und Burgen. Die Gemeinden legen die Gebühren individuell fest, im Schnitt sind es ein paar Hundert Euro. In welchem Standesamt man heiratet, bleibt jedem Paar überlassen. Auf dem Leuchtturm der Nordseeinsel Pellworm heiraten jedes Jahr 200 bis 300 Paare schen Hochzeiten Naturhochzeiten ohne religiöse Symbolik. „Die Paare sind alle na turverbunden und glauben an eine neutrale Urkraft“, sagt Wetzel. Eine Urkraft, die nichts mit christlichen Mythen gemein habe. Die Accessoires bei der Zeremonie seien aus Naturmaterialien und rustikal. „Die Farbe Grün als Symbol der Naturkraft herrscht vor“, sagt Wetzel. Eine Naturhochzeit kostet 490 Euro plus Beratungskosten, Anfahrts und gegebenenfalls Übernachtungskosten. An ungewöhnlichen Orten Mehr als 140 Stufen erklimmen Verliebte, die sich auf dem Leuchtturm der Nordsee insel Pellworm das Jawort geben. Laut Hochzeitsveranstalterin Ursula Pelzl ist das Standesamt im neunten Leuchtturmdeck das höchste im Norden. Der Turm ist 41,5 Meter hoch. In dem Bauwerk lassen sich je des Jahr 200 bis 300 Paare trauen. Sie sind aus aller Welt. Pelzl bezeichnet den Leucht RundumPakete für das Jawort im Ausland bieten verschiedene Reiseveranstalter wie Tui, Thomas Cook, Dertour, FTI und Jahn Reisen an. Laut einer TuiStudie heiraten im Jahr mehrere Tausend Paare in der Ferne. Beliebte Ziele sind Südafrika, die Inseln im Indischen Ozean und die USA. In den Ver einigten Staaten sei Heiraten sehr einfach. Vor allem für das Jawort in Florida steigt die Nachfrage, sagt Frank Nedderhoff, Tui Hochzeitsplaner in Florida. Grundsätzlich seien die Trauungen auch nach deutschem Recht sofort gültig, sagt TuiDeutschland Sprecherin Anja Braun. „Sie müssen aber noch beim heimischen Standesamt eingetra gen werden.“ Die Strandtrauung in Miami etwa kostet pro Paar bis zu 1200 Euro. Inklu sive ist ein Transfer mit der Limousine, ein Rundflug über Miami oder ein Segeltörn entlang der Skyline von Miami. Laut Alexander Wacker, der sich mit dem Internetportal „Hochzeit auf Reisen“ auf Auslandshochzeiten spezialisiert hat, ent scheiden sich viele Paare für eine Trauung fernab der Heimat, weil sie einen intimen romantischen Rahmen ermöglicht. „Andere Paare haben zum Hochzeitsziel eine beson dere emotionale Bindung“, sagt Wacker. Auch trifft er Paare, die er Hochzeitsflücht linge nennt: Menschen, die Streit in der Fa milie vermeiden wollen, wenn die Ansichten über die Hochzeit auseinandergehen. Etwa 200 Paare fliegen im Jahr über das Portal vor allem nach Thailand, Griechenland, Italien, in die USA und Karibik. Buchstäblich in den Hafen der Ehe schip pern Verliebte mit Tui Cruises. Die Reederei bietet auf Kreuzfahrtschiffen Trauungen an, die in Deutschland anerkannt werden, so lange die Kapitäne sie in internationalen Gewässern vornehmen. Die Trauung (Basis paket Europa und Kanaren für 1449 Euro pro Paar, Asien, Emirate und Karibik für 1549 Euro) erfolgt nach maltesischem Recht. Für 2015 sind alle Termine ausgebucht – von gut 110 Paaren. Da Tui Cruises die Flotte bis 2017 auf sechs Schiffe erweitert, wird es bald noch mehr Möglichkeiten zum Jawort auf hoher See geben. Warum die Ehe ein Dauerbrenner ist Fortsetzung von V1 Auch wenn über einen langen Zeitraum ge sehen die Zahl der Eheschließungen rück läufig ist: Geheiratet wird weiterhin. 2013 taten es 373 655 Paare. Für jedes sechste Ge spann war es nicht die erste eigene Hochzeit. Die ledigen Bräute waren durchschnittlich 30,9 Jahre alt, die ledigen Bräutigame ver fügten über 33,6 Jahre Lebenserfahrung. Vor 24 Jahren, also kurz nach der Wiedervereini gung, waren Braut und Bräutigam im Schnitt fünf Jahre jünger. Ein weiterer Blick zurück: 1991 wagten 80 626 Paare mehr den Schritt in eine Ehe. Bei einer Einwohnerzahl von gegenwärtig etwa 80,9 Millionen und vor dem Hinter grund des demografischen Wandels ist die Differenz aber nicht alarmierend, obwohl die Zahlen eine abnehmende Tendenz anzei gen. Das Statistische Landesamt Baden Württemberg sieht die Ehe langfristig nicht vor dem Aus. Dort heißt es: „Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass die Bereit schaft zu einer Heirat künftig weiter zu rückgehen wird, wird die Ehe zweifelsohne auch in den nächsten Jahrzehnten die häu figste Form des Zusammenlebens bleiben.“ Und wie sieht es mit der Haltbarkeit heu tiger Ehen aus? Die statistisch fundierte Prognose lautet: 36 Prozent aller frisch Ver mählten werden sich im Lauf der nächsten 25 Jahre vor dem Scheidungsrichter wieder finden. Die Mehrheit jedoch feiert zumin dest Silberhochzeit. Warum aber hält der moderne Mensch, der in seinem Privatleben so viel darf und nur zu wenig verpflichtet ist, überhaupt an der Ehe fest? Nach einer TNSEmnidUmfrage im Auftrag des evangelischen Magazins „Chris mon“ war der am häufigsten genannte Hei ratsgrund: „Um meinem Partner/meiner Partnerin vor Zeugen meine Liebe zu ver sprechen“. Ihm stimmten 60 Prozent zu. 40 Prozent meinten, im Falle eines Unglücks besser abgesichert zu sein. 36 Prozent waren der Ansicht, andernfalls keine richtige Familie zu sein. Je 30 Prozent nannten Steuervorteile und Gottes Segen als Motive. Weitere 24 Prozent äußerten die Hoffnung, dass man sich als Ehepaar weniger leicht trennt. 18 Prozent ließen sich von der Aus sicht auf ein Fest lenken. „Ich würde nie hei raten“ sagten nur fünf Prozent. Auch die Soziologen Norbert F. Schneider und Heiko Rüger sowie die Entwicklungs psychologin Inge SeiffgeKrenke meinen herausgefunden zu haben, was die Ehe noch heute für viele attraktiv macht. In der 2007 publizierten Studie „Value of Marriage“ (Der Wert der Heirat) und dem 2012 erschie nenen Fachbuch „Familie – nein danke?!“ (Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen) beto nen sie, dass in Zeiten unsicherer Arbeits märkte und hoher beruflicher Anforderun gen Zweierbeziehungen ein hoher Wert zu kommt. Eine verbindliche, dauerhafte und intime Partnerschaft werde da zum Kult, auch durch medial erzeugte Sehnsuchtsbil der befördert. Doch die Wissenschaftler räumen mit dem Klischee der reinen Liebesheirat – nur jedes siebte Paar nimmt sie für sich in Anspruch – ebenso auf, wie mit der Annahme, Paare hei rateten, wenn sich Nachwuchs ankündige. Nur bei jeder zehnten Hochzeit ist eine Schwangerschaft oder ein schon geborenes Kind der Auslöser. Andere Argumente wiegen stärker. Noch immer ist die Ehe nützlich: für Beamte, die nicht an einen anderen Ort versetzt werden möchten, für NichtEUBürger, die sich mit dem Jawort gegenüber einem Europäer ihr Aufenthaltsrecht sichern, und wegen steuer licher Vorteile. Auch der liebe Gott und die guten alten Werte spielen eine Rolle. Und dann die Seele, die sich auf legalem Terrain subjektiv sicher wähnt. Sogar, dass man sich zur Not wieder scheiden lassen kann, ist für so manches Paar ein Grund, vor der Ehe nicht Reißaus zu nehmen. Gar nicht so weni ge finden das Heiraten vor allem deswegen gut, weil sich dabei so schön feiern lässt. Zu sammenfassend, heißt es bei SeiffgeKrenke und Schneider, basiere „Heirat gegenwärtig auf einer Mischung aus Emotion, Rationali tät und Tradition“. Wenn nun der Wonnemonat Mai vor der Tür steht und mit ihm die Hochzeitssaison, müssen Heiratswillige und solche, die noch unentschlossen sind, nicht gleich in Tor schlusspanik verfallen. Denn weit häufiger wird der Bund fürs Leben im August ge schlossen. Es bleibt also noch etwas Zeit, sich gute Gründe für die Ehe zu überlegen.
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