Mai Christian Stock Auszüge aus dem Paliano Tagebuch von Christian Stock: 5. MAI zum Frühstück nach Colleferro und überrascht vom großen Markt der dort jeden Dienstag stattfindet. Am späten Nachmittag nach Paliano und das erste Aquarell wird ins Aquarellbuch "Palliano, Tux, black square und how to handle a candle" gemalt und ein zweites. Die Aquarelle in diesem Buch entstehen fast immer vor Ort. 6. MAI Ateliertag, das heißt arbeit im Atelierhaus an den zwei konzeptuellen Aquarellbüchern und an den zwei roten Schichtbildern 30 x 30 cm. Aussen hinter dem Atelierhaus auf dem Hügel entsteht das 3te Aquarell, Paliano auf dem nächsten fünf Kilometer entfernten Hügel. Am späten Nachmittag nach Paliano, am Abend wird auf einer Terrasse ein Fußballmatch übertragen, eine italienische Mannschaft spielt in der Champions League, beste Stimmung. 11. MAI Ateliertag am späteren Nachmittag Spaziergang durch Paliano, Aquarelle 3 und 4 entstehen. 12. MAI Ateliertag. Spätnachmittagsausflug nach Olevano Romano zu den "Nazarenern". Vorbei an der Casa Baldi zum Friedhof von dort aus entsteht Aquarell 6. Retour über Bellegra ins Atelierhaus und der täglich wunderbare Sonnenuntergang kommt diesmal ins Buch, Aquarell 7. 13. MAI Ateliertag. Ausflug nach Anagni durch alle Kirchen in den Romanischen Dom am Hügel. Aquarell 8 und 9 werden gemalt. 14. MAI Ateliertag. Ausflug nach Genanzzano. Begegnung mit der Mutter aller Madonnen, die "Madonna des guten Rates". Aquarell 10, 11 und 12 Kühlschrank in der Küche des Atelierhauses. 29. MAI Ateliertag, Ausflug nach Subiaco San Benedetto, Sacro Speco, Aquarell 26, 27. 30. MAI Aufräumen und letztes Aquarell Nr. 28, die dunklen Fensterscheiben in der Nacht von innen, sechs schwarze Quadrate. Juni Christiane Spatt Ein Monat in Paliano: Zeit für meine Fotoarbeiten, Zeit zum Malen, gemeinsam Kochen und Essen, Spaziergänge, Ausflüge nach Rom und in die Umgebung – in die Berge, zum Meer, mit den KünstlerInnen aus Niederösterreich am Feuer sitzen... Die Umgebung des Ateliers bietet mir die Möglichkeit, draußen, in der Natur zu arbeiten, zu fotografieren, zu filmen – so entstehen die Fotoserien „nei fiori“, „es ist nicht alles Gold..“, „ich seh...“ und ich setze die Serie „Hidden“ fort. Ich fotografiere mich vor Efeu, vor Ziegelwänden, rolle den Abhang hinunter, beschreibe Blätter und vieles mehr. In den Acrylbildern „collection“ bilde ich Muster der Umgebung ab – hier in Paliano Fließen und Bodenstrukturen. Die Fotoarbeiten „nei fiori“ zeigte ich im November 2015 im Rahmen der Ausstellung „inconceivable“ in der good children gallery in New Orleans. Juni Nora Schöpfer (fluid environments3) (fluid environments4) (trace of a moment) Als PalianerInnen auf Zeit waren wir bei wechselndem Klima und in netter Nachbarschaft täglich am Tun. So widmete ich mich dem Konzept und ersten Ausführungen für das Ausstellungsprojekt fluid existence. Ich experimentiere mit Wahrnehmungsfragmenten aus Erinnerung und Vorstellung um nachzuempfinden wie sich Wirklichkeiten in uns formieren. Malerei, Installation, Foto- und Videoarbeiten greifen dabei ineinander. Ich spiele mit inhaltlichen und formalen Überlagerungen von Eindrücken aus Natur, Alltag und Kunst, in verschiedenen Raum- und Zeitebenen. Fotografische Aufzeichnungen werden wie Wahrnehmungsabläufe überlagert und oft in raumgreifenden Installationen aus zwei- und dreidimensionalen Arbeiten, bewegten Bildern und simulierten Bewegungen zusammengesetzt. Es entstanden Malereien und fotografische Arbeiten zum Ort des Aufenthalts und dem unmittelbar zuvor gemachten Arbeitsprojekt in Holland. Der gute Austausch mit den anderen KünstlerInnen war außerdem sehr bereichernd und führte zu nachhaltigem Kontakt. Juli Jeannine Meighörner Knisternde Buchstaben im Kopf „Während einer Hitzewelle, die schon Tirol zum Stöhnen bringt, ins Latium reisen, gleicht dem Sprung aus einem Kochtopf in eine glutheiße Fritteuse. Selbst die Römer stöhnen „caldo, caldo“. Im Forum Romanum: ermattete amerikanische Touristen, dicke Marzipanleiber wie gestrandete Roben zwischen den Inkunabeln der Geschichte. „Stupido“. Doch was hat die ewige Stadt nicht schon alles erlebt?! Das „Atelier Paliano“ liegt außerhalb dieser urbanen Gluthölle. Ein Landgut der Fürstenfamilie Colonna, in dieser Region allmächtig, an einen Hügel angeschmiegt. Von Winden umspielt. Diese zerren an unseren Kleidern, unseren langen Haaren. Wir sind nur Künstlerinnen: eine Weiberkolonie im Sommerwind. Zwei Schriftstellerinnen, zwei Fotografinnen. Wie bannt man den Wind im Bild, hämmert ihn in Laptops? Astrid Kofler − meine schreibende Tiroler Paliano-Schwester − serviert Spinat-Knödel auf Weihnachtstellern. Wir lachen und essen Winterknödel auf Tannenbaum-Motiv im Jahrhundertsommer. Das Leben rustikal. Ich füttere den roten „Künstlerkater“ Giovanni, das Internet: ein Wunschgedanke trotz Datenstick, kein Musikgedröhne von YouTube. Mein what´s app streikt. Die Antwort kennt nur der Wind. Dieser Sommer gleicht einem Sommer meiner Kindheit: still, einfach und doch voller Magie. Ein Theater aus Wolken, Sonne, Wind. Laut werden die Buchstaben in meinem Kopf. Knistern wie Herbstlaub, zwingen mich zum Schreiben. Gerne im Wind. Da ich mich durchs heiße Rom gekämpft habe, weiß ich nun, wie mein Roman endet. Open end – windumtost. Juli Astrid Kofler „.... Er polierte ein Holzbrett zurecht, und er verknotete daran das Tau, auf die alte hohe Korkeiche kletterte er, die etwas oberhalb des Hauses stand, dort wo der Hügel in den Hang aus Oliven kippte. Eine sanfte Mulde trennte sie von Paliano, wo die Schule stand und di e Kirche, und nicht weit war es zu den Äckern und Feldern des Principe Colonna, für den der Vater und sein Vater vor ihm und die meisten Bewohner hier die Arbeit versahen....“ Paliano im Juli war eine wunderbare Herausforderung. Knappe vier Wochen bei 39, 40 Grad. Untertags saßen wir gern im Haus, denn draußen war es noch wärmer, und die alten Stallungen gaben uns das Gefühl von Schutz und Ruhe und Konzentriertheit. Wir haben geschrieben, das Zirpen der Zikaden, die unter der Hitze litten, war ohrenbetäubend. Wir haben es kaum bemerkt, für mich – und ich denke auch für meine Mitbewohnerin Jeannine - war diese Möglichkeit des Schreiben-Dürfens wie ein Fieber, das endlich ausbrechen durfte. Den Roman, der fiktiv ist und auch wieder nicht, da er sich an Zeitdokumente lehnt, die ich im Zuge meines journalistischen Broterwerbs hatte auffinden dürfen, hatte ich vor vier Jahren zu Hause begonnen. Zwischen Beruf und Familie hatte ich aber über die Jahre den Faden verloren, in Paliano konnte ich ihn wieder knüpfen, die Hauptdarstellerin bekam endlich ein Heimatdorf, das vor Jahren schon in der Nähe von Rom angesiedelt war, das nun durch diese wunderbare Fügung Paliano werden durfte. Paliano war aber nicht nur Schreiben, Paliano war auch Recherche: Es war in der Früh ins Dorf fahren und Gemüse kaufen und mit den Einheimischen plaudern, es war die Gegend kennenlernen, die so sehr im Schatten Roms steht, das war abends am Hügel sitzen und tagtäglich den Sonnenuntergang erleben, (es war schließlich auch einmal ein Sitzen bis in die Dunkelheit hinein – bis zu einer Begegnung mit einer Familie von Wildschweinen, die sich die langsam hellbraun färbenden Haselnüsse (nur wenige Meter über dem Atelier) von den Sträuchern holten. Aus der Idee, den ersten Seiten, sind 133 Seiten geworden. Natürlich sind sie noch roh und natürlich werde ich noch ein Paliano brauchen, bis der Roman so weit ist, ihn offiziell abzugeben. Es muss dann nicht wieder dieses wunderbare von den Bundesländern gemietete Haus sein, am Landgut des Principe di Colonna, obwohl ich mich danach sehne. Es wird dann ein kleines Zimmer sein im Dorf, denn leere Zimmer gibt es dort genug, ist doch Landflucht im südlichen Italien eine Tatsache, die mache Hügelstadt zu einer Geisterstadt werden lässt. Paliano wurde für mich zu einem Synonym des kompletten Abschalten-Könnens, des Mich-Konzentrieren-Dürfens, des NICHTAbgelenktseins, ja des Bei-Mir-Sein. Für mich als Mutter von drei Kindern, als Frau, die ihren Beruf, das Filmemachen, über alles liebt und sich deswegen auch schwer abgrenzen kann, war Paliano ein wunderbares Geschenk. Es ließ mich zu Ruhe kommen, und es inspirierte ungemein. Dafür danke ich von Herzen.
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